Baurecht

Beseitigungsanordnung für bauliche Anlagen im Außenbereich

Aktenzeichen  W 5 KO 16.1127

Datum:
8.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 5, Nr. 7
BayBO BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 1, Art. 76 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Gebäude beeinträchtigen grundsätzlich – auch in einer Dorfrandlage – die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … … … wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine vom Landratsamt H. ausgesprochene Beseitigungsanordnung sowie eine Nutzungsuntersagung und begehrt für eine Klageerhebung Prozesskostenhilfe.
1. Im Rahmen einer Ortseinsicht am 7. April 2016 stellte das Landratsamt H. fest, dass auf dem Grundstück Flurnummer …1 der Gemarkung … (Baugrundstück), das im Eigentum des Antragstellers steht, zwölf abgemeldete PKWs abgestellt worden waren. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass sich auf dem Grundstück zwei Pavillons mit einer Größe von je ca. 4 m x 5 m und eine Blechgarage mit einer Größe von 2 m x 3 m befinden. Das Baugrundstück befindet sich am nordöstlichen Ende des Ortes …, seine südwestliche Grundstückshälfte ist mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebaut, die nordöstliche Hälfte war bisher unbebaut.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2016 hörte das Landratsamt H. den Antragsteller zum Erlass einer Beseitigungsanordnung an. Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2016 brachte die Bevollmächtigte des Antragstellers vor: Bezüglich der Blechgarage habe der Antragsteller mitgeteilt, dass sich diese nicht auf seinem Grundstück, sondern vielmehr auf dem angrenzenden Grundstück befinde. Im Übrigen sei die Einschätzung des Landratsamts, dass sich das Grundstück im Außenbereich befinde, wohl nicht zutreffend. Zwar sei es richtig, dass, sofern kein rechtsverbindlicher Bebauungsplan vorliege, die Grenze zwischen dem Außen- und dem Innenbereich hinter dem letzten Gebäude des im Zusammenhang bebauten Ortsteils verlaufe. Jedoch sei von der Rechtsprechung anerkannt, dass der Innenbereich nicht direkt mit der letzten Hauswand ende, sondern vielmehr ein angemessener Gartenbereich zu dem entsprechenden Haus hinzuzurechnen sei, damit auch dem Eigentümer des letzten Hauses im Innenbereich die Möglichkeit verbleibe, Gartenhäuser, Garagen oder ähnliches in angemessenem Umfang auf seinem Grundstück zu errichten. Dabei existierten keine festen Grenzen zur Größe des angemessenen Gartens, vielmehr seien die konkreten örtlichen Gegebenheiten zu beachten. Nach allem sei davon auszugehen, dass sich die vom Antragsteller errichteten Pavillons noch im Innenbereich befänden, so dass die Argumentation des Landratsamts ins Leere gehe. Hinsichtlich der Autos werde rein vorsorglich vorgetragen, dass von diesen keine Gefahr für die Umwelt ausgehe, nachdem sie sich alle noch in fahrtauglichem Zustand befänden.
2. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2016 wurde dem Antragsteller aufgegeben, die Blechgarage und die zwei Pavillons auf dem Grundstück Flurnummer …1 der Gemarkung … zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen (Ziffer I). Dem Antragsteller wurde des Weiteren die Nutzung der im beiliegenden Luftbild rot gekennzeichneten Fläche des Grundstücks Fl.Nr. …1 der Gemarkung … als Autoabstellplatz untersagt (Ziffer II). Ferner wurde dem Antragsteller aufgegeben, sämtliche abgemeldeten Autos auf der im beiliegenden Luftbild rot gekennzeichneten Fläche des Grundstücks Fl.Nr. …1 der Gemarkung … zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen (Ziffer III). Für den Fall, dass der Antragsteller die in Ziffer I dieses Bescheids festgelegte Verpflichtung zur Beseitigung der Blechgarage nicht innerhalb eines Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides erfüllt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR zur Zahlung fällig erklärt (Ziffer V). Hinsichtlich der Verpflichtung zur Beseitigung der zwei Pavillons wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR zur Zahlung fällig erklärt (Ziffer VI). Hinsichtlich einer Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer II des Bescheids ausgesprochene Nutzungsuntersagung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 750,00 EUR zur Zahlung fällig erklärt (Ziffer VII) und für den Fall, dass die in Ziffer III des Bescheides festgelegte Verpflichtung zur Beseitigung der abgemeldeten Autos ebenfalls nicht innerhalb eines Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides erfüllt wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 750,00 EUR zur Zahlung fällig erklärt. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen (Ziffer IX und X).
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Anordnung in Ziffer I auf Art. 76 Satz 1 BayBO stütze. Die Errichtung der Blechgarage und der beiden Pavillons auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung … sei formell und auch materiell rechtswidrig. Die Vorhaben seien planungsrechtlich unzulässig. Das Grundstück befinde sich im Außenbereich gemäß § 35 BauGB; der Innenbereich ende mit der letzten Hauswand. Es handele sich um sonstige Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB, die mehrere in § 35 Abs. 3 BauGB genannten öffentlichen Belange beeinträchtigten. So würden Belange des Naturschutzes beeinträchtigt, denn auf dem betreffenden Grundstück sei ein Teil des biotopkartierten und nach Art. 16 BayNatSchG geschützten Gehölzbestandes gerodet worden. Außerdem widerspreche die vorgefundene Nutzung den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der dort Flächen für die Landwirtschaft vorsehe. Zudem werde das Landschaftsbild nachhaltig und erheblich beeinträchtigt. Des Weiteren müsse bei einem weiteren Erhalt der Blechgarage, der Pavillons und der abgestellten Autos die Entstehung einer Splittersiedlung befürchtet werden. Die Nutzungsuntersagung erfolge gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO. Die Nutzung der im beiliegenden Luftbild rot gekennzeichneten Fläche des Grundstücks Fl.Nr. …1 als Autoabstellplatz sei formell rechtswidrig. Eine bauaufsichtliche Genehmigung liege nicht vor. Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 BayBO sei nicht gegeben. Die Nutzung sei aber auch materiell rechtswidrig, da – wie ausgeführt – bauplanungsrechtlich unzulässig. Auch die in Ziffer III des Bescheids angeordnete Beseitigung sämtlicher abgemeldeter Autos und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes stütze sich auf Art. 76 Satz 2 BayBO. Das Landratsamt habe in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die vg. Maßnahmen angeordnet. Diese Anordnungen entsprächen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Antragsteller sei auch der richtige Adressat der Anordnungen.
3. Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2016, eingegangen bei Gericht am 3. November 2016, beantragte die Bevollmächtigte des Antragstellers die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung für ein beabsichtigtes Klageverfahren gegen den vorgenannten Bescheid und legte eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers sowie den Entwurf einer Klageschrift vor. Mit Schriftsatz vom 4. November 2016 wurde die an das Landratsamt gerichtete und im Verwaltungsverfahren abgegebene Stellungnahme vom 7. Juli 2016 vorgelegt. Das Landratsamt H. gab für den Antragsgegner ebenfalls eine Stellungnahme ab.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen nicht vor.
Gemäß § 166 VwGO gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Nach § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife der Prozesskostenhilfesache (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 40 m.w.N.). Für hinreichende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung muss zumindest eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit bestehen. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, fehlt es an den hinreichenden Erfolgsaussichten (BVerfG, B.v. 22.5.2012 – 2 BvR 820/11; BayVGH, B.v. 12.11.2012 – 10 C 12.346 – beide juris).
Die auf dieser Grundlage durchzuführende summarische Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass hinreichende Erfolgsaussichten der von dem Antragsteller beabsichtigten Rechtsverfolgung fehlen, weil der Bescheid des Landratsamts H. vom 5. Oktober 2016 rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die gegen die in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Beseitigungsanordnung gerichtete Klage wäre voraussichtlich unbegründet, da sich die Anordnung als rechtmäßig erweist und damit Rechte des Antragstellers nicht verletzt, mithin die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vorliegen.
Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde dann, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
1.1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten sind erfüllt. Eine Beseitigungsanordnung kann ergehen, wenn eine Bauge-nehmigung erforderlich ist, aber eine solche nicht vorliegt (formelle Illegali-tät) und darüber hinaus eine Genehmigung des Vorhabens auch nicht erfolgen kann, da es an der Genehmigungsfähigkeit fehlt (materielle Illegalität).
Die streitgegenständlichen Bauvorhaben, nämlich die Blechgarage und die zwei Pavillons auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung … sind formell illegal, da hierfür eine Baugenehmigung nicht erteilt wurde, obwohl eine solche erforderlich ist. Die Vorhaben sind nämlich baurechtlich genehmigungspflichtig gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO. Sie sind nicht verfahrensfrei i.S.v. Art. 57 BayBO. Insbesondere liegt keine Verfahrensfreiheit nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) oder b) BayBO vor, da sich der maßgebliche Bauort im Außenbereich befindet. Zwar liegt nicht das gesamte Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung … im Außenbereich, sehr wohl aber der nordöstliche Grundstücksbereich, in dem sich die betroffenen Gebäude befinden.
Für die Frage der Abgrenzung des Innenbereichs zum Außenbereich kommt es wesentlich darauf an, wieweit der Bebauungszusammenhang im Verhältnis zum Außenbereich reicht. Die Grenzziehung richtet sich danach, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt. Grundsätzlich endet der im Zusammenhang bebaute Ortsteil mit der letzten Bebauung. Die sich ihr anschließenden selbständigen Flächen gehören zum Außenbereich (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB – BauNVO, 122. Erg.Lief. 2016, § 34 BauGB Rn. 25, unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 12.10.1973 – 4 C 3/72 – juris). Wo die Grenze eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und damit die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich verläuft, lässt sich nicht unter Anwendung von geografisch-mathematischen Maßstäben bestimmen, sondern bedarf einer Beurteilung aufgrund einer echten Bewertung des konkreten Sachverhalts. Bei dieser Bewertung kann nur eine komplexe, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigende Betrachtungsweise im Einzelfall zu einer sachgerechten Entscheidung führen. Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, hängt davon ab, inwieweit nach der maßgeblichen Betrachtungsweise der Verkehrsauffassung die aufeinander folgende Bebauung trotz der vorhandenen Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit bzw. der Zusammengehörigkeit vermittelt. Dabei lässt sich nichts Allgemeingültiges darüber sagen, wie sich namentlich die Größe eines solchen unbebauten Grundstücks auf die Anwendbarkeit des § 34 BauGB auswirkt. Grundlage und Ausgangspunkt der bewertenden Beurteilung, ob die zur Bebauung vorgesehene Fläche noch dem Bebauungszusammenhang angehört, sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie darüber hinaus auch andere topografische Verhältnisse wie z. B. Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Gräben, Flüsse und dergleichen) und Straßen (BayVGH, U.v. 1.2.2010 – 14 B 08.2892 und 14 B 08.2893 – beide juris, unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 14.11.1991 – 4 C 1/91 – NVwZ-RR 1992, 227 und U.v. 1.12.1972 – IV C 6.71 – BVerwGE 41, 227).
Unter Heranziehung der in den Gerichts- und Behördenakten vorhandenen Lagepläne, Luftbilder und Lichtbilder ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Innenbereich von … nordöstlich der letzten Gebäudewand des im südwestlichen Grundstücksbereich gelegenen Wohngebäudes endet und der Bereich östlich und nordöstlich hiervon, jedenfalls der Bereich am nordöstlichen Ende des klägerischen Grundstücks, auf dem die fraglichen Gebäude errichtet wurden, dem Außenbereich zuzurechnen ist. Hierfür spricht auch, dass der bisher bebaute südwestliche Bereich deutlich tiefer liegt, als der sich anschließende Gartenbereich.
Die baulichen Anlagen sind auch materiell rechtswidrig.
Denn die im Außenbereich gelegenen Bauvorhaben sind planungsrechtlich unzulässig. Es handelt sich hierbei um sonstige Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB, die Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB (Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der natürliche Eigenart der Landschaft) und des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB (Entstehung einer Splittersiedlung) beeinträchtigen. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid des Landratsamts H. Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Jedenfalls ist hier nach summarischer Prüfung von einer Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB durch die streitgegenständlichen Gebäude auszugehen. Zweck dieses öffentlichen Belangs ist die Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft, um eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs zu verhindern. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung. Durch die Vorschrift soll der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung der Allgemeinheit erhalten werden. Aus diesem Grund sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen. Aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB folgt ein „funktioneller Landschaftsschutz“. Ästhetische Gesichtspunkte sind also nicht entscheidend. Grundsätzlich beeinträchtigen Gebäude – auch in einer Dorfrandlage (wie hier) – die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 35 BauGB Rn. 96 f.; s.a. BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 29/81 – juris).
1.2. Die Beseitigungsanordnung lässt auch keine Ermessensfehler der Behörde erkennen. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung von Anlagen anordnen. Der Behörde ist mithin Ermessen eingeräumt. Nach Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Um das Ermessen pflichtgemäß ausüben zu können, ist es dabei zunächst erforderlich, dass die Behörde den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt vollständig ermittelt, damit sie alle für die Ermessensausübung tragenden Gesichtspunkte in die Entscheidungsfindung einbeziehen kann. Sodann hat die Bauaufsichtsbehörde die für und gegen ein Einschreiten sprechenden Gesichtspunkte sachgerecht abzuwägen. Dabei ist zunächst zu beachten, dass bei der Entscheidung, ob gegen eine keine formelle Bestandskraft genießende und materiell illegale Anlage eingeschritten wird, dem der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 76 Satz 1 BayBO eingeräumten Ermessen die Tendenz zu eigen ist, die im öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände grundsätzlich gebotene Pflicht zu verwirklichen. Die Verhinderung und grundsätzlich auch Beseitigung von „unheilbar“ rechtswidrigen Anlagen liegt im besonderen Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten baulichen Entwicklung (vgl. Simon/ Busse, BayBO, Stand: August 2016, Art. 76 Rn. 208). Ist die Beseitigung das einzige Mittel, um einen baurechtmäßigen Zustand herzustellen, liegt die Beseitigung in diesen Fällen im öffentlichen Interesse, weil nur auf diesem Weg dem wilden Bauen begegnet werden kann.
1.3. Der Antragsteller ist auch richtiger Adressat der Beseitigungsanordnung. Als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …2 der Gemarkung … und Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück bzw. der hierauf befindlichen Gebäude ist er Zustandsstörer i.S.v. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 LStVG. Der Vortrag der Antragstellerseite, die zu beseitigende Blechgarage befinde sich nicht auf dem klägerischen Grundstück, sondern auf dem Nachbargrundstück, kann von Seiten der Kammer nicht nachvollzogen werden. Ausweislich der von der Bauaufsichtsbehörde gefertigten Lichtbilder befindet sich diese Garage zwischen den beiden Pavillions und dem das klägerische Grundstück nach Nordosten begrenzenden Heckenzug und damit noch auf dem klägerischen Grundstück.
2. Die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Nutzungsuntersagung ist nach summarischer Prüfung der Kammer ebenfalls rechtmäßig. Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO liegen vor. Die Nutzung der Anlage auf dem Baugrundstück steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Bei einer Nutzungsuntersagung genügt hierzu anerkanntermaßen grundsätzlich die formelle Illegalität (BayVGH, B.v. 12.12.2011 – 2 ZB 11.873; BayVGH, B.v. 30.8.2007 – 1 CS 07.1253; beide juris; Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 282 m.w.N. zur Rspr.), d.h. die Nutzung ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung. Anders als bei der Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. In diesen Fällen ist es unerheblich, ob die untersagte Nutzung materiell illegal und damit nicht genehmigungsfähig ist. Vorliegend erweist sich das Vorhaben des Antragstellers als formell illegal, weil das nicht genehmigte Abstellen und Lagern der Kraftfahrzeuge innerhalb des im Luftbild – das als Anlage der Baugenehmigung beigefügt wurde – rot markierten Bereichs des Baugrundstücks genehmigungspflichtig ist. Vorliegend scheidet eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO aus, weil für die Nutzung der Anlage als Lager- und Abstellfläche für Kraftfahrzeuge andere öffentlich-rechtliche Anforderungen zu stellen sind als für eine Nutzung als Garten- oder Hoffläche.
Nach summarischer Prüfung erweist sich die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung auch nicht als ermessensfehlerhaft.
4. Soweit mit Ziffer III des Bescheids des Landratsamts H. vom 5. Oktober 2016 die Beseitigung sämtlicher abgemeldeter Autos, die sich auf der im beigefügten Luftbild rot gekennzeichneten Fläche des Baugrundstücks befinden, sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angeordnet wird, bestehen nach summarischer Prüfung ebenfalls keine rechtlichen Bedenken, zumal von Antragstellerseite hierzu schon nichts vorgetragen wurde.
Kann eine Nutzungsuntersagung nur dadurch realisiert werden, dass sämtliche in oder auf der Anlage gelagerten Gegenstände entfernt werden – wie hier bei der Untersagung der Nutzung des Außenbereichsgrundstücks als Autoabstellp Platz die Entfernung der abgemeldeten Pkws -, dann deckt Art. 76 Satz 2 BayBO auch die mit der Nutzungsuntersagung verbundene Räumung des Grundstücks (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 273 m.w.N. zur Rspr., insb. der des BayVGH; a.A. BeckOK BauordnungsR Bayern/Manssen, BayBO, Stand Juli 2016, Art. 76 Rn. 68, der zu einer Heranziehung des Art. 76 Satz 1 BayBO kommt, was aber hier am Ergebnis, nämlich der Rechtmäßigkeit der Anordnung nichts ändert).
5. Die Androhung der Zwangsgelder in Ziffer V bis VIII des Bescheids vom 5. Oktober 2016 begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken und findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1, 2 Nr. 1, Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 – 3, 5 und 7 VwZVG.
Ebenfalls keine Bedenken sind hinsichtlich der Kostenentscheidung in Ziffer IX und X des streitgegenständlichen Bescheids angezeigt.
6. Nach allem war der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.


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