Baurecht

baurechtliche Nachbarklage, Klagebefugnis (verneint), ausreichende Erschließung gesichert

Aktenzeichen  W 5 K 21.230

Datum:
14.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43241
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
BayBO Art. 68
BauGB § 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
1. Die Klage ist unzulässig, da es der Klägerin an der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO fehlt.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Bejahung der Klagebefugnis setzt voraus, dass es auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens des Betroffenen zumindest möglich erscheint, dass dieser durch den angefochtenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt wird (sog. Möglichkeitstheorie, vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206/92 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 42 Rn. 65). Im Falle der Anfechtung eines an einen anderen gerichteten, begünstigenden Verwaltungsakts durch einen Dritten kann sich eine eigene, die Klagebefugnis begründende Rechtsposition aus einer im Verfahren zu prüfenden drittschützenden Norm ergeben. Ob eine die behördliche Entscheidung tragende Norm Dritten, die durch die Entscheidung betroffen werden, Schutz gewährt und Abwehrrechte einräumt, hängt vom Inhalt der jeweiligen Norm sowie davon ab, ob der Drittbetroffene in den mit der behördlichen Entscheidung gestalteten Interessenausgleich eine eigene schutzfähige Rechtsposition einbringen kann. Drittschutz vermitteln nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm für die Behörde auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierbaren, sich von der Allgemeinheit unterscheidenden Personenkreises dienen (st. Rspr. vgl. BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – u. 16.3.1989 – 4 C 36/85 – beide juris). Die drittschützende Wirkung einer Norm wird also durch eine sachliche – Gebot der Rücksichtnahme auf bestimmte Interessen Dritter – wie auch eine personale Komponente – Betroffensein eines nach dem Schutzzweck der Norm zu ermittelnden Personenkreises – bestimmt.
Legt man hier das Tatsachenvorbringen der Klägerseite zugrunde, so ist es nach jeder Betrachtungsweise offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen, dass die von der Klägerin (vollkommen pauschal) behauptete Rechtsverletzung („Der erteilte Baugenehmigungsbescheid verletzt die Klägerin in ihren Rechten als benachbarte Grundstückseigentümerin“) besteht. Unter Zugrundelegung der von der Klägerin vorgebrachten Tatsachen ist nichts erkennbar, was für die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung der Klägerin sprechen würde. Die Klägerin hat nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass vorliegend durch die streitgegenständliche Baugenehmigung eine nachbarschützende Vorschrift verletzt sein könnte. Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage lediglich vorgetragen, dass die Erschließung des Baugrundstücks nicht gesichert sei, weil die vorgesehene Zufahrt über ihr Grundstück geführt werden solle, womit sie nicht einverstanden sei. Dieses Vorbringen knüpft ausschließlich an Vorschriften an, denen im hier gegebenen baurechtlichen Genehmigungsverfahren keine drittschützende Wirkung zukommt, so dass von vorneherein keine Rechtsbeeinträchtigung der Klägerin in Betracht kommt.
Denn das Erfordernis der ausreichenden Erschließung i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB, dessen Fehlen die Klägerin hier alleine („so dass die Erschließung des Grundstücks der Beigeladenen nicht gesichert ist“) rügt, dient allein dem öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und hat folglich keine nachbarschützende Funktion (BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – BeckRS 2017, 102475 Rn. 34 m.w.N. zur Rspr.; Rieger in Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Aufl. 2019, § 30 Rn. 48a; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand 142. EL Mai 2021, § 30 Rn. 56). Etwas anderes gilt zugunsten des Nachbarn nur in dem eng begrenzten Ausnahmefall, dass gerade durch die streitgegenständliche Baugenehmigung die Verpflichtung des Nachbarn zur Duldung eines zivilrechtlichen Notwegerechts wegen fehlender Erschließung des Baugrundstücks (sog. „notwegerhebliche Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung“) begründet wird (grundlegend: BVerwG, U.v. 26.3.1976 – IV C 7.74 -, bestätigt durch BVerwG, B.v. 11.5.1998 – 4 B 45/98 – beide juris; vgl. auch Rieger in Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Aufl. 2019, § 30 Rn. 48a). Dafür, dass die Baugenehmigung zu einem Notwegerecht in Bezug auf das klägerische Grundstück Fl.Nr. … führen könnte, hat schon die Klägerseite nicht das geringste vorgetragen, eine solche Fallkonstellation hat sie noch nicht einmal ansatzweise in den Raum gestellt. Eine derartige Fallkonstellation hat auch angesichts des Umstandes, dass die Beigeladene eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit der Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nr. …, …2 und … der Gemarkung E… über ein Wegerecht vorgelegt hat, von vorneherein auszuscheiden.
2. Im Ergebnis war die Anfechtungsklage der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO mangels Klagebefugnis als unzulässig abzuweisen. Im Übrigen erweist sich die Klage auch als unbegründet, da nichts dafür ersichtlich ist, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung rechtswidrig wäre und die Klägerin in eigenen Rechten verletzen würde (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Da sich die Beigeladene durch eigene Antragstellung am Prozesskostenrisiko beteiligt hat, entsprach es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Aufwendungen der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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