Baurecht

Denkmaleigenschaft umstritten – präventive Abrissuntersagung

Aktenzeichen  M 11 K 15.5680

Datum:
30.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 75
BayDSchGArt. 4 Abs. 4,  Art. 6, Art. 1 Abs. 3, Art. 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1 Bei Fällen, in denen gerade die Denkmaleigenschaft umstritten ist, ist zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen auf die Möglichkeit der präventiven Abrissuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 S. 2 BayDSchG iVm Art. 75 Abs. 1 BayBO zurückzugreifen. (Rn. 19) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Im Falle der Klage gegen eine Abrissuntersagung ist nicht der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern der der letzten mündlichen Verhandlung für die Prüfung der Rechtmäßigkeit maßgebend; es handelt sich um einen Dauerverwaltungsakt. (Rn. 24) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Übermäßige Verfahrensdauer und nichtnachvollziehbare Verzögerungen (hier: 17 Monate bis zum Eintritt einer Rechtsänderung) dürfen nicht grenzenlos zu Lasten des von der Baueinstellung bzw. des vom Veränderungsverbot Betroffenen gehen. (Rn. 46) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Verfügung des Landratsamts … vom 27.11.2015 unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 04.04.2017 am 01.05.2017 rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat teilweise Erfolg.
Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2017 ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
1. Soweit die Klägerin die Aufhebung der Verfügung des Landratsamts vom 27. November 2015 begehrt, ist die zulässige Klage unbegründet, da die Verfügung im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt rechtmäßig ist und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die erforderliche Rechtsgrundlage für den Erlass einer präventiven Abrissuntersagung ergibt sich vorliegend aus Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG, der für die Fälle des Art. 6 BayDSchG auf Art. 75 BayBO verweist. Art. 4 Abs. 4 BayDSchG bietet zwar ebenfalls die Möglichkeit, gegen Maßnahmen einzuschreiten, die ein Denkmal gefährden. Allerdings setzt die Bestimmung voraus, dass die Baudenkmaleigenschaft feststeht. Von daher ist bei Fällen, in denen gerade die Denkmaleigenschaft umstritten ist, zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen auf die Möglichkeit der präventiven Abrissuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG i.V.m. Art. 75 Abs. 1 BayBO zurückzugreifen.
a) Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht aufgrund fehlender Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG rechtswidrig.
Die Klägerin ist jedenfalls mündlich angehört worden, da ein Mitarbeiter des Landratsamts bei der Klägerin angerufen und hierbei auch mitgeteilt hat, dass der Erlass einer Anordnung in Erwägung gezogen wird.
b) Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.
Die Einstellung von Arbeiten setzt einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus. Dabei kann es sich sowohl um einen Verstoß gegen verfahrensrechtliche als auch um einen solchen gegen materiell-rechtliche Regelungen handeln, und zwar grundsätzlich (soweit nicht die Subsidiaritätsklausel in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO eingreift) unabhängig davon, ob sie dem spezifischen öffentlichen Baurecht oder anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsbereichen angehören (vgl. Jäde, Bayerisches Bauordnungsrecht, 1. Auflage 2013, Rn. 433). Eine Baueinstellung kommt sowohl bei genehmigungswie nicht genehmigungspflichtigen Bauvorhaben in Betracht. Bei genehmigungspflichtigen Vorhaben reicht für die Anordnung die formelle Baurechtswidrigkeit aus, also der Umstand, dass für das Vorhaben keine Genehmigung vorliegt. Die Baueinstellung beinhaltet folglich auch keine Aussage über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, sondern soll nur sicherstellen, dass eine Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens in dem dafür vorgesehenen Verfahren ordnungsgemäß erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (stRspr. vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2001 – 20 ZB 01.2648 – juris).
Eine Abrissuntersagung beinhaltet nicht nur das Gebot, die beabsichtigte Beseitigung (einmalig) zu unterlassen, sondern auch ein sich täglich erneuerndes Verbot dies weiterhin zu unterlassen. Es handelt sich somit um einen Dauerverwaltungsakt. Aus der Eigenschaft der Abrissuntersagung als Dauerverwaltungsakt folgt, dass die Rechtmäßigkeit der Verfügung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ständig zu kontrollieren ist. Im Falle der Klage gegen die Abrissuntersagung ist daher nicht der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern der der letzten mündlichen Verhandlung für die Prüfung der Rechtmäßigkeit maßgebend.
aa) Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO lagen hier zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses vor und sind auch im Entscheidungszeitpunkt, nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017 gegeben.
(1) Die Einstellung von Arbeiten bzw. eine Abrissuntersagung setzen einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Die Beseitigung der Nebengebäude des …hofs verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, wenn es sich entweder um Einzelbaudenkmäler im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG handelt oder es sich um Gebäude handelt, die einem Ensemble nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG angehören und sich deren Beseitigung auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann, Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG.
Die Denkmaleigenschaft des …hofs war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung umstritten.
Der Beklagte stützt seinen Bescheid im Wesentlichen darauf, dass aus Sicht der unteren Denkmalschutzbehörde eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass es sich beim …hof als Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte um ein Denkmal handele, also die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 BayDSchG in geschichtlicher und städtebaulicher Hinsicht gegeben seien.
(2) Im Hinblick auf die Zielrichtung des Art. 75 BayBO, kann ein vorbeugendes Abrissverbot jedoch auch bis zur endgültigen Klärung der Denkmaleigenschaft des bzw. der streitgegenständlichen Gebäude erlassen werden.
Im vorliegenden Fall dient die Baueinstellung bzw. das Abrissverbot als bauaufsichtliche Sofortmaßnahme der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen. Sie ist deshalb nicht erst dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die Bauarbeiten einem rechtswidrigen Vorhaben dienen. Vielmehr reicht für den Erlass der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines formellen oder materiellen Rechtverstoßes aus. Bauarbeiten bzw. Beseitigungsmaßnahmen dürfen demgemäß schon dann unterbunden werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird (vgl. BayVGH, U.v. 4.7.1973 – Nr. 60 II 71 – BayVBl 1974, 436; B.v. 26.6.1996 – 1 CS 95.4162 – n.v. und B.v. 14.10.2013 – 9 CS 13.1407 – juris Rn. 15; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 31.01.2012 – 2 M 194/11 – juris Rn. 6; VGH B.-W., B.v. 10.12.1993 – 3 S 507/93 – juris Rn. 7). Ob ein im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehender Zustand tatsächlich hergestellt wird, ist für die Rechtmäßigkeit einer Baueinstellung unerheblich. Diese Frage ist erst Gegenstand der behördlichen Prüfung, ob eine Baueinstellung aufrechtzuerhalten oder gegebenenfalls aufzuheben ist, denn gerade in einem solchen Fall ist ein erhebliches Interesse dafür gegeben, dass vor der Ausführung des Vorhabens und der dadurch bewirkten Schaffung von Verhältnissen, die nicht oder nur mehr schwer rückgängig zu machen sind, geklärt wird, ob das Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht oder nicht.
Demgemäß muss dem Bauherrn, wenn die Bauaufsichtsbehörde unter Darlegung von nicht schlechthin von der Hand zu weisenden Gründen geltend macht, ein Vorhaben sei genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigt, zugemutet werden, mit der Ausführung seines Vorhabens zu warten, bis der Streit im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt ist (vgl. Decker in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 48). Die Bauaufsichtsbehörde ist bei einer solchen Fallgestaltung allerdings gehalten, in der Folgezeit nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Einstellung von Arbeiten bzw. ein vorbeugendes Abrissverbot tatsächlich (noch) vorliegen oder die Untersagung aufzuheben ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.07.2007 – 2 CS 06.3083 – juris Rn 3; OVG Sachsen Anhalt, B.v. 31.1.2012 – 2 M 194/11- juris Rn. 6).
Zu beachten ist vorliegend insbesondere, dass die Eintragung in die Denkmalliste nach der Fassung des BayDSchG nicht Voraussetzung für die Eigenschaft als Baudenkmal ist. Vielmehr ist in Art. 1 BayDSchG abschließend definiert, wann ein Baudenkmal vorliegt. Auf die Eintragung in die Denkmalliste wird dort nicht Bezug genommen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG sollen Baudenkmäler lediglich nachrichtlich in ein Verzeichnis (Denkmalliste) aufgenommen werden. Die Erstellung der Denkmalliste und die „nachrichtliche“ Vornahme der Eintragung haben somit keine rechtsbegründende Wirkung. In Bayern gilt für Baudenkmäler vielmehr das deklaratorische System. Die Denkmalliste ist eine reine Orientierungs- und Subsumtionshilfe (vgl. Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2016, Art. 2 Rn. 2), hat aber keinerlei konstituierende Bedeutung für die Denkmaleigenschaft.
Daher kann die Tatsache, dass weder der …hof als Ganzes noch einzelne Gebäude hiervon bislang als Denkmäler eingetragen sind, nicht zur Verneinung der Eigenschaft von Einzeldenkmälern oder als Ensemble herangezogen werden.
Vorliegend waren die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses gegeben. Dass nach damals geltender Rechtslage, nämlich vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017, eine Ensembleeigenschaft nach Art. 1 Abs. 3 DSchG a.F. nur vorliegen konnte, sofern auch ensembleprägende Einzeldenkmäler vorhanden sind, ist unerheblich. Grund hierfür ist, dass sich der Begründung des Bescheids keinesfalls entnehmen lässt, dass er allein auf den Verdacht des Vorliegens einer Ensembleeigenschaft gestützt worden ist und zugleich vom vollständigen Fehlen von Einzeldenkmälern ausgegangen worden ist. Vielmehr wurde u.a. ausgeführt, dass die vom geplanten Abbruch betroffenen, in Teilen gemauerten Nebengebäude und der hölzerne Schuppenhof, die als Holzlegen und Unterstellmöglichkeiten als solche bis heute den Bewohnern der Anlage dienten, integraler Bestandteil der Gesamtanlage seien. Gerade die Schuppen würden die geschilderte Bedeutung der Wohnanlage ablesbar machen. Es handele sich hierbei gewissermaßen um Wirtschaftsgebäude „für den kleinen Mann“. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass die Holzfronten mit den Türen der Nebengebäude noch im Original erhalten seien. Aus diesen Ausführungen hinsichtlich der Bedeutung der in Bezug genommenen Nebengebäude und der hierbei noch im Original erhaltenen Teile lässt sich vielmehr schließen, dass auch von einer insoweit vorliegenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Einzeldenkmaleigenschaft ausgegangen worden ist, da die Geschichte der Gebäude und der Gesamtanlage insbesondere an den im Original erhaltenen Teilen ablesbar sei. Nach damaliger Rechtslage lag mithin ein ausreichender Denkmalverdacht vor.
Auch im Zeitpunkt der Entscheidung, auf den vorliegend für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verfügung hinsichtlich der zugrunde zu legenden Sach- und Rechtslage abzustellen ist, liegen die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage vor. Aufgrund der Stellungnahme des BLfD vom 21. Dezember 2016 sowie des durchgeführten Augenscheins der Kammer steht fest, dass es sich beim …hof in seiner Gesamtheit jedenfalls um ein Ensemble im Sinne des Art. 1 Abs. 3 BayDschG handelt. Das Gericht teilt die Auffassung, dass es sich hierbei um ein Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte handelt, das die Rahmenbedingungen ihrer Entstehungszeit und den sozialen Kontext der Bewohner anschaulich widergibt. Entgegen den klägerischen Ausführungen ist auch von der ursprünglichen Konzeption und Nutzung des Innenhofs noch ein noch ausreichendes Maß vorhanden. Obwohl die ursprüngliche Parzellierung aus dem Jahr 1950 nicht mehr vorhanden ist, wurde im Rahmen des Augenscheins festgestellt, dass noch kleingärtnerische Nutzung, also Nutzung im Rahmen des ursprünglichen Zwecks des Innenhofs, vorhanden ist. Ob sich in der Anlage auch Einzeldenkmäler befinden oder nicht, kann offen bleiben, da Art. 1 Abs. 3 BayDSchG in der seit 1. Mai 2017 geltenden Fassung ausdrücklich klarstellt, dass eine Mehrheit baulicher Anlagen ein Ensemble bilden kann, obwohl sich darunter keine Einzeldenkmäler befinden.
(3) Voraussetzung für eine Baueinstellung ist darüber hinaus grundsätzlich, dass (Bau-) Arbeiten tatsächlich begonnen wurden. Begrifflich können noch nicht begonnene Maßnahmen nicht eingestellt werden. Für präventive Verbote enthält die BayBO keine unmittelbare Rechtsgrundlage. Wegen des präventiv-polizeilichen Zwecks einer vorbeugenden Abrissuntersagung (Gefahrenabwehr, Verhinderung vollendeter Tatsachen), kann jedoch in entsprechender Anwendung des Art. 75 Abs. 1 BayBO vorbeugend die Errichtung von Anlagen und die Ausführung von Bauarbeiten, z.B. der Abriss bereits dann verboten werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass alsbald mit rechtswidrigen Bauarbeiten begonnen wird (vgl. Decker in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 42; BayVGH B.v. 03.09.2001 – 2 ZS 01.1506 – juris Rn. 2).
Hier war zu befürchten, dass nicht mehr rückgängig zu machende Baumaßnahmen alsbald erfolgen würden, da die Klägerin auf telefonische Nachfrage des Landratsamts äußerte, dass die Abbruchfirma bereits beauftragt sei und der Vorgang nicht mehr gestoppt werden könne. Hierbei war der Erlass der Abbruchuntersagung auch hinsichtlich sämtlicher Nebengebäude gerechtfertigt, da im vorgenannten Telefonat die Klägerin auf Nachfrage nicht präzisieren konnte, welche Nebengebäude konkret abgebrochen werden sollten.
bb) Auch wurde das gemäß Art. 75 BayBO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 BayDSchG eingeräumte Ermessen im streitgegenständlichen Bescheid zum Erlasszeitpunkt in rechtmäßiger Weise ausgeübt.
Da der Anfangsverdacht nicht allein auf das Vorliegen einer Ensembleeigenschaft ohne Einzeldenkmäler gestützt worden ist, liegt auch kein Ermessensfehler in der Gestalt vor, dass das Landratsamt von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen wäre.
c) Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass es im Entscheidungszeitpunkt seitens des Landratsamts ermessensfehlerhaft ist, die streitgegenständliche Verfügung aufrechtzuerhalten. Dies gilt insbesondere, da jedenfalls eine Ensembleeigenschaft vorliegt (s.o.) und daher mittlerweile sogar mit Gewissheit davon auszugehen ist, dass ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, nämlich Art. 6 Abs. 1 BayDSchG eintreten würde, wenn mit den beabsichtigten Abbrucharbeiten begonnen würde.
2. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die streitgegenständliche Verfügung unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017 rechtswidrig war, ist die zulässige Klage begründet.
Offenbleiben kann, ob vorliegend eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO oder eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (evtl. in analoger Anwendung) statthaft ist. In beiden Varianten ist ein Feststellungsinteresse nämlich schon aufgrund der beabsichtigten Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen, die nicht von vorneherein aussichtslos sind, gegeben und die Klage auch im Übrigen zulässig. Insbesondere würde eine allgemeine Feststellungsklage nicht an der Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 VwGO scheitern, da aufgrund der Dauerwirkung des streitgegenständlichen Veränderungsverbots und der damit einhergehenden Prüfung der Rechtmäßigkeit im gerichtlichen Entscheidungszeitpunkt mit dem Aufhebungsantrag alleine die rechtsverbindliche Feststellung der etwaigen Rechtswidrigkeit zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt nicht getroffen werden könnte.
Die Klage ist auch begründet, da die streitgegenständliche Verfügung unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017 rechtswidrig war.
Zwar war der streitgegenständliche Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig (s.o.). Im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Änderung des Denkmalschutzgesetzes jedoch war der Bescheid rechtswidrig (geworden) und wäre bei ordnungsgemäßer Überprüfung der Rechtmäßigkeit und pflichtgemäßer Ermessensausübung vom Landratsamt aufzuheben gewesen.
Wie bereits dargelegt, war die streitgegenständliche Verfügung aufgrund ihrer Dauerwirkung, nämlich des sich täglich erneuernden Verbots der Veränderung, insbesondere des Abbruchs der Nebengebäude, regelmäßig vom Landratsamt dahingehend zu überprüfen, ob sie aufrechtzuerhalten oder ggf. aufzuheben ist.
Im vorliegenden Fall hätte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Rechtsänderung, die streitgegenständliche Verfügung bereits aufgrund des verstrichenen langen Zeitraums seit Erlass, ohne dass eine abschließende Klärung der Denkmaleigenschaft erfolgt ist, aufgehoben worden sein müssen. Zwar hat der von der Verfügung Betroffene die Wirkungen der Verfügung grundsätzlich während der gesamten Dauer des Verfahrens bis zur abschließenden Klärung der Denkmaleigenschaft hinzunehmen. Je mehr Zeit allerdings verstreicht, ohne dass das Verfahren mit der gebotenen Zügigkeit und ohne nicht nachvollziehbare Verzögerungen weitergeführt wird, desto größer wird sein Interesse an der Aufhebung der Verfügung. Übermäßige Verfahrensdauer und nichtnachvollziehbare Verzögerungen dürfen letztlich nicht grenzenlos zu Lasten des von der Baueinstellung bzw. des vom Veränderungsverbot Betroffenen gehen.
Vorliegend sind seit Erlass der Verfügung bis zum Inkrafttreten der entsprechenden Rechtsänderung 17 Monate, mithin fast eineinhalb Jahre vergangen. Selbst bis zur ersten Stellungnahme des BLfD vom 21. Dezember 2016, in der die Ensembleeigenschaft angenommen wurde, das Vorliegen von Einzeldenkmälern jedoch verneint wurde, ist mehr als 1 Jahr seit Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vergangen. Auch in der Folge, seit besagter Stellungnahme bis zum Eintritt der hier relevanten Rechtsänderung, ist für einen Zeitraum von weiteren 4 Monaten nicht ersichtlich, dass das Verfahren zur Klärung der Denkmaleigenschaft weiterbetrieben worden ist. Selbst aktuell ist es noch nicht abgeschlossen. Die Länge dieses Verfahrens ist vorliegend nicht nachvollziehbar. Es ist weder erkennbar noch seitens des Landratsamts oder des BLfD vorgetragen, weshalb das Verfahren zur Klärung der Denkmaleigenschaft sich derart verzögert hat. Jedenfalls spätestens im Zeitpunkt der hier relevanten Rechtsänderung, mithin 17 Monate nach Bescheidserlass, wäre das streitgegenständliche Veränderungsverbot aufzuheben gewesen, da die Aufrechterhaltung aufgrund des sich bis dahin über einen derart langen Zeitraum in nicht nachvollziehbarer Weise nicht erhärteten Verdachts ermessensfehlerhaft gewesen ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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