Baurecht

Baugenehmigung für die Errichtung einer Außentreppe an eine landwirtschaftliche Maschinen- und Lagerhalle im Außenbereich

Aktenzeichen  Au 5 K 17.1592

Datum:
26.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 22578
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 lit. d, Art. 68 Abs. 1 S. 1
VwGO § 75 S. 2, § 161 Abs. 3

 

Leitsatz

Stellt sich eine geplante Außentreppe in der beantragten Ausführung als eine Erweiterungsmaßnahme einer errichteten landwirtschaftlichen Maschinen- und Lagerhalle dar und würde sie dadurch einen vom Eigentümer selbst geschaffenen baurechtswidrigen Zustand perpetuieren, so dient sie nicht diesem landwirtschaftlichen Betrieb. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber in Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der von ihm beantragten Baugenehmigung.
1. Die in Gestalt der Untätigkeitsklage erhobene Verpflichtungsklage ist nach § 75 Satz 1 und Satz 2 VwGO zulässig.
Das Landratsamt … hat im Zeitpunkt der Klageerhebung am 20. Oktober 2017 über den Bauantrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden und die in § 75 Satz 2 VwGO genannte Frist von drei Monaten seit Antragstellung war bereits abgelaufen. Die im Schreiben des Landratsamts … vom 19. Juli 2017 dem Kläger angekündigte geplante Entscheidung über den am 18. April 2017 beim Landratsamt … eingegangenen Bauantrag in Form seiner Ablehnung erfolgte bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2018 nicht. Innerhalb dieser sechs Monate nach Eingang des Bauantrags beim Landratsamt … wäre gerade auch im Hinblick auf den zur Genehmigung gestellten Gegenstand eine Verbescheidung möglich und zu erwarten gewesen.
Ein zureichender Grund im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO, wonach das Landratsamt … nicht innerhalb einer angemessenen Frist hätte sachlich entscheiden können, ist nicht erkennbar. Ein solcher liegt auch nicht in der von der Beigeladenen am 28. November 2017 beschlossenen Veränderungssperre. Zum einen war diese für den maßgeblichen Zeitraum ab Antragstellung bis Klageerhebung nicht relevant, da sie erst mehr als sechs Wochen nach Klageerhebung am 5. Dezember 2017 bekannt gemacht und bereits mit Bekanntmachung vom 16. Mai 2018 wieder aufgehoben wurde. Zum anderen stellt eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB keinen zureichenden Grund im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO dar, der eine Verzögerung der Entscheidung der Behörde rechtfertigen würde. Steht eine Veränderungssperre einem Vorhaben entgegen, ist dieses bauplanungsrechtlich unzulässig (BayVGH, B.v. 9.9.2013 – 14 ZB 12.1899 – juris Rn. 3) und infolgedessen abzulehnen. Da auch nach der Aufhebung der Veränderungssperre der Beklagte den gestellten Antrag auf Baugenehmigung nicht verbeschieden hat, war das Verfahren auch nicht nach § 75 Satz 3 VwGO vom Gericht bis zum Ablauf einer von ihm zu bestimmenden Frist zu verlängern gewesen.
Die Regelfrist des § 75 Satz 2 VwGO von drei Monaten seit dem Bauantrag wurde mit Klageerhebung am 20. Oktober 2017 eingehalten.
2. Die Klage ist in der Sache nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu, da das Vorhaben der Außentreppe nicht genehmigungsfähig ist. Durch das Unterlassen der Erteilung der Baugenehmigung wurde der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO hat der Bauherr einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
a) Die beantragte Außentreppe ist nach Art. 55 Abs. 1 BayBO als isolierte selbstständige bauliche Anlage zur bestehenden landschaftlichen Maschinen- und Lagerhalle genehmigungspflichtig. Diese Maschinen- und Lagerhalle wurde abweichend von den mit Bescheid vom 10. Februar 2012 genehmigten Plänen errichtet. Die in der Stellungnahme des AELF vom 29. Mai 2017 enthaltenen diesbezüglichen Feststellungen entsprechen den beim Augenscheinstermin gewonnenen Eindrücken des Gerichts. Die aus diesen Abweichungen von der ursprünglichen Genehmigung resultierende, vom Kläger begehrte erweiterte Möglichkeit des Zugangs zum Obergeschoss auf der Nordseite der errichteten Maschinenhalle verleiht der streitgegenständlichen Außentreppe eine eigenständige baurechtliche Relevanz, die ihre isolierte Genehmigungspflichtigkeit zur Folge hat.
Es liegt keine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 BayBO vor. Insbesondere ist die streitgegenständliche Außentreppe nicht als eine andere unbedeutende Anlage bzw. als ein unbedeutender Anlagenteil im Sinne des Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 f) BayBO verfahrensfrei. Auch wenn nicht überdachte Außentreppen als unbedeutend eingeordnet werden können (Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, Stand: März 2018, Art. 57 Rn. 378; VG Augsburg, U.v. 28.4.2010 – Au 4 K 09.1748 – juris Rn. 37), gilt dies vorliegend nicht für die vom Kläger begehrte Anlage. Der Vergleich der streitgegenständlichen Außentreppe mit den in Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 f) BayBO aufgelisteten Beispielen zeigt, dass sie in ihrer Kubatur und ihrem Umfang über das hinausgeht, was noch als verfahrensfreie unbedeutende Anlage bzw. Anlagenteil angesehen werden kann. Die geplante verzinkte Stahlaußentreppe soll 3,56 m breit, 4,36 m lang und insgesamt 5,50 m hoch sein. Die Stahltreppe wird zudem an der Nordseite des Obergeschosses um einen balkonartigen Freigang in einer Länge von etwa 10 m und einer Tiefe von 1,06 m fortgesetzt. Diese Konstruktion prägt in ihrem Ausmaß sowohl die Ost- als auch die Nordfassade nicht nur im Bereich eines Geschosses, sondern in einem sich über beide Geschosse erstreckenden Areal. Bei den in Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 f) BayBO – welcher als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, a.a.O., Art. 57 Rn. 374) – aufgeführten Beispielen handelt es sich jedoch ausschließlich um Anlagen bzw. Anlagenteile, die den Bereich eines Geschosses und nicht die gesamte Fassade eines Gebäudes über mehrere Geschosse hinweg mitprägen (VG München, U.v. 2.5.2013 – M 11 K 12.3005 – juris Rn. 20).
b) Das Vorhaben ist jedoch nicht genehmigungsfähig. Da es keinen Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, sind Prüfungsmaßstab nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren die Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB und die Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO.
Die beantragte Außentreppe verstößt gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. §§ 29 ff. BauGB, da sie als ein im Außenbereich befindliches Vorhaben nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient.
Das Vorhaben ist aus bauplanungsrechtlicher Sicht dem Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB zuzuordnen, da das Grundstück weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans – den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … „…“ in … vom 28. November 2017, welcher auch das Grundstück des Klägers umfassen sollte, hat die Beigeladene samt der Veränderungssperre mit Bekanntmachung vom 16. Mai 2018 wieder aufgehoben – noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegt. Dies ist zwischen allen Beteiligten unstreitig und hat sich durch den am 17. Juli 2018 durchgeführten Augenscheinstermin sowie durch die Auswertung von Luftbildern und Katasterauszügen bestätigt.
aa) Die Außentreppe ist jedoch nicht nach § 35 BauGB genehmigungsfähig, da es sich nach Auffassung der Kammer entgegen dem Klagevorbringen nicht um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handelt.
Nach dieser Vorschrift ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt.
Die beantragte Außentreppe ist kein privilegiertes Vorhaben in diesem Sinne, denn sie dient nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers. Zwar handelt es sich bei der vom Kläger betriebenen Bewirtschaftung, auch in der Form des Nebenerwerbs, um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 201 BauGB, da es sich um eine betrieblich organisierte, planmäßig und eigenverantwortlich vorgenommene Bodenbewirtschaftung handelt (BVerwG, B.v. 16.3.1993 – 4 B 15/93 – juris Rn. 5). Dies entspricht auch der fachlichen Einschätzung des AELF vom 29. Mai 2017 und wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Das Gericht sieht keine Veranlassung, die fachliche Einschätzung des AELF in Zweifel zu ziehen.
Jedoch dient die Außentreppe nicht diesem landwirtschaftlichen Betrieb. Ein Vorhaben dient dann einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn es – auch äußerlich erkennbar – nach Verwendungszweck, Größe, Gestaltung, Ausstattung und sonstiger Beschaffenheit dem Betrieb zu- und untergeordnet ist. Hierfür reicht nicht aus, dass das Vorhaben die Bewirtschaftung des Betriebes erleichtert oder irgendwie fördert. Andererseits ist aber auch nicht erforderlich, dass das Vorhaben für die Bewirtschaftung des Betriebs unentbehrlich ist. Für das Merkmal des Dienens muss vielmehr darauf abgestellt werden, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Dabei ist für die Beziehung des Vorhabens zum Betrieb die konkrete Betriebsweise maßgeblich. Zu den Merkmalen, die das Vorhaben als dem landwirtschaftlichen Betrieb dienend prägen müssen, gehört auch dessen räumliche Zuordnung zu den landwirtschaftlichen Betriebsflächen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1972 – IV C 9.70 – BVerwGE 41, 138 und juris Rn. 18 f.; U.v. 22.11.1985 – 4 C 71.82 – NVwZ 1986, 644 und juris Rn. 12, 14; U.v. 16.5.1991 – 4 C 2.89 – NVwZ-RR 1992, 400 und juris Rn. 17 f.; Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2018, § 35 Rn. 34). Im Kriterium des Dienens spiegelt sich der Grundgedanke des § 35 BauGB – der größtmögliche Schutz des Außenbereichs vor einer diesem wesensfremden Bebauung – wider (vgl. BayVGH, U.v. 30.11.2006 – 1 B 03.481 – NVwZ-RR 2007, 664 und juris Rn. 18; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 35 Rn. 34).
Gemessen an diesen Grundsätzen dient die beantragte Außentreppe nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers. Das AELF lehnt in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2017 das Dienen der Außentreppe für den landwirtschaftlichen Betrieb ab. In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Vertreter des AELF die Begründung dahingehend, dass das AELF die Zustimmung zur Privilegierung der Maschinen- und Lagerhalle nicht erteilt hätte, wenn die Pläne von Anfang an so vorgelegen hätten, wie das Vorhaben nun verwirklicht worden sei. Der fachliche Vertreter wies zudem darauf hin, dass der Betrieb des Klägers sich hinsichtlich seiner Größe an der Schwelle zur Privilegierung befinde und man zu seinen Gunsten noch von einer Privilegierung ausgegangen sei. Die streitgegenständliche Außentreppe diene allerdings nicht mehr einem landwirtschaftlichen Betrieb.
Dieser Auffassung folgt die Kammer. Die Begründung des Klägers dafür, dass der Zugang zum Obergeschoss nicht wie ursprünglich geplant an der Ostseite des Gebäudes, sondern abweichend davon an der Nordseite des Gebäudes realisiert wurde, wodurch die nunmehr beantragte Außentreppe nötig werde, führt nicht dazu, dass die Außentreppe als dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers dienend angesehen werden kann. Nach den Aussagen des Klägers ging er zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes davon aus, dass er das östlich gelegene, unmittelbar anschließende Nachbargrundstück mit der Fl.Nr. … der Gemarkung … erwerben könne und dass über dieses die Zufahrt zu dem ursprünglich an der Ostseite des Gebäudes geplanten Schiebetor erfolgen sollte. Jedoch habe er das Grundstück in der Folge nicht erwerben können und ein Zugang zum Obergeschoss über die nunmehr an der Ostseite aufgeführte Türe sei nicht möglich gewesen, da das Gelände dort insgesamt zu steil sei und er die Tiefe von 7 m mit Hubgeräten nicht überbrücken könne. Dies sei nur von der Nordseite aus möglich. Auch eine Umfahrt des Gebäudes über die West- und Südseite zur Ostseite sei nicht möglich, weil das Gelände an der Südseite zu steil sei. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass eine Zufahrt auf dem eigenen Grundstück zu dem ursprünglich geplanten, auf der Ostseite gelegenen Schiebetor angesichts der Hanglage nicht möglich sei.
Daraus folgt, dass die Außentreppe nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers zugeordnet ist, da sie diesen nicht fördert. Entscheidend ist nicht der behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion, denn Vorhaben, die zwar objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, sollen verhindert werden, wenn mit ihnen in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden (BayVGH, B.v. 29.6.2018 – 1 ZB 16.1757 – juris Rn. 4; B.v. 14.8.2013 – 1 ZB 11.990 – juris Rn. 3; U.v. 30.11.2006 – 1 B 03.481 – NVwZ-RR 2007, 664 und juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 16.5.1991 – 4 C 2/89 – DÖV 1992, 73 und juris Rn. 17).
Die Außentreppe ist in der beantragten Ausführung eine Erweiterungsmaßnahme der errichteten Maschinen- und Lagerhalle, denn ursprünglich war bei diesem Gebäude an der Nordseite keine bodentiefe unmittelbare Zugangsmöglichkeit vorgesehen, sondern nur eine Reihe aus drei nicht bodentiefen Fenstern. Die beantragte Außentreppe soll zur planabweichend in die Nordseite eingepassten Türöffnung führen. Dadurch würde sie den vom Kläger selbst geschaffenen baurechtswidrigen Zustand perpetuieren.
Dieser baurechtswidrige Zustand ergibt sich einerseits daraus, dass die vom Kläger im Obergeschoss hinsichtlich der Türen und Fenster vorgenommenen Abweichungen von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben (Einbau von drei anstatt zwei Fenstern in die Westseite, Einbau von zwei Türen sowie drei Fenstern in die Südseite, wobei letztere abweichend von deren ursprünglich geplanten Lage eingebaut wurden, Einbau nur eines Fensters sowie einer Türe anstatt von drei Fenstern in die Nordseite, Einbau einer Türe in die Mitte der Ostseite anstatt einer ursprünglich dort vorgesehenen Schiebetür an der linken Seite der Ostseite) nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 d) BayBO verfahrensfrei sind. Voraussetzung für die Einordnung als verfahrensfreies Vorhaben ist, dass es sich um ein in jeder Hinsicht selbstständiges Einzelvorhaben handelt, welches nicht unselbstständiger Teil eines einheitlich auszuführenden Gesamtvorhabens ist (Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, Stand: März 2018, Art. 57 Rn. 12). Da ein selbstständiges Einzelvorhaben voraussetzt, dass es nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausführung eines Vorhabens steht, stellt Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 d) BayBO eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar, denn nach dieser Vorschrift sind Fenster und Türen auch vor Fertigstellung der Anlage verfahrensfrei (BayVGH, B.v. 5.4.2016 – 2 CS 16.467 – BayVBl. 2016, 708 und juris Rn. 5; Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, a.a.O., Art. 57 Rn. 13). Allerdings greift diese Ausnahme des Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 d) BayBO nur insoweit, als es sich um Änderungen eines Bauvorhabens handelt, die für sich gesehen verfahrensfrei wären, also in jeder Hinsicht selbstständige Einzelvorhaben, wobei Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 d) BayBO nur über das Erfordernis des engen zeitlichen Zusammenhangs hinweghilft. Dies entspricht Sinn und Zweck des Art. 57 BayBO, die Baubehörde bei untergeordneten und unbedeutenden Anlagen zu entlasten, was nur in Konstellationen erreicht werden kann, in denen diese Anlagen Einzelvorhaben darstellen und die Baubehörde nicht ohnehin mit dem Vorhaben befasst ist (Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, Stand: März 2018, Art. 57 Rn. 12). Gemessen daran handelt es sich bei den vorgenommenen Änderungen hinsichtlich der Türen und Fenster nicht um selbstständige Einzelvorhaben. Die Fenster und Türen waren Teil der am 10. Februar 2012 genehmigten Lager- und Maschinenhalle, wurden mit dieser als Einheit geplant und stehen mit dieser in baulicher Verbindung. Zudem will Art. 57 BayBO nur weniger bedeutsame Vorhaben von der Genehmigungspflicht freistellen. Die vom Kläger vorgenommenen Änderungen der Fenster und Türen können jedoch angesichts ihres Ausmaßes nicht mehr als weniger bedeutsam eingeordnet werden. Dies gilt vorliegend umso mehr, als Größe und Anordnung der Zufahrts- und Zugangsmöglichkeiten sowie der Öffnungen zur Belüftung unmittelbare Auswirkungen auf die Funktionalität des Vorhabens haben und damit die Frage der Privilegierung selbst betreffen. Daher ist eine Aufteilung der geplanten Maschinen- und Lagerhalle in verschiedene, rechtlich selbstständig als genehmigungsfrei oder genehmigungspflichtig zu beurteilende Baumaßnahmen nicht möglich (zu dieser Aufteilung von als Einheit geplanten Bauvorhaben Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, a.a.O., Art. 57 Rn. 14). Darüber hinaus würde selbst eine angenommene Verfahrensfreiheit der planabweichend geschaffenen Fenster – und Türöffnungen nach Art. 55 Abs. 2 BayBO nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung öffentlich-rechtlicher Anforderungen, hier insbesondere aus § 35 BauGB an bauliche Anlagen entbinden. Insbesondere wäre eine angenommene Verfahrensfreiheit aus Art. 57 BayBO nicht in der Lage, die durch planabweichende Errichtung geschaffene funktionelle Erweiterung – Zugang zum Obergeschoss auf der Nordseite – zu legalisieren. Die Identität der Maschinen- und Lagerhalle wurde nicht gewahrt, sondern geändert, was sich gerade daran zeigt, dass die beantragte Außentreppe als Zugangsmöglichkeit zum Obergeschoss nötig wurde.
Die Änderungen stellen andererseits bereits begrifflich keine nach Art. 57 Abs. 6 BayBO verfahrensfreien Instandhaltungsarbeiten dar, sondern sind vielmehr nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige Änderungen der Lager- und Maschinenhalle.
Auch ersetzt die Außentreppe in der beantragten Form nicht die ursprünglich genehmigte und später aus topographischen Gründen entfallene Stufentreppe auf der Ostseite des Gebäudes, welche zu dem ursprünglich linksseitig an der Ostseite vorgesehenen Zugangstor führen sollte. Dieses Zugangstor, welches zur Aufnahme landwirtschaftlicher Gerätschaften geeignet gewesen wäre, wurde in der Bauausführung ebenfalls planabweichend durch ein Fenster ersetzt. Daher besteht kein weitergehendes über die ursprünglich vorgesehene Zugangsvariante hinausgehendes Bedürfnis für eine Außentreppe an der Ostseite, welche sich mit einer Art Balkon an der Nordseite bis zur neu geschaffenen Türöffnung fortsetzt. Das Obergeschoss hat nach den Angaben des Klägers die Funktion der Einlagerung von Getreide sowie von Gerätschaften wie einer Getreidereinigungsmaschine sowie der Vorrichtungen eines Gebläses, mit welchem das Getreide vom Erdboden in das Obergeschoss befördert wird. Mit der beantragten Außentreppe werden keine weitergehenden Zwecke verfolgt, welche dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers dienen. Da das Getreide über das Gebläse in das Obergeschoss befördert und mittels eines Fallrohrs ausgelagert wird, besteht für die beantragte Außentreppe in deren Ausmaß kein Bedürfnis, welches es rechtfertigen würde, die Treppe als privilegiert im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einzuordnen. Die Treppe soll nach den Aussagen des Klägers nur für den Transport von Kleingeräten verwendet werden. Dies hätte jedoch schon mittels der ursprünglich geplanten Stufentreppe an der Ostseite realisiert werden können. Einer in ihrer Ausführung darüber hinausgehenden Erweiterung und Verlängerung der Außentreppe zu der an der Nordseite neu geschaffenen Türöffnung bedarf es ausgehend von den Betriebszwecken des Klägers nicht.
In diesem Zusammenhang trägt auch das Argument nicht, dass die Außentreppe aus Gründen der Betriebssicherheit sinnvoll bzw. zur Einhaltung der Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz notwendig ist. Die im Verfahren vorgelegte Stellungnahme des SVLFG befasste sich mit der durch den Kläger baurechtswidrig geschaffenen Situation der Maschinen- und Lagerhalle und nicht mit der ursprünglich genehmigten Lage der Fenster und Türen. Daher widerspricht die beantragte Außentreppe dem, was ein vernünftiger Landwirt im Außenbereich für seinen landwirtschaftlichen Betrieb errichten würde. Dies gilt umso mehr, als dem Kläger nach seinen eigenen Aussagen von Anfang an klar war, dass die ursprüngliche Planung angesichts der Hanglage auf seinem Grundstück nicht realisierbar war und er diese nur nach Erwerb des sich unmittelbar an der Ostseite anschließenden Grundstücks hätte verwirklichen können. Der Erwerb dieses Grundstücks hat sich für den Kläger von Anfang an allenfalls als bloße Chance dargestellt. Der spätere Nichteintritt dieser bloßen Eventualität und die vom Kläger daraufhin erfolgte planabweichende Errichtung können keine Inanspruchnahme der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB begründen. In der geplanten Ausführung handelt es sich vielmehr um die rechtsmissbräuchliche Schaffung von Bedarf für eine Erweiterungsmaßnahme (vgl. BayVGH, B.v.14.8.2013 – 1 ZB 11.990 – juris Rn. 3), die überdies für die Betriebszwecke des Klägers nicht erforderlich ist. Die funktionelle Erweiterung der Maschinenhalle mit dem neu geschaffenen Zugang zum Obergeschoss auf der Nordseite widerspricht der gesetzlichen Wertung, den Außenbereich von Bebauung freizuhalten. Die Außentreppe widerspricht mithin in der geplanten Ausführung dem Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs und beeinträchtigt damit öffentliche Belange im Sinne des § 35 BauGB.
Hinzu kommt, dass das Getreidelager im Obergeschoss in der vom Kläger planabweichend ausgeführten Gestaltung und Errichtung insbesondere durch die neu geschaffene Türöffnung an der Nordseite nicht in der erforderlichen und gebotenen Weise durch die betrieblichen Erfordernisse geprägt ist. Hierauf hat auch der fachliche Vertreter des AELF in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2017 und in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Ausgehend von den Erklärungen des Klägers, dass er das Getreidelager im Obergeschoss einmal jährlich mittels Gebläse befülle und später entleere und der Tatsache, dass sich an der Ostseite des Gebäudes bereits eine bodentiefe Türöffnung für den Zugang zum Obergeschoss befindet, erschließt sich der Kammer das Bedürfnis zur Schaffung weiterer Fenster- und Türöffnungen im Obergeschoss nicht. Jedenfalls erscheint das Gebäude mit wohngebäudeartig wirkenden Fenster- und Türöffnungen nicht in der gebotene Weise durch den vom Kläger angegebenen, eingeschränkten betrieblichen Zweck geprägt (vgl. zu diesem Erfordernis BayVGH, U.v. 30.11.2006 – 1 B 03.481 – NVwZ-RR 2007, 664 f. – juris Rn. 24).
bb) Mangels Privilegierung ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit anhand des § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift ist die Errichtung der Außentreppe als sonstiges Vorhaben jedoch nicht zulässig, da öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt sind.
Nach § 35 Abs. 2 BauGB können sonstige Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere dann vor, wenn einer der in § 35 Abs. 3 BauGB beispielhaft aufgelisteten Belange negativ berührt wird.
Vorliegend beeinträchtigt die Außentreppe zwar nicht einen der beispielhaft aufgelisteten Belange, da sie insbesondere nicht den Darstellungen des Flächennutzungsplans (vgl. § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) widerspricht. Dem Obergeschoss kann die grundsätzliche landwirtschaftliche Funktion – so sieht es auch das AELF in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2017 – nicht abgesprochen werden. Das Gebäude wurde als Getreide- und Maschinenlager genehmigt. Auch beim Augenscheinstermin ergab sich, dass dort größere Mengen Getreide eingelagert waren und auch landwirtschaftliche Einrichtungen zum Teil vorhanden waren.
Jedoch steht hier als sonstiger öffentlicher Belang entgegen, dass das Gebäude planabweichend insbesondere hinsichtlich seiner Fassadengestaltung (Tür- und Fensteröffnungen) errichtet worden ist, die nunmehr durch die Außentreppe vertieft und perpetuiert werden soll. Der planwidrige Zustand würde durch die Außentreppe verfestigt und fortgeschrieben werden, zumal eine Änderungsgenehmigung für die Maschinen- und Lagerhalle nicht vorliegt.
Zuletzt ist auch keine Teilprivilegierung im Sinne des § 35 Abs. 4 BauGB zugunsten des Klägers erkennbar.
Die geplante Außentreppe ist demzufolge im Außenbereich bauplanungsrechtlich unzulässig. Damit erfolgte auch die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens zu Recht und kommt eine Ersetzung des Einvernehmens nicht in Betracht. Der Kläger ist nicht in seinen Rechten verletzt, da er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung hat.
3. Da die vom Kläger beantragte Außentreppe planungsrechtlich unzulässig ist, ist auch der Hilfsantrag des Klägers unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Verbescheidung im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger hat als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kostenentscheidung richtet sich vorliegend nicht nach § 161 Abs. 3 VwGO. Nach h.M. ist diese Vorschrift nicht anzuwenden, wenn das Gericht in der Sache entscheidet, bevor eine Bescheidung durch die Behörde erfolgt (OVG LSA, B.v. 28.4.2006 – 4 L 365/05 – juris Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 161 Rn. 35; Ring, NVwZ 1995, 1191 (1192)). Auch im Rahmen des § 155 Abs. 4 VwGO (dazu OVG LSA, B.v. 28.4.2006 – 4 L 365/05 – juris Rn. 10) kann vorliegend die Untätigkeit des Landratsamts … nicht berücksichtigt werden. Ein Verschulden der Behörde, das ursächlich für das Entstehen bestimmter Kosten gewesen ist, ist vorliegend nicht erkennbar. Auch wenn der Beklagte bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen (ablehnenden) Bescheid erlassen hat, entspricht es vorliegend nicht der Billigkeit, ihm die Kosten aufzuerlegen. Das Landratsamt … hat dem Kläger die geplante Ablehnung des Bescheids bereits mit Schreiben vom 19. Juli 2017 angekündigt. Der Kläger musste daher bereits mit einer ablehnenden Entscheidung rechnen. Er befand sich folglich in einer vergleichbaren Situation, wie wenn er hätte Versagungsgegenklage erheben müssen. Daher hat es bei der allgemeinen Regelung des § 154 Abs. 1 VwGO zu verbleiben.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich somit nicht am Prozesskostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO beteiligt. Daher sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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