Baurecht

Die Verpflichtung zur Erstellung einer Terrasse beinhaltet die Pflicht, bei einer Hanglage die typische Gefahr des Abkippens zu verhindern

Aktenzeichen  13 U 35/17

Datum:
3.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 152299
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 634a Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Das Maß der Anforderungen an eine fachgerechte Bauleistung richtet sich, soweit keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind, danach, was in der jeweils konkreten Situation nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erforderlich ist, um ein dem Vertragszweck entsprechendes, funktionstaugliches (Bau-)Werk am konkreten Bauort zu erstellen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit eine Herstellungsverpflichtung für Bauleistungen besteht, die einer Gründung bedürfen, sind diese so auszuführen, dass das Werk im für den Vertragszweck erforderlichen Umfang standfest ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist Bestandteil der Verpflichtung zur Erstellung einer Terrasse, die typische Gefahr des Abkippens von Terrassenoberflächen im talseitigen Randbereich bei Hanglagen, der dadurch entsteht, dass die Last des Terrassenbelags in diesem Bereich ohne dieser Situation angepasste Gründungsmaßnahmen zur Verdrängung und Auswaschung des Bodens und damit zu dem genannten Abkippen der vordersten Platten des Belags führt, zu verhindern. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Hinweis in einem Angebotsexposé, „dass es sich um Umbau- und Renovierungsmaßnahmen an einem Altbau handelt und daher verschiedene Teile der Altbausubstanz durch den Verkäufer nicht verändert wurden“, ist bei einer Auslegung aus der maßgeblichen vernünftigen Empfängersicht so zu verstehen, dass diejenigen Teile der Altbausubstanz nicht verändert wurden, in die keine Eingriffe erforderlich waren, um die in der Baubeschreibung genannten Leistungen fachgerecht zu erbringen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
5. Dass die Beklagte dagegen ihre Werkleistungspflicht im Zusammenhang mit den in der Baubeschreibung genannten Bauleistungen, die sie nach eigener Zusage im Vertrag „umfänglich durchgeführt“ hat, dahingehend einschränken wollte, dass sie die für eine dauerhafte Funktionalität dieser Leistungen erforderlichen Arbeiten beim Einbau in das Bestandsgebäude nicht erbringt, ist dem Vertrag bei sachgerechter Auslegung nicht zu entnehmen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 O 4072/15 2016-12-15 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens
III. Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 47.363,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Hinsichtlich des Tatbestands und der Begründung wird zunächst auf den Hinweis des Senats vom 24. April 2017 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Im Hinblick auf die Stellungnahme der Beklagten im Schriftsatz vom 30. Mai 2017 ist lediglich zu erganzen:
1. Den Großteil seiner rechtlichen Folgerungen stützt die Beklagte auf ihre unzutreffende Grundannahme, das Landgericht und der Senat würden eine „Gewährleistung … für die Bodenverhältnisse“ bejahen. Dies ist aber, wie der Senat mit seinem Hinweis vom 24. April 2017 bereits konkret ausgeführt hat, nicht der Fall. Es geht vorliegend schlicht darum, dass die Beklagte nach dem Vertrag mit den Klägern vom 19. Februar 2013 die fachgerechte Verlegung der Terrassenplatten schuldete, wozu eine geeignete Gründung gehört, welche je nach vorhandenem Untergrund unterschiedlichen Aufwand erfordert. Dies sind bei einem Hanggrundstück insbesondere im Bereich der vorderen Kante der Terrasse eben die vom Sachverständigen Dipl.-Ing. C… beschriebenen Maßnahmen.
2. Die Beklagte meint, es liege deshalb kein Ausführungsfehler vor, weil sich die Terrassenplatten nach Gefahrübergang infolge von Bodenbewegungen gesenkt hätten. Dies sei genauso zu sehen wie ein Bauschaden infolge einer größeren Hangrutschung und würde zugespitzt bedeuten, dass man von der Beklagten im Rahmen der Gewährleistung die Verhinderung eines Abrutschens des gesamten Rückersdorfer Hanges ansinnen könnte. Man müsse das Faktum anerkennen, dass es Gründe für das Abrutschen verlegter Terrassenplatten gebe, die von der Verantwortung des Werkunternehmers nicht umfasst seien.
Die Überlegungen der Beklagten gehen an der zu entscheidenden Sachlage im konkreten Fall vorbei: Das Maß der Anforderungen an eine fachgerechte Bauleistung richtet sich, soweit keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind, danach, was in der jeweils konkreten Situation nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erforderlich ist, um ein dem Vertragszweck entsprechendes, funktionstaugliches (Bau-)werk am konkreten Bauort zu erstellen. Soweit eine Herstellungsverpflichtung für Bauleistungen besteht, die einer Gründung bedürfen, sind diese so auszuführen, dass das Werk im für den Vertragszweck erforderlichen Umfang standfest ist. Dabei mögen die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik bestehenden Anforderungen nicht so bemessen sein, dass das Werk jedem denkbaren, im Einzelfall aber äußerst selten vorkommenden, extremen Naturereignis schadlos trotzt. Vorliegend geht es aber nicht um die Vorsorge gegen derartige Extremereignisse, sondern um die typische Gefahr des Abkippens von Terrassenoberflächen im talseitigen Randbereich bei Hanglagen, der dadurch entsteht, dass die Last des Terrassenbelags in diesem Bereich ohne dieser Situation angepasste Gründungsmaßnahmen zur Verdrängung und Auswaschung des Bodens und damit zu dem genannten Abkippen der vordersten Platten des Belags führt. Dieses Abkippen durch geeignete Ausführung zu verhindern ist ebenso Bestandteil der Verpflichtung zur Erstellung einer Terrasse wie beispielsweise die Errichtung eines Dachs in einer Weise, dass das Dach am Ort der Errichtung des Gebäudes erwartbaren üblichen Windstärken standhält.
Sowohl aus dem Sachverständigen Dipl.-Ing. C… vom 29. September 2016 als auch – insbesondere – demjenigen des Beigutachter, Dipl.-Ing (FH) D… vom 27. September 2016 nachvollziehbar und überzeugend zu entnehmen, dass die Gründung als solche fehlerhaft ist und diese teilweise aufgrund ihrer Konstruktion die Erosion im Planum noch begünstigt. Die entscheidenden Fehler für das Abkippen der Terrassenplatten liegen also nicht in den Bodenverhältnissen als solchen oder gar außergewöhnlichen Naturereignissen, sondern in der nicht fachgerechten Gründung der Terrasse.
3. Außerhalb der Fragestellungen des vorliegenden Falls liegt die Überlegung der Beklagten, der Verkäufer von Dachziegeln müsse ja keine Beschränkung der Funktionalität vereinbaren, um zu vermeiden, dass er das zu den Dachziegeln passende Haus errichten müsse (Schriftsatz vom 30. Mai 2017, S. 7, vorletzter Absatz).
Für die von der Beklagten erbrachten „Sanierungsleistungen an der Altbausubstanz und der neu vorgenommenen Bauleistungen“ haben die Parteien ausdrücklich die Geltung des werkvertraglichen Leistungsstörungsrechts des BGB vereinbart (Nr. IV. 2 b aa des Vertrags), nicht etwa Kaufrecht Die Beklagte war nicht lediglich Verkäuferin von Baumaterial, sondern schuldete bezogen auf die Terrasse eine Werkleistung (vgl. Nr. IV. 2 b aa des Notarvertrags vom 23. Februar 2013, K 1), die in der Baubeschreibung als mit Verlegung von Terrassenplatten im Kiesbett definiert war (Nr. 24 der dem Notarvertrag beigefügten Baubeschreibung). Die Verpflichtung war Bestandteil eines Vertrags, mit welchem die Beklagte ein repräsentatives Objekt hochpreisig veräußerte und sich zu zahlreichen weiteren Werkleistungen an substantiell wichtigen Gewerken verpflichtet hatte (u.a. Dachneueindeckung, Vollwarmeschutzes mit 160 mm Stärke auf den Außenwänden, Erneuerung aller Ver- und Entsorgungsleitungen, Errichtung von Dachgauben, Errichtung einer Balkonanlage, neue Fenster mit Dreifach-Verglasung, neue Innentürelemente, neue – hochwertige – Fliesen in den Bädern, Zementestrich, Verbauung „höchstwertiger“ Einrichtungsgegenstande). Es ging also – entgegen der von der Beklagten im nunmehrigen Prozess vertretenen Ansicht – auch nicht um eine rein kosmetische „Pinselsanierung“. Vielmehr waren diejenigen Gewerke, hinsichtlich derer sich die Beklagte zu Werkleistungen verpflichtet hatte, fachgerecht und dauerhaft funktionsfähig herzustellen. Dementsprechend ließ die Beklagte das Objekt auch in dem Angebotsexposé mit dem Begriff „Komfortmodernisierung!!“ (sic) anpreisen. In den Vorbemerkungen des Notarvertrags wurde festgehalten, dass an dem Objekt „umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt“ wurden, „die in der als Anlage beigefügten Baubeschreibung enthalten sind“, wobei „diese Arbeiten … umfänglich durchgeführt“ sind (Nr. I. 3. des Notarvertrags).
In Abgrenzung hierzu hat die Beklagte in den Vorbemerkungen zwar darauf hingewiesen, „dass es sich um Umbau- und Renovierungsmaßnahmen an einem Altbau handelt und daher verschiedene Teile der Altbausubstanz durch den Verkäufer nicht verändert wurden.“ Bei Auslegung des Vertrags als sinnvolles Ganzes war dieser Hinweis aus maßgeblicher vernünftiger Empfängersicht so zu verstehen, dass diejenigen Teile der Altbausubstanz nicht verändert wurden, in die keine Eingriffe erforderlich waren, um die in der Baubeschreibung genannten Leistungen fachgerecht zu erbringen. Dass die Beklagte dagegen ihre Werkleistungspflicht im Zusammenhang mit den in der Baubeschreibung genannten Bauleistungen, die sie nach eigener Zusage im Vertrag „umfänglich durchgeführt“ hat, dahingehend einschränken wollte, dass sie die für eine dauerhafte Funktionalität dieser Leistungen erforderlichen Arbeiten beim Einbau in das Bestandsgebäude nicht erbringt, ist dem Vertrag bei sachgerechter Auslegung nicht zu entnehmen.
4. Für die genannten Arbeiten gilt auch die fünfjährige Verjährungsfrist (Nr. IV. 2. b bb des Notarvertrags vom 23. Februar 2013, § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die entgegenstehenden Vorstellungen der Beklagten im Schriftsatz vom 30. Mai 2017 (dort S. 11) gründen sich wiederum auf die – unzutreffende – Auffassung der Beklagten, sie schulde einen bloßen Terrassenbelag ohne weitere Verpflichtungen in Bezug auf die dauerhafte Funktionsfahigkeit der geschuldeten Werkleistung, die auch Arbeiten in der Gründung erfordert (vgl. III 2 a aa und bb des Hinweises des Senats vom 24. April 2017). Darüber hinaus befasst sich die Beklagte nicht mit den Ausführungen des Senats hinsichtlich der konkreten vertraglichen Regelungen zur Verjährung (vgl. III 2 a cc des Hinweises des Senats vom 24. April 2017)
II.
Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert, hat der Senat die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Insbesondere kann der Senat der Auffassung der Beklagten nicht folgen, die „Frage einer Gewährleistung für Grundungsverhältnisse einer im Altbestand vorhandenen Terrasse bei Verkauf eines teilsanierten Bestandsgebäudes“ sei „eine schwierige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“, die vorliegend streitig sei und müsse deshalb zur Fortbildung des Rechts einer Beurteilung durch den Bundesgerichtshof zugeführt werden. Zum einen handelt es sich als solches schon nicht um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Zum anderen geht es aber vorliegend nicht um die vom Beklagten formulierte Frage, ob der Verkäufer eines teilsanierten Gebäudes für eine im Altbestand vorhandene Terrasse nebst deren Gründungsverhältnissen einstehen muss. Zu entscheiden war vielmehr, welchen Umfang die werkvertraglichen Pflichten des Verkäufers, der sich – unter anderem – zur Erbringung von Bauleistungen an zwei Terrassen verpflichtet hatte, nach dem konkreten Vertrag im Einzelfall haben, also die der Tatsacheninstanz obliegenden Auslegung eines zwischen den Parteien des Rechtsstreits geschlossenen Vertrags
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung war nicht zu beanstanden. Die Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist – anders als nach der früheren, bis 31. Dezember 2001 geltenden Regelung – nicht dadurch ausgeschlossen, dass die anteilig geringfügige Zuvielforderung einen Gebührensprung ausgelöst hat. Vielmehr ist sie vom Gesetzgeber ausdrücklich auch für den Fall vorgesehen, dass die geringfügige Zuvielforderung geringfügig höhere Kosten verursacht hat. Dies war vorliegend der Fall. Die Zuvielforderung führte vorliegend bei dem letztlich maßgeblichen Gesamtstreitwert des erstinstanzlichen Verfahrens lediglich zu einem einzigen Gebuhrensprung, der sich darüber hinaus im Ergebnis auch nur bei der Verfahrens- und der Gerichtsgebühr auswirkte, während die Verhandlungsgebuhr letztlich insgesamt nur aus dem gemessen an der ursprünglichen Klage höheren Streitwert angefallen ist, mit dem die Kläger voll obsiegt haben. Auch die – erheblichen – Beweisaufnahmekosten (Sachverständigenkosten von 11.011,08 €) beziehen sich ausschließlich auf den obsiegenden Teil der Klage. Die Teilerledigterklärung haben die Kläger weitgehend – in Höhe von 4.007,92 € – schon mit Schriftsatz vom 15. Juli 2015 abgegeben, vor der Klageerwiderung der Beklagten vom 27. Juli 2015, und lange vor der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme. Diese Erledigterklärung haben die Kläger mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2016 noch minimal – auf insgesamt 4.289,51 € – erweitert und zugleich die Klage in erheblichem Umfang auf einen Leistungsantrag von 44.863,00 € sowie einen Feststellungsantrag (zu bewerten mit 2.500,00- €) erweitert.
Zutreffend zugeordnet entfallen auf den Teil der Klage, mit welchem die Kläger erstinstanzlich unterlegen sind (Feststellung der Teilerledigung), sogar weniger als 3 % der erstinstanzlichen Kosten.


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