Baurecht

Erweiterung der Verkaufsfläche eines Lebensmitteldiscountmarktes

Aktenzeichen  M 11 K 17.3753

Datum:
16.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7948
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 12, § 30 Abs. 2, § 31 Abs. 2
BauNVO § 11 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Es kann widersprüchlich sein, sich auf die Unwirksamkeit eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu berufen, dessen günstige Rechtswirkungen man zuvor für sich in Anspruch genommen hat. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan unterliegt auch dann nicht unmittelbar und strikt den rechtlichen Vorgaben der Baunutzungsverordnung, wenn die Gemeinde sich ausdrücklich und gewollt deren Regelungen unterworfen hat. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist unschädlich, in einem Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel neben großflächigen Einzelhandelsbetrieben auch Einzelhandelsbetriebe vorzusehen oder einzubeziehen, die nicht großflächig sind, wenn sie nicht dazu führen, dass das Baugebiet seine charakteristische Prägung als Sondergebiet für den großflächigen Einzelhandel verliert. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. § 11 Abs. 2 S. 1 BauNVO lässt es zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche für die Grundstücke im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan gestattet auch die Festsetzung von Lärmemissionskontingenten, wenn dies im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und Ordnung zur Beschreibung des Vorhabens erforderlich ist. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
Dabei kann offenbleiben, ob sie bereits wegen unzulässiger Rechtsausübung unzulässig ist.
Es kann widersprüchlich sein, sich auf die Unwirksamkeit eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu berufen, dessen günstige Rechtswirkungen man zuvor für sich in Anspruch genommen hat (vgl. ausführlich VGH Baden-Württemberg, U.v. 8.3.2018 – 8 S 1464/15 – ZfBR 2018, 385 = juris Rn. 89 ff.).
Vorliegend hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sie nicht Vorhabenträgerin gewesen, sondern lediglich Mieterin sei. Demnach kann ihr wohl nicht entgegengehalten werden, dass sie die streitgegenständliche Planung selbst maßgeblich beeinflusst hätte. Andererseits betreibt sie ihren Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von derzeit 811,49 m² auf der Grundlage des vorhabenbezogenen Bebauungsplans, der hierfür ohnehin nur eine Verkaufsfläche von 800 m² vorsieht. Demnach könnte es rechtsmissbräuchlich sein, wenn sich die Klägerin nun im Wesentlichen auf die Unwirksamkeit der Verkaufsflächenbegrenzung beruft, die ein tragendes Merkmal der Planung war (hierzu s.u.). Gleiches gilt für die vermeintliche Unbestimmtheit, welche die Klägerin nun allein zum Zwecke der weiteren Ausweitung der Verkaufsfläche aufgreift, während sie hiergegen nichts einzuwenden hatte, als sie den Betrieb ihres Lebensmitteldiscountmarktes aufnahm. Geänderte Umstände sind nicht ersichtlich. Die Klägerin macht lediglich einen geänderten „Filialstandard“ geltend, bei dem das unveränderte Sortiment auf einer größeren Fläche präsentiert werden soll. Diese Änderung entstammt aber ihrer eigenen Willenssphäre und beruht auch nicht auf unvorhersehbaren Entwicklungen.
II.
Die Klage ist aber jedenfalls unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil sie keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Bauvorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
Dabei kann offenbleiben, ob – wie das Landratsamt meint – der vorhabenbezogene Bebauungsplan die Voraussetzungen für einen qualifizierten Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 BauGB) erfüllen würde. Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben gemäß § 30 Abs. 2 BauGB zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Die Frage der Zulässigkeit eines Vorhabens wird demnach unabhängig von der Qualifizierung des Bebauungsplans abschließend in dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan bestimmt (Söfker in Ernst/Zinkahn, BauGB, § 30 Rn. 30 a.E.). Vorliegend widerspricht das Vorhaben dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan.
1. Der streitgegenständliche vorhabenbezogene Bebauungsplan, der ebenso wie andere Bebauungspläne der Inzidentkontrolle durch das Gericht unterliegt (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn, BauGB, § 12 Rn. 165), ist wirksam.
Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann eine Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB verpflichtet (Durchführungsvertrag).
a) Formelle Mängel sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Durchführungsvertrag zwischen der Marktgemeinde und dem Vorhabenträger ist vor dem Satzungsbeschluss geschlossen worden.
b) Auch in materieller Hinsicht bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan.
aa) Der beigeladene Markt verfolgt mit ihm ein nachvollziehbares städtebauliches Konzept (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Aus der Projektbeschreibung in dem Vorhaben- und Erschließungsplan, der Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist (§ 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB), ergibt sich, dass auf dem ehemaligen Kasernenareal neben Bereichen für Wohnen und Gewerbe ein Gebiet für die Ansiedlung im Handels- und Dienstleistungsbereich ausgewiesen werden sollte. Die Konzeption sieht ein klassisches Nahversorgungszentrum mit Lebensmittelvollsortimenter (maximal 1.250 m² Verkaufsfläche) und Discounter (maximal 800 m² Verkaufsfläche), ergänzt um weitere kleinteiligere Dienstleister sowie ca. 400-500 m² Büro-, Praxis- und Dienstleistungsflächen im Obergeschoss vor. Die Nutzungen sollen in einem markanten Baukörper räumlich zusammengefasst werden. Auf einer zentralen Stellplatzanlage sollen ca. 140 Stellplätze zur Verfügung stehen. Dieses Konzept ist verwirklicht worden.
bb) Die Bezeichnung des Plangebiets als „Sondergebiet großflächiger Einzelhandel“ ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BauGB ist die Gemeinde im Bereich eines Vorhaben- und Erschließungsplans bei der Bestimmung der Zulässigkeit von Vorhaben nicht an die Festsetzungen nach § 9 BauGB oder die Vorgaben der Baunutzungsverordnung gebunden. Vorliegend hat der beigeladene Markt dennoch in dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan unter Ziff. 1.2 der textlichen Festsetzungen ein „Sondergebiet SOgEh (§ 11 BauNVO 1990)“ festgesetzt. Daraus folgert die Klägerin, dass der Beigeladene an den Typenzwang der Baunutzungsverordnung gebunden sei, weil er sich freiwillig deren Regelungen unterworfen habe. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan unterliegt aber auch dann nicht unmittelbar und strikt den rechtlichen Vorgaben der Baunutzungsverordnung, wenn die Gemeinde sich ausdrücklich und gewollt deren Regelungen unterworfen hat (BVerwG, U.v. 6.6.2002 – 4 CN 4/01 – BVerwGE 116, 296 = juris Rn. 17 ff.; BayVGH, B.v. 5.2.2015 – 2 CS 14.2456 – juris Rn. 25; B.v. 23.8.2018 – 1 NE 18.1123 – juris Rn. 18). Der Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB ist eindeutig. Ein wesentlicher Unterschied zum qualifizierten Bebauungsplan liegt deshalb gerade in der gestalterischen Breite des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (BVerwG, B.v. 6.3.2018 – 4 BN 13/17 – ZfBR 2018, 376 = juris Rn. 31). Soweit es das Bundesverwaltungsgericht gleichwohl als sinnvoll erachtet hat, auch für den Inhalt eines Vorhaben- und Erschließungsplans auf die aus der Bauleitplanung im Übrigen bekannte „Plansprache“ zurückzugreifen und die Begriffe, zeichnerischen Festsetzungen und Planzeichen zu verwenden, die sich aus § 9 BauGB, der Baunutzungsverordnung und der Planzeichenverordnung ergeben, zielt dies auf den Maßstab einer geordneten städtebaulichen Entwicklung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB), die Leitlinien- und Orientierungsfunktion der Baunutzungsverordnung sowie die Erfordernisse der Rechtssicherheit. Inhaltliche Einschränkungen der Festsetzungsermächtigung ergeben sich hieraus nicht (BVerwG, B.v. 6.3.2018 – 4 BN 13/17 – ZfBR 2018, 376 = juris Rn. 33). Gemessen an diesen Grundsätzen verstoßen die streitgegenständlichen Festsetzungen entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gegen § 11 BauNVO 1990.
(1) Der Beigeladene konnte zutreffend ein Sondergebiet auswiesen, weil nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1990 großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig sind. Einzelhandelsbetriebe sind großflächig im Sinne dieser Vorschrift, wenn Sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten (BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 10/04 – BVerwGE 124, 364 = juris Rn. 12). Dies trifft vorliegend jedenfalls auf den Vollsortimenter zu.
(2) Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO 1990 sind für sonstige Sondergebiete die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Für Flächennutzungspläne ist geklärt, dass die Darstellung einer Sonderbaufläche mit dem Zusatz „großflächiger Einzelhandel“ diesen Anforderungen genügt (BVerwG, U.v. 18.2.1994 – 4 C 4/92 – BVerwGE 95, 123 = juris Rn. 18). Im Bebauungsplan muss die Festsetzung der Zweckbestimmung diejenigen Aussagen enthalten, die – ähnlich den ersten Absätzen der §§ 2 ff. BauGB – den Gebietscharakter des Sondergebiets umschreiben und damit den Rahmen setzen für die Festsetzung der Art der Nutzung (Söfker in Ernst/Zinkahn, BauGB, § 11 BauNVO Rn. 27). Daher muss die Zweckbestimmung eindeutig sein. Zweckbestimmung und Art der Nutzung müssen sich außerdem entsprechen, das heißt die Art der Nutzung muss sich aus der Zweckbestimmung des Sondergebietes ableiten (Söfker in Ernst/Zinkahn, BauGB, § 11 BauNVO Rn. 29). Zur Festsetzung der Nutzung gehört schließlich auch die Festsetzung, welche Anlagen allgemein zulässig, unzulässig oder ausnahmsweise zulassungsfähig sind (BVerwG, U.v. 14.4.1989 – 4 C 52/87 – NVwZ 1990, 257 = juris Rn. 16). Dies kann auch durch negative Beschreibungen in der Weise geschehen, dass bestimmte Anlagen unzulässig sein sollen (BVerwG, B.v. 18.2.2009 – 4 B 54/08 – ZfBR 2009, 364 = juris Rn. 5).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Zweckbestimmung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans hinreichend eindeutig. Unter der Überschrift „Festsetzungen durch Planzeichen“ wird als Art der baulichen Nutzung ein „Sondergebiet großflächiger Einzelhandel“ mit dem Planzeichen „SOgEH“ festgesetzt. Im Textteil wird die Abkürzung „SOgEh“ – wenn auch mit einem Tippfehler – wiederholt. Dass eine einmal eingeführte Abkürzung nicht erneut ausgeschrieben wird, ist unschädlich. Der Bebauungsplan enthält in den weiteren textlichen Festsetzungen unter Ziff. 1.2 sowohl Festsetzungen über die zulässigen wie auch über die unzulässigen Nutzungen. Dadurch kommt mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass das festgesetzte Sondergebiet in erster Linie zur Unterbringung großflächiger Einzelhandelsbetriebe in Gestalt eines Vollsortimenters und eines Lebensmitteldiscountmarktes dienen soll. Daneben sind – sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht – untergeordnete und ergänzende Nutzungen zulässig, die typischerweise mit solchen großflächigen Einzelhandelsbetrieben verbunden sind. Dies ergibt sich auch aus dem Vorhaben- und Erschließungsplan, der Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist (s.o.) und wird ferner durch die Begründung des Bebauungsplans bestätigt (vgl. Ziff. 5.1 der Begründung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans), die zur Konkretisierung der Zweckbestimmung eines Sondergebiets ergänzend herangezogen werden kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 24.7.1998 – 8 S 2952/97 – juris Rn. 23 m.w.N.). Im Übrigen ist es unschädlich, in einem Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel neben großflächigen Einzelhandelsbetrieben auch Einzelhandelsbetriebe vorzusehen oder einzubeziehen, die nicht großflächig sind (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn, BauGB, § 11 BauNVO Rn. 27), wenn sie nicht dazu führen, dass das Baugebiet seine charakteristische Prägung als Sondergebiet für den großflächigen Einzelhandel verliert. Die Zweckbestimmung muss nicht als Oberbegriff alle in dem Sondergebiet zulässigen Nutzungen benennen (VGH Baden-Württemberg, U.v. 24.7.1998 – 8 S 2952/97 – juris Rn. 24). Dies zeigt schon ein Vergleich mit den Regelungen in den §§ 2 ff. BauNVO für die dort aufgeführten Baugebiete. So enthält etwa § 4 Abs. 1 BauNVO die Aussage, dass ein allgemeines Wohngebiet vorwiegend dem Wohnen diene, und legt damit die allgemeine Zweckbestimmung dieses Gebiets fest. Dessen ungeachtet umfasst der Katalog der in einem solchen Gebiet generell zulässigen Nutzungen nicht nur Wohngebäude sondern auch der Versorgung des Gebiets dienende Läden, Schank- und Speisewirtschaften, nicht störende Handwerksbetriebe, sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
Entgegen der klägerischen Ansicht fehlt es damit auch nicht an der notwendigen Kongruenz zwischen der Zweckbestimmung und den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung. Anders als die Klägerin vorträgt, sind beispielsweise gerade nicht sämtliche Schank- und Speisewirtschaften zulässig, sondern nur „Schank- und Speisewirtschaften im Sinne von Bäckerei-Café, Bistro oder Imbiss“ mit maximalen Öffnungszeiten analog den gesetzlichen Ladenöffnungszeiten. Derartige Nutzungen finden sich im Eingangsbereich vieler großer Supermärkte.
(3) Die Ausweisung des Plangebiets als „Sondergebiet großflächiger Einzelhandel“ verstößt, anders als die Klägerin meint, auch nicht gegen § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990, der großflächige Handelsbetriebe, nicht aber großflächige Einzelhandelsbetriebe nennt. Der Katalog der möglichen Sondergebiete in § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO ist nicht abschließend (vgl. BVerwG, U.v. 18.8.1989 – 4 C 12/86 – NVwZ 1990, 362 = juris Rn. 21), wie sich bereits ohne weiteres aus dem Wortlaut „insbesondere“ ergibt.
(4) Die Festsetzung, dass ein Vollsortimenter und ein Lebensmitteldiscountmarkt zulässig sein sollen, ist schließlich auch hinreichend bestimmt. Durch diese Bezeichnungen wird mit Blick auf die Lebenswirklichkeit deutlich, welche Nutzungen beabsichtigt sein sollen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 2.6.2014 – 10 A 1343/12 – juris Rn. 49 für einen Lebensmitteldiscountmarkt).
cc) Die Begrenzung der Verkaufsflächen ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die Klägerin beruft, ist die Festsetzung einer baugebietsbezogenen, vorhabenunabhängigen Verkaufsflächenobergrenze zur Steuerung des Einzelhandels in einem Sondergebiet mangels Rechtsgrundlage grundsätzlich unzulässig (BVerwG, U.v. 3.4.2008 – 4 CN 3/07 – BVerwGE 131, 86 = juris Rn. 14 ff.; U.v. 24.3.2010 – 4 CN 3/09 – NVwZ 2010, 782 = juris Rn. 23).
Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan streitgegenständlich ist. Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan handelt es sich – wie schon die Bezeichnung verdeutlicht – seiner gesetzlichen Grundkonzeption nach um eine anlagen- und einzelfallbezogene Bauleitplanung (VGH Baden-Württemberg, U.v. 10.4.2014 – 8 S 47/12 – BauR 2014, 2064 = juris Rn. 89; BayVGH, B.v. 23.8.2018 – 1 NE 18.1123 – juris Rn. 13; B.v. 28.10.2019 – 1 CS 19.1882 – juris Rn. 4). Er ist darauf gerichtet, die planungsrechtlichen Grundlagen für ein im Vorhaben- und Erschließungsplan bestimmtes Projekt zu schaffen. Durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan wird nicht etwa allgemein irgendeine Bebauung des Plangebiets, sondern die Errichtung eines konkreten Vorhabens geregelt (BVerwG, U.v. 18.9.2003 – 4 CN 3/02 – BVerwGE 119, 45 = juris Rn. 23; B.v. 2.5.2018 – 4 BN 7/18 – NVwZ 2018, 1235 = juris Rn. 7). Ein Vorhaben in diesem Sinne kann auch ein Projekt sein, das aus einer Mehrzahl von Bauvorhaben besteht, die vom Vorhabenträger jedoch zu einer insgesamt zu verwirklichenden Einheit zusammengefasst sind (OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 3.12.2003 – 7a D 42/01.NE – ZfBR 2004, 473). Das Vorhaben muss im Vorhaben- und Erschließungsplan, unbeschadet etwaiger zusätzlicher Bestimmungen im vorhabenbezogenen Bebauungsplan, so konkret beschrieben werden, wie dies zur Beurteilung seiner bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 30 Abs. 2 BauGB erforderlich ist (Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 12 Rn. 17).
Vorliegend sieht der Vorhaben- und Erschließungsplan ein Nahversorgungszentrum mit einem Vollsortimenter mit einer Verkaufsfläche von 1.250 m² und einem Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von 800 m² vor. Beide Lebensmittelmärkte sind in den Lageplänen mit diesen Verkaufsflächen einzeln dargestellt. Es handelt sich demnach bereits nicht um vorhabenunabhängige Verkaufsflächenobergrenzen, sondern um Parameter, die der Beschreibung eines konkreten Vorhabens dienen.
Selbst wenn man dies anders sähe, kann eine baugebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung als Festsetzung der Art der baulichen Nutzung ausnahmsweise auf § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO gestützt werden, wenn in dem in Rede stehenden Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig ist; dann ist die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch (BVerwG, B.v. 9.2.2011 – 4 BN 43/10 – ZfBR 2011, 374 = juris Rn. 7; B.v. 6.8.2013 – 4 BN 24/13 – ZfBR 2013, 782 = juris Rn. 4). Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO der Gemeinde die Möglichkeit eröffne, die höchstzulässige Verkaufsfläche für das jeweilige Grundstück im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Grundstücksgröße durch eine Verhältniszahl (z.B. 0,3/0,5 etc.) festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, U.v. 3.4.2008 – 4 CN 3/07 – BVerwGE 131, 86 = juris Rn. 16). Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zitierten Entscheidung dahingehend konkretisiert, dass es für die Art der Nutzung freilich keinen Unterschied mache, ob die Gemeinde für einzelne Baugrundstücke im Plangebiet eine Verhältniszahl oder eine absolute Zahl festsetze, die sich ihrerseits durch den Bezug auf die Grundstücksgröße auch als Verhältniszahl ausdrücken ließe (BVerwG, U.v. 17.10.2019 – 4 CN 8/18 – BayVBl 2020, 58 = juris Rn. 33). § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lasse es deshalb auch zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche für die Grundstücke im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, a.a.O.).
Vorliegend ist der Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans auf das streitgegenständliche Grundstück beschränkt. Außerdem lassen sowohl die Formulierung in den Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans als auch die Ausführungen im Vorhaben- und Erschließungsplan keinen Zweifel daran aufkommen, dass vorhabenbezogen nur ein einziger Vollsortimenter mit einer Verkaufsfläche von maximal 1.250 m² und ein einziger Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von maximal 800 m² errichtet werden sollten. Das von der Klägerin beschriebene „Windhundrennen“ ist daher nicht zu befürchten (vgl. OVG Saarland, B.v. 29.10.2018 – 2 B 223/18 – juris Rn. 20). Im Übrigen sieht der vorhabenbezogene Bebauungsplan zwei auf die jeweiligen Märkte bezogene und folglich jeweils vorhabenbezogene Verkaufsflächenbegrenzungen vor. Der für das Gebiet festgesetzten Gesamtverkaufsflächenobergrenze von 2.050 m² kommt demgegenüber keine eigenständige baugebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkung zu. Sie beinhaltet vielmehr lediglich die Wiedergabe der Summe der bereits festgesetzten Verkaufsflächenobergrenzen der zwei zulässigen Lebensmittelmärkte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 29.5.2009 – 7 D 51/08.NE – juris Rn. 69). Von einer nach den dargelegten Grundsätzen in einem Sondergebiet unzulässigen betriebs- und grundstücksunabhängigen, gebietsbezogenen Festsetzung einer Verkaufsflächenobergrenze kann nach alledem keine Rede sein.
dd) Es liegt keine unzulässige Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben vor.
Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf berufen, dass eine Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben in einem sonstigen Sondergebiet nach § 11 Abs. 1 BauNVO mangels Rechtsgrundlage unwirksam sei (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2019 – 4 CN 8/18 – BayVBl 2020, 58 = juris Rn. 12).
Dabei übersieht die Klägerin erneut, dass es vorliegend, anders als in dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lag, um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB geht. Er ist darauf gerichtet, die planungsrechtlichen Grundlagen für ein im Vorhaben- und Erschließungsplan konkret bestimmtes Projekt zu schaffen (s.o.). Vorliegend sieht der Vorhaben- und Erschließungsplan in den Lageplänen im südlichen Bereich des streitgegenständlichen Gebäudekomplexes einen konkreten Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von 800 m² vor. Darin ist keine unzulässige Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben in einem sonstigen Sondergebiet nach § 11 Abs. 1 BauNVO im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu sehen, sondern eine Vorhabenbezogenheit, die dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan immanent ist.
Selbst wenn man dies anders sähe, muss die Unwirksamkeit einer Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Verkaufsflächenbeschränkungen führen (BVerwG, U.v. 17.10.2019 – 4 CN 8/18 – BayVBl 2020, 58 = juris Rn. 32). Im vorliegenden Fall bliebe es dann bei einer wirksamen grundstücksbezogenen Verkaufsflächenobergrenze (s.o.).
ee) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin erstmals geäußerten Ansicht sind schließlich auch die festgesetzten Lärmkontingente nicht unwirksam.
(1) In formeller Hinsicht verstößt die in Ziffer 1.7 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans getroffene Regelung der Emissionskontingente nicht gegen die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm. Bei der Bekanntmachung eines Bebauungsplans mit einer in den textlichen Festsetzungen in Bezug genommenen DIN-Vorschrift, die sich mit den Voraussetzungen der Zulässigkeit baulicher Anlagen im Plangebiet befasst, muss sichergestellt sein, dass der Betroffene von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen kann (BayVGH, U.v. 1.4.2015 – 1 N 13.1138 – BayVBl 2016, 852 = juris Rn. 15; U.v. 28.11.2019 – 2 N 17.2338 – juris Rn. 22). Vorliegend wird unter Ziff. 10 Abs. 2 der Verfahrensvermerke darauf hingewiesen, dass die in Bezug genommene DIN 45691 archivmäßig bei dem deutschen Patent- und Markenamt hinterlegt sei. Damit bestand die Möglichkeit zur zumutbaren Kenntnisnahme.
(2) Auch in materieller Hinsicht sind keine rechtlichen Bedenken ersichtlich. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan auch die Festsetzung von Lärmemissionskontingenten gestattet, wenn dies im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und Ordnung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) zur Beschreibung des Vorhabens erforderlich ist (BVerwG, B.v. 6.3.2018 – 4 BN 13/17 – ZfBR 2018, 376 = juris Rn. 31). Dabei ist es unschädlich, wenn für einen Bereich, in dem – wie hier – unterschiedliche Nutzungen und Anlagen zulässig sind, in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nur ein Lärmemissionskontingent festgesetzt ist (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 32). Eine Lärmemissionskontingentierung in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan erfordert auch keine Gliederung des Plangebietes anhand des Emissionsverhaltens der vorgesehenen Anlagen, weil die Gemeinde – wie dargelegt – nicht an die Baunutzungsverordnung und damit auch nicht an § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO gebunden ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 33).
2. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf eine Befreiung von dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass auch von einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 31 Abs. 2 BauGB befreit werden kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 8.3.2018 – 8 S 1464/15 – ZfBR 2018, 385 = juris Rn. 109; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 12 Rn. 64), so setzt dies voraus, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich jeweils nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (BayVGH, B.v. 24.10.2018 – 1 ZB 17.4 – juris Rn. 6). Bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan ist wegen des strikten Vorhabenbezugs bei der Annahme der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB besondere Zurückhaltung geboten (VGH Baden-Württemberg, U.v. 8.3.2018 – 8 S 1464/15 – ZfBR 2018, 385 = juris Rn. 109).
Gemessen an diesen Grundsätzen würde eine Verkaufsflächenerweiterung in der beantragten Größenordnung die Grundzüge der Planung berühren. Bei der Verkaufsfläche der beiden Lebensmittelmärkte handelt es sich vorliegend um einen grundlegenden Bestandteil der planerischen Konzeption. Wie bereits dargestellt, nahm der vorhabenbezogene Bebauungsplan das konkrete Vorhaben mit der genauen Verkaufsfläche in Bezug. Dem Beigeladenen kam es ersichtlich darauf an, ein Vorhaben mit einem Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von höchstens 800 m² zu verwirklichen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil er keine Anträge gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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