Baurecht

Erfolglose Feststellungsklage zur Reichweite einer Baugenehmigung – Nutzung eines Tanzsaales als Diskothek

Aktenzeichen  AN 9 K 15.02098

Datum:
22.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 43 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für die Frage, ob eine Nutzung sich im Rahmen der Bandbreite der genehmigten Nutzung hält oder eine Nutzungsänderung vorliegt, ist der Vergleich zwischen der gewollten Nutzung und der genehmigten bzw. rechtmäßigen Nutzung maßgeblich; nicht erheblich hierfür ist die tatsächlich ausgeübte Nutzung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Betrieb einer Diskothek stellt keine reine Intensivierung der Nutzung eines Tanzsaals für mit einem Gaststättenbetrieb zusammenhängende Tanzveranstaltungen dar, da bei einer Diskothek mit jüngeren Besuchern, lauterer Musik, mehr Verkehr und häufigerem Betrieb zu rechnen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet, im Hilfsantrag unzulässig.
1. Die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung bezieht sich auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses mit einem bestimmten Inhalt, nämlich auf den der Baugenehmigung vom 28. September 1960 in der Fassung des Bescheids vom 7. Dezember 1961. Das Feststellungsinteresse für die Klägerin ist gegeben, da die Beklagte im Jahr 2015 unter Abkehr von ihrem früheren Handeln nunmehr der Klägerin mitteilte, dass für den Betrieb einer Diskothek im gegenständlichen Tanzsaalgebäude eine Baugenehmigung nötig sei und ohne eine solche auch eine gaststättenrechtliche Erlaubnis nicht erteilt werden könne. Da die Klägerin von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig davon ausgeht, dass eine (weitere) Baugenehmigung für die Nutzung als Diskothek hier gerade nicht notwendig ist, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.
2. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet, weil die hier streitgegenständliche Baugenehmigung für das gegenständliche Vorhaben vom 28. September 1960 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 7. Dezember 1961 die Nutzung als Diskothek und damit als Vergnügungsstätte nicht umfasst. Nachdem frühere oder spätere baurechtliche Genehmigungen für den Betrieb einer Diskothek und damit einer Vergnügungsstätte im gegenständlichen Gebäude nicht vorliegen, ist eine solche Nutzung derzeit baurechtlich nicht genehmigt.
Die der Klägerin in den Jahren 1960/1961 erteilte Baugenehmigung für das Anwesen … umfasste für das Vordergebäude neben Wohnungen die Nutzung als Gaststätte, im Zwischenbau, im Keller, die Nutzung als Weinstube sowie im Erdgeschoss als Zugang zur Gaststätte und zum Tanzsaal und für das Rückgebäude die Nutzung als Tanzsaal. Diese Betriebsteile sollten nach dem Willen der Klägerin als Bauherrin damals unstreitig als einheitlicher Betrieb geführt werden, wie dies in der Folgezeit auch bis 1975 geschah. Da eine Betriebsbeschreibung als Teil der genehmigten Bauunterlagen in den Bauakten nicht enthalten ist und damals wohl auch nicht verlangt und vorgelegt wurde, ergibt sich der Umfang der genehmigten Nutzung aus den genehmigten Bauvorlagen. Daraus ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts, dass das damals genehmigte Vorhaben aus einer für die damalige Zeit nicht unüblichen Verbindung einer Speise- und Schankwirtschaft mit einer kleinen Weinstube im Keller sowie einem Tanzsaal bestand. Dabei geht das Gericht auf Grund der vorliegenden Unterlagen davon aus, dass hier die gastronomische Nutzung dem Betrieb das Gepräge verlieh, während die Nutzung des Tanzsaals eine diesem untergeordnete Nebennutzung darstellt. Dafür spricht nach Auffassung des Gerichts insbesondere das Schreiben der Klägerin vom 26. Januar 1962 an die Beklagte, in dem die Klägerin darauf hinweist, dass der Saal und die sogenannte Bar (der als Weinstube genehmigte Kellerraum) nur samstags sowie an zwei Freitagen im Jahr benützt würden und während der übrigen Tage leer stünden, während der Gastraum täglich geöffnet sei. Dies sowie die weiteren Ausführungen dort dahingehend, dass es des Öfteren vorkomme, dass selbst an Samstagen der Saal nur teilweise belegt sei, wobei eine Aufteilung in einen größeren und einen kleineren Saal mit 120 bzw. 80 Sitzplätzen vorgenommen werde, zeigen nach Auffassung des Gerichts, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung und der Aufnahme der Nutzung auch die Klägerin davon ausging, dass die gastronomische Nutzung gegenüber den Tanzveranstaltungen dominierte und die Tanzveranstaltungen nur an einzelnen Tagen als Ergänzung zum Gastronomiebetrieb anzusehen waren. Dieser Einschätzung folgte auch die Beklagte, indem sie aus den von der Klägerin vorgetragenen Gründen den Kostenbeitrag zur Errichtung der Zentralkläranlage für das Saalgebäude deutlich ermäßigte im Hinblick auf dessen untergeordnete Nutzung.
Im Übrigen spricht auch die in der ursprünglichen Baugenehmigung abgelehnte, mit der Tekturgenehmigung vom 7. Dezember 1961 genehmigte Wurstküche dafür, dass der Schwerpunkt des Betriebs damals auf der Verköstigung und Bewirtung der Gäste lag, nicht aber am Abhalten von Tanzveranstaltungen.
Dass die Nutzung des Saales in der Folgezeit deutlich zunahm und sich wohl auch die Art der Veranstaltungen, insbesondere der Musikdarbietungen von Live-Blaskapellen zu Plattenspieler-betrieb änderten, bis dann im Jahr 1975 nach den Angaben der Klägerin eine Diskothek im Saalbau als eigenständiger Wirtschaftsbetrieb begann, ändert nichts am ursprünglichen Umfang der genehmigten Nutzung. Denn maßgeblich für die Frage, ob eine Nutzung sich im Rahmen der Bandbreite der genehmigten Nutzung hält oder eine Nutzungsänderung vorliegt, ist nur ein Vergleich zwischen der gewollten Nutzung einerseits und der genehmigten bzw. rechtmäßigen Nutzung andererseits. Nicht entscheidungserheblich hierfür ist die tatsächlich ausgeübte Nutzung, sofern diese über den genehmigten Nutzungsumfang hinausgeht, ebenso wenig sind gaststättenrechtliche Erlaubnisse oder sonstige Regelungen für die baurechtliche Zulässigkeit maßgeblich oder erheblich (VG Ansbach, U.v. 17.10.2012 – 9 K 12.00385). Hier sprechen insbesondere der zeitliche Umfang der Gastronomie im Verhältnis zu den nur einmal in der Woche stattfindenden Tanzveranstaltungen, aber auch etwa die Größe des Gastraumes mit 75 Sitzplätzen dafür, dass der Schwerpunkt des Betriebs im gastronomischen Bereich und nicht bei den Tanzveranstaltungen lag. Dass sich dies in den späteren Jahren änderte und zunächst Freitag, Samstag, Sonntag, später auch an allen Wochentagen Tanzbetrieb stattfand, ändert am Umfang der ursprünglich erteilten Genehmigung nichts. Dem steht nicht entgegen, dass im Bereich des Tanzsaales, der mit 180 genehmigten Plätzen und einer Größe von ca. 270 m2 den Rahmen des für einen einer wie hier größeren Gastwirtschaft zugeordneten Saales nicht überschreitet, auch ein kleines Podium und ein Umkleideraum enthalten waren. Denn beide Einrichtungen sind auch für eine nur gelegentliche Nutzung für Tanzveranstaltungen oder sonstige Darbietungen geeignet. Auch die Tatsache, dass nach den Angaben der Klägerin bei der Eröffnung ein Teil einer überregional bekannten Blaskapelle auftrat, ergibt nichts für eine bereits damals überwiegende und das Gepräge des Betriebes bestimmende Nutzung als Tanzsaal gegenüber der Gastronomie, denn es ist allgemein üblich, zur Eröffnung insbesondere einer größeren Gastronomie eine attraktive Veranstaltung durchzuführen, um eine möglichst hohe Anzahl von Gästen anzulocken. Gegen die Auffassung der Klägerin, dass die Nutzung des Tanzsaals hier dominierend war, spricht auch die Tatsache, dass zur Zeit der Erteilung der Baugenehmigung und der Nutzungsaufnahme eine generelle Sperrzeit ab 24.00 Uhr bestand, so dass der Umfang der Tanzveranstaltungen insbesondere dann, wenn viele Gäste, wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, zunächst das Restaurant besuchten und nach dem Essen zum Tanz gingen, selbst an den Tagen mit Tanzveranstaltung nicht die Gastronomie dominierte. Dies gilt selbst dann, wenn, wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, häufig oder regelmäßig Sperrzeitverkürzungen erfolgten, wobei Belege hierfür, insbesondere über den zahlenmäßigen Umfang entsprechend verlängerter Veranstaltungen, von der Klägerin nicht vorgelegt werden konnten. Denn bei der Beantragung und Erteilung der Baugenehmigung konnten eventuelle spätere Sperrzeitverkürzungen keine Rolle spielen.
Damit steht für das Gericht fest, dass die mit der ursprünglichen Baugenehmigung genehmigte Nutzung nicht durch den Tanzsaal und dessen Nutzung geprägt und dominiert wurde, sondern von der insbesondere zeitlich wesentlich umfangreicher betriebenen Gastronomie, so dass es sich hier bei dem jedenfalls zu Beginn der Nutzung deutlich ungeordneten Tanzbetrieb nicht um eine Vergnügungsstätte oder eine einer heutigen Vergnügungsstätte entsprechend genehmigte Nutzung handelt.
Demgegenüber handelte es sich bei der später beschriebenen Nutzung, insbesondere nach der Aufteilung des einheitlichen Betriebs in zwei unabhängig voneinander betriebene Unternehmen, um eine Nutzung als Diskothek und damit um eine Vergnügungsstätte. Der Betrieb einer Diskothek stellt keine reine Intensivierung der Nutzung des Tanzsaals für mit dem Gaststättenbetrieb zusammenhängende Tanzveranstaltungen dar, da bei einer Diskothek mit jüngeren Besuchern, lauterer Musik, mehr Verkehr und – wie hier auch – häufigerem Betrieb zu rechnen ist (vgl. VGH, B.v. 6.9.2010 – 15 ZB 09.2375). Dies gilt auch, wenn die Ausstattung der Diskothek auf dem im Tanzsaal Vorhandenen aufbaut (vgl. BayVGH a.a.O.). Dabei kann im Übrigen offen bleiben, ob der später im Tanzsaal stattfindende Betrieb tatsächlich einen Diskothekenbetrieb im Sinn des Baunutzungsrechts darstellt oder nicht, da die hier von der Klägerin gewünschte Feststellung ausschließlich darauf gerichtet ist, die Zulässigkeit des Betriebs einer Diskothek in den Räumen auf Grund der vorhandenen Baugenehmigung aus dem Jahr 1960/1961 festzustellen. Somit umfasst hier die Bandbreite der genehmigten Nutzung des im Jahr 1960/1961 genehmigten Betriebs nicht die Nutzung des Tanzsaals als Diskothek, insofern kann aus der entsprechenden Baugenehmigung auch kein Bestandsschutz für eine solche Nutzung hergeleitet werden, da dies voraussetzte, dass die Nutzung rechtmäßig erfolgte. Es handelt sich hier auch nicht um eine bloße Intensivierung der ursprünglichen Nutzung, sondern um eine völlig geänderte Nutzungsweise, wie der Vergleich einer Tanzveranstaltung mit Blaskapelle im Stil der 60er Jahre mit einer heute üblichen, von leistungsfähigen Verstärkern und insbesondere Basslautsprechern geprägten Disko-Musik zeigt, aber auch das veränderte Nutzungsverhalten der Besucher, die im Vergleich zu den 60er Jahren später in die Diskothek kommen und auch wesentlich später wieder nach Hause gehen.
Wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nunmehr zunächst behauptete, es habe bereits von Anfang an jeden Freitag, Samstag und Sonntag regelmäßig Tanzveranstaltungen gegeben, so folgt das Gericht dem nicht, wobei insbesondere die Angaben der Klägerin im zitierten Schreiben vom 26. Januar 1962 an die Beklagte als Beleg dienen. Den Wechsel der Betriebsart indizieren im Übrigen auch die wechselnden Bezeichnungen für die Einrichtung, nämlich von ursprünglich „…“ über ab 1975 „…“ zu später „…“ (1989), Diskothek „…“, „…“ oder „…“.
3. Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Feststellungsklage ist unzulässig, da für den Fall, dass die Beklagte gegen eine Nutzung des gegenständlichen Vorhabens mit einer Nutzungsuntersagung vorginge, eine Anfechtungsklage verbunden mit vorläufigem Rechtsschutz möglich wäre, so dass nach § 43 Abs. 2 VwGO eine Feststellungsklage hier nicht zulässig ist. Darüber hinaus wäre eine solche Feststellung für die Klägerin nur dann relevant, wenn eine Nutzung des Tanzsaales als Diskothek bis heute ununterbrochen und auf Grund bestehender gaststättenrechtlicher Erlaubnisse fortgeführt würde, die Beklagte nunmehr aber baurechtlich dagegen einschreiten würde. Da aber die Nutzung seit Januar 2015 insoweit beendet wurde und da nach dem oben Gesagten die ursprüngliche und hier gegenständliche Baugenehmigung für das Vorhaben die Nutzung als Diskothek und damit als Vergnügungsstätte nicht umfasste, handelte es sich bei der Wiederaufnahme dieser Nutzung um eine formell wie materiell rechtswidrige Nutzung, gegen die die Beklagte wohl auch im Hinblick auf die vorliegend getroffene Entscheidung über den Hauptantrag gegebenenfalls vorgehen könnte, ohne durch ihr früheres Verhalten insoweit gebunden zu sein. Im Übrigen wäre ein Anspruch der Klägerin auf die hier konkret mit dem Hilfsantrag begehrte Feststellung allein deshalb nicht gegeben, weil damit jegliches bauaufsichtliche Einschreiten der Beklagten gegen den Betrieb einer Diskothek in den gegenständlichen Räumen für unzulässig erklärt würde, ohne dass es auf die konkrete Art und den Umfang des Betriebs und die hiergegen vorliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Einwände ankäme. Demnach ist die Klage im Hilfsantrag unzulässig, sie wäre darüber hinaus auch unbegründet.
4. Damit war die Klage im Hauptwie im Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.


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