Baurecht

Erledigung bei Fortsetzungsfeststellungsklage bezüglich Baugenehmigung infolge Änderung des Bauvorhabens

Aktenzeichen  M 8 K 15.1870

Datum:
27.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Die für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage vorauszusetzende Erledigung liegt vor, wenn das Verpflichtungsbegehren nach Klageerhebung aus dem Kläger nicht zurechenbaren Gründen unzulässig oder unbegründet wurde, wenn also das Rechtsschutzziel aus Gründen, die nicht in der Einflusssphäre des Klägers liegen, nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann. An einer Erledigung fehlt es jedoch, wenn der Kläger vom ursprünglichen vom Bauvorhaben gemäß verfahrensgegenständlichem Genehmigungsantrag abweicht und sich zur Durchführung eines – kleineren – genehmigten Vorhabens entschließt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese auf Anfechtungsklagen zugeschnittene Bestimmung ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch auf Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG U.v. 30.06.2011 – 4 C 10/10 – juris Rn. 7).
1. Die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO setzt voraus, dass – erstens – die ursprüngliche Verpflichtungsklage zulässig war, – zweitens – nach Rechtshängigkeit ein erledigendes Ereignis eingetreten ist und – drittens – ein Feststellungsinteresse gegeben ist.
1.1 Die am 11. Mai 2015 zum Verwaltungsgericht „hilfsweise“ erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung der mit Bauantrag vom 24. September 2014 beantragten Baugenehmigung unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 9. April 2015 war trotz des hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrags wohl zulässig, insbesondere war sie fristgerecht gemäß § 74 Abs. 2 VwGO.
1.2 Die für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter vorauszusetzende Erledigung liegt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn das Verpflichtungsbegehren nach Klageerhebung aus dem Kläger nicht zurechenbaren Gründen unzulässig oder unbegründet wurde, wenn also das Rechtsschutzziel aus Gründen, die nicht in der Einflusssphäre des Klägers liegen, nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 30.06.2011 – 4 C 10/10 – juris Rn. 7; B.v. 15.8.1988 – 4 B 89.88 – NVwZ 1989, 48 – juris Rn. 5 ). Letzteres ist der Fall, wenn etwa eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zum Erlöschen eines Anspruchs führt (vgl. BVerwG, U.v. 30.06.2011 – 4 C 10/10 – juris Rn. 7). An einer Erledigung fehlt es jedoch, wenn der Kläger lediglich das Interesse an seinem ursprünglichen Begehren verloren hat (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.1990 – 3 C 49.87 – BayVBl. 1991, 313 – juris Rn. 22; BVerwG, U.v. 30.06.2011 – 4 C 10/10 – juris Rn. 7).
Durch den Baubeginn des mit Bescheid vom 5. Januar 2016 genehmigten Vorhabens hat sich das Verpflichtungsbegehren erledigt, da die Realisierung des Vorhabens, wie es mit dem Bauantrag vom 24. September 2014 (Plan-Nr. …) beantragt worden war, nicht mehr erreicht werden kann. Das südliche Haus kann nur mehr in der verkleinerten Version der Baugenehmigung vom 5. Januar 2016 ausgeführt werden. Auch soweit das nördliche Gebäude noch in den Abmessungen des Bauantrags vom 24. September 2014 realisiert werden könnte, handelt es sich bei einer Kombination des südlichen Hauses nach der Genehmigung vom 5. Januar 2016 und des nördlichen nach dem Bauantrag vom 24. September 2014 um ein anderes Vorhaben, das die Klägerin mit einem entsprechenden Bauantrag zunächst zur Genehmigung durch die Beklagte stellen müsste und auch noch könnte. Führt der Bauherr aber ein genehmigtes Bauvorhaben aus, ist er an die dafür erteilte Baugenehmigung gebunden, bei mehreren erteilten Baugenehmigungen für verschiedenartige Bauvorhaben an die gewählte Baugenehmigung. Er darf nicht einzelne Teile verschiedener Baugenehmigungen miteinander „kombinieren“ (vgl. Lechner in: Simon/Busse/Lechner, BayBO, Kommentar, Stand 01.10.2013, Art. 68 Rn. 102). Die Verwirklichung eines Bauvorhabens durch die Kombination der bereits begonnenen Umsetzung der Baugenehmigung vom 5. Januar 2016 und der beantragten aber abgelehnten Baugenehmigung für das nördliche, größere Gebäude scheidet deshalb aus. Daher kann weder das ursprüngliche Rechtsschutzziel der Klägerin, das auf Erhalt der Baugenehmigung für das größere Bauvorhaben – beide Gebäude nach den Abmessungen des Bauantrags vom 24. September 2014 – gerichtet war, noch das nunmehr angestrebte in Form einer Kombination durch eine Verpflichtung der Beklagten zur Genehmigung des Bauantrags vom 24. September 2014 erreicht werden.
1.2.1 Allerdings liegt dieser Umstand in der Einflusssphäre der Klägerin. Die Klägerin hat sich entschieden, mit der Umsetzung und Verwirklichung des mit Baugenehmigung vom 5. Januar 2016 genehmigten kleineren Bauvorhabens zu beginnen. Nach der gängigen Definition des Erledigungseintritts liegt folglich im vorliegenden Fall bereits keine Erledigung vor, so dass die Klage bereits aus diesem Grund unzulässig ist. Selbst wenn man den Eintritt eines erledigenden Ereignisses mit dem Argument bejaht, dass es für den Erledigungseintritt nicht darauf ankommen könne, welche Ursache die Erledigung habe bzw. ob die Erledigung aus Gründen eingetreten ist, die nicht in der Einflusssphäre der Klägerin liegen, da es bei § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO allein auf die nach objektiven Kriterien zu beantwortende Frage ankommt, ob tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist (vgl. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 76), ist die Klage auch deshalb unzulässig, weil die Klägerin kein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse darlegen konnte.
1.3 Das weiter erforderliche besondere Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versagung der Baugenehmigung ist grundsätzlich nur gegeben, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat. Hierfür genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedes nach Lage des Falles anzunehmende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftliche oder ideeller Art (vgl. BVerwG, B.v. 24.10.2006 – 6 B 61/06 – NVwZ 2007, 227 – juris Rn. 3), wofür sich im Wesentlichen drei Hauptfallgruppen herausgebildet haben, bei deren Vorliegen regelmäßig ein berechtigtes Feststellungsinteresse zu bejahen ist: die Fälle der Wiederholungsgefahr, die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsanspruchs sowie Fälle des Rehabilitationsinteresses (vgl. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014 § 113 Rn. 84, 86).
1.3.1 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird als für die Schutzwürdigkeit des Interesses an einer Fortsetzungsfeststellungsklage kennzeichnend angeführt, dass eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden dürfe, wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht habe und sich mit der Erledigung des ursprünglichen Antrages die Frage stelle, ob dieser Aufwand nutzlos gewesen sein solle und der Kläger der Erledigung wegen in diesem Verfahren leer ausgehen müsse. Der Gedanke der „Fruchterhaltung“ ist allerdings nicht als eine normative Voraussetzung für ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 27.03.1999 – 4 C 14/96 – juris Rn. 16). Maßgeblich für die Frage, ob im Hinblick auf einen beabsichtigten Zivilprozess ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes besteht, ist vielmehr, ob der Kläger sofort und unmittelbar vor dem Zivilgericht Klage erheben konnte, oder ob er gezwungen war, zunächst eine verwaltungsgerichtliche Klage zu erheben. Hat sich der Verwaltungsakt schon vor Klageerhebung erledigt, so bedarf es keines Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte; denn der Betroffene kann wegen eines von ihm erstrebten Schadensersatzes sogleich das zuständige Zivilgericht anrufen, das auch für die Klärung öffentlichrechtlicher Vorfragen zuständig ist. Deshalb fehlt es in einem solchen Fall an einem schutzwürdigen Interesse für eine verwaltungsgerichtliche Klage (vgl. BVerwG, B.v. vom 27.6.1985 – 2 B 81.84 – juris Rn. 3). Hatte sich der Verwaltungsakt dagegen noch nicht erledigt, so war der von ihm Betroffene gezwungen, zunächst vor dem Verwaltungsgericht zu klagen, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern. In einem solchen Fall wäre es unangemessen, die Fortsetzungsfeststellungsklage nur dann zuzulassen, wenn das bisherige Verfahren bereits Erkenntnisse erbracht hat, die für einen Amtshaftungsprozess bedeutsam sind. Abgesehen davon, dass kaum bestimmt werden könnte, wie viele „Früchte“ erforderlich sein müssten, um einen Anspruch auf Fortführung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu begründen, besteht der Sinn der Fortsetzungsfeststellungsklage gerade darin, den Übergang zur Feststellungsklage zu erleichtern. Der bereits getätigte Aufwand – auch an Kosten und Zeit – soll dem Kläger erhalten bleiben, wenn und solange die begehrte Entscheidung für ihn einen Nutzen haben kann (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 90).
Jedenfalls in Fällen der nicht vom Kläger herbeigeführten Erledigung kommt es bei der Prüfung des berechtigten Fortsetzungsfeststellungsinteresses nicht darauf an, ob die bisherige Prozessführung schon „Früchte“ erbracht hat (vgl. BVerwG, U.v. 27.03.1999 – 4 C 14/96 – juris Rn. 16).
Hier wurde die Erledigung – wie bereits oben ausgeführt – jedoch durch die Klägerin herbeigeführt, indem sie mit der Umsetzung der Baugenehmigung vom 5. Januar 2016 zwischenzeitlich begonnen hat und damit das ursprünglich beantragte Vorhaben nicht mehr realisiert werden kann.
1.3.2 Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die – wie hier – der Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens vor dem Zivilgericht dienen soll, ist das Feststellungsinteresse nur dann zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 15 ZB 12.1562 – juris Rn. 12; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47 ).
Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Kläger von sich aus substantiiert darlegen (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 15 ZB 12.1562 – juris Rn. 12). Insbesondere muss er aufzeigen, was er konkret anstrebt, welchen Schaden bzw. welche Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will und dass ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsprozess bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Die bloße Behauptung, einen Schadensersatzprozess führen zu wollen, genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 15 ZB 12.1562 – juris Rn. 12; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47). Zwar dürfen an den Vortrag keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere bedarf es regelmäßig keiner Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass er einen Amtshaftungsprozess tatsächlich anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierzu gehört auch eine zumindest annähernde Angabe der Schadenshöhe (vgl. BayVGH B.v. 13.06.2014 – 15 ZB 14.510 – juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 24.10.2011 – 8 ZB 10.957 – Rn. 13; OVG NRW, B.v. 5.7.2012 – 12 A 1423/11 – juris Rn. 22 ff.; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47).
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht. Die Bevollmächtigten der Klägerin nennen im Schriftsatz vom 27. Juni 2016 nicht einmal eine konkrete Anspruchsgrundlage für ihr Schadenersatzbegehren. Konkret angegeben haben die Bevollmächtigten der Klägerin lediglich die Differenz der Grund- und Geschossflächen der verschiedenen Bauvorhaben. Für eine tatsächliche Schadensberechnung wäre es aber erforderlich, darzulegen, welche Erlöse die Klägerin bei Umsetzung des Vorhabens nach dem Bauantrag vom 24. September 2014 erzielt hätte und welche nunmehr bei Umsetzung der Baugenehmigung vom 5. Januar 2016 zu erwarten sind. Davon sind bei der Schadenberechnung die Minderausgaben infolge des geringeren Umfangs des Bauvorhabens in Abzug zu bringen. Im gegenwärtigen Zustand des Vorhabens könnte die Klägerin zumindest ungefähre Zahlen dazu vortragen. Selbst wenn die Klägerin diese Berechnungen darlegen könnte und würde, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie im Hinblick auf ihre Schadensminderungspflicht einen Tekturantrag oder auch neuen Bauantrag hätte einreichen können und müssen, in der die von der Klägerin nunmehr angestrebte Kombination der Baugenehmigung vom 5. Januar 2016 und des Bauantrags vom 24. September 2014 zur Genehmigung gestellt wird. Insoweit müsste die Schadensberechnung auf dieser veränderten Basis erfolgen oder zumindest alternativ dargelegt werden. Dass im Verfahren das Zivilgericht über die genaue Bestimmung des Anspruchs entscheidet, befreit die Klägerin nicht davon, im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht Anspruchsgrundlagen und Anspruchsvoraussetzungen darzulegen und eine ungefähre Berechnung ihres Schadens vorzunehmen. Hierzu fehlen jegliche Angaben, von konkreten Berechnungen ganz zu schweigen.
Eine derart vage Behauptung der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses reicht zur Begründung des besonderen Feststellungsinteresses nicht aus (vgl. BayVGH, B.v. 13.06.2014 – 15 ZB 14.510 – juris Rn. 11 f.; Niedersächsisches OVG U.v. 12.11.2007 – 2 LA 423/07 – juris Rn. 8). Dem Erfordernis, insoweit konkrete Angaben zum behaupteten Schaden bzw. zur Schadenshöhe zu machen, wird das bisherige Vorbringen der Klägerin nicht gerecht. Einen eventuell entstandenen Verzögerungsschaden hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Damit sind die Voraussetzungen des besonderen Feststellungsinteresses aufgrund einer konkret beabsichtigten Führung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses nicht hinreichend konkret dargelegt.
1.4 Darüber hinaus kann die Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend machen zu wollen, nach ständiger Rechtsprechung ein berechtigtes Feststellungsinteresse i. S. des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur begründen, wenn das Vorhaben nicht offensichtlich aussichtslos wäre (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1985 – 2 C 42/83 – juris Rn. 19). Einem auf § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG gestützten Amtshaftungsanspruch stünde aber im Hinblick auf die selbst herbeigeführte Erledigung der Verpflichtungsklage § 839 Abs. 3 BGB entgegen, weshalb dieser daher offensichtlich erfolglos ist.
Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, „wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden“. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar fristgerecht gegen den versagenden Bescheid vom 9. April 2015 Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage erhoben. Durch den Beginn der Bauausführung der zwischenzeitlich beantragten und mit Bescheid vom 5. Januar 2016 erteilten Baugenehmigung für zwei kleinere Gebäude auf dem streitgegenständlichen Baugrundstück ist für diese Verpflichtungsklage jedoch nachträglich das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Die hier streitgegenständliche Baugenehmigung ist für die Klägerin ersichtlich nutzlos geworden (vgl. Lechner in: Simon/Busse, BayBO, 115. EL. 2014, Art. 68 Rn. 165; BVerwG, B.v. 30.06.2004 – 7 B 92.03 – BayVBl 2004, 728 – juris Rn. 28). Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt daher, da die Klägerin von der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung aufgrund des mittlerweile begonnenen kleineren Bauvorhabens offensichtlich keinen Gebrauch (mehr) machen kann (vgl. Lechner in: Simon/Busse, BayBO, 115. EL. 2014, Art. 68 Rn. 651). Soweit das nördliche Gebäude noch in den Abmessungen des Bauantrags vom 24. September 2014 ausgeführt werden kann, steht der Klägerin der Weg über eine Tekturgenehmigung oder einen neuen Bauantrag, in dem die entsprechenden Elemente des genehmigten und des abgelehnten Bauantrags kombiniert werden, offen.
Bei § 839 Abs. 3 BGB handelt es sich um eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in seiner allgemeinen Form in § 254 BGB niedergelegt ist. Aber während § 254 BGB die Berücksichtigung und Abwägung der Einzelfallumstände gestattet und die Möglichkeit der Anspruchsminderung und Schadensteilung vorsieht, führt die Regelung des § 839 Abs. 3 BGB bei jeder Form schuldhafter Schadensmitverursachung zum völligen Anspruchsverlust (vgl. Papier, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 839 Rn. 329). Diese Vorschrift kommt vor allem die Funktion zu, eine Subsidiarität der „sekundären“ Schadenersatzpflicht im Verhältnis zu den „primären“ Rechtsschutzmitteln zu begründen und den Schadenersatzanspruch bei rechtswidrigem Handeln des Staates der verwaltungsgerichtlichen Klage nachzuordnen. Dem Verletzten soll auf diese Weise die zu missbilligende Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen Hoheitseingriff mit den ordentlichen Rechtsmitteln abzuwehren oder aber diesen (freiwillig) zu dulden und dafür zu liquidieren. Gerade den zur Begründung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aufgeführten und der vorliegenden Klage wohl zugrunde gelegten Schaden in Form eines Mindererlöses aufgrund der geringeren Grundfläche des tatsächlich realisierten Vorhabens hätte die Klägerin mit ihrer ursprünglichen Verpflichtungsklage abwenden können. Stattdessen hat sie ihr eingelegtes Rechtsmittel durch die Verwirklichung der Baugenehmigung vom 5. Januar 2016 für das kleinere Bauvorhaben unzulässig macht. Diese Situation steht der in § 839 Abs. 3 BGB geregelten Situation gleich, da es insoweit keinen Unterschied macht, ob der Kläger von Anfang an keinen Primärrechtsschutz ergreift oder ob er zwar Primärrechtsschutz zunächst ergreift, diesen dann aber aufgrund seines eigenen selbstbestimmten Verhaltens nachträglich vereitelt, da in beiden Fällen der grundsätzliche Vorrang des Primärrechtsschutzes in Frage gestellt wird. Auch ist die erforderliche schuldhafte Vereitelung des Primärrechtsschutzes gegeben, da es der Klägerin bei Umsetzung des kleineren Bauvorhabens bewusst gewesen ist, dass damit die Realisierung des ursprünglichen Vorhabens ausscheidet und ihrer Verpflichtungsklage der Boden entzogen wird.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2007 führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Urteil betrifft eine andere Fallkonstellation. Im dortigen Fall hatte die Bauherrin nach Versagung der Baugenehmigung das streitgegenständliche Objekt zu einem späteren Zeitpunkt veräußert. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nach Versagung der Baugenehmigung ein verkleinertes Vorhaben mit einer neuen Baugenehmigung verwirklicht, wodurch zugleich die Umsetzung der ursprünglich beantragten Baugenehmigung undurchführbar wurde. Sie hat sich damit für die Verwirklichung des kleineren mit Bescheid vom 5. Januar 2016 genehmigten Vorhabens entschieden, obwohl ihr für das größere ursprünglich beantragte Bauvorhaben der Rechtsweg offenstand. Damit hat sie aber genau das getan, was nach § 839 Abs. 3 BGB zum Verlust des Schadenersatzanspruchs führt: Statt den ablehnenden Bescheid mit der Verpflichtungsklage abzuwehren und ihren behaupteten Genehmigungsanspruch durchzusetzen, hat sie sich entschieden, die zwischenzeitlich erteilte Baugenehmigung vom 5. Januar 2016 zu verwirklichen und anschließend den dadurch eventuell entstandenen Schaden geltend zu machen, was im Ergebnis auf ein „Dulden und Liquidieren“ hinausläuft. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2007 hat das Gericht gerade nicht über die Anwendbarkeit des § 839 Abs. 3 BGB entschieden, sondern dessen Prüfung dem Betragsverfahren vorbehalten (vgl. BGH, U.v. 25.10.2007 – III ZR 62/07 – juris Rn. 12). Damit war § 839 Abs. 3 BGB nicht Gegenstand dieser Rechtsprechung.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 60.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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