Baurecht

Erfolgloser Eilantrag des Nachbarn gegen Leichtbauhalle für Asylbewerber

Aktenzeichen  M 8 E1 15.5723

Datum:
26.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 59 S. 1, Art. 60 S. 1, Art. 72 Abs. 1 S. 1
BGB BGB § 907, § 1004, § 1011
GG GG Art. 19 Abs. 4
VwGO VwGO § 123 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Nachbarantrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel einer Baueinstellung entfällt mit der Fertigstellung der baulichen Anlage, da das hiermit verfolgte Ziel, den Fortgang der Bauarbeiten zu verhindern, nach Fertigstellung der baulichen Anlage nicht mehr zu erreichen ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend, kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Begriff des fliegenden Baus (Art. 72 Abs. 1 S. 1 BayBO) verlangt in objektiver Hinsicht, dass die jeweilige Anlage geeignet ist, an wechselnden Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden. Als subjektives Element kommt hinzu, dass der Bauherr eine entsprechende Zweckbestimmung verfolgen muss und die Anlage ihrer objektiven Eignung nach auch nutzen will. (Rn. 46 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Verfahrensrecht dient insofern dem Schutz potentiell Betroffener, als es gewährleisten soll, dass die materiell-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Einzelne die Beachtung der Verfahrensvorschriften um ihrer selbst Willen erzwingen kann, unabhängig davon, ob er in einem materiellen Recht verletzt ist oder nicht. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks … FlNr. 483/88. Im Osten grenzt das Grundstück der Antragsgegnerin FlNr. 478/11 an.
Am … Oktober 2015 zeigte das Kommunalreferat der Antragsgegnerin die Errichtung zweier Leichtbauhallen als fliegende Bauten zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen an. Die Leichtbauhalle mit den Ausmaßen 17,5 Meter mal 51 Meter sollte zur Unterbringung von 100 Personen, die Leichtbauhalle mit den Maßen 10 Meter mal 20 Meter für das Catering dienen. Als Dauer der „Veranstaltung“ war Dezember 2015 bis Dezember 2017 angegeben.
Die Gebrauchsabnahme sollte in der 45. Kalenderwoche erfolgen, die Prüfbuchnummer lautet 0210.
Mit einem am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht München eigegangen Schriftsatz vom … Dezember 2015 beantragte der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, gegenüber dem Kommunalreferat der Stadt München eine Baueinstellung nach Art. 81 Abs. 1 BayBO für das Bauvorhaben … FlNr. 478/11 Gemarkung …, Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen, Bau einer Leichtbauhalle, anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller und seine Mutter Miteigentümer des Grundstücks …, FlNr. 483/88, seien. Hierbei handele es sich um eine gemischt genutzte Gewerbeimmobilie (Verwaltung, Lager und Produktion). Östlich an das Grundstück des Antragstellers grenzten das Grundstück der …, FlNr. 478, und das der Antragsgegnerin, FlNr. 478/11 an. Zum Grundstück der Antragsgegnerin führe von der … Straße ausgehend eine Privatstraße über das im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Grundstück FlNr. 463/11 und die Nord/Ost Ecke des Grundstücks des Antragstellers zum streitgegenständlichen Grundstück. Diese Privatstraße führe in einer Kurve über das Grundstück des Antragstellers „und die vormaligen Pächter der Antragsgegnerin hätten dem Antragsteller zur Nutzung eine Wegepacht bezahlt“. Dem Antragsteller sei von der Antragsgegnerin eine gegenseitige Nutzungsvereinbarung angeboten worden, ohne jedoch eine geplante Bebauung des dahinter liegenden Grundstückes zu erwähnen. Der Antragsteller habe mit Schreiben vom … August 2015 die Nutzung der Straße durch die Antragsgegnerin vorerst explizit untersagt, wobei jedoch Gesprächsbereitschaft signalisiert worden sei. Zwischenzeitlich habe der Antragsteller beim Amtsgericht … eine Unterlassungsverfügung – Urteil vom 13. Oktober 2015 – gegen die Antragsgegnerin erwirkt, worin dieser untersagt worden sei, den im Eigentum des Antragstellers stehenden Teil der Privatstraße …, Rückseite, sowie andere im Eigentum des Antragstellers stehende Grundstücksteile der … Straße selbst oder durch beauftragte Unternehmen zu betreten. Im Falle der Zuwiderhandlung sei für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,- Euro angedroht worden.
Da die Antragsgegnerin weiterhin gegen die Unterlassungsverfügung verstoßen habe, sei am … November 2015 ein Ordnungsgeldantrag gestellt worden.
Das Urteil des Amtsgerichts … mit dem AZ: … vom 13. Oktober 2015 war als Anlage beigefügt.
Am … November 2015 sei dem Antragsteller die Baugenehmigung vom 28. Oktober 2015 für die Errichtung von Notfallgemeinschaftsunterkünften für 300 Personen befristet bis zum 31. Dezember 2020 auf dem Grundstück … Str. FlNr. 478/11 Gemarkung … zugestellt worden. Gegen diese Baugenehmigung habe der Antragsteller Klage erhoben, die unter dem Az: M 8 K 15.5405 geführt werde.
Durch die Errichtung der Halle in Leichtbauweise werde der Antragsteller in nachbarrechtlich geschützten Interessen verletzt. Eine Baugenehmigung sei gemäß § 29 BauGB, Art. 55 BayBO zwingend erforderlich, da es sich um eine bauliche Anlage handele, welche in einer zumindest auf eine bestimmte Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sei. Die bodenrechtliche Relevanz dieser Anlage lasse sich bereits an den erheblichen Fundamenten erkennen. Es handle sich nach eigenen Angaben der Antragsgegnerin um stabile winterfeste Zelte, wie der Standortbeschluss des Münchener Stadtrats vom 12. August 2015 deutlich mache. Hieraus ergebe sich auch, dass die Unterbringung in der Leichtbauhalle nicht nur vorübergehend gedacht sei, bis die Containerunterkünfte in acht Monaten fertiggestellt seien, sondern im Bedarfsfall von einem parallelen Betrieb ausgegangen werde. Die Halle sei gebietsunverträglich; der Antragsteller vermiete sein Grundstück an unterschiedliche Gewerbebetriebe, z.B. Gastronomie, Büro, Lager und produzierendes Gewerbe. Dieser Betrieb sei mit erheblichem Fahrverkehr, auch durch Anlieferung zur Nachtzeit, verbunden. Auf Grund der nunmehr an das Grundstück des Antragstellers anschließenden, geplanten Wohnbebauung, werde die Art der Nutzung des Grundstücks des Antragstellers auf Grund der von dort ausgehenden Emissionen stark eingeschränkt; zumindest würden die Erweiterungs- und Intensivierungsmöglichkeiten beschränkt. Die im Rahmen einer Einigung angedachte Dienstbarkeit zur Lösung dieses Problems sei von der Antragsgegnerin bislang nicht unterschrieben worden. Eine Beeinträchtigung des Grundstücks des Antragsstellers liege insbesondere in der mangelnden Erschließung des streitgegenständlichen Grundstücks. Aktuell werde das Grundstück durch eine schmale Privatstraße erschlossen, welche weder einen Fußweg noch auf Grund der geringen Breite Parkmöglichkeiten aufweise. Diese Straße führe an zwei Seiten um das Grundstück des Antragstellers herum, führe dann zum Eingang der Unterkunft in Leichtbauweise und ende als Sackstraße im Gelände der … Mit der … sei, da diese Straße nunmehr über deren Grundstück führe, lediglich ein Gestattungsvertrag abgeschossen worden, eine dingliche Absicherung sei nicht erfolgt. Nach Erkenntnissen des Antragstellers habe die … ein 3-monatiges Kündigungsrecht. Nachdem bereits jetzt die Zufahrtsstraße des Antragstellers trotz ausdrücklichem Verbot von Baufahrzeugen benutzt werde, stehe eine erhebliche Beeinträchtigung der nachbarlichen Interessen des Antragstellers im Raum. Es bestehe für das Grundstück des Antragstellers die Gefahr der Entstehung eines Notwegerechts. Durch die fortschreitende Versiegelung auf dem Grundstück der Antragsgegnerin durch die geplanten Bauvorhaben werde der Antragsteller auch durch Emissionen des Nachbargrundstücks verletzt. Das Grundstück der Antragsgegnerin liege auf einem etwas höheren Niveau und die Privatstraße bilde die Grenze zum Grundstück des Antragstellers; dies führe dazu, dass aktuell insbesondere bei Regenwetter, aber auch bei Trockenheit, Flüssigkeiten wie Öl und Schlamm auf das Grundstück des Antragstellers liefen. Bei weiterem Baufortschritt und größerer Nutzung stünden weitere erhebliche Emissionen zu befürchten. Weiterhin werde bezweifelt, dass alle brandschutztechnischen Vorgaben, insbesondere zu den Rettungswegen, eingehalten würden. Es sei zu befürchten, dass im Falle eines Brandes Rettungsfahrzeuge nur schwerlich zum Baugrundstück gelangen würden, was dem Antragsteller als Nachbarn große Sorge bereite.
Es liege auch besondere Eilbedürftigkeit vor, da die Antragsgegnerin beabsichtige die Halle umgehend fertig zu stellen und zu belegen. Nach entsprechenden Presseberichten sei die Fertigstellung bereits im November 2015 geplant gewesen. Der Antragsteller habe sich auf Grund der aktuellen schwierigen Flüchtlingssituation dauerhaft bemüht, eine gütliche Einigung mit der Antragsgegnerin zu erreichen. Die Antragsgegnerin habe einen Entwurf von Eckpunkten einer Vereinbarung, die am 26. November 2015 übersandt worden sei, ignoriert.
Dem Antragsschriftsatz vom … Dezember 2015 war eine Reihe von Anlagen beigefügt, unter anderem der Entwurf einer nachbarschaftlichen Vereinbarung, der E-Mail-Verkehr zwischen dem Antragsteller bzw. dessen damaligen Bevollmächtigten mit der Antragsgegnerin sowie diverse Fotos und Pressemitteilungen.
Auf eine entsprechende Anfrage des Gerichts erklärte der Antragsteller im Schriftsatz vom … Dezember 2015, dass er bei der Antragsgegnerin am 7. Oktober 2015 um Auskunft zu einem Bauantrag gebeten habe, woraufhin die Antragsgegnerin mitgeteilt habe, dass für die Leichtbauhalle als fliegenden Bau eine Nachbarbeteiligung gesetzlich nicht vorgesehen sei. Daraufhin habe der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin nochmals mit Schreiben vom 13. Oktober 2015 seine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der fehlenden Nachbarbeteiligung und der Notwendigkeit einer Baugenehmigung geäußert. Auch die Mutter des Antragstellers und Miteigentümerin habe mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 entsprechende Bedenken zum Bauvorhaben vorgetragen. Der Antragsteller habe auch mit Schreiben vom 2. November 2015 auf die fehlende Baugenehmigung für die Leichtbauhalle hingewiesen und die Verletzung nachbarschützender Rechte geltend gemacht. Die Antragsgegnerin habe sich aber immer wieder auf den Standpunkt gestellt, dass für die Leichtbauhalle keine Baugenehmigung notwendig sei. Es werde daher gebeten, den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als Antrag auf Baueinstellung auszulegen, bzw. einen rechtlichen Hinweis zu erteilen, sofern ein solcher noch durch den Antragsteller nachzuholen wäre. Dem Schreiben vom … Dezember 2015 waren Schreiben einer im Namen des Antragstellers auftretenden Rechtsanwältin vom 7. Oktober 2015 sowie 13. Oktober 2015 und eine E-Mail vom 14. Oktober 2015 sowie das Schreiben der Mutter des Antragstellers vom 19. Oktober 2015 und das Schreiben eines weiteren, für den Antragsteller auftretenden Rechtsanwalts vom 2. November 2015 beigelegt.
Mit Schreiben vom … Dezember 2015 legte der Antragsteller die Kopie eines Fotos der Bautafel betreffend die Leichtbauhalle auf dem streitgegenständlichen Grundstück vor, wonach die Unterkunft auf 24 Monate befristet sei.
Mit Schreiben vom … Januar 2016 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen könne, da ein solcher nur dann gegeben sei, wenn durch besondere Umstände das Ermessen der Behörde gegenüber dem Nachbarn auf null reduziert sei. Zum anderen sei der Bau bereits zum jetzigen Zeitpunkt nahezu abgeschlossen, so dass eine Baueinstellung ihren Zweck nicht mehr erfüllen könne. Ein Anordnungsanspruch lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass der Antragsteller keine Gelegenheit gehabt hätte, sich als Nachbar zu dem Vorhaben zu äußern. Selbst ein Verstoß gegen das Beteiligungsgebot würde zu keinem anderen Ergebnis führen, da diesem keine nachbarschützende Wirkung zukomme. Der Antragsteller habe auch keinen Gebietserhaltungsanspruch, da das streitgegenständliche Gelände nicht von dem Bebauungsplan umfasst sei, der für das Grundstück des Antragstellers gelte. Der von dem Antragsteller erwähnte Bebauungsplan Nr. 1599 sei nur in die Aufstellungsphase gelangt, zwischenzeitlich habe die Antragsgegnerin auch von dem Erlass Abstand genommen. Das Rücksichtnahmegebot sei ebenfalls nicht verletzt. Die Zulassung von Flüchtlingsunterkünften in Gewerbegebieten und Außenbereichen mache deutlich, dass diesen nicht dasselbe immissionsschutzrechtliche Schutzniveau zukommen könne wie Wohngebäuden. Im Übrigen handele es sich bei den umliegenden Gewerbebetrieben – mit Ausnahme des Schweißwerks und der Lagerhalle – auch um relativ emissionsarme Betriebe (Hotels, Bürogebäude, Restaurants). Auch finde in der Lagerhalle auf dem Grundstück des Antragstellers zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr kein Betrieb statt. Die umliegenden Gewerbebetriebe würden durch die Flüchtlingsunterkunft ebenfalls nicht in ihrer Ausübung beeinträchtigt. Von Flüchtlingsunterkünften gingen ähnliche Beeinträchtigungen aus, wie von einem Hotelbetrieb. Solche Betriebe und das Gewerbe des Antragstellers existierten konfliktfrei nebeneinander. Auch gehe das Rücksichtnahmegebot nicht so weit, dass ein in der Nachbarschaft liegendes Grundstück nicht bebaut werden dürfe, um den Nachbarn vor Emissionen wie ablaufendem Regenwasser oder Schlamm zu schützen. Künftige Planungen und Erweiterungsabsichten des Antragstellers würden nur dann eine Schutzwirkung entfalten, wenn sie bereits hinreichend konkretisiert wären, wofür jedoch nichts vorgetragen worden sei. Die von § 35 BauGB geforderte, ausreichend gesicherte Erschließung sei nicht nachbarschützend. Mit einem Notwegerecht müsse der Antragsteller nicht rechnen, da die Bauherrin mit der Deutschen Bahn einen unbefristeten Gestattungsvertrag abgeschlossen habe. Es sei gängige Praxis, dass solche Gestattungsverträge zwischen der Deutschen Bahn und der Antragsgegnerin für die Annahme einer ausreichenden Erschließung nicht dinglich abgesichert werden müssten.
Die Antragsgegnerin habe ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und von einer Baueinstellung abgesehen. Eine solche könnte zum einen ihren Zweck nicht mehr erfüllen, da das Vorhaben bereits errichtet sei. Es fehlten lediglich kleinere Arbeiten, wie vereinzelte Verkabelungen, Sockelleisten etc. Die Gebrauchsabnahme sei bereits für den 14. Januar 2016 geplant.
Zum anderen wäre der Ausspruch einer Baueinstellung auch unverhältnismäßig, da das Vorhaben zumindest materiell rechtmäßig sei. Zwar gehe die Antragsgegnerin derzeit davon aus, dass es sich bei der Leichtbauhalle um einen fliegenden Bau handele, sie habe jedoch für den Fall, dass diese Halle tatsächlich über einen längeren Zeitraum hinweg genutzt werden solle, die Bauherrin aufgefordert einen entsprechenden Bauantrag zu stellen. Es liege eine Zusage vor, dass dieser bis Ende Januar 2016 eingereicht werde. Im Übrigen verweise die Antragsgegnerin auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 7 April 1992 – 2 CE 92.772. Hiernach könne eine notstandsähnliche Situation bei der Unterbringung von Asylbewerbern zu Gunsten der Antragsgegnerin berücksichtigt werden; zu Lasten des (seinerzeitigen) Antragstellers sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Unterkünfte, die (damals) aus in zwei Ebenen angeordneten Containern bestanden hätten, ohne bleibende Folgen jederzeit wieder schnell beseitigt werden könnten, falls sich im Baugenehmigungsverfahren oder in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren herausstellen sollte, dass ihre Errichtung aus nachbarrechtlicher Sicht nicht hinzunehmen sei.
Dem Schreiben vom … Januar 2016 war der Gestattungsvertrag zwischen der … AG, vertreten durch die … AG, … und der Antragsgegnerin vom 15. Oktober 2015 beigelegt. Danach gestattet die Gestattungsgeberin der Gestattungsnehmerin die Mitbenutzung der FlNr. 478 und die Errichtung eines Weges auf dem vorgenannten Grundstück. Der Gestattungsvertrag läuft hiernach auf unbestimmte Zeit, wenn er nicht von einer der Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres gekündigt wird.
Mit Schriftsatz vom … Januar 2016 ergänzte der Antragsteller seinen Vortrag in Hinblick auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom … Januar 2016. Es wurde nunmehr folgender Hilfsantrag gestellt:
Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, gegenüber dem Kommunalreferat der Stadt München eine Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 BayBO für das Bauvorhaben … Str. FlNr. 478/11 Gemarkung …, Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen, Bau einer Leichtbauhalle, anzuordnen, solange, bis über den angekündigten Bauantrag der Landeshauptstadt München entschieden wurde.
Der Antragsteller nehme zum einen positiv zur Kenntnis, dass die Antragsgegnerin selbst davon ausgehe, dass die Leichtbauhalle derzeit formell rechtswidrig sei, weshalb die Einreichung eines entsprechenden Bauantrages gefordert worden sei. Hinsichtlich der Verletzung nachbarschützender Normen durch das Bauvorhaben zu Lasten des Antragstellers und der damit einhergehenden Ermessensreduzierung auf Null würde auf den bisherigen Vortrag verwiesen.
Zur Frage des Brandschutzes und der Feuerwehrzufahrt habe sich die Antragsgegnerin bisher nicht geäußert. Da es leider in der Vergangenheit Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben habe, sei dies ein Aspekt, welcher dem Antragsteller Sorge bereite. Auch werde die Feuerwehrzufahrt derzeit permanent von Baustellenfahrzeugen der zweiten, dahinter liegenden Baustelle für die Containerunterkünfte blockiert. Augenscheinlich stünden für die Leichtbauhalle keine öffentlichen Stellplätze bzw. viel zu wenig privat geschaffene Stellplätze zur Verfügung, was im Quartier allgemein zu einem Stellplatznotstand führe und den Antragsteller als Nachbarn unmittelbar beeinträchtige.
Zum Gebietserhaltungsanspruch sei festzustellen, dass sich ein planübergreifender Nachbarschutz zumindest daraus ableiten ließe, dass das streitgegenständliche Gelände in einem Bebauungszusammenhang gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO mit zwei Gewerbegebieten liege und somit die Art der baulichen Nutzung der eines Gewerbegebietes entsprechen müsste. Hinsichtlich des Rücksichtnahmegebotes werde darauf hingewiesen, dass sich auf dem Gelände des Antragstellers neben der Lagerhalle zwei weitere Handelsbetriebe befänden, bei denen es zu nächtlichen Anlieferungen komme. Der Antragsteller sei auch durch die Baulinie stark eingeschränkt, so dass er keinen, die Emissionen gegenüber dem streitgegenständlichen Grundstück verringernden Querriegel bauen dürfe. Der in der Umgebung befindliche Hotelbetrieb weise auf Grund seiner Lage und seines Zugangs (über die … Straße) viel weniger Berührungspunkte mit dem Grundstück des Antragstellers auf, als die östlich angrenzende Leichtbauhalle. Der Hinweis, dass der Antragsteller nicht mit einen Notwegerecht rechnen müsse, weil die Bauherrin mit der … einen unbefristeten Gestattungsvertrag geschlossen habe, werde mit Nichtwissen bestritten, da dem Antragsteller dieser Vertrag nie vollständig vorgelegt worden sei. Bei einer jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten, sei auch die Erschließung nicht gesichert. Auch wenn der Gestattungsvertrag derzeit wohl in Kraft sei, bestehe die latente Gefahr, dass der Antragsteller mit einem Notwegerecht belastet werde. Eine Nutzungsuntersagung bis zum Abschluss der Prüfung des Bauantrages sei verhältnismäßig. Die Antragsgegnerin habe seit Baubeginn im September 2015 die Möglichkeit gehabt, einen Bauantrag zu stellen, dies habe sie aber nicht getan, so dass unter Abwägung der Interessen des Antragstellers eine Baueinstellung oder Nutzungsuntersagung auszusprechen sei, bis in zwei bis drei Wochen über den Bauantrag entschieden worden sei. Der Antragsteller hoffe, dass im Rahmen der Nachbarbeteiligung dann noch eklatante Mängel behoben werden könnten. Der Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes gehe fehl, da die Antragsgegnerin eine notstandsähnliche Situation nicht nachgewiesen habe, bei einer solchen auch davon auszugehen sei, dass sich die Antragsgegnerin auf Gesprächs- und Lösungsangebote des Antragstellers eingelassen hätte.
Weiterhin wurde der Vortrag zu den vom streitgegenständlichen Grundstück ausgehenden Emissionen zu Lasten des Antragstellers auf Grund der Teilversiegelung des Grundstücks vertieft.
Dem Schreiben vom … Januar 2016 waren drei Kopien von Fotos betreffend die „Versperrung der Feuerwehranfahrtszone“ beigelegt.
Am … Januar 2016 legte die Antragsgegnerin die Abnahmeprotokolle für zwei Alu-Zelthallen mit den Maßen 17,5 m mal 51 m und 10 m mal 20 m sowie zum Beleg der Fertigstellung dieser Hallen fünf Fotos vor.
Mit Schreiben vom … Januar 2016 teilte der Antragsteller mit, dass gegen die Antragsgegnerin wegen Zuwiderhandlung gegen die im Urteil vom 13. Oktober 2015 auferlegte Verpflichtung in 2 Fällen ein Ordnungsgeld von insgesamt 3000,- Euro verhängt worden sei. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Januar 2016, Az: …, wurde in Kopie beigelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten einschließlich der hierbei vorgelegten Anlagen verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht in Bezug auf den Streitgegenstand auch schon vor Klageerhebung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der genannten Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei muss der Antragsteller eine Gefährdung eines eigenen Individualinteresses (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines Rechtes oder rechtlich geschützten Interesses (Anordnungsanspruch) geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft machen (§ 123 Abs. 2 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).
A. Baueinstellung
1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist statthaft, da keiner der Fälle des § 80 und § 80 a VwGO vorliegt (§ 123 Abs. 5 VwGO). Im Hauptsacheverfahren kann der Antragsteller sein Begehren nur durch Verpflichtungsklage gegenüber der Antragsgegnerin durchsetzen.
2. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ist gegeben, da sich der Antragsteller mit diversen Schreiben bezüglich seiner Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Leichtbauhalle für die Unterbringung von Asylbewerbern an die Antragsgegnerin gewandt hat, auch wenn er letztlich keinen konkreten Antrag auf Baueinstellung gestellt hat (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Oktober 1995 – 4 K 9/95 – Juris Rn. 92).
3. Allerdings ist der Antrag inzwischen unzulässig geworden, weil beide Leichtbauhallen – sowohl die für die Unterbringung von 100 Asylbewerbern als auch die für den Catering-Service – inzwischen fertiggestellt sind – wie die Antragsgegnerin mit der Vorlage der Abnahmeprotokolle und den Fotos am … Januar 2016 nachgewiesen hat.
Das Rechtschutzbedürfnis für einen Nachbarantrag auf vorläufigen Rechtschutz mit dem Ziel einer Baueinstellung entfällt mit der Fertigstellung der streitgegenständlichen baulichen Anlage, da das hiermit verfolgte Ziel, den Fortgang der Bauarbeiten zu verhindern, nach Fertigstellung der baulichen Anlage insoweit nicht mehr zu erreichen ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 4. März 2009 – 2 CS 08.3331 – Juris Rn. 2; BayVGH, Beschluss vom 29. September 2014 – 2 CS 14.1786 – Juris Rn. 2).
B. Nutzungsuntersagung
Der Antragsteller hat dementsprechend seinen Antrag erweitert und hilfsweise die Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Erlass einer Nutzungsuntersagung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.
1. Der Antragsteller ist als Miteigentümer befugt, Beeinträchtigungen des Grundstücks, an dem sein Miteigentumsanteil besteht, durch das Nachbargrundstück oder auf diesem beabsichtigte oder verwirklichte Bauvorhaben abzuwehren, § 1011 BGB.
2. Ob auch hinsichtlich der begehrten Nutzungsuntersagung das allgemeine Rechtschutzbedürfnis gewahrt ist, da eine solche gegenüber der Antragsgegnerin bisher nicht in Rede stand, der Antragsteller seine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Errichtung aber mehrfach zum Ausdruck gebracht hat (vgl. oben A 2.) kann offenbleiben, da auch dieser Antrag jedenfalls in der Sache keinen Erfolg hat.
3. Die vom Antragsteller gegen die Nutzung der – hier streitgegenständlichen, größeren – Leichtbauhalle vorgetragenen rechtlichen Bedenken rechtfertigen nicht die Annahme eines Anordnungsgrundes.
Ein Anordnungsgrund besteht, wenn die Gefahr vorliegt, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes – vorliegend die Nutzung der streitgegenständlichen Leichtbauhalle als Asylbewerberunterkunft – die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann, (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder die Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen notwendig erscheint, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend, kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsachprozess erreichen könnte. In Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht.
Da das Begehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin zum Erlass einer Nutzungsuntersagung zu verpflichten, die Vorwegnahme der Hauptsache darstellt, wäre eine solche Anordnung nur gerechtfertigt, wenn für den Antragsteller durch die Aufnahme der Nutzung die genannten Gefahren bestehen würden. Das gilt auch insoweit, als der Antragsteller seinen Antrag dahingehend eingeschränkt hat, dass die einstweilige Anordnung auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Nutzungsuntersagung auf einen – insoweit nicht bestimmten – Zeitraum gerichtet ist, bis über den angekündigten Bauantrag entschieden worden ist.
3.1 Zwar geht das Gericht mit dem Antragsteller davon aus, dass die streitgegenständliche Leichtbauhalle nicht als sog. fliegender Bau gemäß Art. 72 BayBO keiner bauaufsichtlichen Zulassung, sondern – mit Ausnahme der unter Art. 72 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 genannten Anlagen – einer sog. Ausführungsgenehmigung bedarf.
Das Sonderverfahren nach Art. 72 BayBO rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass für fliegende Bauten, die wegen ihrer Atypik nicht in das in der BayBO angelegte System der öffentlich-rechtlichen Kontrolle ortsfester baulicher Anlagen passen, ein mehrstufiges Verfahren in Form einer Ausführungsgenehmigung vor der erstmaligen Aufstellung oder Inbetriebnahme, einer Anzeige gegenüber der Bauaufsichtsbehörde bei jeder weiteren Aufstellung und vor der jeweiligen Inbetriebnahme einer sog. Gebrauchsabnahme durch die Bauaufsichtsbehörde erfolgt.
Nach Art. 72 Abs. 1 Satz 1 sind fliegende Bauten bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind an wechselnden Orten aufgestellt und zerlegt zu werden. In objektiver Hinsicht verlangt der Begriff des fliegenden Baus, dass die jeweilige Anlage überhaupt geeignet ist, an wechselnden Orten wiederholt aufgestellt und zerlegt zu werden.
Entscheidend hierfür ist die Konstruktion und das Fehlen einer dauerhaften und festen Verbindung mit einem Grundstück.
Als subjektives Element kommt hinzu, dass der Bauherr eine entsprechende Zweckbestimmung verfolgen muss und die Anlage ihrer objektiven Eignung nach auch nutzen will (vgl. Simon/Busse, Kommentar zur Bay. Bauordnung Art. 72 Rn. 8 bis 10).
Der streitgegenständlichen Leichtbauhalle fehlt bereits die objektive Eignung an wechselnden Orten eingesetzt zu werden. Auch setzt die Bewohnbarkeit einer baulichen Anlage über einen längeren Zeitraum durch eine Vielzahl von Bewohnern Einrichtungen voraus – Heizung, Bäder, Duschen etc. -, die einem allenfalls zum stundenweisen Aufenthalt von Menschen ausgerichteten fliegenden Bau fremd sind.
Der Wille des Bauherrn ist ganz offensichtlich ebenfalls darauf gerichtet, die bauliche Anlage überwiegend ortsfest einzusetzen. Dementsprechend heißt es im Beschluss des Verwaltungs- und Personalausschusses als Feriensenat der Antragsgegnerin vom 12. August 2015, dass der Betrieb der Leichtbauhalle zur Unterbringung von 100 Personen parallel zu der – auf 10 Jahre geplanten (Stadtratsbeschluss vom 20. Mai 2015) Gemeinschaftsunterkunft in Form von Wohncontainern geführt werden könne. Auch die vom Antragsteller vorgelegten Kopien von Fotos der Bautafel der Antragsgegnerin belegen eine Aufstellungszeit von mindestens 24 Monaten.
Vorliegend ist daher von einem klaren Formenmissbrauch auszugehen, durch den – zumindest vorläufig – die gesetzlich vorgesehene Prüfung der baurechtlichen Zulässigkeit der streitgegenständlichen Halle nicht stattfinden soll.
3.2 Zwar dient das hier notwendige Baugenehmigungsverfahren auch der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den, dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften, soweit diese zum Genehmigungsumfang (Art. 59 Satz 1, Art. 60 Satz 1 BayBO) gehören. Das Verfahrensrecht dient insofern dem Schutz potenziell Betroffener, als es gewährleisten soll, dass die materiell-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der einzelne die Beachtung der Verfahrensvorschriften um ihrer selbst willen erzwingen kann, unabhängig davon, ob er in einem materiellen Recht verletzt ist oder nicht (vgl. BVerwG Beschluss vom 5. März 1999 – 4 A 7/98 – NVwZ-RR 1999, 556 m.w.N.; BayVGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 – 15 CS 10.2432 – Juris; Urteil vom 19. Mai 2011 – 2 B 11 397 – Juris; Schwarzer/König, Kommentar zur BayBO, 4. Auflage, Art. 55 Rn. 5).
Insofern rechtfertigt auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften, wie vorliegend, nicht die Annahme der Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung von Rechten des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann.
3.3. Auch ein vermeintliches Recht des Antragstellers auf Gebietserhaltung begründet keine Gefahr im o.g. Sinne.
Selbst wenn man einen solchen Gebietserhaltungsanspruch zugunsten des Antragstellers unterstellen würde, rechtfertigte dies keine Maßnahmen, die der Vorwegnahme der Hauptsache gleich kämen; dies gilt insbesondere auch für eine Verpflichtung zur vorläufigen Nutzungsuntersagung bis zur Entscheidung über einen etwaigen Bauantrag.
Einer nicht zulässigen – soweit sie sich nicht dauerhaft perpetuiert hat – oder einer nur vorübergehende Nutzung kommt keine prägende Wirkung der Gestalt zu, dass sie die Art eines Gebiets verändern könnte.
Abgesehen davon dürfte das streitgegenständliche Grundstück dem Außenbereich zuzuordnen sein, wohingegen das Grundstück des Antragstellers in einem festgesetzten Gewerbegebiet liegt, weshalb ein Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers – weil insoweit gebietsübergreifend – von vornherein ausscheidet.
3.4. Auch hinsichtlich der geltend gemachten Einschränkungen bezüglich der Erweiterungs- und Entwicklungsmöglichkeiten des Gewerbebetriebs des Antragstellers drohen durch die streitgegenständliche Nutzung aktuell keine irreversiblen Rechtsbeeinträchtigungen des Antragstellers, die eine einstweilige Verfügung erforderlich machen würden.
3.5. Ähnliches gilt hinsichtlich der geltend gemachten fehlenden Erschließung des streitgegenständlichen Grundstücks. Ausweislich des Gestattungsvertrages zwischen der Antragsgegnerin und der … AG wird das streitgegenständliche Grundstück derzeit über ein Grundstück der Antragsgegnerin und ein Grundstück der … – auf das sich der Gestattungsvertrag bezieht – erschlossen, so dass das Grundstück des Antragstellers nicht mehr in Anspruch genommen wird. Entsprechende Rechtsbeeinträchtigungen sind daher gegenwärtig weder zu erwarten noch zu befürchten.
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass trotz des ausdrücklichen Verbots die alte Zufahrt über sein Grundstück von Baufahrzeugen benutzt werde, steht eine Beeinträchtigung privatrechtlicher Interessen im Raum, gegen die sich der Antragsteller auch auf diesem Wege ohne weiteres zur Wehr setzen kann, und auch erfolgreich zur Wehr gesetzt hat, wie die Entscheidungen des Amtsgerichts … vom 13. Oktober 2015 und 21. Januar 2016 belegen. Die Notwendigkeit einer Nutzungsuntersagung im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes besteht daher auch aus diesem Grund nicht.
3.6. Auch die Übrigen vom Antragsteller vorgetragenen Einwendungen rechtfertigen keine Maßnahmen im Rahmen des Verfahrens nach § 123 VwGO. Eine Verletzung von Brandschutzvorschriften, die auch nur ausnahmsweise nachbarschützend sind, hat der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass von der streitgegenständlichen Leichtbauhalle eine akute Brandgefahr ausgeht, die die Gefahr des Übergreifens eines Brandes auf Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers beinhalten würde. Hiergegen spricht schon der große Abstand zwischen der Leichtbauhalle und den Gebäuden auf dem Grundstück des Antragstellers, der im Minimum bei 33 m liegt.
Auch die behauptete Blockade der Feuerwehrzufahrt zum streitgegenständlichen Grundstück durch Baustellenfahrzeuge begründet insoweit keine andere rechtliche Beurteilung.
Dem Einwand, dass für die streitgegenständliche Leichtbauhalle nicht ausreichend Stellplätze zur Verfügung stünden, wodurch im Quartier allgemein ein Stellplatznotstand entstehe, der den Antragsteller als Nachbarn unmittelbar beeinträchtige, rechtfertigt entsprechend den obigen Ausführungen offensichtlich ebenfalls nicht die begehrte Maßnahme im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahren; zum einen sind Stellplatzvorschriften nicht nachbarschützend, zum anderen dürften durch die Belegung der Halle mit Asylbewerbern, da diese keine Fahrzeuge besitzen, keine Stellplätze notwendig sein.
Soweit der Antragsteller wegen der Versiegelung des streitgegenständlichen Grundstücks den Ablauf von Regenwasser und Schlamm auf sein Grundstück befürchtet, ist eine akute Gefahr weder behauptet noch belegt. Im Übrigen würde eine Nutzungsuntersagung insoweit auch keine Abhilfe schaffen können, ganz abgesehen davon dass auch hier privatrechtliche Abwehrrechte bestehen, vgl. § 1004 i.V.m., § 907 BGB.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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