Baurecht

Baueinstellung gegen Aufschüttung

Aktenzeichen  Au 4 K 19.1149

Datum:
29.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25211
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 9, Art. 75 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Für eine Baueinstellung nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 BayBO genügt die formelle Rechtswidrigkeit; auf die Frage der Genehmigungsfähigkeit der beanstandeten Maßnahmen kommt es nicht an. Die Einstellung von Arbeiten kann bereits dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese gegen die einschlägigen Vorschriften verstoßen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Aufschüttung ist eine künstliche auf Dauer angelegte Veränderung der natürlichen (oder ihr gleichstehenden) Geländeoberfläche durch Erhöhung des Bodenniveaus; auf das Material der Aufschüttung kommt es nicht an. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat eine Person eine andere zu einer Verrichtung bestellt und verursacht der Verrichtungsgehilfe eine Gefahr oder Störung in Ausführung der Verrichtung, so kann eine Maßnahme auch gegen den Auftraggeber gerichtet werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Parteien ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden.
Nach allgemeiner Auffassung ist für eine Baueinstellungsverfügung aufgrund Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO die formelle Rechtswidrigkeit ausreichend; auf die Frage der Genehmigungsfähigkeit der beanstandeten Maßnahmen kommt es nicht an (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.672 – juris Rn 8 f. und 14 m.w.N.). Dabei kann die Einstellung von Arbeiten bereits dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Arbeiten gegen die einschlägigen Vorschriften verstoßen (BayVGH, a.a.O., Rn. 10). Ein Verstoß gegen formelles (oder materielles) Baurecht muss nicht verwirklicht sein; vielmehr reichen schon objektive, konkrete Anhaltspunkte dafür aus, dass ein solcher Zustand geschaffen werden kann (BayVGH, B.v. 5.10.2006 – 14 ZB 06.1133 – juris Rn. 2).
Vorliegend sind solche objektiven konkreten Anhaltspunkte, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell widersprechender Zustand geschaffen wird, gegeben. Diese Verdachtsmomente reichen dafür aus, zu bezweifeln, dass der Kläger nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO verfahrensfreie Aufschüttungen vornimmt.
Ausweislich der Baukontrolle vom 2. Juli 2019 und den im Zusammenhang damit eingeholten fachlichen Stellungnahmen und Informationen sowie der Einlassung des Klägers wurden auf den Grundstücken Fl.Nrn., … und … Aufschüttungen vorgenommen. Eine Aufschüttung ist eine künstliche auf Dauer angelegte Veränderung der natürlichen (oder ihr gleichstehenden) Geländeoberfläche durch Erhöhung des Bodenniveaus; auf das Material der Aufschüttung kommt es nicht an (Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, Stand Dez. 2019, Art. 57 Rn. 249). Bei Überschreiten der Freigrenze von 500 m² Gesamtfläche ist die Aufschüttung genehmigungspflichtig (Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, Stand Dez. 2019, Art. 57 Rn. 250).
Der Beklagte hat im Aktenvermerk vom 3. Juli 2019 nachvollziehbar und schlüssig ausgehend von der gemessenen Breite und Länge vierer Teilflächen eine Gesamtfläche von rund 650 m² errechnet (Behördenakte Bl. 49 f.). Daraus folgt, dass jedenfalls konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die begonnenen Aufschüttungen nicht verfahrensfrei erfolgen können. Dieser Annahme wird durch den pauschalen Vortrag des Klägers, wonach die Aufschüttung eine Fläche von 500 m² unterschreite, nicht substantiiert entgegengetreten.
Die Baueinstellung richtete sich auch gegen den richtigen Adressaten. Die Baueinstellungsverfügung ist an eine Person zu richten, die öffentlich-rechtlich für die beanstandeten Maßnahmen nach den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätzen verantwortlich ist. Zur Verantwortlichkeit des Adressaten reicht es aus, dass er für die sofortige Einstellung der (Bau-)Arbeiten sorgen sowie entschieden und nachhaltig auf die Unterlassung weiterer (Bau-)Arbeiten dringen kann. Es ist nicht Aufgabe der Baubehörde, schwierige und zeitraubende Untersuchungen tatsächlicher sowie rechtlicher Art im Zusammenhang mit der Ermittlung aller in Frage kommender Störer durchzuführen. Die Handlungs- und Zustandsverantwortlichkeit ist dabei verschuldensunabhängig (vgl. VG Augsburg, U.v. 17.10.2014 – Au 4 K 13.42 u.a. – juris Rn. 96 m.w.N.). Hat eine Person – wie hier – eine andere zu einer Verrichtung bestellt und verursacht dieser Verrichtungsgehilfe eine Gefahr oder Störung in Ausführung dieser Verrichtung, so kann die Maßnahme auch gegen den Auftraggeber gerichtet werden. Ihm wird das Fehlverhalten des zur Bauausführung eingesetzten Bauarbeiters zugerechnet (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2001 – 26 ZB 99.2680 – juris Rn. 15 f.). Diese Zurechnung gilt nur dann nicht, wenn der Verrichtungsgehilfe bei Gelegenheit der Verrichtung gehandelt hat, wenn also kein innerer Zusammenhang mit dem erteilten Auftrag mehr bestand (Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Dez. 2019, Art. 76 Rn. 162 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat insofern selbst eingeräumt, einem Dritten erlaubt zu haben, Aushubmaterial auszubringen.
Die Baueinstellung erfolgte auch ermessensgerecht. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann und soll bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen regelmäßig eine Baueinstellungsverfügung ergehen (intendiertes oder Regelermessen; BayVGH, B.v. 2.8.2000 – 1 ZB 97.2669 – juris Rn. 5; B.v. 14.10.2013 – 9 CS 13.1407 – juris Rn. 15). An die Ermessensausübung sind in solchen Fällen nur geringe Anforderungen zu stellen. Mit diesen Vorgaben steht die Begründung der streitgegenständlichen Anordnung in Einklang. Insbesondere sind vorliegend Anhaltspunkte für ein genehmigungspflichtiges Bauvorhaben gegeben (vgl. B.v. 14.10.2013 – 9 CS 13.1407 – juris Rn. 15; B.v. 24.1.2002 – 2 ZS 01.2346 – juris Rn. 2).
Auch hinsichtlich des in Ziff. 3. des Bescheides angedrohten Zwangsgelds bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Androhung ist auch hinreichend bestimmt und angemessen. Sie bezieht sich ausdrücklich auf den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Baueinstellungsverfügung gemäß Ziff. 1. des Bescheides und damit auf die Fortsetzung von Aufschüttungen auf den Fl.Nr., … und … Gemarkung ….
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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