Baurecht

Erfolgreicher Normenkontrollantrag einer Nachbargemeinde gegen einen Bebauungsplan

Aktenzeichen  2 N 17.2338

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34567
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 2
BauGB § 1 Abs. 4, Abs. 7, § 1a Abs. 3 S. 2, § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 2, § 4a Abs. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 20, Abs. 1a, § 10 Abs. 3, Abs. 4, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BNatSchG § 15 Abs. 6, § 18 Abs. 1
BauNVO § 11 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

1. Verweist eine Festsetzung in einem Bebauungsplan auf eine DIN-Vorschrift und ergibt sich erst aus diesem Regelwerk, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der Plangeber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt des Regelwerks verlässlich Kenntnis verschaffen können.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 1a Abs. 3 Satz 2, § 9 Abs. 1 Nr. 20, Abs. 1a BauGB erlauben als Festsetzung lediglich „Maßnahmen“ zum Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft. Damit sind aktive Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft gemeint, nicht aber ein passiver Ausgleich durch Geldzahlungen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Klassischerweise stellt ein Warenhaus ein einziges Geschäft mit unterschiedlichen Sortimenten dar, wohingegen ein Einkaufszentrum mehrere unterschiedliche Läden, die in eigener Regie betrieben werden, enthält. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bebauungsplan „Neuordnung …-Zentrum“ mit integriertem Grünordnungsplan der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 1. August 2017, wird für unwirksam erklärt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag der Antragstellerin nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist begründet. Der Bebauungsplan „Neuordnung …-Zentrum“ mit integriertem Grünordnungsplan ist unwirksam (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO).
Die erforderliche Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann hier angenommen werden, da sich Antragstellerin als unmittelbar benachbarte Gemeinde auf eine mögliche Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots nach § 2 Abs. 2 BauGB berufen kann.
1. Die in Ziffer I. A. 5. der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans getroffene Regelung der Emissionskontingente verstößt gegen die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm, weil es die Antragsgegnerin versäumt hat, darauf hinzuweisen, wo das dort in Bezug genommene technische Regelwerk (hier: DIN 45691) eingesehen werden kann.
Grundsätzlich ist bei der Bekanntmachung eines Bebauungsplans mit einer in den textlichen Festsetzungen in Bezug genommenen DIN-Vorschrift, die sich mit den Voraussetzungen der Zulässigkeit baulicher Anlagen im Plangebiet befasst, den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm nur dann genügt, wenn eine Gemeinde sicherstellt, dass die Betroffenen von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können (zuletzt BVerwG, B.v. 5.12.2013 – 4 BN 48.13 – BauR 2014, 503; BayVGH, U.v. 1.4.2015 – 1 N 13.1138 – juris). Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, förmlich gesetzte Rechtsnormen wie einen Bebauungsplan (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB) der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich zu machen, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können. Dabei genügt es, den Bebauungsplan mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung nach § 10 Abs. 4 BauGB zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten, auf Verlangen über den Inhalt Auskunft zu geben und in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann (§ 10 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB). Nach der genannten Rechtsprechung stehen diese Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen einer Verweisung auf nicht veröffentlichte technische Regelwerke in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht von vornherein entgegen, und zwar auch dann nicht, wenn erst die Anwendung des betreffenden Regelwerks ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben im Plangebiet zulässig ist. Auch aus § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB ergibt sich nicht, dass der normative Inhalt eines Bebauungsplans allein aus sich selbst heraus erkennbar sein muss. Verweist eine Festsetzung in einem Bebauungsplan auf eine DIN-Vorschrift und ergibt sich erst aus diesem Regelwerk, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der Plangeber aber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt des Regelwerks verlässlich Kenntnis verschaffen können. Das kann eine Gemeinde dadurch bewirken, dass sie die in Bezug genommenen technischen Vorschriften bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereit hält und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hinweist (vgl. BayVGH, U.v. 1.4.2015 – 1 N 13.1138 – juris). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Plangeber eine Regelung insgesamt dem Ergebnis der Anwendung der technischen Vorschrift überlässt oder ob er zwar dem Grunde nach selbst bestimmt, welchen Anforderungen die baulichen Anlagen genügen müssen, aber erst der Verweis auf die Vorschrift ergibt, nach welchen Methoden und Berechnungsverfahren der Inhalt der Anforderungen im Einzelnen zu ermitteln ist. Denn auch im zuletzt genannten Fall kann ein Planbetroffener nicht unmittelbar dem Bebauungsplan, sondern erst aus seiner Verbindung mit dem maßgeblichen technischen Regelwerk entnehmen, welche Anforderungen dieser im Einzelnen an die Zulassung und Nutzung von Gebäuden stellt. Ausnahmen für den Fall, dass sich der vom Bebauungsplan betroffene Personenkreis signifikant anders zusammensetzt als derjenige, welcher in einer Vielzahl von Bebauungsplänen planunterworfen ist, scheiden bereits aus Gründen der Rechtssicherheit aus (vgl. BVerwG, B.v. 5.12.2013 – 4 BN 48.13 – BauR 2014, 503).
Diesen Anforderungen entspricht der hier verfahrensgegenständliche Bebauungsplan nicht. Er enthält zwar textliche Festsetzungen zu den Emissionskontingenten und nimmt für deren Berechnung Bezug auf die DIN 45691. Entgegen den oben darstellten Grundsätzen fehlt jedoch ein Hinweis in der Bebauungsplanurkunde selbst oder in der Bekanntmachung darauf, dass das technische Regelwerk bei der Verwaltungsstelle, bei welcher auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereit gehalten werden.
Dieser Fehler führt bereits für sich gesehen zur Unwirksamkeit des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans.
2. Weitere formelle Fehler liegen nicht vor.
Der Bebauungsplan leidet insbesondere nicht bereits an einem beachtlichen Verfahrensmangel im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 i.V.m. § 4a Abs. 3, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Der ausgelegte Bebauungsplanentwurf sah für das SO Einkaufszentrum eine maximale Verkaufsfläche von 14.300 m² und für das SO₂ Fachmarktzentrum eine maximale Verkaufsfläche von 4.750 m² vor (gesamt 19.050 m²). Die zulässige maximale Verkaufsfläche wurde im Rahmen der Abwägung mit Beschluss vom 6. März 2017 auf 18.050 m² (13.550 m² im SO Einkaufszentrum und 4.500 m² im SO₂ Fachmarktzentrum) reduziert, also um 750 m² betreffend das SO Einkaufszentrum und um 250 m² betreffend das SO 2 Fachmarktzentrum. Eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit ist bei materiell-rechtlichen Änderungen von Festsetzungen, die nicht lediglich klarstellende Bedeutung, sondern auf Beteiligte nachteilige Auswirkungen haben, erforderlich. Eine erneute Beteiligung der Bürger ist hingegen nicht erforderlich, wenn die betroffenen Bürger sowie die Träger öffentlicher Belange zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme hatten und die Änderungen entweder auf ausdrücklichem Vorschlag Betroffener beruhen oder nur eine Klarstellung von im ausgelegten Entwurf bereits enthaltenen Festsetzungen bedeuten (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1987 – 4 NB 2.87 – NVwZ 1988, 822). Um der Anstoßfunktion der Auslegung gerecht zu werden, ist eine erneute Auslegung auch erforderlich, wenn der Bebauungsplan in einer die Grundzüge der Planung berührenden Weise geändert oder ergänzt wird, oder bei weniger grundlegenden Änderungen und Ergänzungen zumindest die davon betroffenen Grundstückseigentümer sowie davon in ihrem Aufgabenbereich berührte Träger öffentlicher Belange zu hören (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1987 – 4 NB 2.87 – NVwZ 1988, 822). Die Antragstellerin ist insoweit der Auffassung, dass die Grundzüge der Planung berührt seien, weil die Nutzungsart im Bebauungsplan geändert werde. Dies vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Beschreibung der Sondergebiete bleibt dieselbe. Lediglich die maximal zulässige Verkaufsfläche wird bei zwei Sondergebieten geringfügig reduziert. Da bei den vorliegend maßgeblichen Zahlen die Schwelle zum großflächigen Einzelhandel auch nach der Reduzierung der Verkaufsfläche ganz deutlich überschritten ist, liegt hier keine Änderung der Art der baulichen Nutzung vor. Eine Reduzierung der Verkaufsfläche um 250 m² beim SO 2 Fachmarktzentrum hat keine wesentlichen städtebaulichen Auswirkungen auf den zu erwartenden Verkehr oder in Bezug auf die Beeinträchtigung von zentralen Einkaufslagen. Letztere würde sich eher vermindern. Gleiches gilt für die Reduzierung der maximalen Verkaufsfläche des SO Einkaufszentrum von 750 m² bei einer verbleibenden maximalen Verkaufsfläche von 13.550 m².
Die Auslegungsbekanntmachung genügt auch den neuesten Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – NVwZ 2019, 1613) hinsichtlich der Bekanntmachung der Arten umweltbezogener Informationen. Danach gebietet das Ziel des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB, als strukturierendes Merkmal den Inhalt der Information zu wählen. Die Bekanntmachung soll eine Anstoßwirkung entfalten und interessierte Bürger dazu ermuntern, sich über die gemeindlichen Planungsabsichten zu informieren und gegebenenfalls mit Anregungen und Bedenken zur Planung beizutragen. Die Informationen müssen daher eine erste inhaltliche Einschätzung ermöglichen, welche Umweltbelange in den vorliegenden Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden. Hier hat die Antragsgegnerin in der Bekanntmachung vom 15. Dezember 2016 (Bl. 279 ff.) zunächst den Umweltbericht, die artenschutzrechtliche Prüfung und die schalltechnische Untersuchung genannt und darunter Unterpunkte zu einzelnen behandelten Themen. Anschließend folgt zudem eine Zusammenfassung nach Themen, die mit Schlagworten benannt sind („Naturschutz, Bodenschutz, Immissionsschutz hinsichtlich Lärm und Verkehr“). Der vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Anstoßfunktion ist damit durchaus genüge geleistet.
3. Der Bebauungsplan leidet darüber hinaus an materiellen Fehlern.
a) Unwirksam ist – wie bereits im Beschluss vom 17. Juli 2018 (Az. 2 NE 17.2339) festgestellt – die Festsetzung von Ersatzzahlungen in Ziffer I. A. 7. der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans. § 18 Abs. 1 BNatSchG verweist bei Bauleitplänen auf das Baugesetzbuch. § 1a Abs. 3 Satz 2, § 9 Abs. 1 Nr. 20, Abs. 1a BauGB erlauben als Festsetzungen lediglich „Maßnahmen“ zum Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft. Damit sind jedoch aktive Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft und nicht ein passiver Ausgleich durch Geldzahlungen gemeint. Die nach § 15 Abs. 6 BNatschG möglichen Geldersatzleistungen können lediglich durch Bescheid im Rahmen einer Einzelbaugenehmigung oder durch einen städtebaulichen Vertrag angeordnet werden.
b) Ferner verstößt der Bebauungsplan gegen die Pflicht aus § 1 Abs. 4 BauGB, wonach Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind.
Insoweit ist zumindest von einem Verstoß gegen das Ziel Nr. 5.3.4 LEP 2013 auszugehen. Zwar liegt kein Verstoß gegen das Ziel Nr. 5.3.1 LEP 2013 vor, wonach Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte nur in Zentralen Orten ausgewiesen werden dürfen, da es sich vorliegend um einen baulich verdichteten Siedlungszusammenhang mit mindestens einem Zentralen Ort (der Antragstellerin) im Sinn von Ziel Nr. 5.3.4 LEP 2013 handelt. In diesem Fall sind Ausweisungen für Einzelhandelsgroßprojekte, die innerhalb dieses Siedlungszusammenhangs liegen oder direkt angrenzend liegen, in allen Gemeinden des Siedlungszusammenhangs zulässig. Allerdings dürfen Einzelhandelsgroßprojekte bei Sortimenten des Innenstadtbedarfs lediglich zusätzlich auf 7,5 v.H. der nach Ziel Nr. 5.3.3 LEP 2013 maßgeblichen Kaufkraft einer zentralörtlich nicht niedriger eingestuften Gemeinde innerhalb des gemeinsamen Siedlungszusammenhangs zurückgreifen. Einzelhandelsgroßprojekte sind in diesem Zusammenhang alle Betriebe im Sinn des § 11 Abs. 3 BauNVO, die sich nach Art, Lage und Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können. Insoweit kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob das SO 2 Fachmarktzentrum als Einkaufszentrum im Sinn von § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO oder großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinn von § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO einzuordnen ist. Da in den Festsetzungen keine Sortimentsbeschränkung hinsichtlich des SO 2 Fachmarktzentrum erfolgt ist, sind dort auch Sortimente des Innenstadtbedarfs grundsätzlich zulässig.
Die von der Antragstellerin vorgelegte fachgutachterliche Stellungnahme der GMA vom 17. Mai 2019 geht von einer deutlichen Überschreitung der zulässigen Kaufkraftabschöpfung in verschiedenen Sortimenten des Innenstadtbedarfs aus, u.a. bei Schuhen oder Sportartikeln. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Bauleitplanung kein Gutachten eingeholt und verweist auch in diesem Verfahren lediglich auf die Zustimmung der zuständigen Regierung, welche den Bebauungsplan landesplanerisch überprüft habe. Die Antragsgegnerin ging dabei lediglich von einer Umstrukturierung des bestehenden Baugebiets aus, bei welcher insgesamt die Verkaufsflächen deutlich reduziert würden, so keine Auswirkungen im Hinblick auf die Kaufkraftabschöpfung zu erwarten seien.
Nach der Begründung zum Ziel Nr. 5.3.1 LEP 2013 fallen Flächen für die Errichtung, Erweiterung und wesentliche Änderung von Einzelhandelsgroßprojekten in den Anwendungsbereich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Einzelhandelsgroßprojekt nach Art, Lage und Umfang sich auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung nicht nur unwesentlich auswirken kann.
Vorliegend geht der Senat nicht lediglich von einer einfachen Umstrukturierung des Plangebiets ohne weitere Auswirkungen aus. Richtig ist, dass die Gesamtverkaufsfläche deutlich gegenüber dem bisherigen Bebauungsplan reduziert wurde. So war im bisherigen Bebauungsplan aus dem Jahr 2008 ein SO Warenhaus mit einer maximalen Verkaufsfläche von 17.850 m² für Warenhaussortimente, davon maximal 1.300 m² Verkaufsfläche für Lebensmittel, vorgesehen. Der hier verfahrensgegenständliche Bebauungsplan sieht nun ein SO Einkaufszentrum mit einer maximalen Verkaufsfläche von 13.550 m² vor. Das bisherige SO GEH (großflächiger Einzelhandel) mit einer maximalen Verkaufsfläche von 1.500 m² beschränkt auf das Sortiment Textilien und Schuhe wird zum SO 2 Fachmarktzentrum mit einer maximalen Verkaufsfläche von 4.500 m². Das weitere SO GEH mit einer maximalen Verkaufsfläche von 8.000 m² für Bau- und Ökomarkt, Verkauf von Produkten für die Baubranche und das ökologische Bauen, davon maximal 1.000 m² Randsortiment, teilt sich auf in das SO 1 Lebensmittelvollsortimenter mit einer maximalen Verkaufsfläche von 1.750 m² und das GE 2 (Standort neu für Discounter). Bei bloßer Summierung der bisher zulässigen maximalen Verkaufsflächen ergäbe sich eine Reduzierung von 27.350 m² auf nunmehr 19.800 m² (ohne Berücksichtigung des Discounters im GE 2). Quantitativ tritt daher grundsätzlich eine deutliche Reduzierung im Hinblick auf die zulässige maximale Verkaufsfläche ein, so dass der Gedanke naheläge, die Neuplanung führe zu keinen weiteren Auswirkungen. Die quantitative Reduzierung geht jedoch vorliegend auch mit einer qualitativen Umstrukturierung einher. So war bisher das Sortiment auf allen Flächen beschränkt (Warenhaus, Textilien und Schuhe, Bau- und Ökomarkt). Insbesondere im Bereich des Bau- und Ökomarkts handelte es sich im Wesentlichen um nicht Innenstadt relevante Sortimente. Im Bereich des SO GEH Textilien und Schuhe waren zwar Innenstadt relevante Sortimente zulässig, jedoch mit 1.500 m² maximaler Verkaufsfläche nur zu einem Drittel der nunmehr zulässigen maximalen Verkaufsfläche des SO 2 Fachmarktzentrum. Zudem lag eine Beschränkung auf zwei Innenstadt relevante Sortimente – eben Textilien und Schuhe – vor, wohingegen beim nunmehrigen SO 2 Fachmarktzentrum keinerlei Sortimentsbeschränkung festgesetzt ist. Auch im Bereich des bisherigen SO Warenhaus fand eine qualitative Änderung statt, da klassischerweise ein Warenhaus ein einziges Geschäft mit unterschiedlichen Sortimenten darstellt, wohingegen ein Einkaufszentrum mehrere unterschiedliche Läden, die in eigener Regie betrieben werden, enthält.
Die Antragsgegnerin ist der von der Antragstellerin vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme hinsichtlich der zu erwartenden Kaufkraftabschöpfung nicht inhaltlich substantiiert entgegengetreten. Der Gutachter hat in der mündlichen Verhandlung seine Berechnungen umfangreich und schlüssig erläutert, so dass der Senat davon ausgeht, dass eine die zusätzlichen 7,5 v.H. übersteigende Kaufkraftabschöpfung vorliegt. Der Gutachter hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, dass die zusätzliche Kaufkraftabschöpfung für zusammengewachsene Gemeinden nach dem Ziel Nr. 5.3.4 LEP 2013 berechnet worden sei. Diese sei zwar im Sortiment Textilien eingehalten, nicht aber bei den Sortimenten Schuhe oder Sportartikel. Im Fachmarktzentrum seien 4.200 m² Verkaufsfläche baulich realisiert worden. Bei einer Worst-Case Betrachtung müsse davon ausgegangen werden, dass die gesamte realisierte Verkaufsfläche mit einem Sortiment belegt werde, da keine Einschränkungen im Bebauungsplan festgesetzt worden seien. Ausgehend von dem Gesamteinzugsgebiet des Verflechtungsbereichs des Oberzentrums mit ca. 360.000 Einwohnern wäre die maximale Kaufkraftabschöpfung beim Sortiment Textilen eingehalten. Bei den Sortimenten Schuhe wären jedoch lediglich 1.200 m² Verkaufsfläche sowie beim Sortiment Sport- und Campingartikel 1.300 m² noch möglich. Die noch möglichen 1.300 m² Verkaufsfläche für Sport- und Campingartikel werden durch den bereits genehmigten Sportmarkt mit einer Verkaufsfläche von 2.200 m² bereits deutlich überschritten.
Die Frage, ob es sich vorliegend um einen städtebaulich integrierten Standort im Sinn des Ziels Nr. 5.3.2 LEP 2013 handelt, kann dahinstehen, weil jedenfalls ein Verstoß gegen das Ziel Nr. 5.3.4 LEP 2013 vorliegt.
c) Die weiteren von der Antragstellerin gerügten materiellen Fehler können dahinstehen, da es auf diese nicht weiter ankommt.
So kann dahinstehen, ob es sich bei dem SO 2 Fachmarktzentrum nun um ein Einkaufszentrum im Sinn von § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO oder um großflächigen Einzelhandel nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO handelt. Im Fall eines Einkaufszentrums wäre die Festsetzung der maximalen Verkaufsfläche grundsätzlich zulässig. Liegt hingegen großflächiger Einzelhandel vor, könnte dies hier ausnahmsweise nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 3.4.2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86, B.v. 11.11.2009 – 4 BN 63.09 – DVBl 2010, 124; U.v. 24.3.2010 – 4 CN 3.09 – NVwZ 2010, 782) zulässig sein. Denn eine baugebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung kann ausnahmsweise auf § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO gestützt werden, wenn in dem in Rede stehenden Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig ist. Dann ist die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.2010 – 4 CN 3.09 – NVwZ 2010, 782; U.v. 17.10.2019 – 4 CN 8.18 – beck-online). Im vorliegenden Sondergebiet SO 2 Fachmarktzentrum, das sich lediglich auf ein Grundstück erstreckt, sollte lediglich ein Gebäude errichtet werden, auch wenn insoweit der große Bauraum und die Maßzahlen unter Umständen auch mehrere Gebäude und eventuell eine Grundstücksteilung zulassen würden. Insoweit müsste gegebenenfalls bei einer Neuplanung eine Klarstellung erfolgen.
Allgemein wären wohl im Rahmen eines neuen Bauplanungsverfahrens die Maßzahlen hinsichtlich der Zahl der zulässigen Vollgeschosse oder die festgesetzten großzügigen Bauräume zu überdenken und zu präzisieren.
Ein Abwägungsfehler nach § 1 Abs. 7 BauGB im Hinblick auf das interkommunale Abstimmungsgebot liegt wohl derzeit nicht vor. Der Senat geht davon aus, dass die bisherige Vereinbarung der ARGE aus dem Jahr 2011 im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist (sondern erst die hier noch nicht anwendbare Ergänzung). Es ist fraglich, ob die Regelung in § 13 Abs. 4 der Vereinbarung von 2011 hier greift. Diese spricht davon, wenn für ein Vorhaben kein Baurecht besteht, dass dieses einer Erstbewertung zu unterziehen ist. Diese Regelung findet sich auch in der neuen Vereinbarung vom Mai 2017 jedoch unter der ausdrücklichen Überschrift „Interkommunale Abstimmung – Durchführung einer Vorprüfung und Erstbewertung bei Neuansiedlungen“. Die nun zusätzlichen Regelungen in den §§ 18 bis 21 der Vereinbarung vom Mai 2017 befassen sich ausdrücklich mit dem „Umgang mit Bestandsimmobilien und -flächen“. Dies umfasst gerade Änderungen von bereits überplanten Gebieten, unabhängig davon, ob diese ohne oder mit Auswirkungen auf die Raumordnung und Landesplanung verbunden sind. Im Übrigen wurde die Antragstellerin am Verfahren beteiligt und wurden ihre Einwendungen abgewogen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ist die Ziffer I. der Entscheidungsformel des Urteils allgemeinverbindlich und muss von der Antragsgegnerin nach Eintritt der Rechtskraft des Normenkontrollurteils in derselben Weise veröffentlicht werden wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB). Dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist die Bekanntmachung vorzulegen.


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