Baurecht

Dorfgebiet, Bauunternehmen, Gebietserhaltungsanspruch, Gebot der Rücksichtnahme

Aktenzeichen  W 4 K 20.70

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9368
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen gesamtschuldnerisch zu tragen. Diese trägt die Beigeladene selbst. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 

Gründe

Die Klage, über die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, weil die Beteiligten hierauf im Rahmen des Augenscheinstermins verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Kläger sind durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 28. November 2019 nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. nur BayVGH, B.v. 24.3.2019 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
Weiterhin ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren auch zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96, NVwZ 1998, 58 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3; VG Würzburg, U.v. 8.11.2016 – W 4 K 16.418 – juris Rn. 17).
Schließlich gilt es zu berücksichtigten, dass nach ständiger Rechtsprechung bei Nachbarklagen im Baurecht maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung grundsätzlich der der Genehmigungserteilung ist (vgl. hierzu etwa hierzu etwa BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40.98 – NVwZ 1998, 1179 = juris Rn. 3; BVerwG, U.v. 20.8.2008 – 4 C 11.07 – BVerwGE 131, 352 = juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2326 – juris Rn. 4; Posser/Wolff, BeckOK VwGO, zu § 113 Rn. 22 und 22.6).
2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist eine Rechtsverletzung der Kläger hier nicht erkennbar.
Da das beantragte Bauvorhaben keinen Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, wurde es zu Recht im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Danach prüft die Bauaufsichtsbehörde u.a. die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1a BayBO). Vorliegend sind die Kläger der Auffassung, es liege ein Verstoß gegen Bauplanungsrecht vor, so dass der Beklagten die Baugenehmigung nicht hätte erteilt werden dürfen. Dieser Auffassung kann allerdings seitens der Kammer nicht gefolgt werden.
2.1. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 34 Abs. 1 BauGB, wonach innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbebaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich gemäß § 34 Abs. 2 BauGB die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, wobei auf die nach der Baunutzungsverordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden ist.
2.2. Ob sich das Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung und nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, sind nach ganz herrschender Meinung grundsätzlich nicht drittschützend. (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1994 – 4 B 53/94, UPR 1994, 267 – juris Rn. 4; B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95, NVwZ 1996, 888 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.9.2008 – 1 CS 08.2201 – juris Rn. 1; B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 3; B.v. 30.9.2014 – 2 ZB 13.2276 – juris Rn. 4). Ausnahmen hiervon sind vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein diesbezügliches Vorbringen der Kläger könnte daher ihrer Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
2.3. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung fügt sich das Bauvorhaben in die nähere Umgebung ein. Auch insoweit werden Rechte der Kläger, hier insbesondere in Form des sog. Gebietserhaltungsanspruchs, nicht verletzt.
Aufgrund der im Rahmen des durchgeführten Augenscheins gewonnenen Erkenntnisse über die örtlichen und baulichen Verhältnisse vor Ort geht das Gericht in Übereinstimmung mit den Parteien davon aus, dass die Eigenart der näheren Umgebung, hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung einem Dorfgebiet i.S.v. § 5 BauNVO i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB entspricht.
In einem solchen Dorfgebiet ist nach Überzeugung der Kammer die betriebliche Tätigkeit der Beigeladenen in dem durch die angegriffene Baugenehmigung vom 28. November 2019 zugelassenen Umfang zulässig, weil es sich insoweit um einen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb i.S.v. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 BauNVO i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB handelt. Die Kläger werden demnach nicht in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt.
Die Prüfung, ob ein Betrieb zu den nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben i.S.v. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 BauNVO gehört, ist in aller Regel nicht anhand der konkreten Verhältnisse des jeweiligen Betriebs vorzunehmen, sondern aufgrund einer typisierenden Betrachtungsweise (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2000 – 1 B 97.2860 -juris Rn. 18, m.w.N.). Die typisierende Betrachtungsweise verbietet sich allerdings dann, wenn der Betrieb zu einer Branche gehört, bei der die üblichen Betriebsformen hinsichtlich des Störgrads eine vom nicht wesentlich störenden bis zum störenden oder gar bis zum erheblich belästigenden Betrieb reichende Bandbreite aufweisen (BayVGH, B.v. 13.12.2006 – 1 ZB 04.3549 – juris Rn. 25; Söffker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2020, § 6 BauNVO, Rn. 30).
Hierzu sind nach Auffassung der Kammer auch Bauunternehmen zu zählen. So, wie der Begriff des Bauunternehmens allgemein verstanden wird, reicht er von dem auf die Ausführung gewisser Bauarbeiten beschränkten Ein-Mann-Betrieb bis zum Großbetrieb. Daher kommt es bei Bauunternehmen im Hinblick auf § 5 Abs. 1 BauNVO maßgeblich auf das Ausmaß der von dem Betrieb ausgehenden Störungen an. Es gibt einerseits Bauunternehmen, bei denen ausschließlich nicht störende Arbeiten ausgeführt werden, andererseits solche, in denen geräuschintensive und daher auch stark störende Arbeiten vorkommen (vgl. beispielsweise OVG Lüneburg, U.v. 29.8.1995 – 1 L 3462/94 – juris, bejaht bei Tiefbauunternehmen auf einem ca. 4.000 m² großen Grundstück mit einem Maschinenpark von 19 Lkw´s, 8 Bussen und 9 Radladern, wobei Pflege und Wartung der Fahrzeuge auf dem Grundstück durchgeführt wurden, ebenso Ladevorgänge).
Es ist daher erforderlich, bei Bauunternehmen stets zu klären, ob es sich im konkreten Fall um einen nicht wesentlich störenden Betrieb i.S.v. § 5 Abs. 1 BauNVO handelt oder nicht. Dies hängt von der jeweiligen Betriebsstruktur ab. Je nach der Größe und dem Umfang des Betriebs, der technischen und der personellen Ausstattung, der Betriebsweise und der Gestaltung der Arbeitsabläufe kann dies unterschiedlich zu beurteilen sein (vgl. VGH BW, B.v. 15.4.2014 – 8 S 2239/13 – NVwZ-RR 2014, 632/633 m.w.N.). Hinsichtlich der von dem Betrieb ausgehenden Störungen ist grundsätzlich nicht auf die konkreten Verhältnisse in der Umgebung des Betriebs und nicht auf das Maß der gerade gegenwärtig hervorgerufenen oder in Aussicht genommenen Nutzungen abzustellen, sondern darauf, ob das im jeweiligen Einzelfall konkret zur Genehmigung gestellte Bauunternehmen aufgrund der bei einem funktionsgerechten Ablauf im gesamten Betrieb üblicherweise anfallenden Arbeiten generell geeignet ist, eine Wohnnutzung wesentlich zu stören (vgl. VGH BW, a.a.O.; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 6 BauNVO, Rn. 30).
2.4. Unter Berücksichtigung dessen ist der Betrieb der Beigeladenen nach Überzeugung der Kammer als ein das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb einzustufen. Der Betrieb der Beigeladenen wird nämlich in einem Umfang betrieben, wie er in Dorfgebieten häufig vorhanden und auch allgemein üblich ist. Laut Betriebsbeschreibung der Beigeladenen, die zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht wurde, findet auf dem Grundstück der Beigeladenen kein produzierendes Gewerbe statt. Es sollen Maschinen, Fahrzeuge und teilweise Baumaterialien gelagert und geparkt werden. Es findet kein Publikumsverkehr statt. Der Tagesablauf wurde wie folgt beschrieben: Um 06:45 Uhr Ankunft der ca. 4 Mitarbeiter, Abfahrt auf die Baustellen mit drei betrieblichen Fahrzeugen; Ankunft der Betriebsangehörigen von Montag bis Donnerstag um ca. 17:00 Uhr und am Freitag um ca. 14:00 Uhr. Der Hauptbetrieb der Beigeladenen findet vorrangig von März bis November statt. Die Schüttboxen für Bauschutt und Schotter werden nur für den Eigenbedarf genutzt. Es erfolgt kein Verkauf bzw. Handel mit Baustoffen am Betriebssitz. Wartungs-, Reparatur- und Reinigungsarbeiten an den Maschinen, Fahrzeugen oder Baufahrzeugen erfolgt durch eine externe Firma.
Unter Berücksichtigung dessen ist die Kammer der Überzeugung, dass die auf dem Betriebsgrundstück durchgeführten Tätigkeiten und die dadurch entstehenden Immissionen für Nachbargrundstücke zweifellos dorfgebietstypisch sind. Dabei darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es insbesondere für Dorfgebiete typisch ist, dass auch Freiflächen zum Arbeiten und zum Lagern genutzt werden und dass dabei auch Lärm, beispielsweise bei Verladevorgängen entsteht, zumal der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienende Handwerksbetriebe im Dorfgebiet sogar unabhängig von ihrem Störungsgrad zulässig sind (vgl. BVerwG, Buchholz 406.12, § 5 BauNVO Nr. 3 = NVwZ-RR 1996, 428). Zu ihnen gehört der Betrieb der Beigeladenen zwar nicht, weil die betreuten Baustellen nach dem eigenen Vortrag der Beigeladenen überwiegend auch in Nachbargemeinden liegen. Das Vorhaben der Beigeladenen ist aber schon deshalb mit der Zweckbestimmung des Dorfgebiets vereinbar, weil kleine Bauunternehmen durchaus zum traditionellen Bild des Dorfes gehören (vgl. BVerwG, U.v. 8.11.2001 – 4 C 18/00 – juris).
Darüber hinaus hat der Beklagte zum Schutz der Nachbarschaft durch Nebenbestimmungen festgelegt, dass die Immissionsrichtwerte nach der TA-Lärm auf dem Baugrundstück und den umliegenden Nachbargrundstücken einzuhalten sind. Während der Nachtzeit (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) ist kein Betrieb durch Mitarbeiteran- und Abfahrten, An- und Abfahrtsverkehr und Verladebetrieb zulässig.
Nach alldem steht nach Überzeugung der Kammer fest, dass aufgrund der streitgegenständlichen Genehmigung kein Abgleiten des Dorfgebiets in eine andere Nutzungsart droht, der von den Klägern geltend gemachte Gebietserhaltungsanspruch ist damit auch nicht verletzt.
3. Unter besonderer Berücksichtigung der im Rahmen des Augenscheins gewonnenen örtlichen und baulichen Verhältnisse sowie anhand der genehmigten Bauvorlagen liegt auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor, das sich vorliegend aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. § 34 Abs. 1 BauGB („einfügen“) ableitet.
3.1. Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich – umgekehrt – um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9 m.w.N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 – juris Rn. 22; U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93, NVwZ 1994, 686 – juris Rn. 17; U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04, NVwZ 2005, 328 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11, BVerwGE 145, 145 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 – juris Rn. 22). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 6).
So ist in der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot anerkannt, dass eine Verletzung dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 – juris Rn. 15). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u.a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9).
3.2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und der örtlichen und baulichen Verhältnisse vor Ort, aber auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Anwesen der Kläger über 30 m entfernt liegt von der Einfahrt in das Baugrundstück, vermag das Gericht in keinster Weise eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu erkennen. Insbesondere wurden klägerseits Umstände, die nicht bereits im Rahmen der Prüfung, ob ein wesentlich störender Gewerbebetrieb vorliegt, berücksichtigt wurden und die eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten der Kläger begründen könnten, weder vorgetragen, noch sind solche sonst ersichtlich.
4. Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene keinen eigenen Klageantrag gestellt hat und sich damit auch nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat, hat sie ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst zu tragen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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