Baurecht

Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zur Baugrenze für geplante Werbeanlage

Aktenzeichen  AN 3 K 16.02201

Datum:
17.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO BauNVO § 23 Abs. 3

 

Leitsatz

Im Allgemeinen scheiden Abweichungen von Festsetzungen aus, die die Grundkonzeption des Bebauungsplans berühren, also vor allem den Gebietscharakter nach der Art oder dem Maß der baulichen Nutzung sowie die Festsetzungen zur Baudichte betreffen. Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen sind Mindestbestandteil eines qualifizierten Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB, weshalb eine Befreiung hiervon (hier für eine Werbeanlage) grundsätzlich die Grundzüge der Planung der Gemeinde berührt.  (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Verfahrenskosten zu tragen.

Gründe

Streitgegenstand vorliegender Klage ist das Begehren der Klägerin, die beantragte Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. … und die beantragte isolierte Abweichung von der Werbeanlagensatzung der Beklagten zur Anbringung einer Werbetafel auf den Türen eines sich auf dem Straßengrundstück FlNr. … befindlichen Schaltkastens zu erhalten.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der beantragten Befreiung und infolge davon auch der Anspruch auf isolierte Abweichung von der Werbeanlagensatzung der Beklagten nicht zu; sie wird durch den Versagungsbescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2016 nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Bei der streitgegenständlichen Werbeanlage handelt es sich um ein verfahrensfreies Vorhaben gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 12a BayBO.
Ihrer rechtmäßigen Errichtung steht jedoch – u.a. – die Baugrenzenfestsetzung im Bebauungsplan Nr. … entgegen.
Das geplante Vorhaben soll vollständig außerhalb der festgesetzten Baugrenzen errichtet werden.
Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten, § 23 Abs. 3 BauNVO. Über ihren Wortlaut hinaus ist diese Vorschrift auf alle baulichen Anlagen und demnach auch auf die von der Klägerin geplante Werbeanlage anzuwenden (vgl. z.B. BVerwG v. 7.6.2001 – 4 C 1.01 – juris).
Es liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Befreiung von der Baugrenzenfestsetzung vor, weshalb es auf die Frage eines ordnungsgemäß ausgeübten Ermessens seitens der Beklagten nicht ankommt.
Durch das beantragte Vorhaben werden die Grundzüge der Planung berührt, so dass die Erteilung der begehrten Befreiung von der Baugrenzenfestsetzung nicht in Betracht kommt.
Im Allgemeinen scheiden Abweichungen von Festsetzungen aus, die die Grundkonzeption des Bebauungsplans berühren, also vor allem den Gebietscharakter nach der Art oder dem Maß der baulichen Nutzung betreffen sowie die Festsetzungen zur Baudichte (Bauweise, überbaubare Grundstücksfläche), vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Stand 1.8.2016, § 31, Rn. 36.
Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen, § 23 Abs. 1 BauNVO, sind Mindestbestandteil eines qualifizierten Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB, weshalb eine Befreiung hiervon grundsätzlich die Grundzüge der Planung der Gemeinde berührt. Ein qualifizierter Bebauungsplan soll nach dem gesetzgeberischen Ziel des § 30 Abs. 1 BauGB die alleinige Grundlage für die städtebauliche Zulässigkeit eines Vorhabens darstellen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 30, Rn. 14).
Der Bebauungsplan … setzt in seinem Geltungsbereich Baugrenzen zu den angrenzenden Verkehrsflächen fest, im Bereich des streitgegenständlichen Verfahrens wird diese Festsetzung noch durch die im Bebauungsplan getroffene Festsetzung von privaten Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft „ergänzt“.
Damit tritt – wovon sich das Gericht im durchgeführten Augenschein überzeugen konnte – deutlich zutage, dass der Plangeber als Grundzug seiner Planung die Abschirmung der Gewerbefläche zum Straßenraum hin erreichen wollte. Auf diese Weise sollte erkennbar ein einheitliches Erscheinungsbild des Planbereichs „nach außen hin“ geschaffen werden.
Die Baugrenzenfestsetzung erweist sich als planerisch durchdacht und nicht lediglich als zufällig getroffen.
Bei der Baugrenzenfestsetzung handelt es sich demnach zur Überzeugung des Gerichts um eine die Grundkonzeption des Bebauungsplans betreffende Regelung, so dass eine Befreiungserteilung nach § 31 Abs. 2 BauGB schon mangels Erfüllens der dafür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht in Betracht kommt.
Nachdem der rechtmäßigen Errichtung des Bauvorhabens bereits der nicht im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu behebende Widerspruch zu der im einschlägigen Bebauungsplan getroffenen Baugrenzenfestsetzung entgegensteht, erübrigt sich eine nähere Prüfung des Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen bezüglich der Festsetzung „Straßenverkehrsfläche“ (wobei auch insoweit wohl bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB zu verneinen wäre) ebenso wie des Vorliegens der Voraussetzungen einer isolierten Abweichung nach § 9 der Werbeanlagensatzung der Beklagten.
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


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