Baurecht

Ausübung eines Vorkaufsrechts zum Wohl der Allgemeinheit

Aktenzeichen  M 29 K 18.1907

Datum:
25.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53014
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 24 Abs. 3, § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. I. Der Bescheid der Beklagten vom 23. März 2018 wird aufgehoben.
2. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. III. Die Kostenentscheidung ist für Kläger und Beigeladene gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 23. März 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Unabhängig von der Wirksamkeit der Vorkaufsrechtssatzung ergibt sich die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom … März 2018 daraus, dass eine vorherige Anhörung der Betroffenen nicht erfolgt ist, die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt und der Bescheid ermessensfehlerhaft ist.
1. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Beklagte ist bereits aus formellen Gründen rechtswidrig, da die Kläger und die Beigeladene entgegen Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG nicht vor Erlass des Bescheides angehört wurden.
Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist vor dem Erlass eines Verwaltungsaktes, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die vorherige Anhörung der Beteiligten war auch nicht gemäß Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG entbehrlich.
Nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde. Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Die Anhörung der Kläger und der Beigeladenen hätte die Einhaltung der zweimonatigen Frist des § 28 Abs. 2 BauGB nicht in Frage gestellt. Die Beklagte hätte den Beteiligten eine vergleichsweise kurze Äußerungsfrist setzen können. Es wäre zur Ermittlung der Interessen der Beteiligten ausreichend gewesen, beide Vertragsparteien von der möglichen Ausübung zu informieren und etwa eine Äußerungsfrist von zwei Wochen zu setzen. Es wäre nach Ablauf der Äußerungsfrist ausreichend Zeit verblieben, um die Entscheidung innerhalb der Zweimonatsfrist zu treffen und zu begründen. Auch die erst am 22. März 2018 angesetzte Stadtratssitzung, bei der über die Ausübung des Vorkaufsrechts befunden wurde, rechtfertigt es nicht, auf die Anhörung zu verzichten. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, gerade für die Vorbereitung der Entscheidung des Stadtrates das Ergebnis einer vorherigen Anhörung der Beteiligten als Entscheidungsgrundlage zu ermitteln. Da es sich bei der Ausübung des Vorkaufsrechts um eine Ermessensentscheidung handelt, ist der Verfahrensfehler nicht nach Art. 46 BayVwVfG folgenlos. Eine Heilung gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 BayVwVfG ist nicht erfolgt, weil die gebotene Anhörung nicht bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt worden ist. Hierfür genügt es nicht, wenn im gerichtlichen Verfahren Schriftsätze ausgetauscht oder in der mündlichen Verhandlung Erklärungen abgegeben werden (BayVGH, U.v. 02.10.2013 – 1 BV 11.1944 – juris Rn. 32).
Auch durch den Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 24. Juli 2018 ist die erforderliche Anhörung nicht nachgeholt worden. Gemäß des Wortlauts der Beschlussvorlage ist der Stadtrat davon ausgegangen, dass durch die umfassende Einlassung der Kläger in der Klageschrift der Mangel geheilt ist. Die weiteren Ausführungen dienten ausdrücklich dazu, die Ermessensausübung zu ergänzen. Überdies hat die Beklagte durch die fehlende Anhörung den Klägern die Möglichkeit genommen, durch fristgerechte Erklärung i. S. v. § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB innerhalb der Zweimonatsfrist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB das Vorkaufsrecht abzuwenden.
2. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch materiell rechtswidrig.
a. Dabei kann dahinstehen, ob die Vorkaufsrechtssatzung der Beklagten vom 30. Januar 1995 wirksam ist, da der Bescheid jedenfalls aus anderen Gründen rechtswidrig ist.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann die Gemeinde in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht.
Die Vorschrift knüpft den Erlass einer Vorkaufsrechtssatzung an geringe tatbestandliche Voraussetzungen. Es genügt, dass die Gemeinde irgendwelche städtebaulichen Maßnahmen in Betracht zieht. Dieser Begriff ist weit zu verstehen. Darunter fallen alle Maßnahmen, die der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen, vorausgesetzt, sie weisen einen städtebaulichen Bezug auf. Förmlich konkretisierter Planungsabsichten bedarf es nicht (BVerwG, B.v. 14.04.1994 – 4 B 70/94 – juris Rn. 5). Materiell muss sich die Entwicklungsvorstellung der Gemeinde auf Gegenstände des Städtebaus beziehen, also insbesondere auf die in § 1 Abs. 6 und § 1a BauGB für die Bauleitplanung zusammengefassten Aufgabenfelder (Stock in EZBK, BauGB, Stand: September 2019, § 25 Rn. 14 ff.). Dem Tatbestandsmerkmal der Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung ist zu entnehmen, dass sich die Gemeinde des Sicherungsmittels, das ihr § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB an die Hand gibt, nur dann bedienen darf, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht. Die Vorkaufsrechtssatzung muss objektiv geeignet sein, zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) beizutragen. In eine Vorkaufsrechtssatzung dürfen daher grundsätzlich nur Flächen einbezogen werden, deren Erwerb der Verwirklichung der beabsichtigten städtebaulichen Maßnahmen dienen kann. Ein Vorkaufsrecht zur allgemeinen Bodenbevorratung oder zum Erwerb von Grundstücken, die zur Umsetzung der Planung der Gemeinde ersichtlich nicht benötigt werden, ist unzulässig. Bei der räumlichen Abgrenzung muss sich die Gemeinde von dem Sicherungszweck der Satzung leiten zu lassen. Die Gemeinde darf bei der Abgrenzung der Satzung aber auch Praktikabilitätsgesichtspunkte berücksichtigen. Im Ergebnis kommt es darauf an, dass die Abgrenzung im Lichte der zu sichernden Maßnahmen als vernünftig und sachgerecht angesehen werden kann (BayVGH, B.v. 24.02.2010 – 1 ZB 08.3231 – juris Rn. 34).
Vorliegend hat die Beklagte bei Erlass der Vorkaufsrechtssatzung und der Bestimmung der Grundstücksflächen, die in ihren Geltungsbereich fallen sollen, schon nicht berücksichtigt, dass nach Ausübung des Vorkaufsrechts am streitgegenständlichen Grundstück den Käufern ein in zwei Teile zerschnittenes Grundstück verbleibt, von dem das nord-östliche Teilstück in Form eines Dreiecks für den Eigentümer praktisch nicht mehr nutzbar ist. Dies gilt schon deshalb, weil es – wie der Augenschein gezeigt hat – durch einen Graben von der … getrennt ist und damit nach Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mehr erschlossen und durch einen Weg erreichbar ist. Diese Bewirtschaftungserschwernis – auch bezüglich der südlichen Restfläche mit ihrem dann spitz zulaufenden Ende – hätte bereits bei Erlass der Satzung berücksichtigt werden müssen.
Daher ist bereits die Wirksamkeit der Vorkaufsrechtssatzung betreffend das streitgegenständliche Grundstück fraglich. Dies kann vorliegend aber offenbleiben, da der Bescheid auch im Übrigen materiell rechtswidrig ist.
b. Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt (§ 25 Abs. 2 Satz 1, § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB), es also zur Erreichung des hinreichend konkretisierten städtebaulichen Sicherungszwecks der Satzung erforderlich ist. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben (§ 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Die Antwort auf die Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat sich an den Zielen zu orientieren, die mit den einzelnen Tatbeständen in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 BauGB bzw. hier § 25 Abs. 1 BauGB verfolgt werden (BVerwG, B.v. 25.01.2010 – 4 B 53/09 – juris Rn. 5). Dem Wohl der Allgemeinheit dient die Ausübung des Vorkaufsrechts also regelmäßig dann, wenn die städtebaulichen Gründe hierfür jenen entsprechen, die mit der jeweiligen Maßnahme bzw. Gebietsfestsetzung verfolgt werden (BayVGH, B.v. 8.8.2008 – 15 ZB 07.2925 – juris Rn. 21). Allgemeine bodenpolitische Erwägungen, z.B. die Absicht, Einheimischen Bauland zu verschaffen, rechtfertigen die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht (BVerwG, B.v. 25.01.2010 – 4 B 53/09 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 26.06.1985 – 1 B 84 A.1420 – juris LS). Ein die Ausübung des Vorkaufsrechtes rechtfertigendes Wohl der Allgemeinheit ist damit ein qualifiziertes sachlich objektives Interesse als Ergebnis einer Abwägung der im Einzelfall miteinander in Wettstreit stehenden privaten und öffentlichen Interessen (Stock in EZBK, BauGB, Stand: September 2019, § 24 Rn. 63).
Ein solches ist vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid als städtebauliches Entwicklungsziel die Sicherung der Grün- und Kleingartenplanung angegeben. Die Eingrünung des Ortsrands führe zu einer harmonisierenden Einfügung der Siedlung in das Landschaftsbild und grenze auf vorrangwürdige Weise Bebauung und freie Natur voneinander ab.
Hierbei hat die Beklagte jedoch nicht berücksichtigt, dass das streitgegenständliche Grundstück bereits jetzt – über die entsprechende Darstellung im Flächennutzungsplan hinaus – als Grünfläche genutzt wird; eine in diesem Sinne harmonische Einfügung der Siedlung in das Landschaftsbild und eine Abgrenzung der Bebauung von der freien Natur liegen daher bereits vor. Die in der Klageerwiderung vorgebrachten Ausführungen, dass zur Ortsrandeingrünung Bäume und Sträucher gepflanzt werden müssten, ergibt sich nicht aus der Vorkaufsrechtssatzung – was aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs der städtebaulichen Maßnahmen in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB auch nicht erforderlich ist -, jedoch auch nicht aus dem streitgegenständlichen Bescheid. Zumindest dann hätte zur nachvollziehbaren Begründung des Wohls der Allgemeinheit eine konkretere Auseinandersetzung mit den geplanten und aus Sicht der Beklagten erforderlichen Maßnahmen zur Ortsrandeingrünung erfolgen müssen. Im Übrigen befinden sich an der Westgrenze des benachbarten Grundstücks N.-straße … südlich des Bestandsgebäudes mehrere größere Bäume, die sich deutlich nach Süden hinziehen. Nördlich des Grabens, der am streitgegenständlichen Grundstück verläuft, steht eine größere, durchaus dominante Eiche. Auch westlich angrenzend an das streitgegenständliche Grundstück zieht sich in etwa in Nord-Süd-Richtung eine Baum- und Strauchreihe hin. Warum das Wohl der Allgemeinheit hier eine weitere Baum- und Strauchreihe in diagonaler südöstlicher Richtung erfordert, selbst wenn teilweise eine landwirtschaftliche Nutzung stattfinden würde, ist nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus dem Bescheid vom … März 2018. Weiter ergibt sich hieraus auch nicht und es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum die momentane intakte Gestaltung mit Bäumen und Sträuchern an mehreren Stellen sich in naher Zukunft ändern sollte und deshalb eine Beeinträchtigung der Ziele und Zwecke der Vorkaufsrechtssatzung bevorstehen sollte.
Auch das eigentliche Ziel der Beklagten für die Ausübung ihres Vorkaufsrechts, nämlich die Verhinderung spekulativer Absichten, das nicht im Bescheid, sondern erst in der Klageerwiderung vom 11. Juli 2018 genannt wurde, entspricht offensichtlich nicht dem in der Satzung festgelegten Ziel der Sicherung der Grün- und Kleingartenplanung und rechtfertigt nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts, da dies über die mit der Satzung verfolgten Ziele hinausgeht. Dies gilt umso mehr, als das Grundstück im Außenbereich liegt, die Fläche im Flächennutzungsplan als Grünfläche und landwirtschaftliche Fläche dargestellt ist und auch so genutzt wird. Eine Wohnbebauung wäre damit planungsrechtlich unzulässig bzw. es liegt allein in der Hand der Beklagten, diesen momentanen planungsrechtlichen Zustand des streitgegenständlichen Grundstücks beizubehalten oder zu ändern.
(1) Ein Grundstück liegt im Außenbereich, wenn es nicht Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB ist. Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist entscheidend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – juris Rn 17; B.v. 2.4.2007 – 4 B 7/07 – juris Rn. 4). Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu befinden (BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 11 m.w.N.). Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper (BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 5 f.).
Das streitgegenständliche Grundstück befindet sich nach dem Ergebnis des Augenscheins nicht in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB; es ist vielmehr im vorliegenden Fall von einer Lage am Ortsrand auszugehen, die dem Außenbereich zugehört, da es sich um eine unbebaute grüne Wiese am Ortsrand handelt, die nur an zwei Seiten an prägende Bebauung angrenzt, nämlich im Nordosten an das benachbarte Wohnhaus auf der Fl.Nr. ..1, … 9, und im Norden an die Wohnhäuser in der …, konkret an das Grundstück mit der Fl.Nr. …/9, … … In südlicher und westlicher Richtung schließen sich an das streitgegenständliche Grundstück große, zum Zeitpunkt des Augenscheins teilweise landwirtschaftlich genutzte und völlig unbebaute Freiflächen an, die unzweifelhaft dem Außenbereich zuzuordnen sind. Das streitgegenständliche Grundstück selbst wird zurzeit als Grünfläche genutzt.
Auch die nord-östliche Spitze des streitgegenständlichen Grundstücks erscheint nicht gleichsam als „Baulücke“ zu der genannten hierzu nördlich und östlich gelegenen Bebauung im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 15.84 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – juris Rn. 17). Von einer von der genannten Rechtsprechung geforderten „zwanglosen Fortsetzung“ der vorhandenen Bebauung kann bei dem streitgegenständlichen Grundstück in Anbetracht der örtlichen Gegebenheiten nicht gesprochen werden. Das angrenzende, östlich auf der Fl.Nr. ..1, …, liegende Wohnhaus vermag zur Bebauung auf der nördlichen Seite des Grundstücks auf der Fl.Nr. 56/9, … …, nicht zu einer Umklammerung des streitgegenständlichen Grundstücks führen.
(2) Bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich können zwar auch topographische Verhältnisse eine Rolle spielen. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o. ä.) ein oder mehrere unbebaute Grundstücke zuzuordnen. Maßgeblich ist dabei, ob diese topographischen oder geographischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln. Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein, wobei zu fragen ist, ob sich tragfähige Argumente dafür finden lassen, mit denen sich die Anwendbarkeit der Vorschriften über den unbeplanten Innenbereich rechtfertigen lässt (BVerwG, B. v. 8.10.2015 – 4 B 28/15 – juris Rn. 6).
Die auf dem benachbarten, westlichen Grundstück mit der Fl.Nr. ..9 liegende Baum- und Strauchreihe vermag vorliegend keine solche topographische Besonderheit darzustellen, um das streitgegenständliche Grundstück noch als innerhalb einer natürlichen Grenze der im Zusammenhang bestehenden Bebauung und den Eindruck ihres Abschlusses vermitteln zu können (BVerwG, B. v. 8.10.2015 – 4 B 28/15 – juris Rn. 6). Nach dem beim Augenschein gewonnenen konkreten Eindruck ist es nicht so, dass die westlich des streitgegenständlichen Grundstücks liegenden „Geländehindernisse“ die Grünfläche als noch zum Bebauungszusammenhang gehörig erscheinen lassen. Der sich im Westen an die Freifläche anschließende Baumbestand tritt bei wertender Betrachtung letztlich nicht als besonders markant in Erscheinung, wobei hinzukommt, dass sich unmittelbar westlich des Baumbestands wieder eine Grünfläche befindet.
c. Schließlich ist damit der Bescheid vom 23. März 2018 auch ermessensfehlerhaft. Die im Ermessen der Gemeinde liegende Ausübung des Vorkaufsrechts muss nicht nur dem Wohl der Allgemeinheit dienen, sondern auch den gewichtigen Belangen der Betroffenen Rechnung tragen (BVerwG, B.v. 26.4.1993 – 4 B 31.93 – juris Rn. 37).
Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechtes hat die Gemeinde im Rahmen dieser Ermessensentscheidung das Interesse der Beteiligten mit dem öffentlichen Interesse abzuwägen und darüber zu befinden, ob die Ausübung des Vorkaufsrechtes unter der Berücksichtigung dieser Interessen gerechtfertigt ist (BayVGH, U.v. 06.02.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 23 ff.).
Ob die gesetzlichen Ausübungsvoraussetzungen erfüllt sind, beurteilt sich nach den konkreten Erwägungen der Gemeinde im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtwidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Nach § 114 Satz 2 VwGO kann eine Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Letzteres setzt jedoch voraus, dass die Verwaltungsbehörde grundsätzlich erkannt hat, dass ihr ein Ermessen zusteht und dies auch ausgeübt hat (BayVGH, U.v. 06.02.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 23). Eine neue „Richtung“ oder ein Austausch der Gründe für den Vorkauf ist auch auf Grundlage dieser Regelung nicht zulässig. Tragen die angegebenen Gründe die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht, kann die Gemeinde diesen Mangel also nicht nachträglich im gerichtlichen Verfahren beseitigen. So kann der anfangs genannte Verwendungszweck nicht mehr durch einen anderen ersetzt werden Die Adressaten des Verwaltungsakts wären andernfalls hinsichtlich der sachgerechten Einlegung von Rechtsmitteln beschränkt (Stock in EZBK, BauGB, Stand: September 2019, § 24 Rn. 66).
Hier liegt kein Ermessensnichtgebrauch vor, auch wenn die Ermessenserwägungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid äußerst knapp ausgefallen sind, wobei der Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 22. März 2018, soweit er keinen Eingang in den streitgegenständlichen Bescheid gefunden hat, selbstverständlich nicht herangezogen werden kann, da er nicht zum Bestandteil des Bescheids gemacht wurde. Der Bescheid vom … März 2018 enthält Ausführungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausübung des Vorkaufsrechts und deren Geltungsbereich für das verfahrensgegenständliche Grundstück sowie das Vorliegen des Wohls der Allgemeinheit und den Verwendungszweck „Ortsrandeingrünung“. Dass die Ausübung des Vorkaufsrechts eine Ermessensentscheidung darstellt, kommt letztlich sehr knapp zum Ausdruck. Es finden sich inhaltlich – mit einem Satz – Erwägungen zu den gegenläufigen Interessen der Kläger am Erwerb des Grundstücks.
Es liegen auch trotz des erneuten Vortrags des Bevollmächtigten der Beklagten im gerichtlichen Verfahren – wobei schon fraglich ist, ob es sich hierbei nicht um einen unzulässigen Austausch von Gründen handelt – Ermessensfehler vor, da die Beklagte in ihre Ermessensentscheidung Erwägungen eingestellt hat, die nicht zweckmäßig sind und bestimmte Aspekte nicht in ihre Abwägung miteinbezogen hat.
Als den die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigenden öffentlichen Belang hat die Beklagte die Ortsrandeingrünung genannt. Hierbei hat sie nicht berücksichtigt, dass das streitgegenständliche Grundstück bereits als Grünfläche genutzt wird und nicht aufgezeigt, weshalb eine Ortsrandeingrünung nach ihrer Auffassung noch nicht vorliegt. Dass die aktuelle Nutzung des Grundstücks dem mit der Vorkaufsrechtssatzung verfolgten Sicherungszweck abträglich wäre, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Ebenso wenig hat sie begründet, warum eine Bepflanzung mit Bäumen und Sträuchern gerade auf der ausgewiesenen Fläche für die Eingrünung des Ortsrandes angesichts der bereits vorhandenen Baum- und Strauchreihe östlich und westlich des betroffenen Grundstücks – auch in naher Zukunft – vonnöten sein soll.
Weiterhin hätte die Beklagte den Aspekt der Verhinderung spekulativer Absichten nicht in ihre Ermessenserwägungen miteinbeziehen dürfen, da dieser gerade für den mit der Vorkaufsrechtssatzung verfolgten Zweck der Sicherung der Grün- und Kleingartenplanung ohne Belang ist. Selbst wenn die Kläger mit dem Kauf des streitgegenständlichen Grundstücks solche Absichten verfolgen würden, wäre dies der Ortsrandeingrünung in diesem Bereich nicht abträglich. Wie oben bereits ausgeführt, liegt das Grundstück im Außenbereich und wird der Darstellung im Flächennutzungsplan entsprechend als Grünfläche genutzt. Die Kläger als Käufer vermögen an diesem Umstand nichts zu ändern.
Zuletzt kann die Beklagte in ihren Ermessenserwägungen nicht aufzeigen, warum eine nach ihren Vorstellungen angestrebte Ortrandeingrünung auch angesichts der vorherrschenden Umstände von solchem öffentlichen Gewicht wäre, dass sie die Zerschneidung des streitgegenständlichen Grundstücks rechtfertigen würde. Sie hat in keiner Weise berücksichtigt, dass durch die Ausübung des Vorkaufsrechts die Bewirtschaftung des dann südlichen Teils des Grundstücks durch den entstehenden Spitzes erheblich erschwert wäre, und darüber hinaus, dass das dann verbleibende nördliche Dreieck für die Kläger völlig nutzlos und, da durch einen Graben von der N.-straße getrennt, auch nicht mehr erreichbar ist.
3. Nach alledem war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Beklagte trägt billigerweise auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff ZPO.


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