Aktenzeichen 22 CS 16.1682
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
BImSchG BImSchG § 6
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7, § 80a Abs. 3, § 117 Abs. 2 Nr. 1, § 118 Abs. 1, § 122 Abs. 1
Leitsatz
1. Im selbständigen Änderungsverfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO ergibt sich die Stellung der Beteiligten aus der Interessenlage in diesem Verfahren unter Berücksichtigung einer etwaigen Antragstellung. Die Verfahrensstellung richtet sich dagegen nicht nach derjenigen im vorangegangenen Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine unterlassene Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) wird dadurch geheilt (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG), dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen im gerichtlichen Verfahren zur Kenntnis nimmt und durch schriftsätzliche Ausführungen würdigt. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Atypik im Sinn des Art. 63 Abs. 1 BayBO ist bei Windkraftanlagen grundsätzlich zu bejahen. Dessen ungeachtet setzt die Zulassung einer Abweichung eine Ermessensausübung unter Berücksichtigung der jeweils betroffenen Belange voraus. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Gründe für eine Abweichung müssen umso bedeutender sein, je weiter die Verkürzung der Tiefe einer Abstandsfläche gehen soll. Gegen die Gewährung einer Abweichung kann sprechen, dass auf dem Baugrundstück selbst Standortalternativen bestehen, welche die Nachbarschaft weniger belasten würden, und dass es keinen zwingenden Grund gibt, das Vorhaben gerade an dem vom Vorhabenträger gewählten Standort zu verwirklichen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
B 2 S 16.534 2016-08-12 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I.
Der Freistaat Bayern wird zum Verfahren beigeladen.
II.
Das Rubrum des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. August 2016 wird dahingehend berichtigt, dass diejenige Beteiligte, welche den Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestellt hat, als Antragstellerin, der Beteiligte, der die Ablehnung dieses Antrags beantragt hat, als Antragsgegner, und der Freistaat Bayern als Beigeladener bezeichnet wird.
III.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
IV.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, welche der Beigeladene der Antragstellerin für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage erteilt hat, sowie gegen einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO, mit dem ein Antrag des Antragsgegners auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von dessen gegen den Genehmigungsbescheid gerichteten Klage abgelehnt wurde.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2016 erteilte das Landratsamt Coburg der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windkraftanlagen (bezeichnet als WEA 1, WEA 2 und WEA 3). Der Standort der geplanten Windkraftanlage WEA 1 liegt auf dem Grundstück Fl.Nr. 257, Gemarkung W.
Der Antragsgegner ist Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. 2588, 2591 und 2596 der Gemarkung S., die an das Grundstück Fl.Nr. 257, Gemarkung W. westlich angrenzen. Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2016 erhob der Antragsgegner Anfechtungsklage u. a. gegen den Genehmigungsbescheid vom 2. Februar 2016 (Az. B 2 K 16.125) und beantragte gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Mit Änderungsbescheid vom 2. März 2016 wurde der Bescheid vom 2. Februar 2016 auf eine andere juristische Person als Bescheidsadressaten umgeschrieben, die als neue Vorhabensträgerin für die Errichtung und den Betrieb der drei genehmigten Windkraftanlagen benannt worden war.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2016 (Az. B 2 S 16.124) wurde die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragsgegners gegen den Genehmigungsbescheid vom 2. Februar 2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. März 2016 bezüglich der Windkraftanlage WEA 1 wiederhergestellt; im Übrigen wurde der Antrag gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
Mit Ergänzungsbescheid des Landratsamtes vom 26. Juli 2016 wurden die Nebenbestimmung Nr. 4.6.15 der Genehmigung vom 2. Februar 2016 neu gefasst und geänderte Abstandsflächenpläne beigefügt. Damit sollte der im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. Juli 2016 geäußerten Beurteilung Rechnung getragen werden, wonach die mit der Genehmigung vom 2. Februar 2016 erteilte Abweichung von der Einhaltung der sich aus Art. 6 BayBO ergebenden Abstandsflächen nicht hinreichend bestimmt gewesen sei.
Mit Beschluss vom 12. August 2016 lehnte das Verwaltungsgericht auf Antrag der Antragstellerin vom 28. Juli 2016 gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO und unter Abänderung der Nr. 1 seines Beschlusses vom 5. Juli 2016 den Antrag des Antragsgegners nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO insgesamt ab (Az. B 2 S 16.534). Eine im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO maßgebliche Änderung der Umstände sei vorliegend infolge des Ergänzungsbescheids des Landratsamts vom 26. Juli 2016 eingetreten; die ursprünglichen Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit der Genehmigung vom 2. Februar 2016 bestünden nicht mehr. Mit dem Ergänzungsbescheid vom 26. Juli 2016 seien die von den Abweichungen betroffenen Grundstücke und das Ausmaß der zugelassenen Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO genau bezeichnet worden.
Der Antragsgegner hat hierauf Beschwerde eingelegt und beantragt,
unter Abänderung der Ziffer 1 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. August 2016, bekannt gegeben am 12. August 2016, den Antrag der Antragstellerin vom 28. Juli 2016 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO abzulehnen, so dass es bei der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 24. Februar 2016 gegen den Bescheid vom 2. Februar 2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. März 2016 bezüglich der WEA 1 gemäß Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 5. Juli 2016 verbleibt.
Die zur Stellung eines Antrags gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis und ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fehlten wegen der Umschreibung der Genehmigung vom 2. Februar 2016 auf einen neuen Vorhabensträger. Der Antragsgegner sei nicht daran gehindert, die aus seiner Sicht für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage sprechenden Gründe, die bereits Gegenstand seines vorangegangenen Antrags nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO waren, im Rahmen des Verfahrens nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erneut umfassend vorzutragen. Die wegen der gewährten Abweichung bezüglich der zu seinen Grundstücken einzuhaltenden Abstandsflächen erforderliche Anhörung des Antragsgegners vor Erlass des Genehmigungsbescheids vom 2. Februar 2016 sei unterblieben. Die gebotene Einzelfallbetrachtung bei Gewährung dieser Abweichung sei nicht erfolgt. Dies belege bereits die einheitliche Reduzierung der Abstandsflächen für alle drei von der Genehmigung umfassten Windkraftanlagen auf 0,3 H. Die Eigenart des „Bauwerks Windkraftanlage“ könne nichts daran ändern, dass zunächst ein Standort gesucht werden müsse, der die gesetzliche Abstandsfläche von 1 H einhalte. Die Reduzierung der Abstandsflächen müsse so gering als möglich ausfallen. Dabei seien die Interessen des Antragsgegners umfassend zu berücksichtigen. Es sei Sache der Antragstellerin darzulegen, aus welchen konkreten und auf den Einzelfall bezogenen Gründen eine Abstandsflächenreduzierung für die Windkraftanlage WEA 1 auf 64,13 m erforderlich gewesen sein sollte. Die von der Antragstellerin angegebenen Standort-Auswahlkriterien hätten mit der Realität nichts zu tun. Im Wesentlichen würden die Behauptungen der Antragstellerin durch ihre eigenen Angaben im Genehmigungsverfahren widerlegt. Das Gelände, auf dem die strittige Windkraftanlage WEA 1 erstellt werden solle, steige von West nach Ost leicht an, wie sich aus vorgelegten Lichtbildaufnahmen (Anlagen 7 a und 7 b) ergebe. Würde der Standort dieser Anlage um 70 m nach Osten verlegt, dann würde er sich am höchst gelegenen Punkt im Vorranggebiet Nr. 354 befinden. Dem Antragsgegner stehe aufgrund seines Jagdausübungsrechts das Recht zu, Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorschriften geltend zu machen, hier in Bezug auf den im betreffenden Vorhabengebiet nachgewiesenen Rotmilan.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Ausführungen des Antragsgegners würden den Darlegungsanforderungen nach § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO nicht gerecht. Sie beträfen ausschließlich das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO. Es fehlten Ausführungen zur allein relevanten Änderung der Sach- und Rechtslage, auf welche das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO gestützt habe. Die Antragstellerin sei auch antragsberechtigt gewesen, da sie durch die vorangegangene Eilentscheidung beschwert gewesen sei. Dies entspreche auch der Interessenlage im Änderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, da die Antragstellerin zur Erlangung der Genehmigung erforderliche Planungsleistungen erbracht und einen für die Heilung des Bestimmtheitsmangels der Abweichungsentscheidung maßgeblichen Abstandsflächenplan erstellt habe. Der Anlagenstandort WEA 1 sei aus planerischer Sicht und unter Berücksichtigung von Vorranggebietsgrenzen, Gemeindegrenzen, Turbulenzwirkung im Windpark, Standfestigkeit, Eigentumsverhältnissen und der vorgegebenen Waldstruktur naturschutzfachlich alternativlos optimal. Die Standortwahl werde ganz wesentlich durch die Topographie beeinflusst. Der Standort der Windkraftanlage WEA 1 liege am höchsten Punkt im Vorranggebiet Nr. 354.
Der Beigeladene beantragt gleichfalls,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner differenziere in seinen Ausführungen nicht zwischen dem hier angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12. August 2016 und der diesem Beschluss zugrunde liegenden, nicht streitgegenständlichen Eilentscheidung vom 5. Juli 2016. Von Bedeutung im vorliegenden Verfahren sei ausschließlich die Frage, ob veränderte Umstände zu bejahen seien, die eine Änderung der Entscheidung vom 5. Juli 2016 rechtfertigen könnten. Die Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 80 Abs. 7 VwGO könne nur auf die Überprüfung gerichtet werden, ob die Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vorlegen. Es sei dagegen nicht möglich, die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO inzident mit zu überprüfen. Die Beschwerdebegründung setzte sich nicht damit auseinander, weshalb trotz der Veränderung der Sach- und Rechtslage durch Erteilung des Änderungsbescheids vom 26. Juli 2016 keine veränderten Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vorliegen sollten. Sofern sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen zu bejahen seien, sei die Standortwahl die wirtschaftliche Entscheidung des Vorhabenträgers. Da die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eine gebundene Entscheidung darstelle, bleibe für die Prüfung von möglichen Alternativstandorten im behördlichen Genehmigungsverfahren kein Raum.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten im vorliegenden Verfahren.
II. 1. Das Rubrum des angefochtenen Beschlusses war in Bezug auf die Bezeichnung der Beteiligten hinsichtlich ihrer Stellung im Verfahren (§ 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO analog) zu berichtigen, da insoweit eine offenbare Unrichtigkeit gegeben war (§ 122 Abs. 1, § 118 Abs. 1 VwGO). Die Berichtigung konnte vom Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren vorgenommen werden (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 118 Rn. 5).
Im selbstständigen Änderungsverfahren gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO ergibt sich die Stellung der Beteiligten aus der Interessenlage in diesem Verfahren unter Berücksichtigung einer etwaigen Antragstellung. Die Verfahrensstellung richtet sich dagegen nicht nach derjenigen im vorangegangenen Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO. Dies entspricht auch der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B. v. 7.1.2016 – 4 VR 3/15 u. a. – BayVBl 2016, 466).
Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ist die im Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO beigeladene Beteiligte. Sie war in diesem ursprünglichen Verfahren unterlegen, soweit die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragsgegners in Bezug auf die Windkraftanlage WEA 1 wiederhergestellt wurde, und strebt nunmehr mit ihrem Antrag nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO eine Abänderung dieser Eilentscheidung zu ihren Gunsten an. Bei der Bezeichnung der Antragstellerin im Rubrum des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts entsprechend dem neuen Vorhabenträger handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung; dieser hat keinen Antrag gestellt und ist auch nicht in sonstiger Weise am Verfahren beteiligt.
Der Antragsgegner im Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar hinsichtlich der teilweisen Stattgabe im Beschluss vom 5. Juli 2016 gleichfalls unterlegen. Auch seiner Interessenlage entspricht es folglich, dass dieser Beschluss insoweit abgeändert wird. Er hat jedoch keinen Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestellt. Die Bindungswirkung des Beschlusses vom 5. Juli 2016, die sich auf ihn erstreckt, wird allerdings gegebenenfalls durch eine Entscheidung nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO durchbrochen (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 100). Deshalb ist der frühere Antragsgegner im Änderungsverfahren gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen (vgl. insoweit auch BVerwG, B. v. 7.1.2016 – 4 VR 3/15 u. a. – BayVBl 2016, 466).
Der Antragsteller im Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist Antragsgegner im vorliegenden Verfahren, da er eine Beibehaltung des Beschlusses vom 5. Juli 2016 anstrebt und im Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO Antragsablehnung beantragt hat.
2. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg. Unter Berücksichtigung der fristgemäß vorgetragenen Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 1, 3 und 6 VwGO) ergibt sich nicht, dass der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts im Ergebnis unzutreffend wäre.
a) Der Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO steht nicht dagegen, dass der Adressat des Genehmigungsbescheids vom 2. Februar 2016 durch Bescheid vom 2. März 2016 geändert und die Antragstellerin infolge dessen nicht mehr Inhaberin dieser vom Antragsgegner angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin folgt gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO aus ihrer Stellung als insoweit unterlegene Beteiligte im vorangegangenen Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 104 m. w. N.). Auch ergeben sich aus der erfolgten Übertragung dieser Genehmigung keine Zweifel an der Antragsbefugnis der Antragstellerin. Nach dieser Übertragung hat sie das Verfahren gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO fortgeführt; die Rechtskraft der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung erstreckt sich auf den Erwerber der Genehmigung (§ 173 VwGO, § 265 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 121 Nr. 1 VwGO; vgl. BVerwG, B. v. 7.2.2011 – 6 C 11/10 – NVwZ-RR 2011, 382).
b) Aus dem Vortrag des Antragsgegners und seiner Beschwerdebegründung ergeben sich keine Umstände, die eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 2. Februar 2016 nunmehr in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 26. Juli 2016 gebieten würden. Maßgeblich für diese Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Genehmigungsbescheids vom 2. Februar 2016 bzw. des Ergänzungsbescheids vom 26. Juli 2016, soweit dieser den ursprünglichen Bescheid geändert hat.
aa) Der Antragsgegner räumt der Sache nach ein, dass jedenfalls der im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. Juli 2016 angenommene Mangel einer fehlenden Bestimmtheit der gewährten Abweichung (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) infolge des Ergänzungsbescheids vom 26. Juli 2016 behoben wurde. Er stellt jedenfalls diese Bewertung in der Beschwerdebegründung nicht in Frage. Bei der Entscheidung im Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO sind allerdings zusätzlich alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die auch für die vorangegangene Entscheidung nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO von Bedeutung waren. Zwar ist der Änderungsantrag eines Beteiligten nur dann zulässig, wenn dieser veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände schlüssig vorträgt (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Diese Antragsvoraussetzung begrenzt jedoch nicht die gerichtliche Prüfung der Begründetheit im Falle eines zulässigen Änderungsantrags. Das Verwaltungsgericht hatte vielmehr im vorliegenden Änderungsverfahren nach denselben Grundsätzen zu entscheiden, wie sie für das Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO maßgeblich waren (BVerwG, B. v. 21.7.1994 – 4 VR 1/94 – BVerwGE 96, 239/240), selbstverständlich unter Einbeziehung gegebenenfalls veränderter Umstände. Der angefochtene Beschluss trägt diesem Grundsatz zutreffend Rechnung, wenn er – wie geboten – zusammen mit dem Beschluss vom 5. Juli 2016 gelesen wird.
bb) Aus den Darlegungen des Antragsgegners ergibt sich nicht, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 2. Februar 2016 (in der Fassung des Änderungsbescheids vom 2. März 2016 und des Ergänzungsbescheids vom 26. Juli 2016), die Gegenstand der Hauptsache (d. h. der Drittanfechtungsklage des Antragsgegners) ist, deshalb rechtswidrig wäre, weil der Antragsgegner vor ihrem Erlass nicht angehört wurde. Zwar ist dem Antragsgegner zuzugeben, dass eine solche Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) erforderlich war, da er durch die mit der Genehmigung gewährte Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen nach § 6 BayBO als Eigentümer von Nachbargrundstücken in seinen Rechten betroffen ist (BayVGH, B. v. 19.8.2014 – 22 CS 14.1597 – BayVBl 2015, 234 Rn. 16). Allerdings ist das Verwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 5. Juli 2016 (Beschlussabdruck S. 9 unten und S. 10 oben) davon ausgegangen, dass die unterlassene Anhörung vorliegend dadurch geheilt worden ist, dass das Landratsamt das Klagevorbringen des Antragsgegners zur Kenntnis genommen und durch schriftsätzliche Ausführungen gewürdigt hat. Die vom Antragsgegner im Zweifel gezogene Möglichkeit der Heilung ergibt sich eindeutig aus der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Vorschrift des Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG. Der Antragsgegner hat nicht konkret dargelegt, weshalb der Tatbestand dieser Heilungsvorschrift nicht, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, erfüllt worden wäre.
cc) Aus den Darlegungen des Antragsgegners ergibt sich auch nicht, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Abweichung von der Einhaltung der nach Art. 6 BayBO vorgegebenen Abstandsflächen in Bezug auf die Grundstücke des Antragsgegners fehlen würden. Zwar könnte die Erteilung der Abweichung möglicherweise mit einem Abwägungsdefizit hinsichtlich der Belange der Antragstellerin behaftet sein; dies dürfte sich aber nicht zulasten des Antragsgegners auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt haben. Jedenfalls besteht nach § 114 Satz 2 VwGO die Möglichkeit einer Ergänzung der Ermessenserwägungen im Hauptsacheverfahren.
Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, welche Gründe bei der strittigen Windkraftanlage gegen die Annahme eines atypischen Falles sprechen könnten, der die Erteilung einer Abweichung von den einzuhaltenden Abstandsflächen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO grundsätzlich rechtfertigt (vgl. dazu BayVGH, U. v. 28.7.2009 – 22 BV 08.3427 – VGHE 62, 315/320 Rn. 29). Das Verwaltungsgericht hat im Beschluss vom 5. Juli 2016 (Beschlussabdruck S. 10) aufgrund einer im Eilverfahren grundsätzlich hinreichenden summarischen Prüfung eine Atypik im vorgenannten Sinn angenommen, weil bei Windkraftanlagen im Außenbereich mit einer Gesamthöhe von ca. 200 m nach Größe und Zuschnitt der Außenbereichsgrundstücke regelmäßig kaum nach allen Seiten die sich nach dem Gesetz ergebenden Abstandsflächen einzuhalten sind. Dies führe aber nicht dazu, bei verhältnismäßig großen Grundstücken wie im vorliegenden Fall die Atypik in Frage zu stellen. Die Atypik ergebe sich nämlich auch aus der Eigenart der Windkraftanlage als Bauwerk. Diese Erwägungen entsprechen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 19.8.2014 – 22 CS 14.1597 – BayVBl 2015, 234 Rn. 17). Der Antragsgegner tritt dieser Einschätzung nicht substantiiert entgegen.
Der Antragsgegner meint, ungeachtet der angesprochenen Eigenart des Bauwerks „Windkraftanlage“ setze die Gewährung einer Abweichung zum einen den Nachweis voraus, dass im Einzelfall kein anderer Standort – unter Umständen wohl auch auf einem Alternativgrundstück – in Betracht kommt, bei dem die gesetzlichen Abstandsflächen gewahrt würden. Zum anderen müsse die Abstandsflächenreduzierung durch eine darauf ausgerichtete Standortwahl auf dem Vorhabengrundstück auf das erforderliche Maß reduziert werden. Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist zwar nicht zu entnehmen, dass die Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen stets Vorrang genießt, solange ein alternativer Vorhabenstandort möglich ist, der insoweit eine geringfügigere oder keine Abweichung erfordern würde. Insofern hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt klargestellt, dass trotz im Falle von Windkraftanlagen grundsätzlich zu bejahender Atypik die Zulassung einer Abweichung eine Ermessungsausübung unter Berücksichtigung der jeweils betroffenen Belange voraussetzt (U. v. 28.7.2009 – 22 BV 08.3427 – VGH n. F. 62, 315 Rn. 31; B. v. 19.8.2014 – 22 CS 14.1597 – BayVBl 2015, 234 Rn. 17; B. v. 21.7.2015 – 22 ZB 14.2340 – UPR 2015, 517 Rn. 26). Die Gründe für eine Abweichung müssen umso bedeutender sein, je weiter die Verkürzung der Tiefe der Abstandsfläche gehen soll (BayVGH, U. v. 28.7.2009 – 22 BV 08.3427 – VGH n. F. 62, 315 Rn. 35). Wie der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung vom 21. Juli 2015 (22 ZB 14.2340 – UPR 2015, 517) ausgeführt hat, kann gegen die Gewährung einer Abweichung sprechen, dass auf dem Baugrundstück selbst Standortalternativen bestehen, welche die Nachbarschaft weniger belasten würden, und dass es keinen zwingenden Grund gibt, das Vorhaben gerade an dem vom Vorhabenträger gewählten Standort zu verwirklichen. Der Antragsgegner hat jedoch nicht aufgezeigt, dass hier ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegen könnte. Er hat weder eine in der Abwägung ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der Nutzung seiner Grundstücke aufgezeigt noch die für den verfahrensgegenständlichen Standort sprechenden Gründe substantiiert in Zweifel gezogen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus einem von der Antragstellerin vorgelegten Übersichtsplan vom 14. Juli 2016 (Bl. 36 der Akte des Verwaltungsgerichts) ohne weiteres, dass auf dem Grundstück Fl.Nr. 257, Gemarkung W. ein Standort der strittigen Windkraftanlage WEA 1, welcher Abstandsflächen entsprechend dem Maß von 1 H zu allen Nachbargrundstücken hin einhalten würde, nicht möglich ist. Denkbar wären jedoch eine Verschiebung des Standorts nach Osten und damit ein weiteres Abrücken von der Grenze zu den klägerischen Grundstücken. Die Antragstellerin hat allerdings in ihrem Schriftsatz vom 13. Oktober 2016 mehrere nachvollziehbare Gründe für die Wahl des Standorts für die Windkraftanlage WEA 1 vorgetragen.
Insbesondere ist nachvollziehbar, dass dieser Standort am höchsten Punkt im Vorranggebiet Nr. 354 auf dem Gemeindegebiet von I. liegt und insoweit die getroffene Standortwahl der Ertragssteigerung dient. Anhand des bei den Antragsunterlagen zur strittigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung befindlichen Übersichtsplans (Maßstab 1:5000) vom 7. Juli 2014 lässt sich die von der Antragstellerin beschriebene Höhenlage des Standorts ablesen. Aufgrund der im Plan eingezeichneten Höhenlinien ergibt sich ein zumindest leichter Geländeanstieg in Richtung zur westlichen Grenze des Vorranggebiets, Richtung Osten dagegen ein Geländeabfall. Der vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2016 vorgelegten Karte mit einer Eintragung der Höhenlage des Standorts (Anlage 6) und dem Bildmaterial (Anlagen 7a und 7b) kann der Verwaltungsgerichtshofs keine davon abweichende Höhenentwicklung entnehmen. Es ist zudem unklar, von welchem exakten Standort aus diese Lichtbilder aufgenommen wurden. Anhand der Bilder ist es ferner nicht möglich, eindeutig auf einen Höhenverlauf zu schließen, da dieser Eindruck stark von der gewählten Bildperspektive abhängt. Insbesondere dem Lichtbild in Anlage 7a kann nicht entnommen werden, dass das Gelände dort vom Standort des Fotografen aus in Richtung auf den Bildhorizont ansteigen würde. Unabhängig hiervon kann die Behauptung des Antragsgegners auch nicht mithilfe der von ihm als Anlage 6 vorgelegten Karte bestätigt werden. Verschiebt man mit dem vom Antragsgegner zur Erstellung der Anlage 6 verwendeten Kartenprogramm den dort markierten, angeblich höchst gelegenen Punkt (als „Meereshöhe“ bezeichnete Höhenlage: 405 m) an die westliche Seite des bereits frei geräumten, im Satellitenbild gut erkennbaren Baugrundstücks – zum Standort der strittigen Windkraftanlage WEA 1 -, so ergibt sich eine unveränderte Höhenangabe.
Hinzu kommt, dass die Antragstellerin plausibel dargelegt hat, dass Baumbestände und bestehende Rückegassen bei der Standortplanung und den Rodungsumgriffen berücksichtigt wurden. Bei der Wahl des Standortes WEA 1 habe insbesondere eine Rolle gespielt, dass die Baufläche, die Kranstellfläche und die Zuwegung in eine ehemalige Windwurffläche gefallen seien; Eingriffe in den Altbaum-Bestand hätten daher gering gehalten werden können. Die weiter von der Antragstellerin vorgelegten Luftbilder (Anlage zum Schriftsatz vom 14.11.2016) verdeutlichen, dass sich die genannten Flächen in einem weniger dicht bestandenen Waldbereich befinden. Der Antragsgegner hat sich insbesondere mit dieser Interpretation der Luftbilder nicht konkret auseinandergesetzt. In dem von ihm herangezogenen landschaftspflegerischen Begleitplan ist in diesem Zusammenhang die Kurzbeschreibung des Bestandes und die Bewertung zum Standort WEA 1 (Blatt 26) aussagekräftig; die zitierten allgemeineren Aussagen (z. B. Blatt 16, 18 und 19) betreffen das gesamte Vorhabengebiet mit damals insgesamt vier geplanten Windkraftanlagenstandorten und sind damit nicht gleichermaßen spezifisch für den Standort der strittigen Windkraftanlage. Nach dieser Kurzbeschreibung ist am Standort WEA 1 älterer, lichter, mäßig strukturreicher Fichten-Lärchen-Nadelholzforst mit einem artenarmen, ausgehagerten Unterwuchs aus Säurezeigern wie Drahtschmiele vorhanden. Diese Struktur lässt sich auch anhand der oberen zwei Bilder zu dieser Kurzbeschreibung nachvollziehen. Unabhängig von der Frage, ob diese Ausprägung auch durch früheren Windwurf bedingt ist, wird jedenfalls eine lichte Waldstruktur bestätigt. Auch im Übrigen widerspricht diese Kurzbeschreibung nicht den Aussagen der Antragstellerin. Die in ihr weiter angesprochenen, im Südosten anschließenden schlagflurartigen Bereiche befinden sich außerhalb des Baugrundstücks, wie der Bestands- und Konfliktplan zum landschaftspflegerischen Begleitplan zeigt. Dieser Bereich bietet der genannten Kurzbeschreibung zufolge auch Lebensraum für Baumpieper, Turteltaube und Goldammer, die bei Kartierungen im Jahr 2013 nachgewiesen wurden. In der Brutvogelkartierung 2013 wurde östlich des Standorts WEA 1, auf der dortigen relativ offenen Sukzessionsfläche, jeweils ein „theoretischer Reviermittelpunkt“ dieser Arten angenommen (vgl. Angaben zu diesen Arten auf S. 16, 17 und 19 des „Ergebnisberichts Kartierungen 2013“ sowie dortige Karte 2). Dies deutet zusätzlich darauf hin, dass die vom Antragsgegner vorgeschlagene Verschiebung des Standorts WEA 1 nach Osten und damit ein Heranrücken an diesen hochwertigeren Lebensraum naturschutzfachlich problematisch sein dürfte.
Zwar hat das Landratsamt bei der Entscheidung über die Abweichungserteilung diese im Einzelfall für die konkrete Standortwahl und damit die für das Maß der Abweichung sprechenden Gründe nicht berücksichtigt; auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgte bisher keine Ergänzung dieser Erwägungen (§ 114 Satz 2 VwGO). Allerdings wurde geprüft, ob nachbarliche Belange des Antragsgegners entgegenstehen, und festgestellt, dass diese nicht in erheblichem Maß betroffen sind. Dies könnte bedeuten, dass sich ein eventueller Mangel der Ermessensausübung auf die Entscheidung des Landratsamtes im Ergebnis nicht ausgewirkt hat und insofern der nach allgemeinen Grundsätzen erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 114 Rn. 6 a; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 198; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 114 Rn. 12).
Ausweislich der Begründung des Genehmigungsbescheides vom 2. Februar 2016 (S. 24) hat das Landratsamt erwogen, dass eine Reduzierung der Abstandsflächen jedenfalls für den „Standardfall“, nämlich bei Vorhabenstandorten angrenzend an unbebaute, landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke, pflichtgemäßem Ermessen entspreche. Dieser „Standardfall“ sei hier gegeben; sämtliche innerhalb der (vollen) Abstandsflächen liegenden Grundstücke seien unbebaut und würden land- bzw. forstwirtschaftlich genutzt. Mangels einer Bebauung in diesem Bereich seien die Hauptzwecke des Abstandsflächenrechts – die Sicherung von Freiflächen zwischen Gebäuden zur Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung, des Brandschutzes sowie des nachbarlichen Friedens – nicht berührt. Anhaltspunkte dafür, dass die Verkürzung der Abstandflächentiefe die Nutzbarkeit und Ertragsfähigkeit forst- oder landwirtschaftlicher Grundstücke mehr als geringfügig beeinträchtigen könnte, seien nicht ersichtlich. Weiter wurden für die Gewährung der Abweichung sprechende öffentliche Belange in die Ermessensentscheidung eingestellt.
Nachbarliche Belange wurden demnach bei der der Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO berücksichtigt. Diese Erwägungen des Landratsamts sind auch nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere steht die Überlegung, eine Abweichung regelmäßig dann zu gewähren, wenn die mit den Abstandsflächenvorschriften verfolgten Zwecke und zu wahrenden Nachbarbelange nicht mehr als geringfügig beeinträchtigt werden, in Einklang mit dem Gesetzeszweck (BayVGH, U. v. 28.7.2009 – 22 BV 08.3427 – VGH n. F. 62, 315 Rn. 32). Auch aus der Beschwerdebegründung des Antragsgegners ergibt sich nicht, dass die vorliegende Verkürzung auf 0,3 H eine nennenswerte Beeinträchtigung seiner Belange hervorrufen könnte.
Die befürchtete Absenkung des Grundwassers im Zuge der Herstellung der Fundamente für die Windkraftanlage WEA 1 wird durch die Genehmigung vom 2. Februar 2016 ausdrücklich nicht zugelassen (vgl. Nr. 4.7.1 der Auflagen zu einer ggf. erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnis).
Der Antragsgegner hat auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Schaffung einer Kahlfläche für diese Baumaßnahme die Gefahr des Windbruchs auf seinen Grundstücken messbar erhöhen könnte. Im Übrigen wurde die Antragstellerin verpflichtet, an Waldaußenrändern zur Flur oder an Waldinnenrändern beispielsweise zu Forstwegen einen angemessen dimensionierten Waldmantel bzw. -saum anzulegen (Nr. 4.10.4 der Auflagen). Ferner ist ausweislich des Übersichtsplans zum Genehmigungsantrag vom 7. Juli 2014 (Kapitel 2.2, Maßstab 1:5000) und auch des Lageplans zur strittigen Windkraftanlage WEA 1 vom 23. Oktober 2015 (Maßstab 1:1000) ein Waldstreifen zwischen den Grundstücken des Klägers und dem Vorhabengrundstück nicht von einer Rodung betroffen.
Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, weshalb es nicht rechtmäßig sein sollte, dass bei der Genehmigungsentscheidung einschließlich der Erteilung der Abstandsflächenverringerung von einem ordnungsgemäßen, genehmigungskonformen Betrieb der zu errichtenden Windkraftanlage ausgegangen wurde und Unfallszenarien wie „herumfliegende Rotorblätter“ nicht berücksichtigt wurden. Schließlich hat der Antragsgegner auch nicht dargelegt, inwieweit sein Jagdrecht durch den Betrieb der Windkraftanlage durch Lärmimmissionen, Eisschlag und Leuchtfeuer konkret beeinträchtigt werden könnte, wie er behauptet. Er hat insbesondere auch nicht vorgetragen, weshalb die insoweit in der Genehmigung vom 2. Februar 2016 enthaltenen Auflagen (Nr. 4.2 zu Lärmschutz, Nr. 4.3 zu Lichteffekten und Schattenwurf, Nrn. 4.6.16 und 4.6.17 zur Vorbeugung von Eiswurf) unzureichend sein sollten.
Schließlich ist nicht erkennbar, inwieweit das Jagdausübungsrecht des Antragsgegners dadurch beeinträchtigt werden könnte, dass im Gebiet der streitgegenständlichen Windkraftanlage nach seinen Angaben ein Vorkommen des Rotmilans besteht. Soweit der Antragsgegner meint, er könne dies Vorschriften des Bayerischen Jagdgesetzes (BayJG) entnehmen, sind seine Ausführungen nicht nachvollziehbar. Zwar bestimmt der vom Antragsgegner in Bezug genommene Art. 1 Abs. 1 BayJG, dass die freilebende Tierwelt in ihrer Vielfalt zu bewahren ist. Diesem gesetzgeberischen Ziel steht dagegen keine korrespondierende, umfassend formulierte Schutzpflicht des Jagdausübungsberechtigten gegenüber. Das Jagdrecht umfasst von vornherein nur die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen (Wild), zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen; mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege verbunden (§ 1 Abs. 1 Bundesjagdgesetz – BJagdG).
Unabhängig davon ergibt sich aus den Ausführungen des Antragsgegners nicht, inwieweit die von ihm erwartete Beeinträchtigung der vorgenannten Belange in erheblicher Weise gerade durch die erfolgte Reduzierung der Abstandsflächen hervorgerufen wird.
Angesichts dieses Befundes kann dahinstehen, inwieweit nachbarliche Belange, deren Schutz über spezialgesetzliche Vorschriften gewährleistet wird (z. B. der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG), im Rahmen der Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO überhaupt abwägungserheblich sein können.
Der Umstand, dass für alle drei von der Genehmigung vom 2. Februar 2016 umfassten Windkraftanlagen eine einheitliche Verkürzung der Abstandsflächen auf 0,3 H zugelassen wurde, deutet nicht auf eine fehlende Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hin. Gerade dann, wenn die Genehmigungsbehörde bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zur Einschätzung gelangt, dass diese drei Anlagen sich hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungskriterien nicht wesentlich unterscheiden, ist nicht zu beanstanden, wenn jeweils die Verkürzung der Abstandsflächen nach gleichen Maßstäben vorgenommen wird.
dd) Es kann im vorliegenden Eilverfahren dahinstehen, inwieweit sich der Antragsgegner darauf berufen kann, dass die für eine Erteilung der Abweichung sprechenden Gründe bei der Entscheidung des Beigeladenen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO nicht berücksichtigt wurden, soweit es um die konkrete Standortentscheidung geht, nachdem jedenfalls die Belange des Antragsgegners hinreichend gewürdigt wurden. Jedenfalls überwiegen auch bei offenen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren vorliegend die Interessen der Antragstellerin. Aus den Darlegungen des Antragsgegners ergibt sich nicht und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass er infolge dieser Abweichungserteilung in schutzwürdigen Belangen wahrnehmbar betroffen wäre. Demgegenüber sprechen sachliche Gründe der Antragstellerin für die getroffene Standortwahl. Die Voraussetzungen für eine ermessensfehlerfreie Erteilung einer Abweichung im gewährten Umfang liegen daher jedenfalls bei einer Ergänzung der Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO im Hauptsacheverfahren vor. Im Hinblick auf diese Sachlage ist es jedenfalls im Wege einer Interessenabwägung im Rahmen einer Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzes sachgerecht, dem Vollzugsinteresse der Antragstellerin den Vorrang gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragsgegners einzuräumen.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: § 47 Abs. 1 und Abs. 2, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5, 19.2, 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18.7.2013.