Baurecht

Erfolgreiche Klage einer Gemeinde gegen wasserrechtliche Erlaubnis – Außenbereichsvorhaben

Aktenzeichen  M 2 K 17.1637

Datum:
5.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15292
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 8, § 12 Abs. 1 Nr. 2
BayWG Art. 15
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4, Abs. 3 S. 1 Nr. 5, § 36
BayBO Art. 67

 

Leitsatz

1. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB stellt einen Auffangtatbestand für Vorhaben dar, die von den übrigen Nummern des § 35 Abs. 1 BauGB nicht erfasst werden und nach den Grundsätzen städtebaulicher Ordnung sinnvoll nur im Außenbereich ausgeführt werden können. Es sollen nur Vorhaben privilegiert werden, die singulären Charakter haben und jedenfalls nicht mit einer größeren Zahl zu erwarten sind. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erteilt eine Verwaltungsbehörde eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Außenbereichsvorhabens und ersetzt dabei ein versagtes gemeindliches Einvernehmen, sind auf Klage der Gemeinde die Voraussetzungen des § 35 BauGB in vollem Umfang nachzuprüfen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grundsätzlich ist es im Außenbereich nicht gestattet, die dort vorgefundene geologische Situation der Landschaft zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung beliebig zu verändern. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein sich ergebendes Planungsbedürfnis kann einem Bauvorhaben im Außenbereich als eigenständiger, ungeschriebener öffentlicher Belang entgegengehalten werden, wenn es in einem solchem Umfang öffentliche und private Belange berührt, dass seine Zulassung eine für den ordnungsgemäßen Ausgleich unerlässliche, nur in einem förmlichen Bauleitplanverfahren zu leistende Abwägung erfordert. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts … vom 13. März 2017 (beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis) wird aufgehoben.
II. Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zu ½.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die streitbefangene Erlaubnis verstößt gegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG i.V.m. § 35 BauGB, da sich das Außenbereichsvorhaben des Beigeladenen als nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert erweist und als solches öffentliche Belange gemäß Absatz 2 dieser Vorschrift beeinträchtigt. Hierauf kann sich die Klägerin als Gemeinde uneingeschränkt berufen (1.). Ob das Vorhaben des Beigeladenen daneben auch deshalb unzulässig ist, weil seine (ausreichende) Erschließung nicht gesichert ist, gegen das Gebot der Rücksichtnahme (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB) verstößt und/oder die Gestattung hierfür im falschen Verwaltungsverfahren erteilt wurde und sich die Klägerin auch hierauf mit Blick auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 UmwRG berufen kann, kann sonach offenbleiben (2.).
1. Das Vorhaben des Beigeladenen ist weder nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB noch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig (1.1). Die Klägerin kann sich als Gemeinde hierauf vor dem Hintergrund von § 36 BauGB auch uneingeschränkt berufen (1.2).
1.1 Zu den nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG bei der Entscheidung über die Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung prüfungsgegenständlichen Anforderungen nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehören insbesondere die bauplanungsrechtlichen Regelungen über die Zulässigkeit von Vorhaben nach §§ 29 ff. BauGB. Die geplante Maßnahme stellt eine Aufschüttung größeren Umfangs i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB dar, bei der das Bauplanungsrecht nach §§ 30 bis 37 BauGB zu beachten ist.
1.1.1 Das Vorhaben des Beigeladenen ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert.
Nach dieser Vorschrift sind im Außenbereich unter anderem Vorhaben privilegiert zulässig, die ortsgebundenen gewerblichen Betrieben dienen. Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend – im Übrigen auch nach Auffassung sämtlicher Beteiligter – deswegen nicht gegeben, weil die beantragte Auffüllung und Rekultivierung der ehemaligen Kiesabbaufläche auf dem Grundstück FlNr. … nicht mehr als Maßnahme zu qualifizieren ist, die in einem besonderen sachlichen und funktionalen – und somit im Sinne der Vorschrift notwendigerweise dem gewerblichen Betrieb dienenden – Zusammenhang mit einem aus (wohl besonders günstigen) geologischen Gründen vormals (indes ungenehmigt) dort durchgeführten Kiesabbau steht. Denn die Regelung in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB über standortgebundene gewerbliche Betriebe kommt zwar insbesondere solchen Betrieben zugute, die Bodenschätze ausbeuten (vgl. statt vieler aktuell Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 49 m.w.N aus der Rspr. des BVerwG), sodass aus geologischen Gründen namentlich Anlagen des oberflächennahen Rohstoffabbaus wie Steinbrüche und Kies-, Sand- und Torfgruben als solche privilegiert sein können. Mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift ist allerdings bereits auf der Ebene des Betriebsbegriffs – und erst recht mit Blick auf die kumulative tatbestandliche Notwendigkeit des Dienens – zu untersuchen, wie weit dieser bei typischer Betrachtung reicht. Ein wirtschaftlicher Betrieb liegt sonach nur dann vor, sofern und soweit er als Folge nicht nur wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit, sondern technischer Erfordernisse dem typischen Erscheinungsbild eines Betriebs dieser Art entspricht und der im engsten Sinne des Begriffs ortsgebundene Betriebszweig den Betrieb insgesamt prägt (vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO Rn. 51). Dieses zu Grunde gelegt nimmt die die streitbefangene Maßnahme, die der Verfüllung und Rekultivierung einer seit ca. 35 Jahren abgeschlossenen ungenehmigten Ausbeutung von Kies dienen soll, nicht an der Privilegierung teil, die dieser ehedem gegebenenfalls zugekommen sein mag. Denn als dem gewerblichen Abbaubetrieb dienend zugeordnete betriebliche Maßnahmen der Verfüllung und Rekultivierung zulässig sind nur solche, die der objektiven und gewollten Zweckbestimmung des jeweiligen Betriebs nach Art und Umfang typischerweise entsprechen. Das Vorhaben muss dementsprechend zum Erreichen des jeweiligen Zwecks geboten sein, es muss vom jeweiligen Betrieb geprägt sein und in einem räumlich–funktionalen Zusammenhang mit den betrieblichen Abläufen stehen. (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 128. EL 2018, § 35 Rn. 54). Dies ist vorliegend mit Blick sowohl auf den bereits seit mehreren Jahrzehnten abgeschlossenen Kiesabbau auf dem streitbefangenen Grundstück als auch die Tatsache, dass dieser nach allseitigem Bekunden der Beteiligten nicht nur das streitgegenständliche Grundstück selbst, sondern darüber hinaus auch erhebliche weitere Flächen auf den anliegenden Grundstücken erfasst hat, nicht der Fall. Nur eine Verfüllung und Rekultivierung nämlich, die typischerweise einem entsprechenden Gesamtkonzept folgt und zudem auch in einem angemessenen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang mit der Ausbeutung der Rohstoffe steht, dient im Sinne des vorstehenden einem standortgebundenen Gewerbebetrieb. Vorliegend fehlt es indes an beidem. Die streitbefangene Maßnahme entbehrt daher des notwendigen betrieblichen, räumlich-funktionalen Zusammenhangs der vormaligen (ungenehmigten) Abbaumaßnahme mit der streitgegenständlichen Verfüllung und Rekultivierung.
1.1.2 Das streitbefangene Vorhaben ist auch nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Das Landratsamt verkennt vorliegend Ausmaß und Reichweite dieses Tatbestands.
§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert solche Vorhaben, die wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf diese oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB stellt einen Auffangtatbestand für solche Vorhaben dar, die von den übrigen Nummern des § 35 Abs. 1 BauGB nicht erfasst werden und nach den Grundsätzen städtebaulicher Ordnung, wenn überhaupt, sinnvoll nur im Außenbereich ausgeführt werden können, weil sie zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks auf einen Standort außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile angewiesen sind (vgl. BVerwG, B.v. 12.4.2011 – 4 B 6/11 – juris Rn. 4; Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO Rn. 58).
§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB unterscheidet sich damit von den übrigen Privilegierungstatbeständen insofern, als die Regelung, ohne den Gegenstand bzw. die Funktion des Vorhabens oder die durch das Vorhaben geförderte Betätigung zu umschreiben, allein darauf abstellt, ob nach Lage der Dinge die Verwirklichung im Außenbereich geboten ist. Diese bloß formale Ausrichtung führt zu einer tatbestandlichen Weite, die durch erhöhte Anforderungen an die übrigen Privilegierungsvoraussetzungen ausgeglichen werden muss, da sich nur so die Gefahr abwenden lässt, dass das gesetzgeberische Ziel, den Außenbereich vor einer unangemessenen Inanspruchnahme zu schützen, verfehlt wird. Das Tatbestandsmerkmal des „Sollens“ in dieser Vorschrift erfordert hierzu eine zusätzliche dahingehende Bewertung, ob das Vorhaben in einer Weise billigenswert ist, die es rechtfertigt, es bevorzugt im Außenbereich zuzulassen. Es soll nur solche Vorhaben privilegiert werden, die singulären Charakter haben und jedenfalls nicht mit einer größeren Zahl zu erwarten sind und für die deshalb nicht planerisch vorausschauend geeignete Standorte ausgewählt werden müssen, sondern eine Beurteilung des Einzelfalls am Maßstab öffentlicher Belange genügt (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2005 – 7 B 16.05 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 24.1.2017 – 1 ZB 14.1205 – juris Rn. 9; Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO Rn. 68). Zudem ist ein Rechtfertigungsgrund für die mit einer Privilegierung verbundene Durchbrechung der Gleichbehandlung von Außenbereichsvorhaben dann nicht gegeben, wenn das Vorhaben vornehmlich dazu dient, individuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Die Verfolgung individueller Interessen schließt eine Privilegierung freilich nicht aus, wenn die Verwirklichung des Vorhabens zugleich auch im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt (vgl. BVerwG, U.v. 4.11.1977 – IV C 30.75 – BauR 1978, 118; BayVGH aaO). Hiervon kann indes noch keine Rede sein, wenn der mit dem Vorhaben verfolgte Zweck zwar billigenswert, ja sogar allgemein erwünscht, die damit verbundene bauliche Verfestigung und/oder Flächeninanspruchnahme jedoch als außenbereichsinadäquat zu qualifizieren ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1994 – 4 C 20.93 – BVerwGE 96, 95 m.w.N.). Es ist dabei Sache des Bauantragstellers, in Fällen, in denen sich die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens nicht bereits aus den erkennbaren objektiven Tatsachen und/oder den vorgelegten Bauvorlagen ergibt, durch ein entsprechendes Konzept darzulegen und nachzuweisen, dass das Vorhaben nicht gänzlich oder überwiegend seinen privaten Zwecken dient (vgl. BVerwG, B.v. 12.4.2011 – 4 B 6.11 – juris Rn. 6 f.; Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO Rn. 70). Bei der Bewertung des Tatbestandsmerkmals des „Sollens“ ist zudem entscheidend nicht nur über das Ob, sondern auch über das Wie des jeweiligen Vorhabens zu befinden. Die Reichweite der Privilegierung wird auch hierdurch beschränkt. Anders als bei der Privilegierung nach den anderen Tatbeständen des § 35 Abs. 1 BauGB ist hier nicht alles dasjenige abgedeckt, was dem Vorhaben dient, sondern nur, was (zwingend betrieblich) erforderlich ist (vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO Rn. 77).
Das streitbefangene Vorhaben des Beigeladenen erfüllt vorstehend dargelegten (engen) Voraussetzungen einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht.
Der Beigeladene vermochte in dem der streitbefangenen Erlaubnis zugrunde liegenden Gestattungsverfahren nicht in ausreichender Weise konzeptionell darzulegen, welche überwiegenden öffentlichen Interessen er mit der von ihm in Art und Maß konkret begehrten Aufschüttung im Außenbereich der Klägerin in billigenswerter Weise verfolgt. In seinem Antrag vom 2. November 2016 verweist er lediglich darauf, dass die nahe am Grundwasser liegende Grundstücksfläche durch die Auffüllung besser landwirtschaftlich bewirtschaftbar werde. Bei starken Regenfällen seien die Flächen erheblich durchnässt bis hin zu stehendem Oberflächenwasser. Durch die Auffüllung werde der Eintrag von natürlichen und mineralischen Düngemitteln in die nahen grundwasserführenden Schichten aufgrund der erweiterten Pufferschicht erheblich reduziert. Bei Starkregen werde der direkte Abfluss des Niederschlagswassers zeitlich verzögert.
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … führt in den Stellungnahmen vom 15. Juni 2015 und vom 23. und 27. Oktober 2017 aus, durch die Auffüllung werde das Grundstück aus dem Grundwassereinflussbereich gehoben und damit bei sachgerechter Durchführung der Maßnahme in seiner Ertragsfähigkeit verbessert. Der Vertreter dieses Amtes erklärte zudem in der mündlichen Verhandlung, dass das Vorhaben zwar für die landwirtschaftliche Nutzung durchaus positiv zu beurteilen sei, aber es aus Sicht des landwirtschaftlichen Belangs auch nicht als erforderlich anzusehen sei. Auch aus der bei den Akten befindlichen Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes … vom 17. November 2016 ergibt sich keine fachliche Notwendigkeit für die beantragte Auffüllung in einer Mächtigkeit von 6,50m, auch wenn darin der Grundwasserflurabstand der vorhandenen Deckschicht als sehr gering eingestuft wird.
Somit mag die streitbefangene Verfüllung den mit ihr vom Beigeladenen (auch) verfolgten öffentlichen Interessen zwar zumindest dienlich sein, bei lebensnaher Betrachtung steht dem allerdings das vom Beigeladenen verfolgte wirtschaftliche Interesse bei der Verfüllung von ca. 96.000 m³ (vgl. Schriftsatz der Bevollmächtigten des Beigeladenen vom 23. Februar 2018, S. 3) Z-0-Bodenaushubs mindestens gleichgewichtig gegenüber. Es wäre im Sinne eines schlüssigen Nutzungskonzepts daher zunächst Sache des Beigeladenen gewesen, auch seine aktuellen wirtschaftlichen Interessen insoweit nachvollziehbar offen zu legen; dies ist indes unterblieben. Dem in diesem Kontext allein vorgelegten Vertrag mit der M. GmbH vom 3. Februar 1992 ist nichts für die Gegenwart Erhebliches zu entnehmen; dies gilt umso mehr mit Blick auf die nach eigenem Bekunden des Beigeladenen mit der M. GmbH wegen vertragswidriger Verfüllung des Nachbargrundstücks FlNr. … mit belasteten Material geführten Zivilrechtsstreits (vgl. OLG München, U.v. 18.2.2009 – 3 U 5075.06, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz der Bevollmächtigten des Beigeladenen vom 21. Februar 2018 im Parallelverfahren M 2 K 17. 1817), vor dessen Hintergrund ein unveränderter Fortbestand des Vertragsverhältnisses mit der M. GmbH im Rahmen der Verfüllung auch des Grundstücks FlNr. … lebensfremd erscheint. Solches ist zudem auch nicht der als Anlage zum Schriftsatz des Landratsamts vom 23. November 2017 vorgelegten E-Mail des Beigeladenen vom 20. Oktober 2017 zu entnehmen, die sich nur zum historischen wirtschaftlichen Nutzungshintergrund aus dem Jahr 1992, nicht aber zum aktuellen verhält. Es wäre für die Annahme eines nachvollziehbaren Nutzungskonzepts vielmehr erforderlich gewesen, von Seite des Beigeladenen im Genehmigungsverfahren darzulegen, welchen wirtschaftlichen Ertrag er gegenwärtig aus der streitbefangenen Maßnahme jedenfalls überschlägig erwartet, zumal das Gericht nach Auswertung allgemeinkundiger Quellen im Internet von einem m³-Preis von unbelastetem Bodenaushub von derzeit ca. 7,50 EUR und damit einem erheblichen wirtschaftlichen Wert der Maßnahme ausgeht. Auf einen entsprechenden Vortrag der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, wonach es sich beim streitbefangenen Vorhaben aus dessen Sícht um eine ganz vorrangig gewerbliche Betätigung des Beigeladenen handelt, hat sich dieser ebenfalls nicht weiter erklärt. Auch erscheint es mit Blick auf die nicht unerheblichen Kosten des wasserrechtlichen Gestattungsverfahrens und die vor diesem Hintergrund abgeschlossenen notariellen Vereinbarungen zur Erlangung von Wegerechten zur Erschließung des Vorhabens ebenfalls lebensfremd, dass es dem Beigeladenen nicht jedenfalls auch um die Erzielung eines nicht unerheblichen wirtschaftlichen Ertrags aus der Maßnahme zu tun ist.
Des Weiteren hätte es für die Erfassung und Bewertung der für das Vorhaben streitenden öffentlichen Belange einer fachgutachterlichen Beurteilung des Wasserwirtschaftsamts bedurft, ob und in welcher Mächtigkeit eine Anhebung des Geländes über dem Grundwasserspiegel gegebenenfalls erforderlich ist, um einen „besseren“ Grundwasserschutz zu gewährleisten. Es ist nicht Sache des Beigeladenen, nach eigenem Entschluss und in eigener Disposition ohne entsprechende fachbehördliche Bewertungen und Abstimmungen mit den Trägern öffentlicher Belange für einen entsprechenden Schutz zu sorgen, indem er in erheblicher Weise Aufschüttungen im Außenbereich mit einer Höhe von 6,50m vornimmt. Er erfüllt damit weder eine gesetzliche Pflicht noch eine behördliche Anordnung (vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO Rn. 74).
Zudem müsste sich aus einem Nutzungskonzept auch schlüssig ergeben, dass die streitige Verfüllung nicht im Plan- bzw. Innenbereich bzw. im Außenbereich im Zusammenhang mit einer Verfüllung im Rahmen eines dort nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB bereits genehmigten Abbauvorhabens realisiert werden kann. Damit hätte jedenfalls das Gemeindegebiet der Klägerin auf entsprechende Verfüllungsmöglichkeiten untersucht und hierüber aktenkundig Nachweis geführt werden müssen. Dies ist indes ebenfalls nicht erfolgt.
1.2 Erteilt eine Verwaltungsbehörde eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Außenbereichsvorhabens – hier in Gestalt der streitigen beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 8 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG, bei deren Erteilung das Bauplanungsrecht gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG formell konzentrierter Entscheidungsmaßstab ist – und ersetzt dabei ein versagtes gemeindliches Einvernehmen (vgl. vorliegend § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und 3 BauGB i.V.m. Art. 67 BayBO), sind auf Klage der Gemeinde die Voraussetzungen des § 35 BauGB in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 – juris Rn. 34; BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 15 B 13.424 – juris Rn 22). Folglich kann sich die Klägerin als Belegenheitsgemeinde auf den vorstehend festgestellten Verstoß gegen § 35 BauGB uneingeschränkt berufen und darauf i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch die Verletzung in ihrem subjektiven kommunalen (Planungs-)Recht nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG stützen.
1.3 Das somit nicht privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 BauGB. Es beeinträchtigt sowohl die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB; vgl. 1.3.1) als auch den in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB ungeschriebenen Belang der Planungsbedürftigkeit (1.3.2).
1.3.1 Zweck von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB ist mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft, eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs zu verhindern. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung. Hieraus folgt ein funktioneller Landschaftsschutz, während ästhetische Gesichtspunkte nicht entscheidend sind. Grundsätzlich ist es im Außenbereich – auch in einem uneinheitlich ausgebildeten bewegten Gelände des bayerischen Alpenvorlandes – nicht gestattet, die dort vorgefundene geologische Situation der Landschaft zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung beliebig zu verändern (vgl. VG München, U.v. 15.10.2013 – M 1 K 13.2779 – juris Rn. 18 f.). Das Landschaftsbild des Außenbereichs ist generell schützenswert, wobei nicht erforderlich ist, dass die Landschaft, ein Gemeingut von erheblichem Verfassungsrang (Art. 141 BV), völlig unberührt erhalten geblieben ist (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, aaO Rn. 96 f.). Der Umstand, dass vor Jahrzehnten eine großflächige Auskiesung insbesondere auf dem streitbefangenen Grundstück stattgefunden hat, ändert hieran nichts, denn im Rahmen von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB kommt es ausschließlich auf den gegebenen Zustand der Landschaft an, nicht darauf, welche Umstände zu ihm geführt haben. Die Vorbelastung des Außenbereichs darf dabei nur nicht dazu geführt haben, dass die Landschaft ihre wesentliche natürliche Eigenart in Bezug auf das Landschaftsbild verloren hat (vgl. z.B. OVG Greifswald, U.v. 22.1.1998 – 3 L 234.96 – juris Rn. 124 ff.). Die natürliche Eigenart der Landschaft ist dabei bezogen auf das Baugrundstück zu prüfen. Wenn diese selbst als Teil der Landschaft noch in der Lage ist, die Freiraumfunktion des Außenbereichs zu erfüllen, ist der Belang regelmäßig beeinträchtigt (vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO § 35 Rn 214 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Die Eingriffe in die Landschaft im Rahmen der (ungenehmigten) Auskiesung vor Jahrzehnten sind zwischenzeitlich von der Natur wieder in Besitz genommen worden und damit die anthropogenen Einflüsse auf das Landschaftsbild gleichsam überholt. Zwar weisen Landratsamt und Beigeladener der Sache nach zunächst zutreffend darauf hin, dass der insbesondere auf dem benachbarten Grundstück FlNr. … vorhandene, nicht ausgebeutete Kiesstock in die Landschaft hineinragt und damit als Spur des Abbaus auf den benachbarten Grundstücken, insbesondere auf dem streitgegenständlichen, nach wie vor deutlich erkennbar ist. Dies ändert aber – ebenso wie die Festsetzungen einer früheren Fassung des Flächennutzungsplans der Klägerin – nichts daran, dass auf dem streitbefangenen Grundstück wie auch auf den benachbarten, auf denen die Kiesausbeutung erfolgte, seit ca. 35 Jahren eine topographische Struktur vorzufinden ist, die wieder zur natürlichen Landschaft geworden ist und dabei einer langjährigen landwirtschaftlichen Nutzung dient. Damit erfüllt das Grundstück seit Abschluss der Ausbeutung vor Jahrzehnten seit geraumer Zeit wieder die Freiraumfunktion des Außenbereichs.
Zutreffend weist die Klägerin in ihrem Gemeinderatsbeschluss vom 8. November 2016 darauf hin, dass das …tal in der betroffenen Umgebung durch natürliche, steil abfallende Böschungskanten gekennzeichnet ist, die geplante Auffüllung aber gerade keine natürliche Böschungskante darstellt, da diese weiter südlich verläuft und den Abschluss der Bebauung von … in Richtung Norden bildet, während die geplante Auffüllung unnatürlich in die bereits aufgebaute und seit Jahrzehnten landwirtschaftlich genutzte rekultivierte Fläche ragt. Durch die geplante Auffüllung entsteht in Richtung … ein unnatürlicher Schluchtcharakter. Dies entspricht auch dem im Rahmen des Augenscheins des streitbefangenen Grundstücks und seiner Umgebung vom Gericht gewonnenen Eindruck. Das Gericht ist, anders als Landratsamt und Beigeladener, der Auffassung, dass es sich bei der vor Jahrzehnten ausgebeuteten Fläche um eine Landschaft handelt, deren (jedenfalls nach Ablauf von Jahrzehnten seit Abschluss der ungenehmigten Auskiesung zwischenzeitlich wiedergewonnene) natürliche Eigenart vom Vorhaben in erheblicher Weise beeinträchtigt wird. Das Grundstück erfüllt die Freiraumfunktion des Außenbereichs und wird dadurch vorhabensbedingt erheblich beeinträchtigt.
1.3.2 Auch beeinträchtigt das Vorhaben den ungeschriebenen Belang der Planungsbedürftigkeit. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nimmt an, dass Bauvorhaben im Außenbereich ein Planungsbedürfnis als eigenständiger, wenn auch ungeschriebener öffentlicher Belang entgegengehalten werden kann, wenn es in einem solchen Umfang öffentliche und private Belange berührt, dass seine Zulassung eine für den ordnungsgemäßen Ausgleich unerlässliche, nur in einem förmlichen Bauleitplanverfahren zu leistende Abwägung erfordert. Dies gilt auch für privilegierte Vorhaben (vgl. statt vieler Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO Rn. 253 m.w.N aus der Rspr.). Insoweit kommt es maßgeblich auf Umfang und Tragweite des Vorhabens an.
Mit Blick auf den erheblichen Umfang der Aufschüttung auf rund 1,7 ha mit einer Mächtigkeit von 6,50m und den damit einhergehenden erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild ergibt sich dies für das streitige Vorhaben zum einen bereits aus dem von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Selbstgestaltungsrecht der Klägerin, dass vom Vorhaben betroffen wird. Im Fachplanungsrecht ist anerkannt, dass Abwehransprüche aus dem Selbstgestaltungsrecht dann erwachsen, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 27.4.2017 – 9 A 30.15 – juris Rn. 29). Ob das Vorhaben diese (hohe) fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle erreicht, kann vorliegend allerdings offenbeleiben, da es für die Annahme eines bodenrechtlichen Planungsbedürfnisses ausreicht, wenn das Vorhaben – wie hier – jedenfalls geeignet ist, aufgrund seines spezifischen Umfangs und seiner Tragweite konfligierende öffentliche und private Belange i.S.d. § 1 Abs. 6 BauGB – hier vor allem Belange nach Nr. 5, 7 und 8 dieser Vorschrift – in solch erheblicher Weise zu betreffen, dass eine bauleitplanerische Abwägung nach § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB erforderlich wird. Dies ist hier der Fall, da das Vorhaben am Ortsrand von … in erheblicher Weise Fläche (ca. 1,7 ha) in Anspruch nimmt und durch Aufschüttung von 6,50m Mächtigkeit umgestaltet. Dies beeinträchtigt jedenfalls das Recht auf kommunale Selbstgestaltung in einer Weise, die eine baurechtliche Bewertung nicht im Konditionalprüfprogramm des § 35 BauGB, sondern vielmehr in einem (orts-)planerischen Finalprüfprogramm erfordert. Zudem ist auch schon mit Blick auf den erheblichen Flächenumfang der wohl bis in die Mitte der 1980er Jahre im fraglichen Bereich am nördlichen Ortsrand von … vorgenommenen Auskiesung und das damit großflächig veränderte, inzwischen allerdings wieder natürliche Landschaft gewordene Gelände nicht auszuschließen, dass das Vorhaben auch Vorbildwirkung für eine nicht unerhebliche Anzahl gleich oder ähnlich gelagerter Bauwünsche auf den benachbarten Außenbereichsgrundstücken hat und daher auch deshalb ein nicht unerheblicher Koordinierungsbedarf für eine vorsorgende Bauleitplanung mit entsprechenden planerischen Ausweisungen entsteht (vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, aaO Rn 68 aE und 253 ff.).
Jedenfalls in einer Zusammenschau der vorgenannten Aspekte – kommunales Selbstgestaltungsrecht und Vorbildwirkung – liegt zur Überzeugung der Kammer ein Sachverhalt vor, der den vorgenannten Anforderungen der Rechtsprechung zur Annahme einer planerischen Koordinierungspflicht genügt und das Vorhaben somit als eine Beeinträchtigung des ungeschriebenen Belangs des Planungserfordernisses erscheinen lässt.
2. Nachdem das Vorhaben sonach § 35 Abs. 2 BauGB zuzuordnen ist und die die o.g. öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigt, kommt es auf die weitere Frage, ob für das Vorhaben eine (ausreichende) Erschließung gesichert ist (vgl. dazu zuletzt Erklärung des Bevollmächtigten des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, betreffend eine Ergänzung der dinglichen Sicherung der Fahrtrechte zugunsten des Beigeladenen nach § 1090 BGB auch hinsichtlich des Grundstücks FlNr. …; dazu z.B. auch OVG Koblenz, U.v. 30.11.2015 – 1 A 10316.15 – juris Rn. 20 ff; BayVGH, U.v. 30.10.2014 – 15 B 13.2018 – juris Rn. 17 ff.), nicht mehr an. Gleiches gilt für die Frage, ob es sich vorliegend um eine Deponie zur Abfallbeseitigung mit entsprechender Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung handelt oder lediglich um eine Verwertung von Inertabfall ohne entsprechende abfallrechtliche Zulassungspflicht handelt (vgl. § 3 Abs. 23, 26 und 27, § 35 Abs. 2 KrWG i.V.m. Nr. 12.3 der Anlage 1 zum UVPG; dazu aktuell, aber jedenfalls nicht in allen Ausführungen zur Abgrenzung überzeugend VGH BW, B.v. 25.5.2016 – 10 S 236.16 – juris). Ebenfalls nicht notwendig zu entscheiden ist endlich, ob das Vorhaben immissionsbedingt auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme, das hier in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB normativen Ausdruck findet, verstößt.
Nach alledem war dem Klagebegehren mit der Kostenfolge der § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO zu entsprechen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben