Baurecht

Erfolglose Klage auf einen Vorbescheid für den Neubau von zwei Einfamilienhäusern im Außenbereich.

Aktenzeichen  M 1 K 17.4328

Datum:
15.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32821
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, Abs. 1 S. 1
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 4a S. 2, § 34, § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 7
BayBO Art. 71 S. 1

 

Leitsatz

1. Entscheidend für das Vorliegen einer Baulücke sind die Umstände des konkreten Einzelfalles. Zur Bestimmung einer Baulücke kann folglich nicht auf die reine Entfernung oder die Anzahl der der Fläche entsprechenden Bauplätze abgestellt werden kann. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei sonstigen Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB bedarf es für einen Widerspruch zu den Darstellungen im Flächennutzungsplan gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB keiner konkreten standortbezogenen Aussage. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Belang des Schutzes der natürlichen Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) wird schon dann beeinträchtigt, wenn durch das Vorhaben die Fläche der naturgegebenen Bodennutzung entzogen wird. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung des beantragten Vorbescheids. Die Ablehnung war daher rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung eines Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden.
Vorliegend begehren die Kläger einen Vorbescheid zu der Frage, ob die geplante Bebauung hinsichtlich Größe, Gestaltung und Lage des Vorhabens bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig ist. Damit stellen sie die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ihres Vorhabens zur Entscheidung.
Das Vorhaben der Kläger ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Der von den Klägern zur Bebauung vorgesehene Teil des Grundstücks FlNr. 332 ist nach dem vom Gericht durchgeführten Augenschein dem Außenbereich (§ 35 BauGB) zuzuordnen und dort wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB) unzulässig.
a) Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 35 BauGB und nicht nach den §§ 30, 34 BauGB. Das Vorhaben liegt weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch ist es mangels Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB dem Innenbereich zuzuordnen.
Erforderlich für die Annahme eines Bebauungszusammenhangs ist eine tatsächlich aufeinanderfolgende, eben zusammenhängende Bebauung (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – juris Rn. 17). Bestandteil dieses Zusammenhangs können auch Freiflächen sein, wenn sie selbst am Eindruck der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit teilnehmen (Baulücke). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um noch als zusammenhängende Bebauung zu erscheinen, kann dabei nicht nach geographisch-mathematischen Grundsätzen bestimmt werden, sondern bedarf einer umfassenden Bewertung des konkreten Sachverhalts (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 16.9.2010 – 4 C 7.10 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – juris Rn. 17). Im Hinblick auf Freiflächen ist von einer Baulücke auszugehen, wenn sie von der angrenzenden zusammenhängenden Bebauung so stark geprägt werden, dass die Errichtung eines Vorhabens auf dieser Fläche als Fortsetzung der vorhandenen Bebauung erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2019 – 1 ZB 17.2132 – Rn. 4). Der Bebauungszusammenhang endet jedoch – unabhängig von Grundstücksgrenzen – grundsätzlich mit dem letzten Baukörper, sofern keine topographischen Besonderheiten im Einzelfall eine andere Bewertung rechtfertigen (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 17.1.2005 – 4 B 3.05 – juris Rn. 7). Mit zunehmender Größe der Freifläche wird das Vorliegen einer Baulücke weniger wahrscheinlich (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1972 – 4 C 6.71 – juris Rn. 22).
Maßgeblich für den Bebauungszusammenhang ist die tatsächlich vorhandene maßstabsbildende Bebauung, was voraussetzt, dass die baulichen Anlagen zum einen optisch wahrnehmbar und zum anderen nach Art und Gewicht geeignet sein müssen, um ein Gebiet als Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2000 – 4 B 15.00 – juris Rn. 3). Erfasst werden daher in der Regel nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, wohingegen Anlagen, die nur vorübergehend von Menschen genutzt werden oder im weiteren Sinn „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, typischerweise keine maßstabsbildende Bebauung darstellen (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.1984 – 4 C 55.81 – juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. Rn. 13).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer nach dem durchgeführten Augenschein zu der Überzeugung gekommen, dass der zur Bebauung vorgesehene Teil des Grundstücks FlNr. 332 dem Außenbereich zuzuordnen ist. Die örtlichen Verhältnisse lassen nicht den Schluss zu, dass der Teil des Grundstücks, auf dem das Vorhaben verwirklicht werden soll, am Bebauungszusammenhang teilnimmt, obwohl sich an seiner Westseite auf den FlNrn. 332/6 und 332/14 sowie auf der südlich gelegenen FlNr. 330 Wohnbebauung befindet. Denn östlich des zur Bebauung vorgesehenen Bereichs erstreckt sich in einer Tiefe von etwa 85 Metern Grünfläche, an die sich der Fluss als topographische Grenze anschließt. Und auch Richtung Norden schließen sich nicht durch Bebauung geprägte Bereiche an. Die Bebauung südlich auf der FlNr. 330 und nördlich auf der FlNr. 335/10 vermag den Bebauungszusammenhang nicht zu vermitteln.
Nach Ansicht der Kammer handelt es bei den an der Grenze der FlNr. 330 zum Vorhabengrundstück liegenden baulichen Anlagen nicht um maßstabsbildende Bauwerke. Zwar wies das Nebengebäude an der nordwestlichen Ecke des Grundstücks FlNr. 330 zum Zeitpunkt des Augenscheins an dem nach Norden ausgerichteten Fenster eine Gardine auf. Weitere Hinweise darauf, dass die Anlage dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen könnte, gab es jedoch nicht. Es vermittelt den Eindruck eines Gartenhauses und ist damit als Nebengebäude einzuordnen. Bei dem größeren Gebäude östlich des Gartenhauses handelt es sich nach dem Ergebnis des Augenscheins um ein aufgelassenes landwirtschaftliches Nebengebäude, das nach den Angaben der Kläger beim Ortstermin als Lagerstätte genutzt wird. Auch hierbei handelt es sich um ein Nebengebäude, das nicht dem dauernden Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt ist. An dieser Einschätzung ändert auch das Ausmaß der Scheune nichts, da aus der reinen Größe einer baulichen Anlage noch nicht auf eine maßstabsbildende Bebauung geschlossen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 18 ff.). Neben der optischen Wahrnehmbarkeit braucht es – wie oben bereits ausgeführt – zusätzlich der Eignung ein Gebiet als Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen. Dies ist vorliegend jedoch zu verneinen, da das Nebengebäude selbst keinen Beitrag zur organischen Siedlungsstruktur leistet und damit dem Gebiet kein bestimmtes städtebauliches Gepräge verleiht.
Hinsichtlich der östlich an das Wohngebäude auf dem Grundstück FlNr. 335/10 angrenzenden baulichen Anlage ist festzuhalten, dass diese als Garage genehmigt wurde und weitgehend so genutzt wird. In ihr waren zum Zeitpunkt des Augenscheins zwei Pkw abgestellt. Neben der Nutzung als Garage wird möglicherweise der westliche Teil des Garagengebäudes auch im Rahmen der Wohnnutzung des Haupthauses beansprucht. Hierfür spricht die bauliche Verbindung von Hauptgebäude und Garage. Auch konnte man während des Augenscheins an der südwestlichen Seite des Gebäudes einen Wintergarten sowie die Andeutung eines Durchgangs zum Wohnhaus erkennen. Zudem weist die Garage nach dem Ergebnis des Augenscheins eine Unterkellerung mit Fenstern auf. Aufgrund der Genehmigungslage und der abgestellten Pkw ist jedoch davon auszugehen, dass jedenfalls der überwiegende Teil als Garage und damit als Nebengebäude genutzt wird. Eine prägende Wirkung auf die zur Bebauung vorgesehene Fläche ist deshalb zu verneinen.
Selbst wenn man das als Garage genehmigte Nebengebäude und die Nebengebäude auf der FlNr. 330 als prägend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB qualifizieren würde, ändert dies nichts an der Zuordnung des geplanten Vorhabenstandorts zum Außenbereich. Denn die Freifläche, auf der das Vorhaben geplant ist, nimmt auch unter dieser Annahme nicht am Bebauungszusammenhang teil. Dafür spricht bereits die Ausdehnung der Freifläche, die unter Berücksichtigung der nördlichen Bauwerke auf der FlNr. 330 etwa 110 Metern zwischen den Bebauungen auf den Grundstücken FlNrn. 335/10 und 330, ohne deren Berücksichtigung sogar 130 Meter bis zur Wohnbebauung auf der FlNr. 330 beträgt. Schon aufgrund der bloßen Distanz entstand für die Kammer der Eindruck, dass der Vorhabenstandort von der Bebauung im Norden auf dem Grundstück FlNr. 335/10 jedenfalls nicht so stark geprägt wird, dass die vorgesehene Bebauung als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung erscheinen würde. Vielmehr prägt die Freifläche, welche sich nach Osten bis zum Fluss S. erstreckt, den westlichen Teil des Grundstück FlNr. 332 in einer Weise, dass er als von der westlich angrenzenden Wohnbebauung auf den FlNrn. 332/14 und 332/6 deutlich abgesetzter Teil der freien Landschaft wahrgenommen wird. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass es sich bei der umliegenden Bebauung westlich und südlich des Vorhabens an der Z.-Straße und T.-Straße um eine kleinteilige Bebauung handelt, wodurch die bestehende Lücke noch größer erscheint. Nach Auffassung der Kammer ist das Vorhaben daher nur auf zwei Seiten von Bebauung umgeben, nämlich in Richtung Süden und Westen.
Zum Einwand der Kläger, dass die Freifläche etwa die Ausdehnung von zwei bis drei der benachbarten Bebauungsstruktur entsprechenden Baugrundstücke aufweist, ist folgendes auszuführen: Es trifft zwar zu, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Februar 2009 – 1 ZB 08.340 – eine entsprechende Faustformel zur Bestimmung des Vorliegens einer Baulücke aufgestellt hat. Aus der Wahl des Begriffs „Faustformel“ ist jedoch bereits ersichtlich, dass damit keine allgemeingültige Aussage zur Bestimmung von Baulücken getroffen werden sollte. Letztlich entscheidend für die Bestimmung einer Baulücke sind die Umstände des konkreten Einzelfalls, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass auch in späteren Entscheidungen des BayVGH auf eine umfassende Bewertung der Umstände des Einzelfalls und nicht auf die „Faustformel“ Bezug genommen wurde (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 6.11.2019 – 1 ZB 17.2132 – Rn. 4). Folglich kann zur Bestimmung einer Baulücke nicht auf die reine Entfernung (vgl. BVerwG, U.v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 – juris Rn. 26) oder die Anzahl der der Fläche entsprechenden Bauplätze (vgl. VGH BW, U.v. 5.8.2014 – 3 S 1673/12 – juris Rn. 33) abgestellt werden. Für die Kammer ergab sich im konkreten Sachverhalt unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten der Eindruck, dass die von den Klägern zur Bebauung vorgesehene Freifläche keinen Teil des Bebauungszusammenhangs darstellt.
b) Das Vorhaben ist als Wohnbauvorhaben ohne landwirtschaftlichen Bezug nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert. Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt es öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
aa) Das Vorhaben widerspricht der 2. Änderung des Flächennutzungsplans des Beigeladenen, in dem der Vorhabenstandort als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt ist, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB.
Entscheidend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 57). Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung galt bereits die 2. Änderung des Flächennutzungsplans, da diese mit der ortsüblichen Bekanntmachung der vom Landratsamt erteilten Genehmigung am 11. Mai 2018 wirksam wurde, § 6 Abs. 5 BauGB. In dem neuen Flächennutzungsplan ist statt der Darstellung eines allgemeinen Wohngebiets eine Fläche für Landwirtschaft dargestellt. Da die Kläger vorliegend eine Verpflichtungsklage erhoben haben, ist auf die Darstellung in der 2. Änderung des Flächennutzungsplans abzustellen. Nicht entscheidend ist dagegen die ursprüngliche Darstellung im alten Flächennutzungsplan und der Einwand der Kläger, dass sich die in Aufstellung befindliche Änderung bei der Ablehnungsentscheidung noch nicht im Stadium der Planreife i.S.d. § 33 Abs. 1 BauGB befand.
Bei sonstigen Vorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB bedarf es für einen Widerspruch zu den Darstellungen im Flächennutzungsplan gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB keiner konkreten standortbezogenen Aussage. Der Flächennutzungsplan setzt sich gegenüber nicht privilegierten Vorhaben auch mit allgemeinen Darstellungen als beeinträchtigter öffentlicher Belang durch, sofern nicht ausnahmsweise die Darstellung durch eine tatsächliche bauliche Entwicklung überholt ist (vgl. BayVGH, U.v. 24.7.2014 – 2 B 14.896 – juris Rn. 24 f.). Eine solche Ausnahme ist vorliegend nicht gegeben, da in dem dargestellten Bereich seit Änderung des Flächennutzungsplans keine Vorhaben verwirklicht wurden. Insoweit steht die Darstellung einer Fläche für die Landwirtschaft dem Wohnbauvorhaben entgegen.
Der Widerspruch zu der Darstellung ist auch relevant, da die 2. Änderung des Flächennutzungsplans wirksam ist.
Der vorbereitende Bauleitplan ist erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB. Es liegt insbesondere keine unzulässige Negativ- oder Verhinderungsplanung vor. Dem Beigeladenen ging es bei der Änderung der Darstellung betreffend das Gebiet östlich der Z.-Straße nicht um das Vereiteln des Vorhabens der Kläger. Anlass der Darstellung einer Fläche für die Landwirtschaft war vielmehr, dass bei dem Pfingsthochwassers 2013 klar wurde, dass der betroffene Bereich im Falle eines hundertjährigen Hochwassers überschwemmungsgefährdet ist. Da der Beigeladene bereits in einer vorigen Begründung des Flächennutzungsplans aus 2012 zu dem Wohngebiet östlich der Z.-Straße ausführte, dass als Wohngebiet nur die Fläche außerhalb des Überschwemmungsgebiets ausgewiesen werden solle, war es konsequent, mit dem neuen Flächennutzungsplan darauf zu reagieren, dass die ursprünglich dargestellte Ausgleichsfläche nicht ausreichte. Weiter ist anzumerken, dass der Aufstellungsbeschluss für die 2. Änderung des Flächennutzungsplans bereits am 22. April 2015 und damit über 1,5 Jahre vor Eingang des Vorbescheidsantrags bei dem Beigeladenen gefasst wurde. Auch die zeitliche Abfolge spricht daher gegen eine Verhinderungsplanung zulasten der Kläger.
Die 2. Änderung des Flächennutzungsplans ist zudem nicht deshalb (teil-) unwirksam, weil östlich der Z.-Straße statt einer Retentionsfläche für den Hochwasserschutz eine Fläche für die Landwirtschaft festgesetzt wurde. Dass eine Fläche für die Landwirtschaft in einem solchen Fall zulässigerweise festgesetzt werden kann, zeigen bereits die gesetzlichen Regelungen der § 5 Abs. 4a Satz 2 BauGB und § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauGB. In § 5 Abs. 4a Satz 2 BauGB heißt es, dass vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete in Flächennutzungsplänen vermerkt werden sollen. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauGB wiederum kann eine solche Darstellung in Flächennutzungsplänen erfolgen. Die gesetzlichen Regelungen zeigen somit, dass sowohl der Vermerk als auch die Darstellung im Flächennutzungsplan nicht zwingend sind, was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Plangeber für überschwemmungsgefährdete Bereiche zulässigerweise auch andere Darstellungen im Flächennutzungsplan treffen kann. Da dies schon bei vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten zulässig ist, muss eine abweichende Darstellung erst recht dann möglich sein, wenn wie hier das Wasserwirtschaftsamt die Überflutungsflächen noch nicht ermittelt hat. In einem solchen Fall bleibt dem Plangeber letztlich nichts anderes übrig als zunächst eine andere Darstellung zu wählen, da er nicht wissen kann, ob und in welchem Bereich ein vorläufig gesichertes Überschwemmungsgebiet beschlossen wird. Die Darstellung einer Fläche für die Landwirtschaft ist in dieser Situation zudem sinnvoll, da diese oft Ausdruck eines städtebaulich motivierten „Freihalteinteresses“ des Plangebers ist, bestimmte Flächen für eine augenblicklich nicht absehbare spätere Nutzung offenzuhalten (vgl. Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 5 Rn. 31). Von diesem Freihalteinteresse wollte der Beigeladene offenbar unter dem Eindruck der Überschwemmungen durch das Hochwasser 2013 Gebrauch machen und bis zur vollständigen Ermittlung des konkreten Ausmaßes der Hochwassergefährdung sicherstellen, dass bis dahin keine weiteren Wohnbauvorhaben östlich der Z.-Straße realisiert werden. Die Darstellung einer Fläche für die Landwirtschaft war folglich nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll gewählt. Sie führt daher nicht zu einer (Teil-) Unwirksamkeit der 2. Änderung des Flächennutzungsplans.
bb) Das Vorhaben beeinträchtigt zudem als dem Außenbereich wesensfremde, nicht privilegierte Wohnnutzung die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
Der Belang des Schutzes der natürlichen Eigenart der Landschaft verfolgt den Zweck, den Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung für die Allgemeinheit zu erhalten. Die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Der Belang wird schon dann beeinträchtigt, wenn durch das Vorhaben die Fläche der naturgegebenen Bodennutzung entzogen wird. Außenbereichsvorhaben mit anderer als land- oder forstwirtschaftlicher Bestimmung sind deshalb im Regelfall unzulässig. Eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft kommt bei baulichen Außenbereichsanlagen nur dann nicht in Betracht, wenn sich das betroffene Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die naturgegebene Bodennutzung noch für Erholungszwecke eignet oder es seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1996 – 4 B 120.96 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 18.2.2019 – 15 ZB 18.2509 – juris Rn. 10).
Im vorliegenden Fall wird die vorhandene Freifläche in ihrer Funktion als Freiraum und Erholungsraum jedoch in einem nicht unerheblichen Ausmaß dadurch beeinträchtigt, dass das Grundstück für nicht privilegierte Zwecke zu einer bebauten Fläche umgenutzt wird. Entgegen der Ansicht der Kläger ist die Kammer der Auffassung, dass die Freifläche trotz ihrer Lage in der Nähe der Ortsmitte schützenswert ist. Zu dieser Einschätzung trägt auch bei, dass das streitgegenständliche Grundstück FlNr. 332 eine mit circa 6.800 m2 relativ große Freifläche aufweist und direkt westlich an den Fluss S. angrenzt. Aufgrund dieser beiden örtlichen Gegebenheiten ist das Baugrundstück selbst als Teil der Landschaft noch in der Lage die Freiraumfunktion des Außenbereichs zu erfüllen. Mit der Bebauung würde ein Teil dieser schützenswerten Landschaft wegfallen. Von daher beeinträchtigt das Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft, und zwar unabhängig davon, wie groß der vom Vorhaben betroffene Teil der Freifläche ist.
cc) Im Übrigen ließe die Zulassung des Vorhabens die Entstehung einer Splittersiedlung gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten.
Zielrichtung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB ist es, die Entwicklung unorganischer Siedlungsstrukturen und damit die Zersiedelung des Außenbereichs zu verhindern (vgl. BayVGH, U.v. 31.10.2013 – 1 B 13.794 – juris Rn. 17; B.v. 24.4.2017 – 15 ZB 16.1598 – juris Rn. 12). Zu befürchten ist die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung nur dann, wenn das Vorhaben zu einer unerwünschten Splittersiedlung führt; unerwünscht in diesem Sinne ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich zersiedelt werden würde. Auch eine Ausweitung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein ist ein Vorgang der städtebaulich unerwünschten, unorganischen Siedlungsweise, die zu vermeiden ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.10.1999 – 4 B 77.99 – juris Rn. 6). Eine Ausweitung der Bebauung außerhalb des jeweiligen im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein soll daher planungsrechtlich auch unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung einer Zersiedelung grundsätzlich nur auf der Grundlage eines Bebauungsplans bzw. ggf. einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB erfolgen (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2017 – 15 ZB 16.1567 – juris Rn. 39 m.w.N.).
Dem Vorhaben der Kläger käme im Falle seiner Umsetzung Bezugsfallwirkung für mögliche weitere Vorhaben zur Ausweitung des Außenbereichs nach Osten bis hin zum Fluss S. sowie nach Norden zu. Gerade hinsichtlich der Grundstücke auf den FlNrn. 336/4, 337 besteht mithin die Gefahr von Nachahmungsbebauungen, die ebenso wie das geplante Vorhaben der Kläger das Gebot unterlaufen würden, die städtebauliche Entwicklung im bislang unbebauten Außenbereich durch Bebauungspläne zu ordnen und zu lenken. Insofern ist die Gefahr einer weiteren Zersiedelung sowie eine von Westen Richtung Fluss S. heranrückende Bebauung hinreichend konkret zu befürchten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind aus Billigkeitsgründen den Klägern als unterlegener Partei aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO), da sich der Beigeladene mit der Stellung eines Antrags auf Klageabweisung dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat (vgl. Schenke/Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 162 Rn. 23).
Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1, 2 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen