Baurecht

„Dienen“ eines Betriebsleiterwohnhauses im Rahmen einer landwirtschaftlichen Nutzung

Aktenzeichen  RN 12 K 16.1120

Datum:
14.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar,

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Landratsamts 4 … vom 20.6.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung eines Betriebsleiterwohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. …4 der Gemarkung 1 … in der Gemeinde 2 …, da die Wohnbebauung planungsrechtlich unzulässig ist. Sie soll im Außenbereich erfolgen soll, ist nicht privilegiert und beeinträchtigt öffentliche Belange.
1. Da das streitgegenständliche Grundstück nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB (Bauen im Außenbereich). § 35 BauGB liegt der Gedanke zugrunde, dass im Außenbereich das Bauen grundsätzlich unterbleiben soll. Ein Vorhaben, dass entgegen dieser Maxime gleichwohl im Außenbereich errichtet werden soll, muss sich entweder dafür besonders legitimieren (privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB) oder darf als sonstiges Vorhaben die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgeführten öffentlichen Belange nicht beeinträchtigen (§ 35 Abs. 2 BauGB).
2. Das Vorhaben der Kläger ist nicht als privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässig.
2.1 Nach dieser Vorschrift ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem land- oder fortwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Zwar ist der mit dem Vorhaben in Zusammenhang stehende Betrieb des Klägers der Landwirtschaft i.S.d. § 201 BauGB zuzurechnen, da in dessen Rahmen vom Kläger insbesondere Rinderzucht sowie Teich- und Forstwirtschaft betrieben wird, das geplante Vorhaben dient jedoch nicht diesem Betrieb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
Für den Begriff des „Dienens“ reicht nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung die bloße Förderlichkeit nicht aus, andererseits kann aber eine Notwendigkeit oder Unentbehrlichkeit nicht verlangt werden (BayVGH, U. v. 25.9.1995 – 14 B 94.3676 – juris, Rn. 29). Ausschlaggebend ist vielmehr, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (BVerwG, U. v. 30.6.1964 – BVerwGE 19, 75). Indem auf die wirkliche und nicht auf die behauptete Funktion des Vorhabens abgestellt wird, besteht die eigentliche Zweckbestimmung auch darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können (BVerwG, U. v. 16.5.1991 – 4 C 2/89 – juris, Rn. 17).
2.2 Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist nicht anzunehmen, dass ein vernünftiger Landwirt das vom Kläger beabsichtigte Vorhaben verwirklichen würde.
2.2.1 Dies ergibt sich bereits aus den vom Kläger selbst vorgelegten Daten. Danach hat der Kläger im Wirtschaftsjahr 2014/2015 lediglich einen Gewinn von ca. 2.900 € (Einnahmen von 9.432,75 € und Ausgaben von 6.530,07 €) erwirtschaftet, also monatlich lediglich ca. 240 €. Stellt man diesem Gewinn die mit der Errichtung eines Betriebsleiterhauses verbundene erhebliche Investitionssumme gegenüber, so wird deutlich, dass ein vernünftiger Landwirt eine solche Investition nicht tätigen würde. Auch wenn man den vom Kläger lediglich erwarteten höheren Gewinn des Wirtschaftsjahres 2015/2016 in Höhe von 6.725 € heranzieht, ergibt sich nichts anderes. Denn auch insoweit stehen die zu erwartenden Investitionskosten für die Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses völlig außer Verhältnis zu den erzielbaren Einnahmen. Noch deutlicher wird dieses Missverhältnis, wenn man die vom Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung vorgelegten Zahlen heranzieht, die für 2013 noch negative Einkünfte von minus 236 € und für 2014 Einkünfte von lediglich 696 € jährlich aus der Land- und Forstwirtschaft ausweisen.
2.2.2 Das vom Kläger vorgelegte „Betriebskonzept“ vermag ebenfalls keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Zwar zeigt dieses, dass der Kläger die Absicht hat, seinen Betrieb zu erweitern. Das Gerichtet erachtet diese Erweiterungspläne auf der Basis der vom Kläger vorgelegten Unterlagen jedoch derzeit nicht als geeignet, um für den Kläger langfristig und nachhaltig wesentlich höhere Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sicherzustellen.
Dies gilt zunächst für die Pläne einer Erweiterung der vom Kläger betriebenen Rinderzucht. Bei der Rinderzucht soll die vom Kläger angestrebte Gewinnsteigerung zum einen durch eine Erhöhung der Tierzahlen, zum anderen durch eine Erhöhung des Verkaufspreises pro Kilogramm erfolgen. Was die Erhöhung der Tierzahlen betrifft, mag zwar die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragene leichte Erhöhung von derzeit acht auf elf Mutterkühe noch möglich sein, jedoch sind aufgrund der für den Kläger derzeit verfügbaren Flächen hier nach oben Grenzen gesetzt. Dagegen hat das Gericht bereits Zweifel, ob sich die vom Kläger gewünschte Erhöhung des Fleischpreises von 10 € je kg auf 15 € je kg ohne weiteres durchsetzen lässt. Insoweit hat der Kläger nicht einkalkuliert, dass er diesbezüglich auch von der Entwicklung des jeweiligen Marktpreises abhängig sein wird. Dementsprechend erscheint es deutlich realistischer, wenn der Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der mündlichen Verhandlung einen Preis von 12 € je kg für zugrunde gelegt hat. Nicht berücksichtigt ist zudem in der Kalkulation des Klägers, dass bei einer Haltung von elf Mutterkühen nicht zwangsläufig jedes Jahr auch elf Kälber geschlachtet werden können. Vielmehr erweckt des Konzept des Klägers den Eindruck, dass hier jeweils das maximal mögliche Betriebsergebnis als Ausgangspunkt gewählt wurde.
Noch weniger nachvollziehbar sind in diesem Zusammenhang die vom Kläger angesetzten Einnahmen im Rahmen eines Zwei- bzw. Fünfjahresplans. Insoweit ist schon nicht verständlich, wie der Kläger bei nur neun Stück Rind auf Verkaufserlöse von 27.000 € (Zweijahresplan) kommen will, wenn er bei einem derzeitigen Viehbestand von acht Stück lediglich 5.253,42 € (Wirtschaftsjahr 2014/2015) bzw. 8.830,81 € (Wirtschaftsjahr 2015/2016) erzielt. Eine solche Differenz wäre jedenfalls auch nicht aus der oben erwähnten Steigerung des Fleischpreises um 50% abzuleiten. Nicht belegt ist zudem, wie der Kläger im Rahmen des Fünfjahresplans zu einer jährlichen Schlachtung von 22 Stück Vieh kommen will. Insoweit hat der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, wie er eine Erhöhung des Tierbestands auf das Doppelte mit den ihm zur Verfügung stehenden Flächen bewerkstelligen kann. Letztlich stellen all diese vom Kläger angestellten Überlegungen Prognosen dar, auf die eine Errichtung eines Betriebsleiterhauses nicht gestützt werden kann.
Im Übrigen hat der Vertreter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass selbst bei Zugrundelegung eines Verkaufspreises von 15 € je kg einschließlich der vom Kläger erzielbaren Kulap-Prämie nur von einem jährlichen Betriebsgewinn von ca. 6.000 € auszugehen wäre. In Anbetracht eines solchen monatlich möglichen Gewinns in Höhe von 500 € monatlich ist die Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses jedoch auch künftig wirtschaftlich nicht sinnvoll darstellbar.
2.2.3 Ein anderes Bild ergibt sich auch nicht durch den vom Kläger angesprochenen Betriebszweig der Teichwirtschaft. Soweit sich der Kläger auf die Teichwirtschaft beruft, stellt sich zunächst schon die Frage, weshalb der Kläger diese Teichwirtschaft erst beginnen will, wenn das Betriebsleiterwohnhaus errichtet ist. Denn insofern ist für das Gericht eine Abhängigkeit dieses Betriebszweiges von einem Wohnen in unmittelbarer Nähe nicht erkennbar. Vielmehr ist es gerade im Bereich der Teichwirtschaft keineswegs üblich, dass ein Teichwirt unmittelbar in der Nähe seiner Fischteiche wohnt. Hinzu kommt noch, dass nicht erkennbar ist, auf welchen Grundlagen das vom Kläger dargestellte Betriebsergebnis von 1.500 Fischen und eines Jahresgewinns von 7.500 € beruht. Insofern wäre es aber Sache des Klägers nachvollziehbar darzulegen, dass das von ihm vorgesehene Konzept wirtschaftlich tragfähig und nachhaltig ist. Die vom Kläger vorgelegte Kalkulation beschränkt sich dagegen letztlich auf eine bloße Behauptung, bei der insbesondere nicht erkennbar ist, dass überhaupt irgendwelche Ausgaben in Ansatz gebracht werden.
2.2.4 Schließlich rechtfertigt auch die Holzwirtschaft nicht eine Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses. Nach den in der Klageschrift angegebenen Flächengrößen ist der Kläger Eigentümer von 1,3 ha Wald, der aber zudem noch teilweise für die Teichwirtschaft genutzt wird. Dass sich bei dieser geringen Flächengröße keine nennenswerten Einnahmen aus Holzverkauf erwirtschaften lassen, bedarf keiner vertieften Darstellung. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorträgt, er meine mit Gewinnen aus Holzverkauf nicht nur den Verkauf von Holz aus dem eigenen Wald, sondern auch aus einem Holzhandel, fehlt es insoweit schon am Vorliegen einer privilegierten Nutzung. Denn ein solcher Holzhandel wäre nicht als Land- und Forstwirtschaft, sondern als – im Außenbereich baurechtlich nicht privilegierter – Gewerbebetrieb anzusehen. Zudem ist auch nicht ansatzweise schlüssig vorgetragen, weshalb andere Waldbesitzer ihren Holzverkauf über den Kläger als Zwischenhändler abwickeln und dadurch den Holzpreis unnötig verteuern sollten.
2.2.5 In die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen ist schließlich die Tatsache, dass der Kläger lediglich 12 km von seinem Betrieb entfernt wohnt. Bei einer derart geringen Distanz von Wohnort und Betrieb besteht aus Sicht des Gerichts nämlich kein unabweisbares Bedürfnis für den Kläger im Außenbereich zu wohnen. Die zu bewältigende Strecke lässt sich nämlich in wenigen Minuten zurücklegen. Vielmehr ist – gerade im Hinblick auf die relativ geringe Gewinnerwartung des landwirtschaftlichen Betriebes – davon auszugehen, dass ein vernünftiger Landwirt jedenfalls solange von den Plänen der Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses im Außenbereich Abstand nehmen würde, solange sich nicht die Gewinnsituation auf einem deutlich höheren Niveau als derzeit stabilisiert hat.
In diesem Zusammenhang vermag auch der Hinweis des Klägers auf den neu errichteten Radweg entlang seiner Weiden nicht zu überzeugen. Denn für jede Form der Weidewirtschaft ist es geradezu typisch, dass sich das Vieh ohne unmittelbare persönliche Aufsicht innerhalb eines eingezäunten Bereiches befindet. Ein Bedürfnis des jeweiligen Tierhalters, sich ständig in der Nähe aufzuhalten oder gar dort zu wohnen, erscheint dem Gericht in diesem Zusammenhang völlig lebensfremd.
2.2.6 Ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankäme, legt schließlich auch die Vorgeschichte nahe, dass es dem Kläger vorrangig darum geht, ein Wohngebäude im Außenbereich errichten zu können. So haben der Kläger bzw. dessen Rechtsvorgänger in der Vergangenheit seit dem 25.1.1990 mit unterschiedlichen Betriebskonzepten immer wieder die Errichtung eines Betriebsleiterwohnhauses beantragt. Insofern drängt sich durchaus auch für das Gericht ein Verdacht auf, dass für den Kläger weniger die Realisierung eines bestimmten Betriebskonzeptes im Vordergrund stehen könnte als der Wunsch, im Außenbereich zu wohnen.
3. Das Vorhaben des Klägers ist als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, weil es die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt und das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Der Begriff der natürlichen Eigenart der Landschaft umfasst den Schutz des Außenbereichs vor einer wesensfremden Nutzung und den Schutz einer im Einzelfall schutzwürdigen Landschaft vor ästhetischen Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, B. v. 29.4.1968 – IV B 77.67, DVBl 1996, 261). Der Außenbereich soll auch wegen des Erholungswerts der Landschaft möglichst von Bebauung freigehalten werden. Er ist daher grundsätzlich gegenüber einer wesensfremden Benutzung zu schützen (vgl. BVerwG, U. v. 26.5.1967 – IV C 25.66, BVerwGE 27, 137; B. v. 8.9.1977 – 4 B 41.77, BauR 1977, 403).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.


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