Baurecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag bzgl. Beseitigungsanordnung für Unterstellhalle im Außenbereich

Aktenzeichen  9 ZB 20.2909

Datum:
23.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6130
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 1c

 

Leitsatz

Ein Vorhaben „dient“ einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht schon dann, wenn es nach den Vorstellungen des Betriebsinhabers für seinen Betrieb förderlich ist, maßgeblich ist vielmehr,  ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2020 – BeckRS 2020, 9532).  (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 K 19.442 2020-10-29 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die zwangsgeldbewehrte Beseitigungsanordnung des Landratsamts M. vom 21. März 2019, mit dem ihm gegenüber angeordnet wurde, den auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung W. errichteten östlichen Unterstand innerhalb eines Monats ab Unanfechtbarkeit des Bescheids restlos zu beseitigen. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage mit Urteil vom 29. Oktober 2020 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der einzig geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben formell und materiell rechtswidrig ist, weil die Voraussetzungen einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht vorliegen (vgl. auch Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO) und das nach § 35 Abs. 2 BauBG zu beurteilende sonstige Vorhaben öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigt.
a) Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das geplante Vorhaben – ohne dass es auf die Frage des Bestehens eines landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers ankommt – jedenfalls einem solchen nicht im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient.
Ein Vorhaben im Außenbereich ist nicht allein deshalb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert, weil der Bauherr im Haupt- oder Nebenberuf Landwirt ist. Es muss vielmehr dem landwirtschaftlichen Betrieb auch „dienen“. Bei der Auslegung dieses Merkmals ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Ein Vorhaben „dient“ einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht schon dann, wenn es nach den Vorstellungen des Betriebsinhabers für seinen Betrieb förderlich ist. Da aber auch nicht verlangt werden kann, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist, bilden die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Maßgeblich ist innerhalb dieses Rahmens, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2020 – 15 ZB 19.1028 – juris Rn. 15 m.w.N.). Es soll so sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht. Vorhaben, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden, sollen verhindert werden (vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2020 – 1 ZB 20.1282 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 20.8.2019 – 15 ZB 18.2106 – juris Rn. 21 m.w.N.). Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen liegt dabei bei demjenigen, der sich auf die Privilegierung beruft (vgl. BVerwG, B.v. 17.11.1998 – 4 B 100.98 – juris; BayVGH, B.v. 30.3.2017 – 9 ZB 15.785 – juris Rn. 13).
Hieran gemessen hat das Verwaltungsgericht das Merkmal des Dienens aus der Perspektive eines „vernünftigen Landwirts“ für das Bauvorhaben des Klägers zu Recht verneint. Es hat in seinem Urteil ausgeführt, dass es sich beim Augenscheintermin einen Eindruck von dem Gebäude, seiner Bauweise und seinem Standort habe verschaffen können und in erster Linie wegen dem gewählten Standort und der Bauweise zu der Feststellung gelangt sei, dass das Bauvorhaben nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers diene, sondern sich die Ausführungen des Amtes für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) K. in seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2019, welches die „Halle“ als für die Hobbypferdehaltung errichtet angesehen hatte, bestätigt hätten. Bei der streitgegenständlichen Halle handele es sich um einen offenen Unterstand, der auf zwölf relativ schmalen Stützpfeilern errichtet sei, wobei sich diese Pfeiler zum Teil im Innenraum der Halle befänden. Der Boden der Halle sei nicht befestigt und daher den Witterungseinflüssen ausgesetzt; die Zufahrt bzw. der Zugang zu Halle erfolge über einen Gras- bzw. Erdstreifen. Die Halle sei zu der Pferdekoppel ausgerichtet, die sich direkt hinter der Halle befinde. Unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs würde ein vernünftiger Landwirt eine Halle dieser Art und in der vorliegenden Ausgestaltung nicht als Unterstellhalle für Maschinen, Heu und Stroh konzipieren. Eine entsprechende Schutzfunktion könne von der Halle nur begrenzt erfüllt werden. Ziehe man zudem in Betracht, dass nach Angaben des Klägers im Winter zusätzlich noch die Pferde den Unterstand nutzen sollten, stelle sich auch die Kapazität bzw. der räumliche Umfang der Halle als zu begrenzt dar, um einen wesentlichen und entscheidenden Anteil der Gerätschaften des Klägers unterzubringen.
Dem setzt der Kläger mit seinem Vorbringen, das Bauvorhaben werde von ihm als Unterstellhalle für seine landwirtschaftlichen Maschinen genutzt, wofür es nicht zu klein sei und in Anbetracht der (beengten) Hoftstelle mit Wohnhaus und Nutzgarten von nur 800 m², wo nicht alle Maschinen untergebracht werden könnten, auch Bedarf bestehe, wovon sich das Verwaltunsgericht allerdings keinen Eindruck verschafft habe, nichts Durchgreifendes entgegen. Er legt damit auch nicht dar, dass sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 15.9.2020 – 9 ZB 18.913 – juris Rn. 5; B.v. 28.7.2020 – 9 ZB 17.2306 – Rn. 22). Auch den weiteren Einwänden, das Verwaltungsgericht dürfe sich nicht als „Ersatzbauherr“ gerieren und seine Vorstellungen von der Gestaltung des Bauvorhabens an die des Klägers setzen, zumal der Standort auf der zur Hofstelle nächstgelegenen ebenen Wiese, zu der ein befestigter Weg führe, auch im Hinblick auf die Erreichbarkeit der landwirtschaftlichen Flächen, optimal sei, die Stützen nicht störten, da keine größeren Maschinen untergestellt werden sollten, die Zufahrt zur Halle zum Weg ausgerichtet sei und die natürliche Bodenbeschaffenheit ausreiche, kann nicht entnommen werden, dass das Bauvorhaben in der gebotenen Weise durch den vom Kläger angegebenen, eingeschränkten betrieblichen Zweck geprägt ist. Die Behauptung des Klägers, das Bauvorhaben weise eine landwirtschaftliche Zweckbestimmung als Unterbringungsmöglichkeit für seine landwirtschaftlichen Maschinen sowie Heu und Stroh auf, könnte die Annahme einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nur dann rechtfertigen, wenn diese Zweckbestimmung ihre Entsprechung in dem objektiv entsprechend der Ausgestaltung vorhandenen Nutzungspotential des Gebäudes findet (vgl. BayVGH, B.v. 20.8.2019 – 15 ZB 18.2106 – juris Rn. 21 m.w.N.). Auch wenn das Bauvorhaben grundsätzlich zur Aufnahme von landwirtschaftlichen Maschinen, wie sie der Kläger benötigt und vorhält, geeignet sein mag, führen die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Merkmale hinsichtlich seiner tatsächlichen Gestaltung und der Lage zur Pferdekoppel dazu, dass es von dem angegebenen Verwendungszweck einer Unterstellhalle für landwirtschaftliche Maschinen nicht äußerlich erkennbar geprägt wird. Vielmehr ist dem Verwaltungsgericht schon nach der Aktenlage, insbesondere nach dem in den Akten vielfältig enthaltenen Fotomaterial, darin zuzustimmen, dass der Einschätzung des AELF K. zu folgen ist und sich das Bauvorhaben als ein der Pferdehaltung dienender Unterstand darstellt. Die betreffende Haltung von zwei Ponys hat das Verwaltungsgericht, ebenso wie das AELF, als nicht privilegierte Hobbytierhaltung angesehen, was der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen auch nicht in Zweifel zieht.
b) Auf das Zulassungsvorbringen dazu, dass der Kläger unabhängig von der Pferdehaltung seit Jahrzehnten einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb mit einer bewirtschafteten Fläche von 9,73 ha führe, was auch das AELF bestätigt habe, und dem Bauvorhaben als privilegiertem Vorhaben die öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 5 und 7 BauGB nicht entgegenstünden, kommt es somit nicht an.
2. Der Kläger vermag schließlich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der der Beseitigungsanordnung zugrundeliegenden Ermessensausübung durch das Landratsamt zu wecken.
Dass das Verwaltungsgericht die mit Klageerwiderungsschriftsatz des Landratsamts vom 12. Juli 2019 ergänzten Ermessenserwägungen bei seiner Überprüfung der Ermessensausübung berücksichtigt hat, ist entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht deshalb zweifelhaft, weil die „Vorgeschichte“ im Hinblick auf voneinander abweichende Auskünfte des Landratsamts gegenüber dem Kläger bzw. seiner Tochter zur Zulässigkeit des Vorhabens im Vorfeld der Beseitigungsanordnung im angefochtenen Bescheid nicht wenigstens angelegt gewesen sei. § 114 Satz 2 VwGO soll im Interesse der Prozessökonomie die Heilung eines wegen defizitärer Ermessenserwägungen rechtswidrigen Verwaltungsakts durch materiell zulässige ergänzende Ermessenserwägungen (sogen. Nachschieben von Gründen) in bestimmten Grenzen gerade ermöglichen (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 86). Im angefochtenen Bescheid hat das Landratsamt hier auch bereits Ermessenserwägungen angestellt und insbesondere die Gefahr der Signalwirkung für andere Bauvorhaben im Außenbereich sowie die Verhältnismäßigkeit thematisiert. Es hat sein Ermessen somit im Rahmen seiner diesbezüglichen Ergänzungen in seiner Klageerwiderung vom 12. Juli 2019 weder erstmalig ausgeübt, noch hat es die Beseitigungsanordnung mit seinen zusätzlichen Erwägungen zu seinem dem Bescheid vorausgehenden Auskunftsverhalten sowie zur andererseits ebenfalls zu berücksichtigenden förmlichen Baueinstellung gegenüber dem Kläger in ihrem Wesen verändert (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.O Rn. 90).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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