Baurecht

Erschließungsbeitrag, zeitlich gestreckte Fertigstellung von Teilstrecken einer Erschließungsanlage, mehrere Vorausleistungsbescheide, zwingende Abschnittsbildung (verneint), historische Straße (verneint), Innerortslage/Erschließungsfunktion, Teuerung

Aktenzeichen  M 28 K 18.2650

Datum:
15.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45669
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5a
AO § 119
AO § 125
Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 KAG
AO § 157
AO § 170

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Entscheidung konnte ohne (weitere) mündliche Verhandlung getroffen werden, da die Parteien sich hiermit (mit Schriftsätzen vom 26. November 2021 und vom 14. Dezember 2021) einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist (mit dem zuletzt gestellten Klageantrag) zulässig. Der 2012 ergangene Erschließungsbeitragsbescheid löste mit Eintritt seiner Wirksamkeit die vorangegangenen Vorausleistungsbescheide ab (vgl. BayVGH, U.v. 3.7.2006 – 6 B 03.2544 – BayVBl 2007, 533, Rn. 15 und BayVGH, U.v. 22.7.2010 – 6 B 09.584 – juris Rn. 33).
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
A) Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht, wie von Klägerseite angeführt, nichtig wegen Unbestimmtheit.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG in ständ. Rechtsprechung, vgl. z. B. U.v. 17.10.1997 – 8 C 1.96 – juris Rn. 28 und U.v. 9.7.2019 – 9 B 29.18 – juris Rn. 10) ist geklärt, dass die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes eine besondere Ausnahme darstellt. Beitragsbescheide müssen dem Grundsatz der Bestimmtheit genügen. Ein Verwaltungsakt muss eindeutig und widerspruchsfrei erkennen lassen, wem gegenüber die Behörde was feststellt und von wem was verlangt wird. Der Beitragsbescheid muss die Bezeichnung der festgesetzten Abgabe nach Art und Betrag sowie die Angabe, wer Schuldner des festgesetzten Betrages ist, enthalten (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, 68. UPD April 2021, Rn. 1124). Zum notwendigen Inhalt gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG (nachfolgend stets in der im April 2018 geltenden Fassung) i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO eines Erschließungsbeitragsbescheids gehören lediglich die Art des erhobenen Beitrags, der geschuldete Betrag sowie der Schuldner, im Falle von Erschließungsbeiträgen das betroffene Grundstück. Der angefochtene Bescheid enthält alle diese Angaben und ist daher hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i.V.m. § 119 Abs. 1 AO. Er versetzt den Kläger in die Lage zu erkennen, was von ihm verlangt wird. Eine lage- oder längenmäßige Abgrenzung der abgerechneten Erschließungsanlage war insoweit nicht notwendig. Selbst bei Fehlen der Bezeichnung der abgerechneten Erschließungsanlage oder Angabe einer unrichtigen Anlage, führt das nicht zur Nichtigkeit des Bescheids. Denn die Bezeichnung der Erschließungsanlage, für die der Beitrag erhoben wird, gehört schon nicht zu den Mindesterfordernissen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b KAG i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO (Matloch/Wiens, a.a.O.). Somit liegt kein besonders schwerer und offensichtlicher Fehler i.S.v. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i.V.m. § 125 Abs. 1 AO, der die Annahme der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes rechtfertigen würde, vor.
Selbst wenn der Kläger die Bezeichnung „S … Straße“ hätte missverstehen können, könnte sich daraus allenfalls ein Begründungsmangel ergeben. Ein solcher liegt aber nicht vor, wenn die (vorrangige) Auslegung des Bescheids etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt; dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des angefochtenen Bescheids unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 43/95 – BVerwGE 104, 301 – 323 – juris Rn. 37). Ob ein Abgabenbescheid den Anforderungen hinreichender Bestimmtheit genügt, ist durch Auslegung seines verfügenden Teils in Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen festzustellen (BayVGH, B.v. 24.3.2015 – 6 CS 15.389 – juris Rn. 8). Für den streitgegenständlichen Bescheid ergibt sich aber schon kein Auslegungsbedürfnis. In der Klagebegründung wird eingeräumt, dass dem Erschließungsbeitragsbescheid vom 29. Mai 2012 die zu diesem Zeitpunkt ausgebaute S … Straße zugrunde liege. Nach Auffassung des Gerichts durfte der Kläger auch schon vorher zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass es mit den ausdrücklich als solchen bezeichneten Vorausleistungsbescheiden sein Bewenden haben würde. Darin war darauf hingewiesen worden, dass ein Gesamtausbau und eine einheitliche Abrechnung der S … Straße geplant war. Auch war ihm bekannt, dass die Beklagte keinen Beschluss zur Abschnittsbildung gefasst hatte, sodass auch die Lesart einer abschnittsweisen Abrechnung ausscheidet.
B) Der Bescheid ist auch rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die auf Art. 5a Abs. 1, Abs. 9 KAG i.V.m. §§ 128 ff. BauGB und der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 25. Februar 1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 14. April 1998 (EBS) fußende Beitragserhebung stellt sich dem Grunde und der Höhe nach als rechtmäßig dar.
I. Die für die streitgegenständliche Beitragsfestsetzung maßgebliche Erschließungsanlage („S … Straße“) beginnt im Westen am Abzweig von der R … straße (Westgrenze des Straßengrundstücks Fl.Nr. 223/1) und endet im Osten mit dem Übertritt in den (beidseitigen) Außenbereich an der südöstlichen Ecke der Fl.Nr. 21.
1. Die Abgrenzung der maßgeblichen Erschließungsanlage bestimmt sich an ihrem westlichen Beginn nach der sog. „natürlichen Betrachtungsweise“ (und nicht aus Rechtsgründen).
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der R … straße um eine der Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts nach Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG entzogene vorhandene Erschließungsanlage (sog. „historische Straße“) handeln könnte, so dass sich die erforderliche Abgrenzung schon aus Rechtsgründen ergeben würde, wurden weder von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht noch sind sie sonst der Kammer erkennbar. Insbesondere deutet das gesamte vorliegende Plan- und Fotomaterial darauf hin, dass die R … straße vor Inkrafttreten des erschließungsbeitragsrechtlichen Teils des BBauG/BauGB noch keine Erschließungsfunktion innehatte und auch ihr seinerzeitiger Ausbauzustand, insbesondere im Hinblick auf ihre Straßenentwässerung, nicht den seinerzeit jeweils geltenden Anforderungen entsprach.
Maßgeblich für die Beurteilung der Abgrenzung der Erschließungsanlage „S … Straße“ im Bereich der R … straße ist deshalb nach der sog. „natürlichen Betrachtungsweise“ der durch die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermittelte Gesamteindruck, der nicht durch Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder dem zeitlichen Ablauf von Planung und Bauausführung, sondern von der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung bestimmt wird (Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 7 unter Verweis auf ständige Rechtsprechung m.w.N.).
Das Gericht hat mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die örtlichen Verhältnisse anhand der von den Beteiligten vorgelegten Fotoaufnahmen (vgl. vor allem E-Mail der Beklagten vom 7. November 2019) ausführlich erörtert. Bei einer Gesamtwürdigung der örtlichen Verhältnisse am Westende des Straßengrundstücks Fl.Nr. 223/1 und dabei insbesondere der Betrachtung von Straßenverlauf, Straßenbreite und Straßenausstattung aus den drei maßgeblichen Blickrichtungen (R … straße von Norden und von Süden sowie S … Straße von Osten her kommend) spricht nach Überzeugung der Kammer deutlich mehr dafür, von einer Einmündung der S … Straße am Westende von Fl.Nr. 223/1 in die R … straße bzw. umgekehrt einem Abzweig der S … Straße von der R … straße auszugehen, als davon, dass sich die maßgebliche Erschließungsanlage, auf Fl.Nr. 69/2 von Norden kommend, in ihrem weiteren Verlauf über einen Platz (mit Baum in der Mitte) sodann in der S … Straße fortsetzen würde. Vielmehr setzt sich die Straße auf FlNr. 69/2, hier schon relativ geradlinig verlaufend, in der R … straße auf Fl.Nr. 288 fort. Wie die maßgebliche(n) Erschließungsanlage(n) im Bereich des angesprochenen Platzes im Einzelnen verläuft bzw. verlaufen oder ob dem Platz insoweit ggf. eine „trennende“ Funktion zukommen könnte, bedarf im Rahmen dieses Rechtsstreits keiner weiteren Erörterung, da die Frage des Abzweigs der S … Straße von der R … straße hiervon unberührt bleibt.
2. Das Ende der maßgeblichen Erschließungsanlage im Osten mit dem Übertritt in den (beidseitigen) Außenbereich an der südöstlichen Ecke der Fl.Nr. 21 bedarf keiner weiteren Ausführungen und wurde von Klägerseite auch nicht substantiiert in Frage gestellt.
3. Die insoweit nach der sog. „natürlichen Betrachtungsweise“ bestimmte maßgebliche Erschließungsanlage „S … Straße“ zerfällt auch nicht wegen ihrer zeitlich gestreckten erstmaligen Herstellung in zwei beitragsrechtlich unterschiedlich zu behandelnde Teilstrecken.
a) Zunächst ist auf Grund des klägerischen Vortrags klarzustellen, dass die Beklagte bezüglich der Erschließungsanlage „S … Straße“ keine Abschnittsbildung im beitragsrechtlichen Sinne (Art. 5a Abs. 9 KAG i.V.m. § 130 Abs. 2 BauGB) vornahm und sie diese auch nicht hätte vornehmen müssen.
Ob eine Gemeinde vom Instrument der Abschnittsbildung, dem eine Vorfinanzierungsfunktion zu Gunsten der Gemeinden zukommt, überhaupt Gebrauch machen will, steht in ihrem Ermessen. Art. 5a Abs. 1, Abs. 9 KAG i.V.m. §§ 128 ff. BauGB räumt den Gemeinden einen erheblichen eigenverantwortlichen Planungsspielraum in Bezug auf das „ob“ und das „wie“ der Anlegung von Erschließungsanlagen ein. Daher besteht grundsätzlich auch keine Verpflichtung der Gemeinde zur abschnittsweisen Abrechnung einer Straße nach deren Ausbau in Teilabschnitten; auch in diesem Fall bleibt es bei dem der Gemeinde zukommenden Ermessen (Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 720 m.w.N.), wobei sich die Ermessenserwägungen grundsätzlich auf die Vorfinanzierungsfunktion der Abschnittsbildung zu beschränken haben, d.h. an der Haushaltslage der Gemeinde zu orientieren haben (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 14 Rn. 33). Es besteht auch keine Verpflichtung, abweichend vom Prinzip der Abrechnung der Gesamtanlage Abschnitte nur deshalb zu bilden und gesondert abzurechnen, um eine als gerechter empfundene Belastung der Grundstückseigentümer zu erreichen; beitragsrechtlich besteht kein Raum für Überlegungen dazu, wie sich eine abschnittsweise Abrechnung auf die Beitragsbelastung für die einzelnen Grundstücke im Vergleich zu einer Abrechnung der gesamten Anlage auswirken würde (Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 10 Rn. 19; Driehaus, a.a.O.; ThürOVG, B.v. 23.11.2012 – 4 EO 571/09 – juris Rn. 38).
b) Die Erschließungsanlage „S … Straße“ zerfällt auch nicht wegen ihrer zeitlich gestreckten erstmaligen Herstellung in zwei beitragsrechtlich unterschiedlich zu behandelnde Teilstrecken.
Vorliegend erfolgte die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage „S … Straße“ im Wesentlichen durch zwei Baumaßnahmen: In den Jahren ca. 1979 bis 1982 in einer westlichen Teilstrecke (bis etwa an die Ostgrenzen der Fl.Nrn. 17/4 bzw. 280/4) sowie für die restliche östliche Teilstrecke ab dem Jahr 2006. Entscheidend für die zutreffende beitragsrechtliche Bewertung ist aber zugleich, dass bereits mit dem Bebauungsplan aus dem Jahr 1976, also zeitlich noch vor den ersten Baumaßnahmen zur Herstellung der S … Straße, die Fortführung der S … Straße bis zum Bereich des heutigen Endes der Erschließungsanlage (südöstliche Ecke der Fl.Nr. 21) schon planerisch festgesetzt wurde. Da die Beklagte somit stets die Anlage in ihrer zuletzt abgerechneten Ausdehnung im Blick hatte, kann nicht von einem „Zerfallen“ der Erschließungsanlage bzw. einer Verlängerung ausgegangen werden.
Wird eine zum Anbau bestimmte Straße verlängert, so kann die Verlängerungsstrecke in Abweichung vom Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise als weitere, also zusätzliche Erschließungsanlage zu werten sein. Dafür müsste aber für die bereits früher endgültig hergestellte Anbaustraße die sachlichen Beitragspflichten entstanden sein (Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.). Dies wiederum ergibt sich jedoch erneut aus dem planerischen Willen der Gemeinde (Matloch/Wiens, a.a.O.). Dieser bezog sich ausweislich des Bebauungsplans von 1976 auf den Ausbau der S … Straße in ihrer endgültig abgerechneten Ausdehnung. Auch wenn nach 1983 die Arbeiten mehr als 25 Jahre nicht fortgeführt wurden, die Straßenbaumaßnahme also über geraume Zeit hinter der ursprünglichen gemeindlichen Planung zurückblieb, so wurde diese dennoch nicht endgültig aufgegeben (vgl. Matloch/Wiens, a.a.O.). Von einer endgültigen Beendigung kann nur dann ausgegangen werden, wenn eine Anlage über viele Jahre nicht weitergebaut wurde und die Gemeinde erklärt, sie habe ihre Ausbauabsichten jedenfalls für die nächsten zehn Jahre endgültig aufgegeben. Dann kommt eine Qualifizierung der späteren Verlängerung als neue, selbstständige Erschließungsanlage in Betracht (BVerwG, U.v. 12.5.2016 – 9 C 11/15 – juris Rn. 28). Die Beklagte hatte ihre in der Bauleitplanung von 1976 manifestierten Planungen aber zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Auch für den Kläger ersichtlich war deren Verwirklichung lediglich aufgrund der Verhandlungen der Beklagten mit den weiteren Anliegern ins Stocken geraten. Die mehrfachen Bebauungsplanänderungen zeigen aber, dass deren planerische Absichten sowohl hinsichtlich der baulichen Entwicklung als auch hinsichtlich der diesbezüglichen Erschließungsfunktion der S … Straße Bestand haben sollten.
c) Dieses Ergebnis bedarf auch keiner Korrektur unter dem Gesichtspunkt der Verteuerung der Herstellungskosten der S … Straße, wie dies der Kläger fordert, selbst wenn man berücksichtigt, dass zwischen der Fertigstellung des ersten und des zweiten Bauabschnitts mehr als 25 Jahre liegen und der zeitliche Abstand zwischen Ergehen des ersten Vorausleistungsbescheids 1983 und dem endgültigen Erschließungsbeitragsbescheid 2012 mehr als 29 Jahre beträgt.
Der Kläger weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine Abschnittsbildung und entsprechende Kostenaufteilung vorgelegen hätten. Er erblickt eine Mehrbelastung der Anlieger des ersten Bauabschnitts darin, dass die dafür angefallenen Baukosten auf weniger Anliegergrundstücke verteilt worden seien, während an den gestiegenen Baukosten mehr Anlieger beteiligt worden seien. Hinzu komme, dass der erste Abschnitt mit „teurerem“ Geld habe bezahlt werden müssen, wohingegen in der Folgezeit eine Geldentwertung stattgefunden habe.
Dem ist bereits entgegenzuhalten, dass eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vorausleistungserhebung aus dem Jahr 1983, etwa bezüglich des Kreises der herangezogenen Anlieger, im vorliegenden Verfahren – auch inzident – nicht mehr erfolgen kann. Insoweit wäre seinerzeit Rechtsschutz mit ggf. der Folge einer Korrektur der festgesetzten Vorauszahlungen zu suchen gewesen. Konkret im Fall des Klägers bleibt insoweit ohnehin anzumerken, dass dieser die Forderung aus dem Vorausleistungsbescheid von 1983 nie beglichen hat, da diese 1985 niedergeschlagen wurde. Er war also von der seitherigen – behaupteten – Geldentwertung nicht betroffen, im Gegenteil, er konnte, obwohl ihm die Herstellungsmaßnahme und die daraus resultierende künftige Beitragspflicht erkennbar waren, die hierauf entfallenden Geldmittel in der Zwischenzeit ggf. gewinnbringend anderweitig verwenden.
Wegen der bloßen Anrechnung gezahlter Vorausleistungen auf die jeweilige Beitragsfestsetzung, die sich aus den gesamten, auf alle im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflichten anliegenden Grundstücke verteilten Herstellungskosten ergibt, geht im Übrigen auch die Annahme fehl, durch das Vorgehen der Gemeinde würden unterschiedlich hohe Baukosten der beiden Teilstrecken auf unterschiedlich viele Anlieger verteilt werden.
Im Übrigen ist in Rechtsprechung und Literatur in gleichsam der Umkehrung der vom Kläger beanstandeten Situation anerkannt, dass bei der erforderlichen Überprüfung der Zulässigkeit beitragsrechtlicher Abschnittsbildungen am Maßstab des Willkürverbots preissteigerungsbedingte Mehrkosten außer Betracht zu bleiben haben. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass es das Gesetz in Kauf nimmt, dass bei der Abrechnung eines Straßenabschnitts die Anlieger dieses Abschnitts mit geringeren oder höheren Kosten belastet werden als etwa die Anlieger eines zu anderer Zeit abgerechneten anderen Abschnitts derselben Straße, auch wenn ihr Erschließungsvorteil vergleichsweise nicht geringer oder höher ist. Eine solche Ungleichbehandlung ist vom Gesetz toleriert und auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Preissteigerungsbedingte Mehrkosten sind mithin grundsätzlich nicht geeignet, etwas für den Verstoß gegen das Willkürverbot herzugeben (insgesamt hierzu: Driehaus, a.a.O., § 14 Rn. 26 m.w.N. auch aus der Rechtsprechung; auch im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen hat das BVerwG, U.v. 21.1.2015 – 9 C 1.14 – BeckRS 2015, 43938, im Übrigen festgestellt, dass überwiegend inflationsbedingte Mehrkosten der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage die Geschäftsgrundlage eines Ablösungsvertrags grundsätzlich unberührt lassen). Entsprechendes muss auch für die vom Kläger geforderte Abschnittsbildung bzw. Kostenaufteilung gelten.
Im Übrigen muss auch aus Praktikabilitätsgründen die Abrechnung von Erschließungsbeiträgen anhand feststehender Kriterien erfolgen, die nicht alle Umstände des Einzelfalls erschöpfend abbilden können. Zu diesen Umständen gehört neben den Faktoren der Verteuerung von Herstellungskosten bzw. einer ggf. inflationsbedingten Geldentwertung auch die in den 1980er Jahren erfolgte unentgeltliche Grundabtretung einzelner Straßenanlieger für die Verbreiterung der S … Straße. Mit einem Erschließungsbeitrag wird zwar ein Sondervorteil abgegolten, jedoch ist der Beitrag nicht mit dem identisch, was sich im Einzelfall als exakt errechenbare Wertsteigerung infolge der Erschließung einstellt (vgl. OVG des Saarlandes, U.v. 3.11.1988 – 1 R 83/87 – juris). Unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung lässt sich dem Kläger im Übrigen vor allem entgegnen, dass er von der zeitlich vorgezogenen Verwirklichung des ersten Bauabschnitts auch profitiert hat, da sein Grundstück schon dann durch eine erstmals hergestellte Straße erschlossen war. Hätte die Beklagte bis zum vollständigen Abschluss der Bauleitplanung entlang der S … Straße zugewartet, wäre dies nicht der Fall gewesen und die Kosten für die Herstellung der Gesamtstrecke wären ebenfalls höher ausgefallen.
II. Die oben (I.) ermittelte Abgrenzung der maßgeblichen Erschließungsanlage „S … Straße“ ist auch nicht deshalb zu korrigieren, weil ein Teilstück dieser Erschließungsanlage als sog. „historische Straße“ dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts nach Art. 5a Abs. 7 Satz 1 KAG entzogen sein könnte und damit mit einer späteren Verlängerungsstrecke aus Rechtsgründen keine einheitliche Anlage bilden könnte.
1. Der insoweit zwischen den Beteiligten und dem Gericht auf Grund der mündlichen Verhandlung und sodann im schriftlichen Verfahren ausführlich diskutierte Aspekt, dass – nach glaubhaften Angaben und Unterlagen des Klägers – an das Anwesen des Klägers Fl.Nr. 16 bereits Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Südseite des Grundstücks heran- und heraufgefahren und dafür die heutige S … Straße auf einer Länge von (ab der R … straße) ca. 30 bis 40 Metern benutzt wurde, verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Zwar erschiene durchaus vorstellbar, dass der Zustand der S … Straße damals den für einen ländlichen Bereich wie E … Anfang des 20. Jahrhunderts zu fordernden Herstellungsanforderungen entsprach. Es mangelt aber an der erforderlichen Erschließungsfunktion. Mangels Innerortslage kam der S … Straße bis in die späten 1960er Jahre hinein keine Erschließungsfunktion zu. Auch das Anwesen des Klägers befand sich bis dahin nicht innerhalb eines Bebauungszusammenhangs:
Regelvoraussetzung einer vorhandenen Erschließungsanlage ist zunächst die Innerortslage (OVG NRW, U.v. 23.11.2001 – 3 A 1725/00 – NVwZ-RR 2002, 876) bzw. der Verlauf innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. Soweit bzw. so lange diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist die Straße nicht zum Anbau bestimmt und es fehlt an der Funktion einer Erschließungsanlage. Eine zunächst nur als Zufahrt zu landwirtschaftlich genutzten Flächen dienende Straße kann sich allmählich zu einer zum Anbau bestimmten Straße wandeln. Für die Beantwortung der Frage nach der erstmaligen Herstellung kommt es dann auf den Zeitpunkt des Funktionswandels an. Die Funktion einer Erschließungsanlage erhält eine Straße im unbeplanten Gebiet nicht schon dadurch, dass einzelne an ihr liegende Grundstücke bebaut werden. Ihre rechtliche Qualität ändert sich erst dann, wenn an ihr eine gehäufte Bebauung einsetzt und zumindest für eine Straßenseite bauplanungsrechtlich eine Innenbereichslage i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB zu bejahen ist (BayVGH, U.v. 7. März 2002 – 6 B 98.137 – BeckRS 2002, 31488). Solange es an einem Bebauungszusammenhang oder gehäufter Bebauung fehlt, liegt keine zum Anbau bestimmte Straße vor (BeckOK BauGB/Eiding, 53. Ed. 1.8.2021, BauGB § 127 Rn. 31.2 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 17.10. 2007 – 6 ZB 06.1635 – BeckRS 2007, 30623). Unter einem Bebauungszusammenhang ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine tatsächlich aufeinander folgende Bebauung zu verstehen, die trotz etwaiger Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Maßgeblich sind dabei nur solche Anlagen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen.
Bis in die späteren 1960er Jahre hinein fehlte es beidseitig an einem Bebauungszusammenhang entlang der S … Straße. Der Umstand, dass über den von der R … straße abzweigenden Ansatz der S … Straße nur auf das klägerische Grundstück zugefahren wurde, hilft weder über den fehlenden Bebauungszusammenhang hinweg, noch wird sie damit zu einer zum Anbau bestimmten Straße mit Erschließungsfunktion. Die Benutzbarkeit des Ansatzes der S … Straße lag einzig im Interesse der Rechtsvorgänger des Klägers und nicht im Allgemeininteresse. Dazu bedürfte es eines Bebauungszusammenhangs zumindest auf einer Straßenseite, welcher nach Überzeugung der Kammer zur maßgeblichen Zeit nicht vorgelegen hat.
Die früheren Verhältnisse können nur mittels des verfügbaren Kartenmaterials rekonstruiert werden. Die verfügbaren Karten vermitteln aber einen hinreichend genauen Eindruck: Auf einer Karte von 1910 ist ersichtlich, dass sich schon damals südlich des H …weges auf den Standorten der heutigen Anwesen 11/11a, 9 und 1 drei bauliche Anlagen befanden, darunter das Anwesen des Klägers mit der Hausnummer 1. Nördlich des H …wegs sind es zwei weitere Gebäude und östlich davon ein weiteres. Diese scheinen zum H …weg hin orientiert, was an eine Erschließung über diesen denken lässt; zumal bezüglich der S … Straße und auch dem R.weg die Eintragung in der Flurkarte auf einen abweichenden, geringeren Ausbauzustand hindeuten könnte. Für das Gebäude, das auf gleicher Höhe westlich der R … straße liegt, erscheint die Zuordnung zum Hauptort oder zu der soeben erwähnten Gebäudeansammlung jeweils nicht zwingend. Die unterschiedliche Einfärbung der abgebildeten baulichen Anlagen lässt vermuten, dass sie jeweils über einen Wohn- und einen Wirtschaftsteil verfügten, also durchaus dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienten. Der Karte von 1933 zufolge könnte dann bereits ein besserer Ausbauzustand von S … und R … straße geherrscht haben. Die Bebauung auf dem klägerischen Grundstück weist – im Einklang mit den Angaben des Klägers von der Zerstörung des früheren Gebäudes durch einen Brand – nun eine andere Kubatur auf. Zahlenmäßig ist die Bebauung unverändert. Die Zuordnung der weiter westlich gelegenen Gebäude bleibt weiter unklar. Überhaupt scheinen die einzelnen Gebäude nicht in Bezug zueinander zu stehen. Es dürfte sich um einzelne Hofstellen gehandelt haben. Die Karte von 1961 zeigt ein weitgehend unverändertes Bild. Lediglich auf der Fl.Nr. 17/4 ist auf dem Standort der heutigen Hausnummer 5 ein Gebäude dazu gekommen. Erst ab 1978 kamen in Verwirklichung des Bebauungsplans von 1976 weitere Gebäude hinzu.
Bei einer Gesamtschau dieses vorliegenden Kartenmaterials wirkte die bis dahin vorhandene Ansammlung von Gebäuden eher beliebig, ohne einen Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit zu erwecken oder Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur zu sein. Auch besaß die Zahl der vorhandenen Bauten kein hinreichendes Gewicht. Einen Bezug zu dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil der (damals noch eigenständigen) Gemeinde E … sucht man vergeblich. Zwar ist bei den unmittelbar am H …weg gelegenen Gebäuden wegen ihrer räumlichen Nähe ein gewisser Bezug zueinander nicht von der Hand zu weisen, jedoch fehlt es bei nur drei Gebäuden an einem ausreichenden zahlenmäßigen Gewicht. Das weiter südlich gelegene Gebäude wirkt wegen der räumlichen Distanz schon nicht zusammengehörig mit den Übrigen. Ebenso verhält es sich mit den (auch) an die R … straße angrenzenden Gebäuden auf den Fl.Nrn. 11 und 9/1. Sie wirken nicht zugehörig zu der Ansammlung von sechs Gebäuden auf den heutigen Fl.Nrn. 12, 13/3, 16, 18, 19/1, 19/2, welche ihrerseits eher willkürlich als organisch gewachsen erscheint. Sie stellt sich eher als beliebig wirkende Bebauung mit zerfaserten Rändern ohne hinreichende Anbindung an den Ortskern von E … dar. Wenn man zuvor dennoch den Platz, an dem H …weges, S … und R … straße zusammentreffen als verbindendes Element anerkennen möchte, welches im Ansatz eine organische Siedlungsstruktur vermitteln könnte, genügten die dieser maximal zuzurechnenden sieben Gebäude nach überwiegender Auffassung nicht für ein ausreichendes zahlenmäßiges Gewicht an Bebauung. Und selbst wenn man die teilweise vermutete (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang/Reidt, 15. Aufl. 2022, BauGB § 34 Rn. 16 m.w.N.) Untergrenze von bereits sechs Gebäuden genügen lassen und deren eher beliebig wirkende Anordnung vernachlässigen möchte, hilft dies nicht darüber hinweg, dass eine nennenswerte Bebauung entlang der S … Straße nicht vorhanden war. Etwas anderes dürfte sich erst mit der Bebauung des keilförmigen Grundstücks zwischen S … und R … straße 1976 ergeben haben. Davor fehlte es an der Innerortslage und damit an der Erschließungsfunktion. Ein planerischer Wille zur Siedlungsentwicklung an dieser Stelle kann zudem erst in der Aufstellung eines Bebauungsplans 1963/64 erkannt werden.
2. Klarstellend ist im Übrigen anzumerken, dass im Zeitpunkt der Entwicklung einer Siedlungsstruktur und einer Bebauung von gewissem Gewicht entlang der S … Straße die sodann geltenden Herstellungsanforderungen nicht (mehr) erfüllt waren.
Als die S … Straße in der Folgezeit allmählich die Qualität einer zum Anbau bestimmten Straße erlangte, genügte sie nicht mehr den dann geltenden Anforderungen an eine endgültige Herstellung. Welche Merkmale eine Straße aufweisen musste, um nach dem bis 29. Juni 1961 geltenden Recht als endgültig hergestellt gelten zu können, bestimmt sich nach den landesrechtlichen und örtlichen straßenbaurechtlichen Vorschriften sowie städtebaulichen Regelungen, nach etwaigen Richtlinien für den Abschluss von Straßensicherungsverträgen, nach der erkennbar gewordenen Straßenplanung der Gemeinde und, falls es an dahingehenden Unterlagen fehlt, nach den örtlichen Verkehrsbedürfnissen (BayVGH, U.v. 10.4.2001 – 6 B 96.2239 – BayVBl. 2002, 602). Die Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten von 1964 verlangt gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 EBS u.a. eine Straßenentwässerung, welche für die S … Straße erst nach 1979 hergestellt wurde. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 6 ZB 18.1516 – juris Rn. 7) statuiert nach objektivem Verkehrsbedürfnis schon eine zielgerichtete Abführung des Oberflächenwassers als seit 1934 geltende Anforderung. Eine solche war frühestens 1979 vorhanden (vgl. die Ermittlungsniederschrift zur erstmaligen Anlegung des Bestandsverzeichnisses für die Orts straße E … – S … Straße mit der Beschaffenheit „Leichtausbau“ und der Beschreibung der Straßendecke als „Kiesdecke“). Frühestens ab dann könnte von einer endgültigen Herstellung ausgegangen werden.
III. Die ordnungsgemäße Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands wurde von der Klägerseite schon nicht substantiiert in Frage gestellt. Die Kammer hat insoweit auch keine Zweifel. Gleiches gilt für die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands auf die erschlossenen Grundstücke. Soweit die Klagepartei insoweit noch im Widerspruchsverfahren die Nichtheranziehung der Fl.Nr. 153 („Wasserreserve“) ansprach, liegt auf der Hand und bedarf es keiner weiteren Ausführungen, dass dieses Außenbereichsgrundstück nicht in die Verteilung einzubeziehen ist.
IV. Die Heranziehung des Klägers zum streitgegenständlichen Erschließungsbeitrag begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere steht auch die Ausschlussfrist des Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG der Heranziehung nicht entgegen und war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
1. Gemäß Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist spätestens 30 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eingetreten ist, die Festsetzung eines Beitrags ausgeschlossen. Der Begriff der Vorteilslage knüpft an rein tatsächliche, für den möglichen Beitragsschuldner erkennbare Gegebenheiten an und lässt rechtliche Entstehungsvoraussetzungen für die Beitragsschuld außer Betracht (vgl. LT-Drs. 17/370, S. 13). Es kommt demnach für die Ausschlussfrist mit Blick auf eine beitragsfähige Erschließungsanlage i.S.d. Art. 5a Abs. 2 KAG auf die tatsächliche – bautechnische – Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme an, nicht aber auf die rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten, wie die Widmung der Anlage, die planungsrechtliche Rechtmäßigkeit ihrer Herstellung, die Wirksamkeit der Beitragssatzung oder den vollständigen Grunderwerb als Merkmal der endgültigen Herstellung (BayVGH, U.v. 24.2.2017 – 6 BV 15.1000 – BayVBl. 2017, 522 Rn. 30). Ob eine Erschließungsmaßnahme tatsächlich durchgeführt und die Vorteilslage folglich eingetreten ist, beurteilt sich nicht nach den begrifflich schwer einzugrenzenden allgemeinen Vorstellungen von einer Benutzbarkeit und Gebrauchsfertigkeit der Anlage oder einer ausreichenden Erschließung der angrenzenden Grundstücke. Die Vorteilslage tritt nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vielmehr (erst) dann ein, wenn sie endgültig technisch fertiggestellt ist, das heißt dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht (BayVGH, B.v. 4.11.2020 – 6 ZB 20.1569 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Gemessen hieran hätte etwa im Jahr 1982 die S … Straße – weil der Bebauungsplan aus dem Jahr 1976 sie entsprechend festsetzte, vgl. bereits oben – bereits auf ihrer gesamten Länge im vorgenannten Sinne endgültig technisch fertiggestellt sein müssen. Dies war indes, obwohl die Beklagte keine detaillierte Dokumentation des Zustands der S … Straße vor den jeweiligen Baumaßnahmen vorlegen konnte, zweifelsfrei nicht der Fall und ergibt sich schon hinreichend aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Luftbildern der Bayer. Vermessungsverwaltung (Aufnahmedaten 24. Mai 2003 und 25. April 2009). Hieraus wird deutlich erkennbar, dass die S … Straße in ihrer östlichen Teilstrecke vor den diesbezüglichen, ab dem Jahr 2006 durchgeführten Baumaßnahmen schon bezüglich der Straßenbreite keinesfalls dem durch den Bebauungsplan vorgegebenen gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen Teileinrichtungen entsprach und dass dies den Anliegern auch erkennbar war.
2. Dass hinsichtlich der Beitragsforderung der Beklagten bereits Festsetzungsverjährung (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. §§ 169 ff. AO) eingetreten wäre, wurde von der Klägerseite schon nicht substantiiert behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Nachdem die letzte Rechnung für die streitgegenständliche Baumaßnahme bei der Beklagten erst im Jahr 2009 eingegangen ist, hat die Festsetzungsverjährung gemäß § 170 Abs. 1 AO auch erst mit Ablauf des Jahres 2009 zu laufen begonnen, sodass der hier streitgegenständliche Bescheid noch rechtzeitig innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist ergangen ist.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Abs. 1 ZPO, nachdem kein Fall des § 708 Nr. 11 ZPO vorliegt.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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