Baurecht

Beschränkung der Benutzungspflicht für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung, Wirtschaftliche Zumutbarkeit für die öffentliche Wasserversorgung

Aktenzeichen  W 2 K 19.1699

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39875
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 7 Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung (Wasserabgabesatzung – WAS) vom 15. Juli 2019 der Stadt Obernburg am Main

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschränkung der Pflicht zur Benutzung der öffentlichen Wasserversorgung der Beklagten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1.1 Der Kläger erstrebt mit seinem Antrag eine Beschränkung des Benutzungszwangs auf einen bestimmten Verwendungszweck beziehungsweise Teilbedarf, nämlich hinsichtlich des Trinkwasserbezugs für das Wohnhaus und für die Reinigung der Melkanlagen, also für den Verbrauch, für den Trinkwasserqualität erforderlich ist. Diesen Wasserbedarf will er weiterhin aus der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung beziehen. Dagegen soll der Brauchwasserbedarf insbesondere für das Tränken der Tiere, das Reinigen der Ställe und der Maschinen im Umfang von jährlich ca. 3.000 Kubikmeter Wasser aus einer noch zu errichtenden eigenen Wasserversorgungseinrichtung bezogen werden.
Maßgebend für die Prüfung des Anspruchs sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, da eine Verpflichtungsklage vorliegt und es um die Beschränkung des Benutzungszwangs für die Zukunft geht.
Die Beklagte betreibt nach Maßgabe der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung (Wasserabgabesatzung – WAS) vom 15. Juli 2019 eine Wasserversorgungseinrichtung als öffentliche Einrichtung. Gemäß § 4 WAS hat jeder Eigentümer eines von der Anlage erschlossenen Grundstücks das Recht, sein Grundstück an die Anlage anzuschließen und von ihr mit Wasser beliefert zu werden. Gemäß § 5 Abs. 1 WAS sind die zum Anschluss Berechtigten verpflichtet, die Grundstücke, auf denen Wasser verbraucht wird, an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung anzuschließen (Anschlusszwang). Ein Anschlusszwang besteht nicht, wenn der Anschluss rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. Gemäß § 5 Abs. 2 WAS ist auf Grundstücken, die an die öffentliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen sind, der gesamte Bedarf an Wasser im Rahmen des Benutzungsrechts ausschließlich aus dieser Einrichtung zu decken (Benutzungszwang).
1.2 Rechtsgrundlage des Beschränkungsbegehrens des Klägers ist § 7 Abs. 1 Satz 1 WAS. Nach dieser Norm wird auf Antrag die Benutzungspflicht auf einen bestimmten Verbrauchszweck oder Teilbedarf beschränkt, soweit es für die öffentliche Wasserversorgung wirtschaftlich zumutbar ist und nicht andere Rechtsvorschriften oder Gründe der Volksgesundheit entgegenstehen.
Gegen die Rechtsgültigkeit dieser Norm wurden Bedenken weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich.
Nach diesen Grundsätzen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Beschränkung des Wasserbezugs i.S.d. § 7 WAS nicht vor.
1.2.1 Es besteht bei den Beteiligten Einigkeit, dass Gründe der Volksgesundheit und andere Rechtsvorschriften der Beschränkung der Benutzungspflicht nicht entgegenstehen. Auch ein Entgegenstehen anderer Rechtsvorschriften ist nicht erkennbar.
1.2.2 Allerdings hat der Kläger keinen Anspruch auf Beschränkung der Benutzungspflicht, weil dies für die öffentliche Wasserversorgung wirtschaftlich nicht zumutbar ist.
Nach der Rechtsprechung ist die Schwelle zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit insbesondere dann überschritten, wenn als Folge der beantragten Beschränkung der Benutzungspflicht die Trinkwasserversorgung in der betroffenen Gemeinde zu erträglichen Preisen nicht mehr möglich ist, wofür dem Träger der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung die Darlegungslast obliegt.
Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Beschränkungsanträge aller fünf Landwirte, die der Stadtrat der Beklagte in seiner Sitzung am 22. Februar 2018 ablehnte, im Umfang von insgesamt fast 25.000 Kubikmeter Wasser in den Blick zu nehmen sind, oder nur die Befreiungsanträge, die beim Verwaltungsgericht Würzburg rechtshängig sind (W 2 K 19.1699) im Umfang von insgesamt 8.000 Kubikmeter Wasser, denn aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. April 2014 – 4 B 13.2455 (juris) geht hervor, dass im vorliegenden Fall jede, auch die geringste Erhöhung der Wasserbenutzungsgebühr für die öffentliche Wasserversorgung wirtschaftlich nicht zumutbar ist.
Der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Urteil deutlich die Kriterien für eine wirtschaftliche Zumutbarkeit einer Benutzungsbeschränkung für die öffentliche Wasserversorgung aufgezeigt und ausgeführt (Rn. 35, juris):
„Diese deutliche Überschreitung des regionalen Durchschnittswerts kann den Gebührenzahlern im Versorgungsgebiet des Beklagten nicht mehr zugemutet werden. Generell gilt insoweit der Grundsatz, dass der prozentuale Anstieg gegenüber dem (grundgebührennivellierten) örtlichen Ausgangswert umso stärker beschränkt werden muss, je weiter sich die am Ende erreichte Gebühr vom regionalen Durchschnittswert entfernt. Profitieren die Anschlussnehmer eines Wasserversorgers von dessen – im Vergleich zu anderen Kommunen – geringen Gestehungskosten, so kann ihnen ein relativ hoher Gebührensprung als Folge der Absenkung des Gesamtwasserverbrauchs durch vermehrte Beschränkungen von der Benutzungspflicht eher zugemutet werden. Werden dagegen aufgrund einer ungünstigeren Ausgangslage bereits bisher vergleichsweise hohe Gebühren erhoben, so kann schon eine geringere Steigerung die Grenze des Tragbaren überschreiten (BayVGH, U.v. 26.4.2007 – 4 B 05.576 – VGH n.F. 60, 111/116 = BayVBl 2008, 274). Danach müssen, sobald die für den Fall der Erteilung aller beantragten Teilbefreiungen prognostizierte örtliche Verbrauchsgebühr die durchschnittliche Gebühr im Landkreis überschreitet, fünf verschiedene Zumutbarkeitsstufen unterschieden werden: Wird der regionale Durchschnitt nur vergleichsweise geringfügig um bis zu 10% überschritten, so erscheint eine Steigerung der örtlichen Verbrauchsgebühr gegenüber dem nivellierten Ausgangswert von maximal 40% als zumutbar. Liegt die nivellierte örtliche Verbrauchsgebühr nach der Erhöhung um bis zu 20% über dem regionalen Durchschnitt, kann dagegen nur ein Gebührensprung von 30%, bei einer Überschreitung des regionalen Durchschnitts um bis zu 30% ein Anstieg von 20% und bei einer Überschreitung von bis zu 40% eine Anhebung um höchstens 10% hingenommen werden. Liegt die nivellierte Vergleichsgebühr in der betreffenden Gemeinde schon bisher um mehr als 40% über dem regionalen Durchschnittswert, so kommt eine teilbefreiungsbedingte weitere Anhebung nicht mehr in Frage.“
Daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall keine durch eine Teilbeschränkung bedingte weitere Anhebung der Wassergebühren mehr möglich ist, da die nivellierte örtliche Verbrauchsgebühr schon bisher um mehr als 40% über dem regionalen Durchschnitt liegt.
Nach der in der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2020 von der Beklagtenseite vorgelegten Gebührenbedarfsberechnung für die Nachkalkulation 2019 ergibt sich eine Wassergebühr für das Jahr 2019 von 4,71 EUR pro Kubikmeter Wasser. Wenn alle Landwirte befreit würden, wäre nach dieser Kalkulation ein fiktiver Gebührensatz von 4,95 EUR pro Kubikmeter Wasser, also eine Anhebung um 24 Cent anzunehmen. Aus der vorgelegten Kalkulation lässt sich auch entnehmen, dass sich bei Stattgabe der Befreiungsanträge der Kläger im vorliegenden Verfahren und im Verfahren W 2 K 19.1699 eine Gebühr von 4,79 EUR pro Kubikmeter Wasser ergibt, was einer Gebührenanhebung um 8 Cent entspricht.
Unbestritten lag der Durchschnitt der um die Grundgebühren im Landkreis M. im Jahr 2018 bei 2,79 EUR. Bezogen auf dieses Jahr, in dem die örtliche Verbrauchsgebühr 4,13 EUR und die um die Grundgebühr nivellierte Verbrauchsgebühr 4,46 EUR betrugen, lagen die örtlichen Verbrauchsgebühr mindestens 59,86% über dem Landkreisdurchschnitt. Nach der Gebührenübersicht über den Landkreis M., vorgelegt mit Schreiben der Beklagten vom 6. November 2020, ergibt sich für das Jahr 2019 ein Landkreisdurchschnitt von 3,14 EUR (ohne Nivellierung). Die örtliche Verbrauchsgebühr der Beklagten lag demnach im Jahr 2019 um 50% über dem Landkreisdurchschnitt. Aktuellere Daten, insbesondere die um die Grundgebühren nivellierte Verbrauchsgebühren sind nicht verfügbar. Wegen der eindeutigen Zahlen und der enormen Differenz besteht aber Einigkeit bei den Beteiligten, dass davon auszugehen ist, dass der örtliche nivellierte Gebührensatz auch im Jahr 2019 ca. 50% über dem Landkreisdurchschnitt liegt. Nach Maßgabe des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 3. April 2014 – 4 B 13.2455 – (juris) ist damit jegliche weitere Anhebung der Gebühren durch Beschränkungen der Benutzungspflicht für die anderen Benutzer der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung wirtschaftlich unzumutbar und damit unzulässig.
1.2.3 Für die Ausübung von Ermessen verbleibt bei der vorliegenden Gebührenkonstellation kein Raum. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt (Rn. 38, juris), dass die für den regionalen Vergleich maßgebenden relativen Obergrenzen eingehalten werden müssen. Da die örtliche Gebühr im vorliegenden Fall die regionale Vergleichsgebühr um mehr als 40% überschreitet, kommt eine teilbefreiungsbedingte weitere Anhebung nicht in Frage.
1.2.4 Auch das Argument des Klägers, dass im vorliegenden Fall das Gebührenniveau der Beklagten nicht mit dem der umliegenden Gemeinden vergleichbar sei, weil diese ihre Instandhaltungskosten über Beiträge und nicht wie die Beklagte über Gebühren finanzierten, verhilft der Klage nicht zum Erfolg.
Zum einen hat die Klägerseite dies weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen. In der mündlichen Verhandlung wurde vom Ersten Bürgermeister der Beklagten zwar bestätigt, dass in den letzten Jahren sehr viele Rohrbrüche auftraten und dadurch überdurchschnittlich hohe Instandsetzungskosten angefallen seien. Allerdings sei das Problem erkannt worden und man habe im Rahmen eines Maßnahmenkatalogs schon verschiedene Maßnahmen ergriffen, um diese Kosten zukünftig zu senken. Wie allerdings die umliegenden Wasserversorger ihre Gebühren bzw. Beiträge kalkulierten, sei unbekannt.
Zum anderen würde sich die finanzielle Belastung des Klägers von der Gebührenlast auf die Beiträge verlagern, was ihm in Anbetracht der Größe der zu veranlagenden Grundstücke und der zu veranlagenden Geschossflächen wohl nicht zum Vorteil gereichen würde. Insbesondere hätte die Beklagte dann das Bündel an Maßnahmen zur Erneuerung und Verbesserung des Wasserleitungsnetzes im Wege einer Verbessrungsbeitragssatzung erheben können.
Entscheidungserheblich ist aber vor allem, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der zitierten ausschlaggebenden Entscheidung bereits die Vergleichbarkeit der Gebühren gewürdigt hat, indem er darlegte, dass nur die um die Grundgebühren nivellierte Verbrauchsgebühren mit den Gebührensätzen der anderen Gemeinden vergleichbar seien. Eine Nivellierung der Gebühren um die Kosten von Instandsetzungsmaßnahmen wurde nicht angesprochen. Eine solche Nivellierung würde wohl auch an der praktischen Umsetzbarkeit scheitern. Sie wäre, wenn überhaupt, nur unter enormen Verwaltungsaufwand möglich.
1.2.5 Auch der Vortrag des Klägers, dass die Gebührenbelastung eine existenzielle Bedrohung für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers darstelle, kann keinen Anspruch des Klägers auf Beschränkung seiner Benutzungspflicht begründen. Dafür wurden im Laufe des Gerichtsverfahrens keine Belege vorgelegt. Außerdem könnte eine eventuelle Existenzgefährdung im Rahmen einer Entscheidung der Beklagten über einen Erlass oder einer Stundung der Gebühren berücksichtigt werden. Eine entsprechende Gesprächsbereitschaft hat der Erste Bürgermeister in der mündlichen Verhandlung signalisiert.
Nach all dem kann die zulässige Klage keinen Erfolg haben und der Kläger kann nicht aus der Solidargemeinschaft der Gebührenzahler entlassen werden.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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