Baurecht

Beseitigungsanordnung im Außenbereich, Begriff der Splittersiedlung und Bestandsschutz

Aktenzeichen  W 4 K 15.1304

Datum:
8.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34, § 35
BayBO BayBO Art. 76 S. 1

 

Leitsatz

1 Ein Grundstück und eine sich auf diesem Grundstück befindliche bauliche Anlage sind regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn sie an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben sind. Für die Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich können jedoch auch topographische Verhältnisse, wie etwa Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse und dergleichen) eine Rolle spielen.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch eine Straße, ein Weg oder ein sonstiges Hindernis können je nach den Umständen des Einzelfalls einen Bebauungszusammenhang herstellen oder trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich haben. Die Berücksichtigung solcher äußerlich erkennbaren Umstände kann dazu führen, dass der Bebauungszusammenhang im Einzelfall nicht am letzten Baukörper endet, sondern dass ihm ein oder auch mehrere unbebaute Grundstücke bzw. bauliche Anlagen bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze zuzuordnen sind. (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Begriff der Siedlung und damit auch Zersiedlung ist nicht auf zum Wohnen bestimmte Gebäudlichkeiten beschränkt. Er erfasst vielmehr all diejenigen baulichen Anlagen, die mit dem Aufenthalt von Menschen verbunden sind, zB auch gewerbliche Anlagen. Der Außenbereich ist grundsätzlich von Bebauung freizuhalten, die einer gesunden Siedlungsstruktur zuwiderläuft. Für das Vorliegen einer Zersiedlung streitet somit gewissermaßen eine starke Vermutung. (redaktioneller Leitsatz)
4 Bestandsschutz setzt voraus, dass das Vorhaben formell und materiell rechtmäßig ist bzw. war. Die materielle Legalität einer Anlage über einen „namhaften“ Zeitraum ist folglich nur mehr dann ausreichend, wenn die Anlage verfahrensfrei errichtet werden konnte. Dementsprechend genießt eine Anlage und die mit ihr verbundene Nutzung nur dann Bestandsschutz, wenn sie seit ihrem Entstehen in irgendeinem – namhaften – Zeitraum dem maßgebenden materiellen Recht entsprochen hat, sofern in diesem Zeitraum eine förmliche Genehmigung nicht erforderlich war, bzw. wenn die (bauliche) Anlage förmlich genehmigt worden ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Anfechtungsklage bleibt ohne Erfolg, da der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 9. November 2015 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Bescheid ist sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Die nach Art. 28 BayVwVfG erforderliche Anhörung ist mit Schreiben des Landratsamts Aschaffenburg vom 11. September 2014 (Bl. 10 d. Behördenakte) erfolgt.
I.
Die nach dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes erforderliche Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung findet sich in Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde – wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden – die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
1. Bei den streitgegenständlichen Blechcontainern handelt es sich um bauliche Anlagen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO, deren Errichtung gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO baugenehmigungspflichtig ist. Der Umstand, dass die Container kurzfristig wieder entfernt werden können, steht deren Eigenschaft als bauliche Anlage nicht entgegen, da die Container sich nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten mindestens seit September 2014 auf den Grundstücken des Klägers befinden und damit ortsfest benutzt werden (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BayBO).
Die streitgegenständliche Anlage unterliegt nicht der Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO. Danach sind Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 m³ – außer im Außenbereich – verfahrensfrei.
Der Verfahrensfreiheitstatbestand greift zugunsten der klägerischen Blechcontainer schon deshalb nicht ein, da das Baugrundstück im Außenbereich liegt. Als dem Außenbereich zugehörig gelten diejenigen Gebiete, die weder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans i.S.d. § 30 Abs. 1 oder 2 BauGB, noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) liegen (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, § 35 Rn. 2).
Das streitgegenständliche Bauvorhaben liegt weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch innerhalb des Zusammenhangs bebauter Ortsteile.
Grundsätzlich erfordert das Merkmal „im Zusammenhang bebaut“ eine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.1984 – 4 C 56.79 – juris). Maßgeblich ist dabei, dass die Fläche, auf der das Vorhaben verwirklicht werden soll, einen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs bildet, also selbst am Eindruck von dessen Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Wie eng diese Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um noch als zusammenhängende Bebauung zu erscheinen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 31.66 – BVerwGE 31, 22). Am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang – unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen (vgl. BVerwG, U.v. 12.6.1970 – IV C 77.68 – BVerwGE 35, 256) – grundsätzlich hinter dem letzten Gebäude (BVerwG, U.v. 12.10.1973 – IV C 3.72 – juris Rn. 11). Die sich daran anschließenden selbständigen Flächen und baulichen Anlagen gehören zum Außenbereich (vgl. BVerwG, a.a.O.). Ein Grundstück und eine sich auf diesem Grundstück befindliche bauliche Anlage sind daher regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn sie an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben sind. Für die Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich können jedoch auch topographische Verhältnisse, wie etwa Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse und dergleichen) eine Rolle spielen. Auch eine Straße, ein Weg oder ein sonstiges Hindernis können je nach den Umständen des Einzelfalls einen Bebauungszusammenhang herstellen oder trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich haben. Die Berücksichtigung solcher äußerlich erkennbarer Umstände kann dazu führen, dass der Bebauungszusammenhang im Einzelfall nicht am letzten Baukörper endet, sondern dass ihm ein oder auch mehrere unbebaute Grundstücke bzw. bauliche Anlagen bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40/87 – BauR 1991, 308; BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238/96 – NVwZ-RR 1998, 157).
Nach diesen Maßstäben liegen die streitgegenständlichen Blechcontainer eindeutig im Außenbereich. Nach dem von der Kammer im Augenscheinstermin gewonnenen Eindruck nehmen die Grundstücke des Klägers Fl.Nrn. …9, …0, …3 und …2 nicht mehr am Bebauungszusammenhang entlang der Straße „…“ teil. Den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit der streitgegenständlichen Grundstücke mit der westlich liegenden Bebauung konnte die Kammer nicht gewinnen. Vielmehr endet der Bebauungszusammenhang entlang der Straße „…“ mit dem letzten Wohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. …2/2. Die sich daran anschließenden Grundstücke des Klägers Fl.Nrn. …9, …0, …3 und …2 liegen sämtlich im Außenbereich. Es liegen auch keine topografischen Besonderheiten vor, die die zu beseitigenden Anlagen noch in den Bebauungszusammenhang einbeziehen würden. Solche wurden weder vom Kläger vorgetragen, noch waren diese im Rahmen der Augenscheinnahme von der Kammer zu erkennen.
2. Die Errichtung der Blechcontainer ist auch materiell baurechtswidrig, da diese nicht den für sie maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, namentlich denjenigen des Bauplanungsrechts, entsprechen.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sich nach § 35 Abs. 2 BauGB, da es nicht im Zusammenhang bebauter Ortsteile liegt (vgl. oben) und keine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB vorliegt.
Privilegierungstatbestände im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB kommen vorliegend nicht in Betracht. Der Augenscheinstermin hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Grundstücke über eine hobbymäßige gärtnerische Nutzung hinaus Grundlage eines ernsthaft und nachhaltig betriebenen landwirtschaftlichen Anwesens oder Erwerbsgartenbaus sein könnten. Die nur hobbymäßig betriebene gärtnerische Nutzung rechtfertigt aber nicht die Annahme einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.9.2011 – Au 4 K 11.35 – juris Rn. 83).
Nach § 35 Abs. 2 BauGB sind im Außenbereich sonstige Vorhaben, d.h. Vorhaben, die nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind, nur ausnahmsweise zulässig, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere dann vor, wenn das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt, den Hochwasserschutz gefährdet oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt.
a) Die streitgegenständlichen Anlagen widersprechen den Festsetzungen des Flächennutzungsplans, der für das fragliche Gebiet „Flächen für die Landwirtschaft“ ausweist (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Dieser Belang kann dem klägerischen Vorhaben auch entgegengehalten werden. Maßstab für die Beurteilung, ob das Vorhaben dem Flächennutzungsplan „nicht widerspricht“, sind grundsätzlich alle in diesem Plan enthaltenen Darstellungen, also solche im Sinn des § 5 Abs. 2 BauGB sowie der Baunutzungsverordnung. Das Vorhaben darf nicht im Widerspruch zu ihnen stehen. Letztlich bleibt hier auch zu beachten, dass es sich bei dem klägerischen Vorhaben nicht um ein privilegiertes Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 BauGB, sondern lediglich um ein sonstiges Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB handelt, so dass den öffentlichen Belangen ein größeres Durchsetzungsvermögen zuzubilligen ist. Bei sonstigen Vorhaben reicht es – im Unterschied zu privilegierten Vorhaben – für deren Unzulässigkeit bereits aus, dass sie öffentliche Belange spürbar nachteilig beeinflussen (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 35 Rn. 75). Eine Bebauung mit nicht landwirtschaftlich genutzten Blechcontainern widerspricht einer Darstellung, wonach die Fläche lediglich als landwirtschaftliche Fläche genutzt werden soll.
b) Das Vorhaben beeinträchtigt auch die natürliche Eigenart der Landschaft und ihre Erholungsfunktion (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).
Zweck dieses öffentlichen Belangs ist die Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft zur Verhinderung einer wesensfremden Bebauung des Außenbereichs. Der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung soll für die Allgemeinheit erhalten bleiben; die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Aus diesem Grund sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen. Vorhaben mit anderer als land- und forstwirtschaftlicher Zweckbestimmung sind daher zumeist unzulässig (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2016, § 35 Rn. 96).
Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung. Dabei können auch bereits vorhandene Anlagen die Eigenart der Landschaft mitprägen (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13.Aufl. 2016, § 35 Rn. 86). Allerdings führen die vorliegend im Umgriff der klägerischen Grundstücke vereinzelt vorhandenen Einfriedungen und sonstigen Anlagen nicht dazu, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben keine Beeinträchtigung mehr eintritt. Die Kammer konnte im Augenscheinstermin nicht feststellen, dass die landwirtschaftliche Bodennutzung im Bereich der Grundstücke des Klägers bereits weitgehend durch andere Nutzungen verdrängt ist. Vielmehr ist vorliegend jedenfalls auf Grund der Ausmaße der insgesamt auf den klägerischen Grundstücken vorhandenen Anlagen und des hier – wie der Augenscheinstermin eindeutig ergeben hat – nach wie vor bestehenden Außenbereichscharakters nicht von einer Prägung der Landschaft durch die vorhandenen Anlagen auszugehen. Andernfalls würde nämlich jede tatsächlich vorhandene ungenehmigte Anlage bei der Beeinträchtigung der Eigenart der Landschaft dergestalt zu berücksichtigen sein, dass ein planvolles baurechtskonformes Vorgehen und die Verwirklichung der Ziele des § 35 BauGB, nämlich die grundsätzliche Freihaltung des Außenbereichs von Bebauung, obsolet werden würde und durch baurechtswidriges Vorgehen faktisch vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.9.2011 – Au 4 K 11.35 – juris).
c) Das klägerische Vorhaben lässt zudem die Entstehung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten.
Eine Splittersiedlung ist gekennzeichnet durch in einem engeren räumlichen Bereich liegende Bauten, die in keiner organischen Beziehung zu den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen stehen, und die selbst keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil darstellen, auch in keiner organischen Beziehung zu einem solchen stehen oder sich nicht in die geordnete städtebauliche Entwicklung einfügen. Zweck dieses öffentlichen Belanges ist es, eine Entwicklung unorganischer Siedlungsstruktur und damit jede Zersiedlung des Außenbereichs zu verhindern (Söfker, a.a.O., § 35 Rn. 104).
Die vorliegende Bebauung der klägerischen Grundstücke stellt nach Ansicht der Kammer eine unorganische Siedlungsentwicklung dar, die städtebaulich zu missbilligen ist und dementsprechend den Tatbestand des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB erfüllt. Der Begriff der Siedlung und damit auch Zersiedlung ist nicht auf zum Wohnen bestimmte Gebäudlichkeiten beschränkt. Er erfasst vielmehr all diejenigen baulichen Anlagen, die mit dem Aufenthalt von Menschen verbunden sind, z.B. auch gewerbliche Anlagen (BVerwG, U.v. 9.6.1976 – IV C 42.74 – DÖV 1976, 572) oder Garagen (BVerwG U.v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 – BVerwGE 106, 228). Der Außenbereich ist grundsätzlich von Bebauung freizuhalten, die einer gesunden Siedlungsstruktur zuwiderläuft. Für das Vorliegen einer Zersiedlung streitet somit gewissermaßen eine starke Vermutung (BVerwG, 3.6.1977 – IV C 37.75 – BVerwGE 54, 73; BVerwG, U.v. 26.5.1967 – IV C 25.66 – juris Rn. 15). Der Tatbestand der Zersiedlung ist nur dann nicht erfüllt, wenn sich die Streubebauung im Außenbereich als herkömmliche Siedlungsform darstellt (BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – ZfBR 2000, 426). Voraussetzung hierfür ist aber, dass es sich um eine charakteristische, historisch entstandene Siedlungsstruktur des Außenbereichs handelt, die sich durch bestimmte Arten von Nutzungen und Siedlungsformen auszeichnet, was im vorliegenden Fall auf die Nutzung der Container nicht zutrifft.
Der Beklagte befürchtet daher zu Recht durch die Ausweitung des Ortsteiles über den Bebauungszusammenhang im „…“ hinaus in den Außenbereich hinein eine siedlungsstrukturell unerwünschte Zersiedlung und damit eine zu missbilligende Entwicklung mit der Folge der Beeinträchtigung öffentlicher Belange.
3. Der Kläger kann sich auch nicht auf Bestandsschutz berufen.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt Bestandsschutz voraus, dass das Vorhaben formell und materiell rechtmäßig ist bzw. war (BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 B 116/97 – NVwZ-RR 1998, 357; vgl. auch BayVGH, U.v. 17.10.2006 – 1 B 05.1429 – juris Rn. 24). Die materielle Legalität einer Anlage über einen „namhaften“ Zeitraum ist folglich nur mehr dann ausreichend, wenn die Anlage verfahrensfrei errichtet werden konnte. Dementsprechend genießt eine Anlage und die mit ihr verbundene Nutzung nur dann Bestandsschutz, wenn sie seit ihrem Entstehen in irgendeinem – namhaften – Zeitraum dem maßgebenden materiellen Recht entsprochen hat, sofern in diesem Zeitraum eine förmliche Genehmigung nicht erforderlich war, bzw. wenn die (bauliche) Anlage förmlich genehmigt worden ist (BVerfG, B.v. 15.12.1995 – 1 BvR 1713/92 – NVwZ-RR 1996, 483; BVerwG, U.v. 13.6.1980 – 4 C 98/77 – NJW 1981, 473; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2016, Art. 76 Rn. 117 m.w.N.).
Dies ist bezüglich der zu beseitigenden Container nicht der Fall, da für diese zu keinem Zeitpunkt eine Baugenehmigung vorlag und deren Errichtung auch materiell-rechtlich nicht zulässig war (vgl. oben).
4. Als Rechtsfolge sieht Art. 76 Satz 1 BayBO bei Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen ein Entschließungs- und Auswahlermessen der Bauaufsichtsbehörde vor. Die Ermessensausübung des Beklagten ist insoweit vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Bauaufsichtsbehörde hat, wie die Ermessenserwägungen im Bescheid vom 9. November 2015 zeigen, erkannt, dass die Anordnung in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) steht. Die Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde überhaupt eingeschritten ist, um rechtmäßige Zustände herzustellen, bedurfte keiner besonderen Rechtfertigung (BayVGH, U.v. 28.6.2010 – 1 B 09.1911 – juris Rn. 83). Im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung durfte der Beklagte dem hoch zu gewichtenden Interesse der Allgemeinheit an rechtmäßigen Bauzuständen und an einer geordneten baulichen Entwicklung, insbesondere an der Vermeidung von Bezugsfällen, den Vorzug vor den privaten Interessen des Klägers an einer Belassung der Blechcontainer sowie an der Vermeidung von Abriss- bzw. Beseitigungskosten geben.
Auch der Umstand, dass – wie der Kläger behauptet – im Umgriff des Bau-grundstücks möglicherweise im Außenbereich weitere baurechtswidrig er-richtete Gebäude vorhanden sind, kann nicht dazu führen, dass die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung ermessensfehlerhaft wird. Denn selbst wenn der Beklagte den Zustand rechtswidrig geduldet oder genehmigt haben sollte, entsteht kein Rechtsanspruch, ebenso behandelt zu werden. Dass der Gleichheitssatz die Behörde nicht zwingt, einen einmal gemachten Fehler zu wiederholen, entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 28.4.1968 – I C 64.42 – BVerwGE 18, 242/246; auch st. Rspr. des BayVGH, vgl. U.v. 9.6.2000 – 2 B 96.2571 – BayVBl. 2001, 211).
Die Anordnung stellt schließlich auch keine unzumutbare Härte für den Kläger dar. Die Unzumutbarkeit folgt nicht aus den zu erwartenden finanziellen Aufwendungen des Klägers für die notwendigen Abrissarbeiten. Wer ohne die erforderliche Genehmigung eine Anlage errichtet oder ändert und damit selbst vollendete Tatsachen schafft, hat das Risiko der rechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen (BVerwG, B.v. 30.8.1996 – 4 C 15/95 – NVwZ-RR 1997, 273).
II.
Die Zwangsgeldandrohung (Ziffer 5 des Bescheids) stützt sich auf Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 31 und Art. 36 VwZVG und ist rechtmäßig. Insbesondere bewegt sich das festgesetzte Zwangsgeld innerhalb des gesetzlichen Rahmens und berücksichtigt das wirtschaftliche Interesse des Klägers, Art. 31 Abs. 2 VwZVG.
Die Frist von drei Monaten ab Bestandskraft des Bescheids zur Beseitigung der Anlage ist angemessen.
III.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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