Baurecht

Denkmalschutzrechtlicher Ensembleschutz

Aktenzeichen  1 B 12.2353

Datum:
22.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2016, 778
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DSchG Art. 1 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Das Fehlen von prägenden Einzelbaudenkmälern in einem Ensemble stellt die Ensemblequalität eines in der Denkmalliste eingetragenen Ensembles in Frage. Fehlt es in einem Teilbereich des Ensembles an historischer Bausubstanz, die das Ensemble prägen könnte, liegt insoweit ein denkmalgeschütztes Ensemble nicht mehr vor. (amtlicher Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 09.3000 2010-07-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, so dass über die hilfsweise gestellte Anschlussberufung des Klägers nicht zu entscheiden ist.
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 2009, mit dem die denkmalschutzrechtliche Abbruchgenehmigung für das Gebäude F.-straße …, FlNr. 179, Gemarkung P., versagt wurde, zu Recht aufgehoben. Für die Beseitigung des Gebäudes ist eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nicht erforderlich. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem in die Denkmalliste eingetragenen Ensemble S.-straße (noch) um ein Ensemble nach Art. 1 Abs. 3 DSchG handelt (1.) ist jedenfalls das Gebiet im Bereich der F.-straße nicht (mehr) Teil des unterstellten Ensembles S.-straße (2.).
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 DSchG bedarf der Erlaubnis, wer ein Ensemble verändern will, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Die Funktion des Genehmigungserfordernisses als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt erfordert dabei eine weite Auslegung des die Genehmigungspflicht auslösenden Tatbestands (OVG Berlin-Bbg, U. v. 21.2.2008 – 2 B 12.06 – BRS 73 Nr. 204; VGH BW, U. v. 27.6.2005 – 1 S 1674/04 – ÖffBauR 2005, 140). Ensembles genießen dabei den gleichen Schutz wie Einzelbaudenkmäler, ensembleprägende Bestandteile sollen grundsätzlich erhalten werden (BayVGH, U. v. 3.1.2008 – 2 BV 07.760 – BayVBl 2008, 477). Der Schutzanspruch des Ensembles zielt insoweit allerdings stärker und vorrangiger auf das Erscheinungsbild, das die Bedeutung vermittelt und in seiner Anschaulichkeit zu bewahren ist (BayVGH, U. v. 3.1.2008 a. a. O.).
1. Nach den beim Ortstermin getroffenen Feststellungen hat der Senat erhebliche Zweifel an der Ensemblequalität des in der Denkmalliste nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG unter der Aktennummer … (vgl. http://www.geodaten.bayern.de/Bayernatlas-klassik) eingetragenen Ensembles S.-straße, das sich nach den Ausführungen in der Denkmalliste durch eine einheitliche Bauweise auszeichnet, mit der den brandschutztechnischen Anforderungen nach dem großen Flächenbrand von 1863 Rechnung getragen wurde.
1.1 Ausgangspunkt der Erwägungen ist Art. 1 Abs. 3 DSchG. Danach kann zu den Baudenkmälern auch eine Mehrheit von baulichen Anlagen (Ensemble) gehören, und zwar auch dann, wenn nicht jede einzelne dazugehörige bauliche Anlage die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, das Orts-, Platz- oder Straßenbild aber insgesamt erhaltungswürdig ist, wobei die Eintragung in die Denkmalliste dabei nur deklaratorische Bedeutung hat (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG). Zwar verlangt das Gesetz nicht, dass es sich um Gebäude mit den gleichen Stilmerkmalen handeln muss, da auch verschiedene, einander ausschließende, nicht abgeschlossene Planungen bzw. „willkürliche Zusammenhänge“ als Zeugnis früherer Entwicklungen zu einem erhaltenswerten Orts-, Platz- oder Straßenbild und damit zu einem Ensemble führen können (vgl. Eberl in Eberl/Martin/Spennemann, Bayer. Denkmalschutzgesetz, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 54). Jedoch bedarf es eines festzustellenden Funktionszusammenhangs oder eines gemeinsamen Grundprinzips, um den Gebäuden einen sich daraus ergebenden gesteigerten Zeugniswert für bestimmte geschichtliche Entwicklungen oder städtebauliche Gegebenheiten an einem Ort zu vermitteln (vgl. Martin in Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 44).
Wie der Senat festgestellt hat, gibt es in dem in der Denkmalliste beschriebenen Gebiet, das neben der S.-straße auch die F.-straße, die R.-straße, die B…gasse und die …-Straße umfasst, keine die Bauweise nach der Brandkatastrophe prägende Einzelbaudenkmäler. Denn unabhängig davon, ob der F.brunnen nach der dokumentierten baulichen Veränderung im Sockel noch ein (Einzel-)Denkmal darstellt (vgl. die Beschreibung in der Denkmalliste unter der Aktennummer …, wonach das Denkmal die historisierende Bronzefigur des heiligen Florian auf hoher Mittelsäule inmitten eines Steinbeckens umfasst), stellen weder der F.brunnen sowie der A…brunnen, die in der Beschreibung des Ensembles S.-straße aufgeführt werden als besondere Akzentuierung des Straßenzugs S.-straße, noch die unter der Aktennummer … aufgeführte neugotische Haustüre nach 1863 im Anwesen S.-straße … das Ensemble prägende Einzelbaudenkmäler dar. Auch die Anwesen B…gasse … und … die ebenfalls als Einzelbaudenkmäler unter der Aktennummer … bzw. … in die Denkmalliste eingetragen sind, vermögen das unterstellte Ensemble S.-straße nicht zu prägen. Die beiden Anwesen, die die landwirtschaftlichen Anwesen im Werdenfelser Land mit flachgeneigten, ehemals mit Holzschindeln gedeckten Dächern repräsentieren, sind Zeugnis der vor dem großen Brand Ende des 18. Jahrhunderts und in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts errichteten Bauernhäuser. Das gilt auch für das Gebäude S.-straße …, das ebenfalls vor dem großen Brand errichtet wurde, im Übrigen aber wegen der Neuausführung von Erdgeschoss und erstem Obergeschoss seinen Status als Einzelbaudenkmal verloren hat. Die Gebäude in der B.-straße stellen ersichtlich den Vorbestand vor dem großen Brand dar, repräsentieren aber nicht die Bedeutung der einheitlichen Bebauung nach dem großen Brand von 1863 in den genannten Straßenzügen. Wie im Berufungsverfahren festgestellt, sind nach den Ausführungen des Vertreters des Landesamts für Denkmalpflege keine weiteren Einzelbaudenkmäler zu verzeichnen, insbesondere ergab die Überprüfung der Anwesen R.-straße Nr. … und S.-straße Nr. … keine Einstufung als Einzelbaudenkmäler.
1.2 Fehlt es aber an Einzelbaudenkmälern, die den Charakter des Ensembles prägen, so kommt der Rechtsfrage, ob Gebäudemehrheiten, zu denen kein Einzelbaudenkmal (mehr) gehört, als Ensemble anzusehen sind, maßgebliche Bedeutung zu. Nach Auffassung des Senats setzt der Ensembleschutz das Ensemble prägende Einzelbaudenkmäler voraus.
a) Ensembles stellen unzweifelhaft zentrale Bestandteile des Denkmalschutzgesetzes dar (Art. 1 Abs. 3 DSchG). Sie umfassen räumliche Gesamtheiten aus denkmalgeschützten Anlagen und Anlagen, die für sich genommen nicht als Denkmäler einzustufen sind, aber zusammen insgesamt ein erhaltungswürdiges Orts-, Platz- oder Straßenbild als Erscheinungsform tiefer liegender baulicher Qualitäten ergeben. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 DSchG beschreibt eine städtebauliche Situation, in der durch mehrere einzelne Gebäude, die nicht alle für sich Baudenkmäler sein müssen, eine Gesamtheit entstanden ist, die als Ganzes von geschichtlicher, künstlerischer, städtebaulicher, wissenschaftlicher oder volkskundlicher Bedeutung ist (vgl. BayOblG, B. v. 25.3.1993 – 3 ObOWi 17/93 – NVwZ 1994, 828). Obwohl dafür der optische Eindruck der Gesamtheit, also das ganzheitliche Erscheinungsbild, entscheidend ist, kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf das Vorliegen von das Ensemble prägenden Einzelbaudenkmälern verzichtet werden, da sich der Gesamteindruck auf die Mehrheit von Anlagen in einem Ensemble und das öffentliche Erhaltungsinteresse bezieht. Zudem formuliert Art. 1 Abs. 3 DSchG im Gegensatz zu Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 DSchG und der Fiktion in Art. 1 Abs. 2 Satz 3 DSchG, dass Ensembles zu den Baudenkmälern gehören können. Auch diese Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 2 DSchG spricht für die Annahme, dass in einem Ensemble eine nennenswerte Anzahl von Baudenkmälern nach Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 DSchG (sog. Einzelbaudenkmäler) vorhanden sein müssen. Gebäudemehrheiten, zu denen kein Einzelbaudenkmal mehr gehört, können zwar aus Gründen der Ortsbildpflege erhaltenswert sein, sie sind aber keine Ensemble mehr, und zwar selbst dann nicht, wenn sie unter Beachtung eines historischen Stadt-, Platz- oder Straßengrundrisses errichtet wurden (vgl. dazu Martin in Martin/Krautzberger, a. a. O. Rn. 49; Eberl in Eberl/Martin/Spennemann, a. a. O. Art. 1 Rn. 54, 54a, 56). Dieses am Wortlaut orientierte Verständnis findet sich auch in der Rechtsprechung wieder (vgl. BayOblG, B. v. 25.3.1993 a. a. O.; BayVGH, B. v. 22.1.2014 – 1 ZB 11.2164 – juris Rn. 3; B. v. 29.7.2013 – 14 ZB 11.398 – juris, Rn. 3; B. v. 12.12.2012 – 15 ZB 11.736 – juris Rn. 5; U. v. 3.1.2008 – 2 BV 07.760 – a. a. O.; U. v. 3.8.2000 – 2 B 97.1119 – juris Rn. 18; BVerwG, U. v. 22.2.1980 – IV C 44.76 – juris Rn. 17, das zwar im Zusammenhang mit dem ortsrechtlichen Verbot zur Lichtreklame steht, aber zum Indiz des Ensembleschutzes für die Einheitlichkeit der historischen Altstadt ausführt und es dabei genügen hat lassen, dass die Altstadt von einigen künstlerisch wertvollen Gebäuden geprägt wird und insgesamt den Charakter einer mittelalterlichen Stadt bewahrt hat; BayVGH, B. v. 9.12.2011 – 15 ZB 09.3143 – juris Rn. 12, der ebenfalls im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung für eine Werbeanlage auf das vorstehende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Bezug nimmt).
b) Dagegen überzeugt das Argument des Beklagten, dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 DSchG könne nicht zwingend entnommen werden, dass mindestens eine der zu einem Ensemble gehörenden baulichen Anlagen ein Einzeldenkmal sein müsse, vielmehr nur erforderlich sei, dass das Orts-, Platz- oder Straßenbild insgesamt erhaltungswürdig sei, im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen unter Buchst. a) nicht. Gleichermaßen ist der von dem Beklagten weiter gezogene Rückschluss auf eine in der 109. Sitzung des Landesdenkmalrats vom 18. Juli 1983 getroffene Entscheidung, in Ausnahmefällen positive Voten für Ensembleeintragungen nicht davon abhängig zu machen, dass sich im Ensemble zumindest ein Einzelbaudenkmal befindet, was ein Beleg für die weite Auslegung des Art. 1 Abs. 3 DSchG sei, nicht überzeugend. Unabhängig von der Stellung des Landesdenkmalrats nach Art. 14 DSchG zeigt auch die Formulierung „in Ausnahmefällen“, dass in einem Ensemble notwendigerweise zumindest ein Einzelbaudenkmal vorhanden sein muss und der Ensembleschutz nicht von Anfang an als selbstständige Kategorie neben dem Schutz von Einzelbaudenkmälern verstanden wurde. Bereits in den Empfehlungen vom 19. April 1977 im Zusammenhang mit Baumaßnahmen (IMS Nr. II B 4-9130-22, veröffentlicht in Simon/Busse Anhang 422) führt der Landesdenkmalrat zu den charakteristischen Merkmalen eines Ensembles unter Nr. 1.1.1 „Städtebauliche Struktur“ aus, dass dazu u. a. auch das Straßenschema, die Viertelsbildung, die Maßstäblichkeit der Bebauung sowie das Verhältnis der Baumassen zueinander, zu herausragenden Baudenkmälern und Blickpunkten und zu charakteristischen Vegetationsbereichen zählen und stellt damit ersichtlich darauf ab, dass in einem Ensemble prägende Einzelbaudenkmäler vorhanden sein müssen.
c) Eine Auslegung des Art. 1 Abs. 3 DSchG, wonach bauliche Anlagen als Gesamtheit (im Sinn von „nicht jede für sich“) erhaltungswürdig sind, kann aber auch nicht der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs-7/2033 vom 14.2.1972, Seite 9) entnommen werden. Darin wird wie folgt zu Art. 1 Abs. 2 DSchG (jetzt Art. 1 Abs. 3 DSchG) ausgeführt: „(…) Im Einklang mit den in vielen europäischen Ländern zu beobachtenden Bestrebungen des Denkmalschutzes, nicht nur einzelne Gebäude zu erhalten, die gelegentlich inmitten von lauter modernen Neubauten wie Fremdkörper wirken können, sondern durch Erhaltung von Häusergruppen, von Straßenzügen und Plätzen ein besseres Abbild der Geschichte zu geben, legt Art. 1 Abs. 2 fest, dass auch eine Mehrheit von Gebäuden ein Baudenkmal sein kann (Ensembleschutz). Baudenkmal ist hier nicht oder jedenfalls nicht nur ein einzelnes Gebäude, sondern ein Platz oder eine Straße. (…)“. Anhaltspunkte dafür, dass der angestrebten Unterschutzstellung von Häusergruppen, Straßenzügen und Plätzen – unabhängig von der Frage, wie viele Einzelbaudenkmäler in einem Ensemble vorhanden sein müssen – ein gänzlicher Verzicht auf das Vorhandensein eines Einzelbaudenkmals entnommen werden könnten, liegen nicht vor.
d) Die von dem Beklagten in den Blick genommen Auslegung orientiert sich vielmehr an der in anderen Bundesländern aufgrund von anderslautenden Gesetzesbestimmungen festgelegten Unterschutzstellung von Siedlungen ohne herausragendes Einzeldenkmal als Ensemble (vgl. dazu Eberl in Eberl/Martin/Spennemann, a. a. O. Art. 1 Rn. 54, 54a, 56 m. w. N. sowie die Formulierungen in § 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 19 DSchG Baden-Württemberg, § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Brandenburg, § 4 Abs. 3 Satz 1 DSchG Hamburg, § 2 Abs. 3 Satz 1 DSchG Mecklenburg-Vorpommern, § 3 Abs. 3 Satz 1 DSchG Niedersachsen, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 5 DSchG Rheinland-Pfalz, § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Saarland, § 1 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 21 DSchG Sachsen und § 2 Abs. 3 Nr. 3 DSchG Schleswig-Holstein). Von dieser Möglichkeit ausdrücklich zu bestimmen, dass ein Emsemble auch dann vorliegt, wenn kein oder nicht jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt, hat der bayerische Gesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht.
Dem steht nach Auffassung des Senats auch nicht die vom Oberverwaltungsgericht Hamburg in der Entscheidung vom 16. Mai 2007 (2 Bf 298/02 – NVwZ-RR 2008, 300) zu § 2 Nr. 2 DSchG vom 3. Dezember 1973 (HbgGVBl S. 466) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 25. Juni 1997 (HbgGVBl S. 267) vorgenommene Auslegung entgegen, wonach die geschichtliche Bedeutung eines Ensembles nicht voraussetze, dass zumindest einem seiner Bestandteile für sich genommen diese Eigenschaft zuerkannt werden könne. Nach dieser Vorschrift werden als Denkmäler (auch) Mehrheiten von unbeweglichen Sachen geschützt, zusammen mit ihrem Zubehör und ihren Ausstattungen und den mit ihnen verbundenen Garten- und Parkanlagen (Ensemble), zu denen auch städtebauliche Einheiten, insbesondere kennzeichnende Straßen-, Platz- und Quartiersbilder gehören können, wobei nicht erforderlich ist, dass jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt. Unabhängig davon, dass bereits die Formulierung in § 2 Nr. 2 DSchG i. d. F. vom 3. Dezember 1973 abweichend von der Formulierung im Bayer. Denkmalschutzrecht in Art. 1 Abs. 3 DSchG darauf abstellt, dass gerade nicht (mindestens) ein Denkmal vorhanden sein muss, stellt das Gericht in seiner Entscheidung zutreffend auf die (mit den Bayer. Denkmalschutzrecht nicht vergleichbare) Historie des Hamburger Denkmalschutzgesetzes ab, indem es ausführt, dass die Ursprungsfassung des § 2 DSchG i. d. F. vom 3. Dezember 1973 weder diese noch eine vergleichbare Formulierung enthielte und nach der Begründung des damaligen Gesetzesentwurfs (Bü-Drs. VII/2883 Seite 9) die Unterschutzstellung von Gebäudegruppen und Gesamtanlagen unabhängig davon sei, ob sich unbewegliche Denkmäler darin befänden. Mit der durch das Gesetz zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 25. Juni 1997 bewirkten Neugliederung der Gegenstände des Denkmalschutzes in § 2 DSchG habe der Gesetzgeber eine Orientierung an der Systematik und den Begriffsbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, eine Vereinfachung der Definitionen und eine Vermeidung zuvor aufgetretener Abgrenzungsschwierigkeiten bezweckt. Anhaltspunkte dafür, dass zugleich die Voraussetzungen für den Ensembleschutz verschärft hätten werden sollen, seien den Materialien nicht zu entnehmen (vgl. OVG Hamburg, U. v. 16.5.2007 a. a. O.). Damit verbunden ist ausweislich des Hamburgischen Denkmalschutzgesetzes i. d. F. vom 5. April 2013 die nunmehr geltende Formulierung in § 4 Abs. 3 Satz 1 DSchG, wonach ein Ensemble ein Mehrheit baulicher Anlagen (…) ist, und zwar auch dann, wenn kein oder nicht jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt.
e) Ferner ist nach Auffassung des Senats auch in den Blick zu nehmen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG – der mit Wirkung vom 1. August 2003 in das Denkmalschutzgesetz eingefügt wurde (vgl. GVBl S. 475) – die Erlaubnispflicht einer Veränderung baulicher Anlagen, die für sich genommen kein Baudenkmal sind, davon abhängt, dass die Veränderung sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2012 – 15 ZB 11.736 – juris Rn. 3). Diese Regelung dient zwar der Verwaltungsvereinfachung und sollte insbesondere für Nicht-Baudenkmäler in Ensembles die bis dahin grundsätzlich auch bei baulichen Änderungen im Inneren dieser Gebäude bestehende Genehmigungsbedürftigkeit entfallen lassen, sie lässt im Übrigen aber die Genehmigungsbedürftigkeit im Ensemble unverändert (vgl. LT-Drs. 14/12042 S. 4). Das Erscheinungsbild des Ensembles wird aber durch das erhaltungswürdige Orts-, Platz- oder Straßenbild geprägt (Art. 1 Abs. 3 DSchG), das wiederum nicht nur aus einzelnen Teilen baulicher Anlagen wie Fronten und/oder Giebeln besteht, sondern aus einem Gesamteindruck (vgl. Eberl in Eberl/Martin/Spennemann a. a. O. Art. 1 Rn. 61). Auch das spricht gewichtig dafür, dass das Anliegen des Denkmalschutzes, die Substanz der Objekte zu erhalten, nur dann zu rechtfertigen ist, wenn Einzelbaudenkmäler das Ensemble als Ganzes maßgeblich prägen.
Diese vom Senat für zutreffend gehaltene Auslegung des Art. 1 Abs. 3 DSchG orientiert sich schließlich auch an dem vom Gesetzgeber in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG angeordneten Substanzschutz, der in Einklang mit Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 103 BV zu bringen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Denkmalschutz einen hohen Stellenwert eingeräumt, zugleich aber eine ausreichende Berücksichtigung der Eigentümerbelange gefordert (vgl. BVerfG, B. v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226). Die Lösung von Konfliktfällen erfolgt im Erlaubnisverfahren anhand der Regelung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG. Danach kann die Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Zwar gilt die Regelung ihrem Wortlaut nach nur für die auf einzelne Baudenkmäler bezogenen Fälle des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 DSchG, doch ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber auch für den in dieser Regelung nicht genannten Fall der Erlaubnis zur Ensembleveränderung ebenfalls eine Versagungsmöglichkeit vorsehen wollte (vgl. dazu BayVGH, B. v. 12.12.2012 – 15 ZB 11.736 – juris Rn. 5). Wäre es Absicht des Gesetzgebers gewesen, das Bestehen eines Ensembles auch ohne ein Einzelbaudenkmal anzunehmen, hätte es nahegelegen, in Art. 6 Abs. 2 DSchG eine gesonderte Regelung für die Veränderung eines Gebäudes, das selbst kein Baudenkmal ist, jedoch Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Ensembles hat (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 DSchG), vorzusehen, um eine unverhältnismäßige Belastung der Eigentümer von Nicht-Baudenkmälern zu vermeiden, die aus der pauschalen Forderung nach Substanzerhaltung resultieren kann.
2. Letztlich kann aber die Ensemblequalität des Gebiets im streitgegenständlichen Verfahren dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist die F.-straße, in der sich das Gebäude des Klägers befindet, ersichtlich nicht (mehr) Teil des Ensembles S.-straße, dessen Schutzbedürftigkeit nach Art. 1 Abs. 3 DSChG zugunsten des Beklagten unterstellt wird. Der beabsichtigte Abbruch des Gebäudes bedarf daher keiner Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 DSchG.
2.1 Das Gebäude F.-straße … erfüllt unstreitig nicht die Voraussetzungen, die es selbst zu einem Baudenkmal im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 DSchG qualifizieren würden.
2.2 Darüber hinaus ist das Gebäude auch – unabhängig von der vorliegend unter Nr. 1. thematisierten Rechtsfrage – nicht Teil des unterstellten Ensembles S.-straße. Insoweit fehlt es im Bereich der F.-straße ersichtlich an ausreichender historischer Bausubstanz, die das unterstellte Ensemble prägen könnte. Das Verwaltungsgericht ist somit im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass im maßgeblichen Bereich der F.-straße ein denkmalgeschütztes Ensemble nicht mehr vorliegt. Dabei hat es angesichts des flächenmäßig großen Ensembles S.-straße zutreffend für die Beurteilung der denkmalschützerischen Aspekte auf den Nahbereich um das klägerische Anwesen und damit auf die F.-straße abgestellt (vgl. BayVGH, B. v. 29.7.2013 – 14 ZB 11.398 – juris Rn. 3; U. v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris 31).
Ohne dass es dabei auf die vom Verwaltungsgericht angeführte fehlende Prägung der F.-straße durch die Einzelbaudenkmäler B…gasse … und … ankommt, da die Tatsache, dass insoweit kein Blickkontakt besteht, grundsätzlich den historischen Bezug des Gebäudes zum Ensemble und seine Funktion für dieses nicht entfallen lässt (vgl. BayVGH, U. v. 3.8.2000 – 2 B 97.1119 – juris Rn. 19), ist nach den vom Senat im Ortstermin gewonnenen Erkenntnissen im Bereich der F.-straße keine historische Bausubstanz mehr vorhanden, die das Ensemble prägen könnte. Ein insoweit erhaltungswürdiges Ort-, Platz- oder Straßenbild als ein Zeugnis geschichtlicher Ereignisse ist im Bereich der F.-straße nicht mehr vorhanden.
Ein Einzelbaudenkmal ist im Bereich der F.-straße selbst nicht vorhanden. Auch im Übrigen ist die F.-straße, in der zwar einzelne historische Bauten saniert wurden (vgl. Niederschrift vom 21. April 2014 – Hausnummern … und …), im Gegensatz zu den Bereichen …t…-Straße, B…gasse sowie R.-straße, die durchgehend noch historische Bausubstanz aufweisen, maßgeblich geprägt von Neubauten (vgl. Niederschrift vom 21. April 2014 – Hausnummern … und die Nebengebäude gegenüber Nr. …) bzw. von einem sanierten historischen Bau direkt neben dem Gebäude des Klägers, der sich insbesondere aufgrund der erkennbaren Erhöhung des Kniestocks nicht von einem Neubau unterscheidet (vgl. Niederschrift vom 21. April 2014 – Hausnummer …). Auch der Blick in die F.-straße aus westlicher Sicht vom F.platz aus ist geprägt durch den Neubau R.-straße … sowie die Gebäude F.-straße … und …, die – im Gegensatz zu den sonstigen giebelständigen Gebäuden in der F.-straße – traufseitig errichtet sind. Auch die Neubauten in dem Bereich R.-straße … und …, die zwar jenseits des F.bachs stehen, die F.-straße jedoch wesentlich prägen, stehen nur teilweise giebelständig zur F.-straße hin, wie das für die historische Bauweise kennzeichnend ist.
Da jedenfalls im Bereich der F.-straße keine ausreichende historische Bausubstanz mehr vorhanden ist, kommt es ungeachtet der vom Beklagten nicht zu beanstandenden Zielrichtung, im Ensemble – im Gegensatz zu der bisherigen Handhabung – möglichst alle relevanten Gebäude mit historischer Substanz zu erhalten, für den Fortbestand des unterstellten Ensembles S.-straße nicht mehr auf den Erhalt des streitgegenständlichen Gebäudes des Klägers an.
3. Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob das Gebäude des Klägers erhaltungsfähig ist und ob nach Sanierung eine sinnvolle und wirtschaftlich vertretbare Nutzung möglich ist. Auch über die Anschlussberufung des Klägers ist nicht zu entscheiden, weil sie nur für den Fall erhoben worden ist, dass für den Abbruch eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis erforderlich ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, weil sein Rechtmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Senat geht in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung von einem Streitwert in Höhe von 10.000 Euro aus (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG).

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