Baurecht

Erfolglose Klage gegen Baubeseitigungsanordnung (Pferdeunterstand)

Aktenzeichen  M 9 K 16.1160

Datum:
16.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 76 S. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201

 

Leitsatz

1. Die Beseitigungsanordnung gemäß Art. 76 S. 1 BayBO setzt grundsätzlich sowohl die formelle als auch die materielle Rechtswidrigkeit der zu beseitigenden Anlagen voraus. Ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Beseitigungsanordnung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Annahme eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt voraus, dass die Nachhaltigkeit bzw. Dauerhaftigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit hinreichend gewährleistet ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO, Art. 76 Satz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO).
Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten oder geänderten Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Beseitigungsanordnung gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO setzt dabei grundsätzlich die formelle und materielle Rechtswidrigkeit der jeweiligen Anlagen voraus (BVerwG, U. v.10.12.1982 – 4 C 52/78 -, juris Rn. 13; BayVGH, B. v.20.01.2003 – 20 ZB 99.3616 -, juris Rn. 3; Decker in: Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 79 m. w. N.). Das heißt, eine genehmigungsbedürftige Anlage ist dann im Sinne von Art. 76 Satz 1 BayBO im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, wenn sie ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung errichtet oder geändert wurde und sie gleichzeitig auch so, wie sie errichtet oder geändert wurde, nicht (nachträglich) genehmigungsfähig ist. Ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Beseitigungsanordnung (vgl. nur BayVGH, U. v. 17.10.2006 – 1 B 05.1429 -, juris Rn. 24).
Hier sind die baulichen Anlagen bzw. Anlagen – die der Bescheid zwar nicht einzeln bezeichnet, die erforderliche Bestimmtheit, Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), aber trotzdem dadurch wahrt, dass aus dem Bescheid hervorgeht, dass eben alle baulichen Anlagen bzw. Anlagen auf dem Vorhabensgrundstück beseitigt werden sollen -, sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.
Die auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Anlagen sind genehmigungspflichtig gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO. Verfahrensfreiheitstatbestände – Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 c BayBO bezüglich des Unterstands und des Heulagers bzw. Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 b BayBO bezüglich der Einfriedung – sind nicht gegeben, da die Anlagen nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen (dazu sogleich).
Die Anlagen sind auch nicht genehmigungsfähig, da sie bauplanungsrechtlich unzulässig sind. Sie dienen nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (dazu im Folgenden unter 1.). Auch eine Zulassung auf der Grundlage von § 35 Abs. 2 BauGB kommt nicht in Betracht (nachfolgend unter 2.).
1. Die Anlagen dienen keinem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers. Es fehlt zunächst überhaupt an einer Landwirtschaft bzw. an einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (dazu nachfolgend unter a)). Unabhängig davon fehlt es auch am Dienen der Anlagen (nachfolgend unter b)).
a) Nach § 201 BauGB zählt zur Landwirtschaft im Sinne des BauGB auch die Pensionstierhaltung, allerdings nur diejenige auf überwiegend eigener Futtergrundlage. Ob es sich im Falle des Klägers um eine Pferdepensionstierhaltung handelt, die eine unmittelbare Bodenertragsnutzung darstellt, kann offen bleiben, denn es fehlt jedenfalls an einer weiteren, für die Bejahung der landwirtschaftlichen Privilegierung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erforderlichen Voraussetzung: Es fehlt nämlich für die Annahme eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne der Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB daran, dass die Nachhaltigkeit bzw. Dauerhaftigkeit der landwirtschaftlichen Tätigkeit hinreichend gewährleistet ist. Maßgebend hierfür ist, dass der zu schonende Außenbereich grundsätzlich nur einer ernsthaften, in seiner Beständigkeit auf Dauer angelegten landwirtschaftlichen Betätigung „geopfert“ werden darf (vgl. BVerwG, U. v.19.04.1985 – 4 C 13.82 -, NVwZ 1986, 201). Bei der Beurteilung, ob eine solche vorliegt, kommt verschiedenen Merkmalen eine indizielle Bedeutung zu. Hierzu zählt neben dem mehr oder minder dauernd gesicherten Zugriff auf nutzbare Flächen auch die (objektive) Möglichkeit der Gewinnerzielung. Dass es an der Voraussetzung, dass beim klägerischen Betrieb eine dauerhafte Lebensfähigkeit besteht bzw. insbesondere nachgewiesen ist, fehlt, ergibt sich aus dem Urteil des Verwaltungsgerichtes München vom 22. Juni 2016 (Az.: M 9 K 15.4811, insbesondere S. 9 unter 2. bis S. 11 Mitte des Entscheidungsabdrucks; vgl. außerdem die Stellungnahme des AELF … vom 26.03.2012; Bl. 10f. der im hiesigen Verfahren vorgelegten Behördenakten). Umstände, die dazu führen würden, hieran im vorliegenden Verfahren nicht festzuhalten, sind weder vorgetragen – insbesondere wurde auch zwischenzeitlich kein Betriebskonzept mit Aussagen zur Wirtschaftlichkeit des Vorhabens vorgelegt – noch sonst ersichtlich. Der Umstand, dass gegen dieses Urteil die Zulassung der Berufung (Az.: 1 ZB 16.1771) beantragt wurde, ist für die rechtliche Beurteilung nicht maßgeblich.
Der Umstand, dass es sich bei dem mit Betriebssitz in … geltend gemachten Betrieb des Klägers nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb handelt, führt konsequenterweise im hiesigen Verfahren dazu, dass eine Genehmigungsfähigkeit der Anlagen auf dem Vorhabensgrundstück von vornherein nicht auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB gegeben sein kann. Denn nach der Darstellung und Argumentation des Klägers ist das streitgegenständliche Grundstück samt Anlagen Teil dieses Betriebes. Wenn der Betrieb als solcher jedoch nicht einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB darstellt, dann kann dies für den „Betriebsteil“ auf dem streitgegenständlichen Grundstück samt Anlagen nicht anders zu beurteilen sein.
Das streitgegenständliche Vorhaben in … ist auch kein eigenständiger Betrieb. Das ist schon nach dem Willen und Vorbringen des Klägers nicht der Fall, außerdem kommt es auch deswegen nicht in Betracht, weil dieses Vorhaben für die Annahme eines eigenständigen landwirtschaftlichen Betriebes nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB mit vier Pferden wesentlich zu klein wäre. Außerdem ist nach der Konzeption des Klägers der Hauptbetrieb nicht hier, sondern eben in …
b) Unabhängig davon dient jedoch das streitgegenständliche Vorhaben nicht dem klägerischen Betrieb, selbst wenn er einen solchen in landwirtschaftlicher Hinsicht gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB hätte.
Insofern ist zunächst auf die beiden Stellungnahmen des AELF vom 1. Oktober 2015 sowie vom 23. September 2016 Bezug zu nehmen. Danach dient das streitgegenständliche Vorhaben dem vom AELF grundsätzlich angenommenen landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers nicht. Das Vorbringen der Klagebegründung hierzu, dass die Entfernung des Grundstückes in … und des Betriebes in … nicht zu groß sei in Verbindung mit dem Umstand, dass der Kläger von seinem Wohnsitz in … in der … Str. … ohnehin wegen der erforderlichen Fahrten nach … nahezu täglich am Vorhabensgrundstück vorbeikomme, ändert hieran nichts. Selbst unter Zugrundelegung dieses Vorbringens wäre dann jedenfalls auch die für das Dienen im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erforderliche Nachhaltigkeit nicht gegeben. Denn der Kläger will ja nach eigenem Vorbringen und eigenem Verhalten (vgl. U. v. 22.6.2016, Az.: M 9 K 15.4811) komplett nach … ziehen, wo er eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus beantragt hat. Daher ist selbst unter Zugrundelegung der Argumentation des Klägers die Dauerhaftigkeit der geltend gemachten „Pendelei“ nicht gegeben und es fehlt damit an der Nachhaltigkeit.
Unabhängig davon wiederum dient die Nutzung des Vorhabensgrundstücks auch noch aus einem anderen Gesichtspunkt nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers, unterstellt, ein solcher läge vor. Es handelt sich nämlich tatsächlich vorliegend nicht um die Nutzung eines Grundstückes als Teil eines Betriebes der Pensionspferdehaltung. Das ergibt sich aus dem aktuell gültigen und umgesetzten so genannten „Einstellvertrag“ des Klägers mit Frau … vom Juli 2013. Aus diesem Vertrag ergibt sich ohne weiteres, dass es bei dem Nutzen des Vorhabensgrundstücks durch die Pferde von Frau … nicht um Pferdepensionshaltung geht, sondern tatsächlich unabhängig von der Bezeichnung um ein Pacht- oder pachtähnliches Verhältnis. Denn nach dem Vertrag sind sämtliche Leistungen für die Pflege, Versorgung der Pferde usw. nicht dem Kläger – wie es aber für eine Pferdepensionstierhaltung typisch ist – zugewiesen, sondern diese Aufgaben verbleiben bei Frau …
Daher kommt eine Zulassung der baulichen Anlagen auf dem Vorhabensgrundstück auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 BauGB unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht.
2. Eine Zulassung auf der Grundlage von § 35 Abs. 2 BauGB als „sonstiges Vorhaben“ scheidet ebenso aus, da das Vorhaben jedenfalls die öffentlichen Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 sowie Nr. 5 BauGB beeinträchtigt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Da danach die baulichen Anlagen bzw. Anlagen auf dem Vorhabensgrundstück nicht genehmigungsfähig sind, ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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