Baurecht

Baugenehmigung für Errichtung eines Schleuderbetonmastes, Drittanfechtungsklage, Gebot der Rücksichtnahme, Schädliche Umwelteinwirkungen

Aktenzeichen  Au 5 K 20.980

Datum:
16.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32244
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 212a
BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 3
BImSchG § 3
26. BImSchV

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Kläger sind klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie können sich als unmittelbar angrenzende bzw. möglicherweise von Immissionen betroffene Nachbarn im baurechtlichen Sinn auf die Möglichkeit der Verletzung in drittschützenden Normen berufen.
b) Der Klage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, denn die Baugenehmigung ist nicht deshalb erloschen, weil nach ihrer Erteilung eine neue Standortbescheinigung für die streitgegenständliche Mobilfunkanlage erteilt wurde. Soweit die Klägerseite diesbezüglich auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2021 (11 K 6228/20) verweist, liegt der Fall vorliegend anders. Die Standortbescheinigung wurde gerade nicht zum (untrennbaren) Bestandteil der Baugenehmigung gemacht, sodass sich die Neuerteilung der Standortbescheinigung nicht auf die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung auswirkt. Eine Baugenehmigung erlischt nur dann, wenn bei der Ausführung hinsichtlich der Identität des Bauvorhabens und seiner Wesensmerkmale so wesentlich von der Baugenehmigung abgewichen wird, dass nicht das genehmigte, sondern ein anderes Bauvorhaben, nämlich ein „aliud“ erstellt wird (BayVGH, B.v. 14.12.2020 – 1 ZB 18.1164 – juris Rn. 7). Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung war allein die Errichtung eines 35 m-Schleuderbetonmastes, rund, konisch, mit 3 m Stahlrohraufsatz und zwei Plattformen sowie Outdoortechnik auf Bodenplatte. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor und es wurde insoweit klägerseits auch nicht geltend gemacht, dass von dieser Bauausführung abgewichen und eine andere bauliche Anlage errichtet wurde. Die konkrete funktechnische Ausgestaltung (Anzahl an Antennen, Funksystem etc.) der Anlage war gerade nicht Gegenstand der Baugenehmigung, sodass die nach Erlass der Baugenehmigung erteilte, neue Standortbescheinigung nicht zum Erlöschen der Baugenehmigung führt. Die Standortbescheinigung steht als selbstständiger Verwaltungsakt vielmehr neben der Baugenehmigung (s.u.).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt die Kläger nicht in drittschützenden Rechten. Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung hat der anfechtende Nachbar nur, wenn das Bauvorhaben den im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden, öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO i.V.m. Art. 55 ff. BayBO) und die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, ihr also drittschützende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – BVerwGE 82, 343). Die Baugenehmigung muss dabei gegen eine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende Vorschrift verstoßen. Weiterhin muss der Nachbar durch den Verstoß gegen diese Norm in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen sein. Eine objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung reicht dabei nicht aus, denn der Nachbar muss in eigenen subjektiven Rechten verletzt sein.
Da es sich vorliegend um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 60 BayBO im Baugenehmigungsverfahren die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 ff. BauGB (Nr. 1), die Anforderungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes und auf Grund dieses Gesetzes (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3).
a) Ein Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften liegt nicht vor.
Das Vorhaben der Beigeladenen liegt im Außenbereich und ist bauplanungsrechtlich nach § 35 BauGB zu beurteilen.
Ob das Vorhaben objektiv-rechtlich allen Anforderungen des § 35 BauGB entspricht, ist entgegen der Ansicht der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Bei der Frage der Privilegierung einer Anlage werden subjektive Rechte der Kläger nicht berührt, sodass die Frage der Privilegierung der Anlage durch den Rechtsstreit insofern nicht aufgeworfen war (vgl. BayVGH, B.v. 14.5.2012 – 15 ZB 12.507 – juris Rn. 4, 5). Maßgeblich ist insoweit allein, ob das Vorhaben hinsichtlich der ihm zuzurechnenden Auswirkungen auf schutzwürdige Interessen der Kläger die gebotene Rücksicht nimmt. Der Nachbar erlangt eine schutzwürdige Abwehrposition nämlich nicht allein dadurch, dass die auf seinem Grundstück verwirklichte Nutzung zulässig, das auf dem Nachbargrundstück genehmigte Vorhaben dagegen wegen Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die nicht dem Schutz privater Dritter zu dienen bestimmt sind, nach § 35 BauGB unzulässig ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – NVwZ 1994, 686 ff.). Damit kann grundsätzlich dahinstehen, ob der Beklagte im Bescheid vom 11. Mai 2020 zu Recht angenommen hat, bei der Errichtung des Schleuderbetonmastes handle es sich um ein im Außenbereich privilegiertes Bauvorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Bei Vorhaben im Außenbereich beschränkt sich der Nachbarschutz auf die Anforderungen des Gebotes der Rücksichtnahme.
aa) Das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme ist nicht verletzt, da das streitgegenständliche Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft.
Im Rahmen des § 35 BauGB wird Nachbarschutz nur durch das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt, das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine besondere Ausprägung erfährt (std. Rspr. des BVerwG, z.B. U. v. 28.7.1999 – 4 B 38/99 – NVwZ 2000, 552). Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Für eine sachgerechte Beurteilung kommt es dabei wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Allgemein gilt aber, dass Immissionen, die das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulässige Maß nicht überschreiten, weder einen schweren und unerträglichen Eingriff in das Eigentum noch eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots darstellen können (BVerwG, U.v. 24.9.1992 – 7 C 7.92 – NVwZ 1993, 987). Gehen von einer Anlage Immissionen aus, die sich in den Grenzen des der Nachbarschaft gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Zumutbaren halten, ist diese nicht rücksichtslos (OVG Mecklenburg-Vorpommern, U.v. 23.6.1998 – 3 L 209/96 – juris Rn. 63).
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange und damit ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme, auf das sich die Kläger berufen können, nur dann vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen rekurriert auf § 3 Abs. 1 BImSchG (vgl. bereits BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314; U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Es muss sich also um Immissionen handeln, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Zur Konkretisierung, speziell für Mobilfunkanlagen, kann dabei auf die Grenzwerte der auf Grundlage des § 23 Abs. 1 BImSchG erlassenen Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung vom 14. August 2013 (Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV) zurückgegriffen werden. Denn die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder werden durch die 26. BImSchV konkretisiert.
Seit Inkrafttreten der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) vom 20. August 2002, an der Verfassungsmäßigkeit die Kammer keine ernsthaften Zweifel hat (siehe hierzu ausführlich VG Kassel, B.v. 28.1.2021 – 7 L 2464/20.KS – juris Rn. 24 ff.), sind ortsfeste Funkanlagen der speziellen bundesrechtlichen Genehmigungspflicht des § 4 Abs. 1 BEMFV unterworfen. Erst nach Erteilung einer sog. Standortbescheinigung darf der Betrieb einer solchen Anlage aufgenommen werden. Die Bundesnetzagentur erteilt eine solche nur dann, wenn die in § 3 BEMFV genannten Grenzwerte eingehalten sind, wofür § 3 Satz 1 Nr. 1 BEMFV wiederum auf die Grenzwerte der 26. BImSchV verweist und § 3 Satz 1 Nr. 2 BEMFV für den Frequenzbereich von 9 Kilohertz bis 50 Megahertz weitere Voraussetzungen formuliert. Die Standortbescheinigung stellt der Sache nach eine Bescheinigung über die Zulässigkeit des Betriebs einer bestimmten Funkanlage an einem bestimmten Standort dar und hat die Funktion der Freigabe des Betriebs. Ist eine entsprechende Standortbescheinigung erteilt, dann sind die immissionsfachlichen und gesundheitlichen Aspekte durch die hierfür zuständige Bundesnetzagentur geklärt und folglich im Baugenehmigungsverfahren nicht mehr weiter zu prüfen (BayVGH, U.v. 23.11.2011 – 4 BV 10.1811 – juris Rn. 60). Durch das Nebeneinander von Baugenehmigung und Standortbescheinigung entsteht auch keine Rechtsschutzlücke für betroffene Dritte, da die Standortbescheinigung einen im Wege der Nachbarklage anfechtbaren Verwaltungsakt mit Doppelwirkung darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2017 – 1 ZB 15.2081 – juris Rn. 6). Damit war es im vorliegenden Fall auch nicht zwingend erforderlich, die Standortbescheinigung zum Bestandteil der streitgegenständlichen Baugenehmigung zu machen.
Im Übrigen entspricht es gesicherter Rechtsprechung, dass bei Einhaltung der in der 26. BImSchV vorgesehenen Grenzwerte den gesundheitlichen Belangen der Bevölkerung nach dem gegenwärtigen Stand von Forschung und Technik ausreichend Rechnung getragen wird (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2021 – 15 N 20.2904 – juris Rn. 26 m.w.N.). Gesundheitliche Beeinträchtigungen sind – so der Inhalt der 26. BImSchV – durch eine Mobilfunkstation außerhalb der in der Standortbescheinigung angeordneten Sicherheitsabstände nicht zu befürchten. In der Standortbescheinigung werden nämlich Sicherheitsabstände festgesetzt, die die Einhaltung der Grenzwerte garantieren.
Der streitgegenständliche Mobilfunkmast hält zu den Grundstücken der Kläger ausweislich der im Verfahren vorgelegten Standortbescheinigungen der Bundesnetzagentur die nach der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) erforderlichen Abstände ein. Ausweislich der Standortbescheinigung vom 22. Oktober 2019 betragen die standortbezogenen Sicherheitsabstände in Hauptstrahlrichtung 15,02 m vertikal bezogen auf 90 Grad zu einem Abstand von 3,22 m bei einer Montagehöhe der Bezugsantenne über Grund von 32,70 m und ausweislich der Standortbescheinigung vom 18. Juni 2020 22,08 m vertikal bezogen auf 90 Grad zu einem Abstand von 4,64 m bei einer Montagehöhe der Bezugsantenne über Grund von 30,00 m. Ungeachtet der Frage der Rechtmäßigkeit der Standortbescheinigung, deren Überprüfung nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist, sondern im anhängigen Klageverfahren Au 4 K 20.2380 zu klären ist, sodass auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag Nr. 6 abzulehnen war, geht die Kammer von der Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV aus. Es liegen insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass auf dem Wohnanwesen der Kläger (Fl.Nr. …) in einer Entfernung von ca. 410 m (ausgemessen mittels Messung über Geoportal) die Grenzwerte überschritten werden. Ebenso verhält es sich mit dem in einer Entfernung von ca. 152 m liegenden Ackergrundstück Fl.Nr. … und dem Grundstück Fl.Nr., auf dem in einer Entfernung von ca. 190 m zum Vorhabenstandort ein landwirtschaftliches Gebäude situiert ist. Bereits aufgrund der erheblichen Distanz zur Grenze der in der Standortbescheinigung festgelegten Sicherheitsabstände für hochfrequente Felder sind vorhabenbedingte schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu besorgen. Schädliche Umwelteinwirkungen wären nur dann ernsthaft zu befürchten, wenn man davon ausginge, dass mit der Errichtung der Anlage die Sicherheitsabstände überhaupt nicht eingehalten werden könnten. Aus den zahlreich vorgelegten Unterlagen seitens der Kläger ergeben sich jedoch keine Hinweise konkreter Art, dass auf den in großer Entfernung liegenden Grundstücken der Kläger schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu befürchten wären. Bei dem Grundstück Fl.Nr. … handelt es sich um ein reines Ackergrundstück, Fl.Nr. … ist mit einem landwirtschaftlichen Gebäude ohne Viehbestand bebaut und die Hofstelle mit Wohngebäude auf Fl.Nr. … befindet sich in einer Entfernung von ca. 410 m. Zwar wurde eine Berechnung über die Leistungsflussdichte auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Kläger durch den streitgegenständlichen Mobilfunkturm vom 6. August 2020 vorgelegt. Diese wurde jedoch von der Bürgerwelle e.V. erarbeitet, einem eingetragenen Verein zum Schutz von Mensch und Umwelt, der ausweislich seines Internetauftritts Initiativen von Einzelpersonen betreut und damit jedenfalls keine wissenschaftlich anerkannte Stelle darstellt. Der Verfasser des Berichts kommt darüber hinaus lediglich zu dem Schluss, dass sich die Strahlenbelastung bei Inbetriebnahme des Mobilfunksenders im Vergleich zum jetzigen Stand extrem erhöhen würde. Ein Rückschluss auf schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB gegenüber den Klägern lässt sich daraus ohnehin nicht ableiten. Infolgedessen war auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag Nr. 3 abzulehnen. Auf die Frage, ob die Leistungsflussdichten richtig berechnet wurden, kommt es für eine Entscheidung des Gerichts nicht an. Könnte die Beigeladene die in der Standortbescheinigung festgelegten Grenzwerte, in deren festgelegtem Umfang sie zum Betrieb ausschließlich berechtigt ist, nicht einhalten, obläge es ihr als Betreiberin der Anlage, nachzujustieren und gegebenenfalls die Sendeleistungen/-stärken anzupassen.
Erkenntnisse dafür, dass die in der 26. BImSchV festgesetzten Grenzwerte – auch mit Blick auf die 5G-Technologie – evident unzureichend sind, bestehen nach Auffassung der Kammer (aktuell) nicht. Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV wirksam Gesundheitsbeeinträchtigungen verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2021 – 15 N 20.2904 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 22.4.2021 – 15 CS 21.398 – juris Rn. 14 m.w.N.; BVerwG, B.v. 16.3.2021 – A 12/19 – juris Rn. 43; VG Kassel, B.v. 28.1.2021 – 7 L 2464/20.KS – juris Rn. 59 m.w.N.). Eine abweichende, darüber hinausgehende Risikobewertung durch ein Gericht kann erst dann erfolgen, wenn die Forschung soweit fortgeschritten ist, dass gesicherte Befunde von anerkannter wissenschaftlicher Seite eine Neubewertung erfordern. Das Gericht ist weder berechtigt noch dazu verpflichtet, seiner Entscheidung andere als in der 26. BImSchV festgesetzte Grenzwerte bzw. andere Maßstäbe hinsichtlich der von der streitgegenständlichen Funkanlage ausgehenden Strahlungen und der damit befürchteten zusammenhängenden Gesundheitsgefahren zugrunde zu legen. Es ist vielmehr Aufgabe des Verordnungsgebers, in Erfüllung seiner staatlichen Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, die zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren erforderlichen Grenzwerte festzusetzen. Eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht kann vielmehr nur dann festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückzubleiben (vgl. zum Ganzen bereits BVerfG, B.v. 28.2.2002 – 1 BvR 1676/01).
Bei der am 14. August 2013 erfolgten Novellierung der 26. BImSchV (BGBl. I S. 3266) erfolgte die Einschätzung des Verordnungsgebers dahingehend, dass es hinsichtlich der von Hochfrequenzanlagen ausgehenden elektromagnetischen Felder bei den bislang festgelegten Grenzwerten verbleiben könne. Der Novelle zur 26. BImSchV ist eine umfassende Sichtung und Bewertung des aktuellen Forschungsstandes zu den Auswirkungen von Mobilfunk vorausgegangen (vgl. VG München, U.v. 15.5.2017 – M 8 K 16.2507 – juris Rn. 29). Unterstützt wurde die Bundesregierung bei der Bewertung des aktuellen Forschungsstandes von staatlichen Beratergremien, namentlich der Strahlenschutzkommission. Diese lässt in ihrer Stellungnahme vom 29./30. September 2011 über „Biologische Auswirkungen des Mobilfunks – Gesamtschau“ auch kritische wissenschaftliche Meinungen nicht unerwähnt, wie zum Beispiel die Bewertung der internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) vom Mai 2011 über „möglicherweise krebserregende“ Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder. Die Strahlenschutzkommission hält diese Bewertung angesichts anderer Untersuchungen indes nicht für so belastbar, dass daraus strengere Vorgaben für das Mobilfunknetz resultierten (vgl. Stellungnahme vom 29./30. September 2011, a.a.O. S. 36 ff.). Gleichwohl erachten sowohl die Strahlenschutzkommission als auch daran anschließend die Bundesregierung weitere Forschungen zur Bewertung der Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks für notwendig, etwa zur Risikobewertung der Exposition von Kindern oder zur Langzeitwirkung hochfrequenter Felder (vgl. BT-Drs. 17/12027, S. 3 ff.).
Aus den vorgenannten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die der Novellierung der 26. BImSchV zugrunde lagen, ergibt sich, dass (erneut) festgestellt werden kann, dass durch die geltenden Grenzwerte der 26. BImSchV die Bevölkerung ausreichend vor gesundheitlichen Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder geschützt ist (vgl. BT-Drs. 17/12027, S. 9; siehe auch BT-Drs. 17/12586, S. 10 zur Frage 14; BayVGH, B.v. 17.5.2021 – 15 N 20.2904 – juris Rn. 26 m.w.N.).
Dass sich die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte nur an den thermischen Auswirkungen orientieren, beruht darauf, dass thermisch bedingte Reaktionen bei geringeren Feldstärken eintreten als nachgewiesene athermische Reaktionen (vgl. VG Ansbach, U.v. 10.8.2005 – AN 9 K 05.00068 – juris Rn. 40). Auch ausweislich der Stellungnahme der Strahlenschutzkommission (vgl. Stellungnahme vom 29./30. September 2011, a.a.O. S. 36) konnte auf Basis der durchgeführten Forschungsprojekte die Gesamtproblematik der biologisch-medizinischen Wirkungen der Felder des Mobilfunks nicht endgültig geklärt werden, der Forschungsbedarf bleibe bestehen. Bestehende Grenzwerte wurden dabei aber nicht in Frage gestellt. Der Verordnungsgeber konnte und kann sich daher auf die Bestimmung von Grenzwerten beschränken, die an thermische Reaktionen anknüpfen (vgl. VG Kassel, B.v. 28.1.2021 – 7 L 2464/20.KS – juris Rn. 88).
Vor diesem Hintergrund kann auch eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch den Verordnungsgeber nicht angenommen werden. Es fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, die in der 26. BImSchV normierten Anforderungen an den Betrieb von Hochfrequenzanlagen verletzten die Pflicht des Staates zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Die staatliche Schutzpflicht ist nicht bereits dann verletzt, wenn einzelne Stimmen im fachwissenschaftlichen Schrifttum ein schärferes Vorgehen des Staates, etwa in Form strengerer Grenzwerte oder weitergehender Vorsorgepflichten, verlangen. Gerade weil es um die Bewertung komplexer Wirkungszusammenhänge geht und bei der Erfüllung der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen sind, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass hierfür in erster Linie der in § 23 BImSchG ermächtigte Verordnungsgeber in einem Verfahren unter parlamentarischer Beteiligung (§ 48b BImSchG) berufen ist (vgl. BVerfG, B.v. 24.1.2007 – 1 BvR 382/05 – juris Rn. 18). Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet es danach nicht, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen. Deren Verletzung kann vielmehr nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Liegen noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über komplexe Gefährdungslagen – wie hier die schädlichen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder – vor, verlangt die staatliche Schutzpflicht auch von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung der Nachbesserungspflicht durch den Verordnungsgeber kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation verfassungsrechtlich untragbar geworden ist. Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht und die obergerichtliche Rechtsprechung, namentlich auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, angeschlossen (vgl. BVerfG, B.v. 28.2.2002 – 1 BvR 1676/01 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 26.9.2013 – 4 VR 1/13 – juris; GB.v. 21.9.2010 – 7 A 7/10 – juris Rn. 17f.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 3.7.2014 – OVG 6 S 26.14 – juris Rn. 7f.; BayVGH, B.v. 14.6.2013 – 15 ZB 13.612 – juris Rn. 9).
Dass diese Einschätzung aufgrund neuer Erkenntnisse zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt evident untragbar geworden ist und sich der Betrieb des hier angegriffenen Mobilfunksendemastes für die Nutzung der Grundstücke der Kläger als unzumutbar erweist, haben die Kläger nicht in substantiierter Weise dargelegt. Die in den Anlagen zu den klägerischen Schriftsätzen zahlreich vorgelegten Gutachten, Stellungnahmen sowie sonstige Dokumente sind nicht geeignet, die oben ausgeführte Risikoeinschätzung des Verordnungsgebers konkret und sachlich fundiert zu widerlegen. Es wurden für den konkreten Fall der Kläger, bezogen auf die konkrete Lage und Nutzung der Grundstücke Fl.Nrn., … und … der Gemarkung, jedenfalls keine eindeutigen, gesicherten wissenschaftlichen Belege seitens anerkannter Stellen dafür vorgelegt, dass die in der 26. BImSchV festgesetzten Grenzwerte auf den Grundstücken der Kläger überhaupt nicht eingehalten werden könnten, noch, dass selbst bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV diese evident untragbar geworden wären und im Fall der Kläger zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen würden. Die von den Klägern zuletzt vorgelegte (Bl. 510 ff. der Gerichtsakte) Studie des Science and Technology Options Assessment (STOA)-Komitees vom Juli 2021, die sich ausschließlich mit dem aktuellen Stand des Wissens über nicht-thermische Wirkungen befasst (Bl. 527 der Gerichtsakte), kommt zwar zum Ergebnis, dass es derzeit begrenzte Hinweise auf die Karzinogenität von HF-Strahlung beim Menschen, hinreichende Hinweise auf schädliche Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit von Männern und begrenzte Hinweise auf schädliche Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit von Frauen sowie die Entwicklung der Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft stark mobiltelefoniert haben, gebe (Bl. 595 der Gerichtsakte). Zu den höheren Frequenzbereichen (24 bis 100 GHz) wurden aber gerade keine angemessenen Studien durchgeführt (Bl. 595 f. der Gerichtsakte). Aus diesen Erkenntnissen folgt auch nicht zwangsläufig, dass die bislang getroffenen Maßnahmen, insbesondere durch die Festlegung der Grenzwerte der 26. BImSchV, gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu erreichen oder erheblich dahinter zurückzubleiben. Es zeigt vielmehr erneut auf, dass es eine Vielzahl von verschiedensten Stimmen in der Wissenschaft, teilweise auch nur mit begrenzten Hinweisen, über die Auswirkungen elektromagnetischer Strahlungen gibt. Es ist aber gerade nicht Aufgabe der Gerichte, in Anknüpfung an vereinzelte einzelne Stimmen weitere wissenschaftliche Forschung zu betreiben.
Jedenfalls liegen dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung keine gesicherten, nachgewiesenen Erkenntnisse vor, die im vorliegenden Fall zwangsläufig zur einzig richtigen Schlussfolgerung kämen, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aufgrund schädlicher Umwelteinwirkungen, hervorgerufen durch den streitgegenständlichen Mobilfunkmast, vorliegt. Es gibt keine ausreichenden, eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger im konkreten Einzelfall weit außerhalb des errechneten Sicherheitsabstandes schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt sein sollen. Eine derartige, letztverbindliche Aussage lässt sich auch aus der Studie des STOA-Komitees nicht ableiten. Insofern waren die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge Nr. 1 und Nr. 2 abzulehnen, da es sich jeweils um Beweisermittlungsanträge gehandelt hat, die allein dazu dienten, neue Erkenntnisse zu erlangen, um auf diese Weise Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen, insbesondere im Hinblick auf die aufgestellte Behauptung, dass die Kläger weit unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV erheblichen gesundheitlichen Schädigungswirkungen durch den Anlagenbetrieb ausgesetzt würden. Die Kläger haben gesamtbetrachtend nicht substantiiert dargetan, warum die fachlichen Stellungnahmen und Äußerungen und die darauf fußende Novellierung der 26. BImSchV im Jahr 2013 evident untragbar geworden sein sollen. Es ist gerade nicht Aufgabe der Gerichte, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Vielmehr obliegt es, gerade mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) regelmäßig allein dem Verordnungsgeber, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können (vgl. auch VG München, U.v. 15.5.2017 – M 8 K 16.2507 – juris Rn. 30; U.v. 21.7.2015 – M 1 K 15.1409 – juris Rn. 26).
Das Vorbringen der Kläger gab dem Gericht daher auch keinen Anlass zu weitergehender Klärung der Gefährdungslage. In der Gesamtschau sind angesichts des Umstandes, dass das Wohnanwesen der Kläger in erheblicher Distanz zur Grenze der Sicherheitsabstände für hochfrequente Felder gelegen ist und die etwas näher gelegenen Grundstücke Fl.Nrn. … und … nur gelegentlich zur landwirtschaftlichen Bearbeitung von Personen betreten werden sowie angesichts der Tatsache, dass die 26. BImSchV hinsichtlich elektromagnetischer Felder die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen konkretisiert und die dort festgelegten Grenzwerte von Rechts wegen unverändert nicht zu beanstanden und verfassungsgemäß sind, vorhabenbedingte, schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu besorgen. Das Vorhaben genügt dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme.
bb) Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist auch nicht aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen wegen immissionsschutzrechtlichen Prüfungsausfalls seitens des Landratsamtes rechtswidrig und die Kläger sind insoweit auch nicht in eigenen Rechten verletzt.
Ungeachtet dessen, ob die Baugenehmigungsbehörde neben der Bundesnetzagentur überhaupt eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Prüfung hinsichtlich der Strahlenbelastung durch die streitgegenständliche Anlage hätte vornehmen müssen (verneinend BayVGH, B.v. 19.10.2017 – 1 ZB 15.2081 – juris Rn. 6; VG Hannover, B.v. 14.9.2021 – 12 B 4660/21 – juris), führt ein etwaiges Unterlassen einer immissionsschutzrechtlichen Prüfung, insbesondere des § 22 BImSchG, entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Kläger jedenfalls nicht zu einer Verletzung ihrer subjektiven Rechte.
Gegenstand des Verwaltungsstreitverfahrens ist ausschließlich die Anfechtung der Baugenehmigung für einen Mobilfunkmasten. Einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach den gesetzlichen Vorgaben des §§ 4 ff. BImSchG bedurfte dieser gerade nicht, es handelt sich vielmehr um eine immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlage. Soweit der Bevollmächtigte der Kläger an dieser Stelle bemängelt, dass es sich bei Mobilfunkanlagen um eine immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlage handle und es in Anbetracht der flächendeckend steigenden Strahlenbelastung, insbesondere durch die neue 5G-Technologie, eines besonderen immissionsschutzrechtlichen Verfahrens für den Bereich Digitalisierung bedürfe, ergibt sich daraus jedenfalls kein Verletzung von Nachbarrechten, da es im Rahmen des Baurechts nicht einmal einen subjektiv-öffentlichen Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung des „richtigen“ Genehmigungsverfahrens in Bezug auf ein Bauvorhaben gibt (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2021 – 15 CS 21.398 – Rn. 11).
Zwar können Nachbarn Baugenehmigungen grundsätzlich (auch) wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG im Wege der baurechtlichen Nachbarklage angreifen, Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie Grundstückseigentümer oder Inhaber vergleichbarer dinglicher Rechte des betroffenen Nachbargrundstücks sind und es nach dem Prüfungsmaßstab der Baugenehmigung auf die Einhaltung des § 22 BImSchG ankommt (Jarass, BImSchG, 13. Auflage 2020 § 22 Rn. 75). Den Prüfungsmaßstab der Baugenehmigung gibt vorliegend Art. 60 BayBO vor. Ausweislich Art. 60 BayBO ist das gesamte öffentliche Recht außerhalb des öffentlichen Baurechts (Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2) nicht materiell-rechtlicher öffentlich-rechtlicher Prüfungsmaßstab, es sei denn, dass wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Satz 1 Nr. 3). Die Vorschrift des § 22 BImSchG enthält jedoch lediglich dynamische Grundpflichten für die Errichtung und den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen und stellt gerade keine „Entscheidung“ i.S.d. Art. 60 Abs. 1 Nr. 3 BayBO dar, sodass die Vorschrift nicht vom Prüfprogramm der Baugenehmigung umfasst ist.
Stehen dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im einschlägigen Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, entgegen, ist die Baugenehmigung zu erteilen. Wie bereits oben ausgeführt, verstößt das Vorhaben nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, da angesichts der Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV, die die Kammer als verfassungsgemäß ansieht, keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu befürchten sind. Damit ist auch ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausgeschlossen. Selbst eine unterlassene immissionsschutzrechtliche Prüfung durch die Baugenehmigungsbehörde könnte im vorliegenden Fall nicht zu einer Rechtsverletzung der Kläger führen.
In der Konsequenz liegt daher auch kein Verstoß gegen das „Vermeidungs- und Minimierungsgebot“ des § 22 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG vor. Die Prüfung der im Verhältnis zueinander abgrenzbaren Grundpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG erfolgt dreistufig. Zunächst ist (1.) festzustellen, ob eine schädliche Umwelteinwirkung vorliegt, dann anschließend (2.), ob sie durch Maßnahmen des Standes der Technik vermieden werden kann, erst, wenn dies nicht der Fall ist, stellt sich (3.) die weitere Frage, inwieweit die vorhandenen schädlichen Umwelteinwirkungen zu minimieren sind (Endres in BeckOK Umweltrecht, Giesberts/Reinhardt, Stand: 1.7.2021, § 22 BImSchG Rn. 16). Da die Kammer im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gekommen ist, dass durch das streitgegenständliche Bauvorhaben das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt ist, weil durch die Mobilfunkanlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, kommt es auf die weiteren, o.g. Prüfungsstufen (2.) und (3.) nicht mehr an. Die Kläger können daher eine Verletzung des „Vermeidungs- und Minimierungsgebotes“ des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG nicht geltend machen.
cc) Dem Vorhaben steht auch § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB nicht entgegen. Hierbei handelt es sich um öffentliche und nicht drittschützende Belange, auf die sich die Kläger als Nachbarn jedenfalls nicht berufen können, auch nicht über das Gebot der Rücksichtnahme, da kein Recht des Einzelnen auf Erhalt einer schönen Landschaft besteht.
b) Auf einen Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften können sich die Kläger ebenfalls nicht berufen.
Das streitgegenständliche Vorhaben hält unbestritten zu den Grundstücken der Kläger die nach Bauordnungsrecht erforderlichen Abstandsflächen des Art. 6 BayBO ein. Deshalb kann an dieser Stelle die Frage, ob der streitgegenständliche Schleuderbetonmast in seinen Ausmaßen eine gebäudeähnliche Wirkung hat und deshalb die Abstandsflächenpflicht nach Art. 6 Abs. 1 BayBO ausgelöst wird, dahinstehen.
c) Auch eine Verletzung von Grundrechten können die Kläger nicht geltend machen.
aa) Die von den Klägern gerügte Verletzung von Art. 2 Abs. 2 GG führt bereits deshalb nicht zum Erfolg, da durch die drittschützenden baurechtlichen Vorschriften, insbesondere das Gebot der Rücksichtnahme ein Rückgriff auf Art. 2 Abs. 2 GG ausscheidet. Die 26. BImSchV konkretisiert das vom Normengeber für erforderlich gehaltene Maß dessen, was an Umwelteinwirkungen im Sinne der § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG für die Nachbarschaft zumutbar ist. Auch aus diesem Grund ist dem Anspruch aus Art. 2 Abs. 2 GG auf staatlichen Schutz der menschlichen Gesundheit Genüge getan.
Weitergehende Schutzpflichten als diejenigen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben sich auch nicht aus dem Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) sowie aus dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten informationellen Selbstbestimmungsrecht, sodass dahingestellt bleiben kann, ob der Schutzbereich der geltend gemachten Grundrechte neben der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überhaupt berührt ist (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 28.2.2014 – 8 A 11308/13 – juris Rn. 12). Der Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Beeinträchtigung aller Art durch elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder hat Niederschlag in den bau- und immissionsschutzrechtlichen Vorschriften gefunden, sodass eine mögliche Verletzung nachbarlicher Rechte im Vorfeld der Grundrechte aufgefangen werden kann und sich ein Rückgriff auf die geltend gemachten Grundrechte – ebenso wie im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 GG – verbietet.
bb) Soweit die Kläger monieren, dass sie in Art. 13 GG verletzt seien, weil der Mobilfunkbetreiber eine „Indoor-Bestrahlung bis weit in die Keller hinein“ beabsichtige, ist bereits der Schutzbereich des Art. 13 GG nicht eröffnet. Die primäre Abwehrrichtung wendet sich gegen ein körperliches oder unkörperliches Eindringen des Staates in die Wohnung. Davon kann bereits keine Rede sein, wenn es um Funkstrahlen geht, welche die Mobilfunktelefonie ermöglichen (vgl. VG Kassel, B.v. 28.1.2021 – 7 L 2464/20.KS – juris Rn. 96). Nicht erfasst werden zudem unspezifische Umwelteinwirkungen auf Wohnungen (Wolff in Hömig/Wolff, Grundgesetz, 12. Aufl. 2018, Art. 13 Rn. 6), noch dazu, wenn diese nicht mit gesundheitlichen Schäden verbunden sind (s.o.). Insofern war der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag Nr. 4 abzulehnen, weil es auf ihn für die Entscheidung des Gerichts nicht ankam.
cc) Eine Verletzung von Art. 20a GG können die Kläger ebenfalls nicht geltend machen. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, dass Art. 20a GG eine justiziable Rechtsnorm darstellt, so hat es ebenfalls festgestellt, dass Art. 20a GG keine subjektiven Rechte enthalte (BVerfG, B.v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 u.a. – juris Rn. 112). Art. 20a GG ist eine reine Staatszielbestimmung und vermittelt keine subjektiven Rechte des Einzelnen (so auch OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 8.1.2015 – 2 R 94/14 – juris Rn. 18). Damit können sich jedenfalls die Kläger im Rahmen einer Nachbaranfechtungsklage nicht auf Art. 20a GG i.S. einer drittschützenden Norm berufen. Ungeachtet dessen hat das Bundesverfassungsgericht auch ausdrücklich betont, dass Art. 20a GG der Gesetzgebung erheblichen Gestaltungsspielraum lasse und es grundsätzlich auch nicht Aufgabe der Gerichte sei, aus der offenen Formulierung des Art. 20a GG konkret quantifizierbare Grenzen der Erderwärmung und damit korrespondierende Emissionsmengen oder Reduktionsvorgaben abzuleiten (BVerfG, B.v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 u.a. – juris Rn. 205 ff.). Inwieweit die streitgegenständliche Baugenehmigung dazu führen wird, dass das Klimaschutzgebot hierdurch leerlaufen würde, wurde von der Klägerseite gerade nicht substantiiert dargelegt. Insofern war der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag Nr. 5 abzulehnen, weil er nur dazu diente, neue Erkenntnisse zu erlangen, um auf diese Weise Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen. Das dabei von der Klägerseite in Bezug genommene WBGU-Gutachten (Anlage 10 zum Schriftsatz vom 2. September 2021) versteht sich selbst lediglich als Anstoß für lang anstehende Diskussionen und Initiativen auf allen Ebenen und mit allen Akteursgruppen. Dies verdeutlicht noch einmal, dass es gerade nicht Aufgabe der Gerichte ist, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten. Vielmehr obliegt es, gerade mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dem Verordnungsgeber, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können (vgl. auch VG München, U.v. 15.5.2017 – M 8 K 16.2507 – juris Rn. 30; U.v. 21.7.2015 – M 1 K 15.1409 – juris Rn. 26).
d) Eine Verletzung der Kläger wegen eines offensichtlich fehlenden Sachbescheidungsinteresses scheidet ebenso aus.
Zwar wurde klägerseits vorgetragen, dass die Gemeinde … den Pachtvertrag mit der Beigeladenen gekündigt habe. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Baugenehmigung wegen zivilrechtlicher Hindernisse nutzlos geworden wäre, führt dies nicht zu einer Rechtsverletzung des Nachbarn. Die Rechtsfigur des fehlenden Sachbescheidungsinteresses dient der Entlastung der Behörde vor unnötiger und nutzloser Verwaltungstätigkeit, vermittelt aber keinen Nachbarschutz (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2019 – 1 CS 19.821 – juris Rn. 11).
3. Die vom Bevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträge aus den Schriftsätzen vom 20. August 2020, 2. September 2021, 7. September 2021 und 14. September 2021 waren abzulehnen.
In der Sache bestand kein Anlass, den Hilfsbeweisanträgen nachzugehen. Während sich die Voraussetzungen für die Ablehnung eines unbedingt gestellten Beweisantrags aus § 86 Abs. 2 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO ergeben, wird mit einem nur hilfsweise gestellten Beweisantrag materiell lediglich die weitere Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt. Eine Aufklärungspflicht kommt daher nur in Betracht, wenn sich dem Gericht von Amts wegen eine weitere Beweisaufnahme aufdrängt (vgl. BVerwG, B.v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 – juris Rn. 3).
Soweit die hilfsweise gestellten Anträge dahingehend auszulegen sind (§ 88 VwGO), dass die Beweiserhebung für den Fall der Klageabweisung begehrt wird, enthalten die Schriftsätze vom 20. August 2020, 2. September 2021 und 14. September 2021 lediglich Beweisanregungen, die nicht auf einen hinreichend konkreten Sachverhalt bezogen waren, sondern der Vorbereitung eines eigentlichen Beweisantrags dienen sollten. Es sollte erneut festgestellt werden, ob überhaupt entscheidungserhebliche Tatsachen vorliegen. Überwiegend bezogen sich die Beweisangebote (Bl. 105, 109, 114, 115, 116, 129, 130, 131, 132, 133, 135, 136, 138, 141, 163, 826 der Gerichtsakte) außerdem auf einen Sachverhalt, auf den es für eine Entscheidung des Gerichts nicht ankam. Teilweise wurden auch überhaupt keine Tatsachen formuliert, sondern zu Rechtsfragen Beweise angeboten (Bl. 114 oben, 127, 469, 486 der Gerichtsakte). Da die Kammer letztlich einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aufgrund schädlicher Umwelteinwirkungen insbesondere deshalb abgelehnt hat, weil die Grundstücke der Kläger in erheblicher Distanz zur Grenze der Sicherheitsabstände für hochfrequente Felder gelegen sind und die 26. BImSchV hinsichtlich elektromagnetischer Felder die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen konkretisiert und die dort festgelegten Grenzwerte von Rechts wegen unverändert nicht zu beanstanden und verfassungsgemäß sind, drängte sich dem Gericht durch die hilfsweise gestellten Beweisanträge auch keine weitere Beweisaufnahme auf, sodass die Anträge abzulehnen waren.
Soweit der Bevollmächtigte der Kläger hilfsweise den Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 8. September 2021 stellte, lag dem Gericht lediglich ein Schriftsatz vom 7. September 2021 (Bl. 692 der Gerichtsakte) vor. Dieser Schriftsatz enthielt aber weder einen Beweisantrag noch ein Beweisangebot.
4. Nach alledem verletzt die mit der Klage angefochtene Baugenehmigung vom 11. Mai 2020 die Kläger nicht in nachbarschützenden Rechten. Die Klage erweist sich deshalb insgesamt als erfolglos und ist demzufolge abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Als im Verfahren unterlegen haben die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich mithin dem Prozessrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass die Kläger als im Verfahren unterlegen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen haben (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
6. Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
7. Die Berufung war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe i.S.d. § 124 VwGO vorliegen.


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