Aktenzeichen 9 ZB 13.2459
Leitsatz
Grundstücksteilungen werden von den Wirkungen einer Veränderungssperre nicht erfasst. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
3 K 13.890 2013-09-17 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. September 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die klagende Gemeinde (Klägerin) wendet sich gegen die der Beigeladenen vom Landratsamt Erlangen-Höchstadt erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses vom 3. April 2013. Der Beklagte erteilte die Baugenehmigung unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens und ließ eine Ausnahme von der Veränderungssperre der Klägerin zu. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht war der Bebauungsplan, dessen Sicherung die Veränderungssperre diente, bereits in Kraft getreten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. September 2013 abgewiesen. Das Vorhaben entspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans. Insbesondere erreiche das Baugrundstück die im Bebauungsplan festgesetzte Mindestgröße von 1.500 m². Ohne Belang sei, dass die festgesetzte Mindestgröße nur dadurch erfüllt habe werden können, dass das im Plangebiet gelegene bebaute Nachbargrundstück vor Inkrafttreten des Bebauungsplans auf eine Fläche von 834 m² verkleinert worden sei. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Zulassungsvorbringen der Klägerin, das Landratsamt hätte die Baugenehmigung nicht erteilen dürfen, weil es zu prüfen gehabt habe, ob die Grundstücksteilung wegen Verstoßes gegen § 19 Abs. 2 BauGB rückgängig gemacht hätte werden müssen und die Vorgehensweise der Beigeladenen sei rechtsmissbräuchlich bzw. rechtsumgehend, führen nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
a) Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung in baurechtlichen Drittklagen dem Bauherrn günstige Veränderungen, wie das Wirksamwerden eines das Vorhaben zulassenden Bebauungsplans, zu beachten sind (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 53 m. w. N.). Dies stellt die Klägerin nicht in Abrede. Hiervon ausgehend widerspricht das Vorhaben im maßgeblichen Zeitpunkt nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans der Klägerin (§ 30 Abs. 1 BauGB); es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob das Einvernehmen zu Recht ersetzt wurde (§ 36 BauGB).
b) Weshalb die Rückgängigmachung der Grundstücksteilung hätte verlangt werden können oder müssen und welche Folgerungen hieraus für die angefochtene Baugenehmigung zu ziehen sind, wird nicht hinreichend dargelegt. Die nicht näher begründete Annahme der Klägerin, es liege ein Verstoß gegen § 19 Abs. 2 BauGB vor, trifft offenkundig nicht zu. Nach § 19 Abs. 2 BauGB dürfen durch die Teilung eines Grundstücks „im Geltungsbereich eines Bebauungsplans“ keine Verhältnisse entstehen, die den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechen. Im Zeitpunkt der Grundstücksteilung lagen die Grundstücke aber unstreitig nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, dessen Festsetzungen die Teilung hätte widersprechen können, weil der in Aufstellung befindliche Bebauungsplan noch nicht in Kraft gesetzt war. Im Übrigen dürfte selbst aus einer entgegen § 19 Abs. 2 BauGB vorgenommenen Grundstücksteilung nicht folgen, dass das neue Vorhaben auf dem durch Teilung vergrößerten Grundstück bauplanungsrechtlich nach den Grundstücksverhältnissen vor der Grundstücksteilung beurteilt werden müsste. Eine dem entsprechende Regelung der Regierungsvorlage (§ 9 Abs. 3 BauGB) wurde bewusst nicht in das Gesetz übernommen (vgl. Söfker, a. a. O., § 19 Rn. 18 m. w. N.; BT-Drs. 15/2250 S. 15 und BT-Drs. 15/2996 S. 66).
c) Die Klägerin wendet auch nicht ein, dass ihre Veränderungssperre einer Grundstücksteilung entgegengestanden hätte. Insoweit gibt sie lediglich die Rechtsansicht des Beklagten und den entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wieder, dass Grundstücksteilungen von den Wirkungen einer Veränderungssperre nicht erfasst sind. Die Richtigkeit dieser einhellig vertretene Rechtsauffassung stellt die Klägerin aber nicht infrage (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.5.1973 – 4 C 9.72 – BVerwGE 42, 183; ebs. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand November 2015, § 19 Rn. 38 sowie Stock, ebd., § 14 Rn. 77; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage 2014, § 14 Rn. 14; Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Dezember 2015, § 14 Rn. 18; Sennekamp in Brügelmann, BauGB, Stand Dezember 2015, § 14 Rn. 49; Rieger in Schrödter, 8. Auflage 2015, § 14 Rn. 23; Hornmann in Spannowsky/Uechtritz, 2. Auflage 2014, § 14 Rn. 34, jeweils m. w. N.).
d) Der Vortrag der Klägerin, die Vorgehensweise der Beigeladenen sei rechtsmissbräuchlich bzw. rechtsumgehend, trifft nicht zu. Wie die Klägerin selbst einräumt, war die Grundstücksteilung ohne Einholung einer teilungsrechtlichen Genehmigung möglich. Eine zweckwidrige Inanspruchnahme dieser Möglichkeit ist in der vor Inkrafttreten des Bebauungsplans vorgenommenen Grundstücksteilung nicht zu sehen. Denn mit § 19 Abs. 2 BauGB hat der Gesetzgeber nur die Festsetzungen eines Bebauungsplans als Beurteilungsmaßstab genannt (vgl. Kraft in Berliner Kommentar zum BauGB, a.a.O, § 19 Rn. 10). Veränderungen der Rechtslage durch Verfügungen im Rechtssinne werden von der Veränderungssperre – anders als in § 51 Abs. 1 für die Umlegung sowie § 144 Abs. 2 und § 169 Abs. 1 Nr. 3 BauGB für das städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsrecht – nicht erfasst (vgl. vorstehend Buchst. c). Schließlich wird die Rechtmäßigkeit der vorhandenen bauliche Anlage auf dem durch Teilung verkleinerten Nachbargrundstück durch den später in Kraft getretenen Bebauungsplan nicht berührt. Sie darf daher auch dann weiter genutzt und erhalten werden, wenn sie den Festsetzungen des inzwischen in Kraft getretenen Bebauungsplans widerspricht. Ein die Versagung der Baugenehmigung rechtfertigender Rechtsmissbrauch liegt nach alldem nicht vor.
2. Die Darlegung der Klägerin zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, in der Regel würde dort, wo Zweifel bestünden, ob die Gründe das Urteil zu tragen vermögen, auch eine Zulassung wegen besonderer Schwierigkeit geboten sein, geht nicht über das hinaus, was die Klägerin zur Begründung ihrer Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ausgeführt hat. Besondere Schwierigkeiten im Sinn offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124 Rn. 27) haben sich dabei nicht ergeben.
3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Klägerin formuliert keine konkrete und entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage, die klärungsbedürftig sein und über den Einzelfall hinausgehen soll. Der Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Az. M 9 K 11.1459) zum Rückgängigmachen von Grundstücksteilungen ist verfehlt. Anders als im Fall des Verwaltungsgerichts München liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 BauGB hier nicht vor, weil die Grundstücksteilung vor Inkrafttreten des Bebauungsplans erfolgte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Nach Nr. 9.10 des Streitwertkatalogs beträgt der Streitwert in baurechtlichen Streitigkeiten bei „Ersetzung des Einvernehmens der Gemeinde“ 15.000 Euro.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).