Aktenzeichen 4 U 23/17
GBO § 13, § 19
ZPO § 322 Abs. 1
Leitsatz
1. Urteile sind der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Die Urteilselemente, die bedingenden Rechte und Gegenrechte sollen nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Sie wird vielmehr auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund einer Klage oder Widerklage beim Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet, beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft (ebenso BGH BeckRS 2016, 112456). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar kann die Einrede des nichterfüllten Vertrages grundsätzlich auch bei anfänglichem Unvermögen gem. §§ 440 Abs. 1, 320, 452 Abs. 2 BGB aF erhoben werden. Allerdings nur, solange die objektive Unmöglichkeit der Erfüllung nicht feststeht (BGH BeckRS 9998, 44024). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
24 O 327/16 2017-01-10 LGWUERZBURG LG Würzburg
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 10.01.2017, Az. 24 O 327/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Verfahren in erster Instanz bis 16.06.2016 auf 13.645,65 €, ab 17.06.2016 bis 17.10.2016 auf 16.829,64 und ab 18.10.2016 auf 19.558,77 € und für das Berufungsverfahren auf 19.558,77 € festgesetzt.
Gründe
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1. Die rechtskräftigen Entscheidungen in den Vorprozessen, stehen einer abweichenden Beurteilung über das Bestehen von Ansprüchen der Beklagtenseite nicht entgegen. Hinsichtlich des Vorprozesses bei dem Landgericht Würzburg, Az. 12 O 2721/09 bzw. bei dem Oberlandesgericht Bamberg, Az. 4 U 69/11, wird auf die Ausführungen im Urteil dieses Senats vom 25.11.2013, Az. 4 U 56/13, (dort S. 5 und 6) Bezug genommen. Aber auch die letztgenannte Entscheidung, welche – wie hier – Gegenansprüche der Beklagtenseite zum Gegenstand hatte, die auf eine arglistige Täuschung der Klägerin gestützt werden, hindert eine andere Beurteilung nicht. Urteile sind der Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur insoweit fähig, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist. Damit sind der Rechtskraft bewusst enge Schranken gezogen. Die Urteilselemente, die bedingenden Rechte und Gegenrechte sollen nicht von der Rechtskraft erfasst werden. Sie wird vielmehr auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund einer Klage oder Widerklage beim Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet, beschränkt. Die tatsächlichen Feststellungen als solche erwachsen nicht in Rechtskraft (BGH, Beschluss vom 22.9.2016, Az. V ZR 4/16, NJW 2017, 893). Da die Entscheidung nur über den Streitgegenstand ergeht, erwächst das Urteil auch über Gegenansprüche, Einwendungen oder Einreden des Beklagten nicht selbständig in Rechtskraft, soweit der Beklagte nicht Widerklage (auch Zwischenfeststellungswiderklage) erhoben hatte (Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 322 Rn. 108).
Eine rechtskräftige Entscheidung in einem Vorprozess zwischen den Parteien kann zwar grundsätzlich auch zu einer Tatsachenpräklusion in einem Folgeprozess führen, da die Rechtskraft der Entscheidung über den im Vorprozess erhobenen Anspruch nicht mit dem Vorbringen ausgehöhlt werden darf, das rechtskräftige Urteil gründe sich auf unrichtige tatsächliche Feststellungen. Diese Präklusion darf aber nicht weiter gehen als die Rechtskraftwirkungen dieses Urteils. Eine Präklusionswirkung tritt beispielsweise daher nicht ein, wenn eine Teilklage rechtskräftig abgewiesen worden ist und nach den Entscheidungsgründen des Urteils im Vorprozess der klagenden Partei der später geltend gemachte (weitere) Anspruch aus demselben Lebenssachverhalt ebenfalls nicht zustünde. Die Rechtskraft reicht in diesen Fällen nicht so weit wie die Folgerichtigkeit der Entscheidungsgründe; diese nehmen an der Rechtskraft nicht teil (BGH, a.a.O.). Vergleichbar ist die Rechtslage im vorliegenden Rechtsstreit. Im Vorprozess wurden nämlich von der Klägerseite Ansprüche geltend gemacht, welche einen anderen Zeitraum betrafen als denjenigen, für den im vorliegenden Verfahren Erbbauzinsen begehrt werden. In Rechtskraft erwächst nur die Entscheidung bzgl. der damals geltend gemachten Ansprüche.
2. Im Ergebnis kommt es jedoch für die im vorliegenden Fall zu treffende Entscheidung nicht darauf an, ob der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungsausschluss Wirksamkeit entfaltet hat oder eine arglistige Täuschung durch die Klägerin vorlag.
a) Wie bereits im Hinweisbeschluss des Senats vom 26.06.2017 (S. 2 und 3) ausgeführt wurde, sind zwar eventuell bestehende Nacherfüllungsansprüche, welche von der Beklagtenseite im vorliegenden Prozess mit der Widerklage begehrt werden bzw. dem Verlangen der Klägerin auf Bezahlung der Erbbauzinsen als Zurückbehaltungsrecht entgegengesetzt werden, nicht verjährt.
b) Die (Gegen-)Ansprüche der Beklagtenseite scheitern jedoch an der Tatsache, dass es der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Erbbaurechtsvertrages aufgrund der zu diesem Zeitpunkt unstreitig bestehenden Dienstbarkeiten unmöglich war, den Beklagten die Grundstücke unbelastet zur Verfügung zu stellen. Zwar kann die Einrede des nichterfüllten Vertrages grundsätzlich auch bei anfänglichem Unvermögen gem. §§ 440 Abs. 1, 320, 452 Abs. 2 BGB (a.F.) erhoben werden. Allerdings nur, solange die objektive Unmöglichkeit der Erfüllung nicht feststeht (BGH, Urteil vom 20.12.1996, Az. V ZR 277/95, NJW 1997, 938). Hierauf hat der Senat mit Beschluss vom 26.06.2017 auch hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 07.08.2017 hat nun die Klägerseite unbestritten vorgetragen, dass es ihr unmöglich sei, für eine Lastenfreiheit des Grundstücks zu sorgen, wobei sie ein Schreiben der Stadtwerke A. vom 18.07.2017 vorgelegt hat, wonach die Versorgungsleitungen im Grundstück Fl.Nr. zzzz weiterhin in Anspruch genommen werden und „eine Löschung daher zum aktuellen Zeitpunkt“ nicht bewilligt werden könne. Nachdem keine Anhaltspunkte ersichtlich sind bzw. vorgetragen wurden, wodurch eine Weiternutzung der entsprechenden Leitungen durch die Stadtwerke A. in absehbarer Zeit entbehrlich werden könnte (was letztlich nur durch eine aufwändige Verlegung bzw. Neuerrichtung von Leitungstrassen bewerkstelligt werden könnte), ist für den vorliegenden Fall von einer dauernden Unmöglichkeit auszugehen.
Diese Erwägungen gelten letztlich auch für das Grundstück Fl.Nr. …/xx. Wohl entsprechend der Anfrage der Klägervertreter bezieht sich das vorgenannte Schreiben der Stadtwerke zwar lediglich auf das Grundstück zzzz. Nachdem es sich jedoch um dieselben, in beiden Grundstücken laufenden Leitungen handelt, ist auch bzgl. des Grundstücks Fl.Nr. …/xx zwanglos anzunehmen, dass auf die dort bestehenden gleichlautenden Rechte ebenfalls nicht verzichtet wird.
Damit scheitert schließlich ein möglicher Anspruch der Beklagten auf Verschaffung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke in einem von Rechten Dritter unbelasteten Zustand und in einem tatsächlich leitungsfreien Zustand, da die noch für einen unabsehbaren Zeitraum bestehenden Dienstbarkeiten auch einer tatsächlichen Entfernung der Leitungen entgegenstehen.
Auf die Fragen, ob der vereinbarte Gewährleistungsausschluss aufgrund arglistiger Täuschung nicht zur Anwendung kommen kann bzw. Rechtsmängel nicht betrifft, kam es daher für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an.
c) Soweit die Beklagten von der Klägerin die Zustimmung zur Löschung der Leitungsrechte gegenüber dem Grundbuchamt begehren, besteht schon aus rechtlichen Gründen kein Anspruch. Nach § 13 GBO erfolgt eine Eintragung (nur), wenn sie von demjenigen bewilligt wird, dessen Recht von ihr betroffen wird. Im Falle eines entsprechenden Antrags der Stadtwerke A. wäre für eine entsprechende Löschung der Dienstbarkeiten (anders als bei der Löschung von Grundpfandrechten, § 19 GBO) eine Zustimmung der Klägerin entbehrlich. Eine Zustimmung zur Löschung bzw. ein entsprechender Antrag auf Löschung ohne einen entsprechenden Antrag des Berechtigten liefe dagegen ins Leere und kann damit auch nicht verlangt werden (Grüneberg in Palandt, 76. Aufl., § 242, Rn. 50).
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1 ZPO (Kosten), 708 Nr. 10, 711,713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).
Der Streitwert resultiert bzgl. der Klage aus § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 9 ZPO. Der Streitwert der Widerklage war (auch für die erste Instanz) auf 3.183,99 € festzusetzen. Zur Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 26.06.2017 (S. 3 und 4) Bezug genommen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.