Baurecht

Fehlendes Sachbescheidungsinteresse für Baugenehmigung wegen dinglich gesicherten Bauverzichts

Aktenzeichen  AN 9 K 19.01032

Datum:
24.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19443
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 3
BGB § 133, § 157, § 1091

 

Leitsatz

1. Das Sachbescheidungsinteresse ist verwaltungsverfahrensrechtliche Voraussetzung für den geltend gemachten Verpflichtungsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung.(Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Auslegung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit über einen Bauverzicht.(Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung auf einen dinglich gesicherten Bauverzicht durch die Genehmigungsbehörde.(Rn. 32 – 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.  
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Nach dem die Parteien auf (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet haben, konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO entscheiden.
Die Klage ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 2017 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt; der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung oder Neuverbescheidung. Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheides verwiesen und ergänzend, insbesondere im Hinblick auf die Klagebegründung, Folgendes ausgeführt:
Der Kläger hat weder Anspruch auf Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung noch auf Neuverbescheidung, weil für seinen Bauantrag das Sachbescheidungsinteresse fehlt. Das Sachbescheidungsinteresse des Klägers ist materiell-rechtliche, nämlich verwaltungsverfahrensrechtliche Voraussetzung für den geltend gemachten Verpflichtungsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, in die Prüfung eines Bauantrags einzutreten, wenn der Kläger die Baugenehmigung zwar möglicherweise formal beanspruchen kann, jedoch klar ist, dass er aus Gründen außerhalb des Verfahrens einer Verwehrung der begehrten Baugenehmigung gehindert wäre und deshalb die Baugenehmigung ersichtlich nutzlos wäre; dies ist dann der Fall, wenn die privatrechtlichen Verhältnisse die Verwirklichung des Vorhabens nicht zulassen, d.h. der Verwirklichung der Baugenehmigung privatrechtliche Hindernisse entgegenstehen, die sich schlechthin nicht ausräumen lassen (BVerwG, B.v. 30.6.2004, 7 B 92/03, B.v. 12.8.1993, 7 B 123/93, juris).
Ein solches schlechthin nicht ausräumbares privatrechtliches Hindernis für die Verwirklichung des vom Kläger mit dem Bauantrag begehrten Vorhabens liegt hier in Form der die Bebauung des gegenständlichen Grundstücks vollständig ausschließenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Beklagten vor. Die Beklagte hat sich auf das sich aus dieser Dienstbarkeit ergebende Recht berufen und den Bauantrag abgelehnt, das Verhalten der Beklagten stellt sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Daneben steht einer Bebaubarkeit des gegenständlichen Grundstücks auch der Baueintrag im Lageplan in Verbindung mit den Auflagen der Baugenehmigung vom 11. Mai 2016 (* …*) entgegen, der das gesamte Baugrundstück Fl.-Nr. … umfasst und auch gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger der damaligen Eigentümerin und Adressatin des Bescheids gilt.
Gemäß der von der Rechtsvorgängerin des Klägers im Eigentum am Baugrundstück bewilligten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … für … Bl. …, dürfen in dem der Dienstbarkeit beiliegenden Lageplan schraffiert markierten Bereich des Grundstück FlNr. …(alt), das dem jetzt im vorliegenden Verfahren gegenständlichen Baugrundstück FlNr. … (neu) entspricht, keine baulichen Anlagen im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO ohne eine hierfür erforderliche Baugenehmigung errichtet oder gehalten werden; der genannte Bereich ist dementsprechend von baulichen Anlagen freizuhalten. Aus dem im Grundbuch eingetragenen Inhalt dieser Dienstbarkeit ergibt sich für die Kammer, dass das Baugrundstück insgesamt von baulichen Anlagen i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO freizuhalten ist. Der Auffassung der Klägervertreter, dass der Inhalt der Dienstbarkeit nur die Errichtung von baulichen Anlagen ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung untersagt, weshalb im Umkehrschluss bauliche Anlagen mit Baugenehmigung errichtet oder gehalten werden dürften, folgt die Kammer nicht. Dies ergibt sich nach Überzeugung der Kammer aus der Auslegung des Inhalts der Dienstbarkeit entsprechend §§ 133 und 157 BGB unter Berücksichtigung der Regelung in § 1091 BGB, wonach sich der Umfang einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Zweifel nach dem persönlichen Bedürfnis des Berechtigten bestimmt. Demnach ist der im Grundbuch eingetragene Inhalt der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit hier so zu verstehen, dass die mit der Dienstbarkeit belastete Grundstücksfläche, die sich aus dem der Dienstbarkeit beigefügten Lageplan ergibt und das gesamte Baugrundstück umfasst, von baulichen Anlagen freizuhalten ist. In dem Baugenehmigungsverfahren …, in dem der Rechtsvorgängerin des Klägers im Eigentum am Baugrundstück die Baugenehmigung für vier Einzel- und vier Doppelhäuser auf dem damals ungeteilten Grundstück FlNr. …(alt) erteilt wurde, und in dem von dieser die beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten der Beklagten bewilligt wurde, war sowohl der damaligen Bauherrin als auch der Beklagten als Baugenehmigungsbehörde nach dem Akteninhalt klar, dass Zweck der Bewilligung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit der Erhalt des Baumbestandes auf dem südwestlichen Grundstücksteil des damaligen Grundstücks FlNr. …(alt) mit einer Fläche von 5.218 qm sein sollte und dies mit einem umfassenden Bauverzicht auf der mit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belasteten Teilfläche im Umfang von ca. 1.600 qm gesichert werden sollte und zu diesem Zweck eine Bebauung dieses Grundstücksteils unterbleiben sollte. Weshalb in den Text der Dienstbarkeit die Worte „ohne eine hierfür erforderliche Baugenehmigung“ aufgenommen wurden, ist nicht ersichtlich, jedenfalls entspricht es nach Auffassung der Kammer dem Willen der Parteien bei der Bewilligung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, den betreffenden Bereich von baulichen Anlagen i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO generell freizuhalten. Dies ergibt sich aus der in der Akte enthaltenen Kommunikation zwischen der damaligen Bauherrin und der Beklagten. Die zwischen der damaligen Bauherrin und der Beklagten ausgetauschten Schreiben muss sich der Kläger als Rechtsnachfolger im Eigentum zurechnen lassen, denn die Erstreckung der Wirkung des Bauverzichts auch auf den Rechtsnachfolger im Eigentum war ja gerade der Grund für die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ins Grundbuch. Im Fall, dass man bei der Auslegung der Dienstbarkeit der Auffassung des Klägervertreters folgen wollte, hätte die Dienstbarkeit gerade nicht den Inhalt, den sie für die damalige Bauherrin als Bewilligende erkennbar haben sollte, nämlich die Sicherung des Baumbestandes durch einen Verzicht auf Errichtung baulicher Anlagen, wie auch die Bezeichnung „Bauverzicht“ auf der Dienstbarkeitsurkunde nahelegt. Diese Auslegung entspricht auch dem persönlichen Bedürfnis der Beklagten als Berechtigte, da nur dann eine dauerhafte Sicherung des Baumbestandes auf dem belasteten Grundstücksteil gewährleistet ist, was ausdrücklich und nach dem Akteninhalt, insbesondere etwa dem Schreiben der Beklagten an die damalige Bauherrin vom 1. Dezember 2015 im Verfahren* …, ersichtlich war. Schließlich spricht dafür auch die Eintragung auf dem den Genehmigungsstempel im Bauverfahren … tragenden Lageplan i.d.F. vom 14. März 2016 „Anpassungen gem. Absprachen und UwA“, dass die in diesem Lageplan freigehaltene Fläche des jetzigen Grundstücks FlNr. … entsprechend der Forderung des Umweltamtes von Bebauung freigehalten wurde und das ursprünglich auf diesem Grundstücksteil geplante Einfamilienhaus Nr. 1 nicht mehr im Bauantrag enthalten war. Dies zeigt im Übrigen auch der Blaueintrag auf dem den Genehmigungsstempel tragenden und damit zur Baugenehmigung gehörenden Lageplan vom 14. März 2016 „Fläche ist von jeglicher Bebauung freizuhalten“. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte Begünstigte eines Bauverzichts in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit betreffend des gesamten Baugrundstücks ist, auf die sie sich im vorliegenden Verfahren auch berufen hat und auf das sie den angefochtenen Ablehnungsbescheid stützt.
Diese Berufung auf den privatrechtlichen Bauverzicht zugunsten der Beklagten erfolgt auch nicht gegenüber dem Kläger in rechtsmissbräuchlicher Weise. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten ist für die Kammer weder aus dem Zustandekommen der Dienstbarkeit noch in der Berufung auf diese ersichtlich. Ein solcher Rechtsmissbrauch läge dann vor, wenn die Beklagte entgegen der eindeutigen Rechtslage die damalige Bauherrin genötigt hätte, auf ein an sich zulässiges Vorhaben (das Vorhaben Nr. 1 auf dem jetzigen Baugrundstück) zu verzichten, um im Gegenzug die Baugenehmigung für die übrigen Vorhaben Nrn. 2 bis 9 zu erhalten. Zwar hat die Beklagte mehrfach gegenüber der damaligen Bauherrin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Baugenehmigung in dem von der damaligen Bauherrin beantragten Umfang (Vorhaben Nrn. 2 bis 9) nur dann erteilt werden würde, wenn ein Bauverzicht hinsichtlich der Teilfläche, die das von der damaligen Bauherrin gebildete Teilgrundstück mit dem Vorhaben 1 betraf, verbindlich vereinbart und grundbuchrechtlich gesichert würde.
Nach Ansicht der Kammer ist aber nicht ersichtlich, dass dabei die Beklagte die damalige Bauherrin in unzulässiger und rechtswidriger Weise unter Druck gesetzt hätte, auf ein ihr zweifelsfrei zustehendes Baurecht zu verzichten, was aber Voraussetzung für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten wäre.
Grundlage für die Beurteilung der bauplanerischen Zulässigkeit ist dabei das ursprüngliche Gesamtvorhaben der …entsprechend dem Lageplan vom 16. September 2015 mit den Vorhaben Nrn. 1 bis 9. Dass dieses ursprüngliche Gesamtvorhaben, das von der Bauherrin aufgrund der Vorgespräche mit der Beklagten nur hinsichtlich der Vorhaben Nrn. 2 bis 9 in einem formellen Bauantrag zur Genehmigung gestellt wurde, zweifelsfrei zulässig gewesen wäre, steht nach Auffassung der Kammer, insbesondere nach dem Akteninhalt und dem Ergebnis des Augenscheins, gerade nicht fest. Da für das damalige Baugrundstück kein Bebauungsplan bestand, war die bauplanungsrechtliche Beurteilung nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB vorzunehmen. Dabei gab es hinsichtlich der geplanten Art der Nutzung, nämlich Wohnbebauung, im Hinblick auf die in der Umgebung vorhandenen Nutzungen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Nutzung. Allerdings ist auch ein der Art der Nutzung nach zulässiges Vorhaben nur dann nach § 34 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich zulässig, wenn es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, d.h. entweder innerhalb des sich aus der Bebauung der maßgeblichen Umgebung ergebenden Rahmens bleibt oder bei einer Überschreitung dieses Rahmens jedenfalls durch das Vorhaben keine bodenrechtlichen Spannungen ausgelöst werden. Da maßgeblicher Zeitpunkt für die bauplanungsrechtliche Beurteilung des damaligen Gesamtvorhabens jedenfalls ein Zeitpunkt vor Erteilung der Baugenehmigung für die Vorhaben Nrn. 2 bis 9 und deren Umsetzung anzusetzen ist, war die Umgebungsbebauung einschließlich des damaligen Baugrundstücks FlNr. …alt in Form der damals vorhandenen Bebauung mit einem großen L-förmigen Einfamilienhaus sowie Garagen und Nebengebäuden heranzuziehen, nicht aber die jetzt errichtete Bebauung in Form der Vorhaben Nrn. 2 bis 9, also der vier Einzelhäuser und der vier Doppelhaushälften.
Die für die Beurteilung heranzuziehende maßgebliche Umgebung des Baugrundstücks besteht dabei nach Auffassung der Kammer neben dem Baugrundstück aus den nördlich angrenzenden Grundstücken FlNrn. … und …, dem nordöstlich davon gelegenen Grundstück FlNr. … den östlich davon gelegenen Grundstücken FlNrn. …sowie den Grundstücken bis zum …weg im Osten sowie dem westlich angrenzenden Grundstück FlNr. …im Westen und der …straße im Süden. Die damals auf dem Baugrundstück und dessen näherer Umgebung im definierten Umfang vorhandene Bebauung bestand einerseits aus einer relativ zur Grundstücksfläche gesehen zurückhaltenden Bebauung, wenn auch mit großen Einfamilienhäusern, etwa auf den Grundstücken FlNrn. … sowie auf dem Baugrundstück einerseits und im Verhältnis zur Grundstücksfläche dichterer Bebauung auf den Grundstücken FlNrn. … sowie auf den Grundstücken … bis … und … Dabei waren insbesondere das Baugrundstück selbst und die östlich und westlich direkt angrenzenden Grundstücke geprägt durch eine im Verhältnis zur Grundstücksfläche zurückhaltende Bebauung jeweils im nördlichen Bereich der Grundstücke, und eine umfangreiche und dichte Begrünung auch mit großen Bäumen im südlichen und südwestlichen Bereich der Grundstücke. Weiter bestand die maßstabsbildende ursprüngliche Bebauung selbst auf den dichter bebauten Grundstücken unmittelbar westlich des …wegs aus zwei Zeilen, einer entlang der Straße an der …mit im Süden großzügigen Gärten sowie einer weiteren entlang des …wegs vom …weg nach Westen mit ebenfalls großzügigen Grünflächen zur …straße hin. Diese zweizeilige Bebauung im Bereich südlich der von Ost nach West verlaufenden Straße an der S* … bis zur …straße hin wurde durch das Bauvorhaben durch eine dichtere, von Süd nach Nord gesehen dreizeilige Bebauung ergänzt, wobei auch im westlichen Grundstücksbereich durch das Vorhaben Nr. 1 ein Wohngebäude vorgesehen war. Dabei waren insbesondere die beiden Gebäude auf den Grundstücken FlNrn. …und … weiter nach Süden gerückt als die östlich oder westlich angrenzende Bebauung, so dass, selbst wenn man nicht von einer faktischen Baugrenze entlang der südlichen Außenmauern der Gebäude auf den Anwesen FlNrn. …und … ausgeht, jedenfalls durch die südliche Lage der beiden Doppelhaushälften die Errichtung einer dritten Bebauungsreihe auf dem damaligen Baugrundstück ermöglicht wurde. Ohne dass dabei die Größe der aus dem ursprünglichen Grundstück FlNr. …alt gebildeten neuen Grundstücke oder die Größe des alten Baugrundstücks heranzuziehen wäre, sollte durch das damalige Bauvorhaben jedenfalls eine im Vergleich zur vorhandenen Bebauung insbesondere durch die dritte Baureihe von Nord nach Süd dichtere und abweichende Bebauung geschaffen werden. Da auch die Bebauungsdichte zur Eigenart der näheren Umgebung gehört und diese gerade nicht an die Größe der einzelnen Baugrundstücke im Verhältnis zum Gebäude gebunden ist, stellte das damalige Bauvorhaben nach Auffassung der Kammer eine über die sich aus der vorhandenen Bebauung in der maßgeblichen Umgebung hinausgehende, weil dichtere Bebauung dar. Dass diese dichtere Bebauung auch bodenrechtliche Spannung auslösen konnte erscheint aus heutiger Sicht nicht ausgeschlossen, da die verdichtete Bauweise mit einer höheren Zahl von Wohnbauvorhaben auf engerem Raum als bis dato dort vorhanden in ihrer Gesamtheit auch einen deutlich erhöhten Verkehr, mehr Verkehrsflächen und eine Erhöhung der bebauten Flächen durch Garagen, Carports etc. bedingt.
Angesichts dessen erscheint es der Kammer als durchaus nachvollziehbar, dass die Beklagte wie die Bauherrin im damaligen Verfahren von einer Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens einschließlich des Vorhabens Nr. 1 ausgingen, weshalb sie sich auf die dann gefundene Lösung verständigten, die schließlich auch durch die Baugenehmigung und die Bewilligung der Dienstbarkeit umgesetzt wurde. Dafür spricht, dass auch die Kammer die Beurteilung der maßgeblichen näheren Umgebung sowie des Merkmals des Einfügens erst nach einem Augenschein vor Ort vornehmen konnte, sowie die Tatsache, dass sich soweit ersichtlich die damalige Bauherrin aus freien Stücken, nämlich um die Genehmigung der Vorhaben Nrn. 2 bis 9 zeitnah zu erreichen, zum Verzicht auf das Vorhaben Nr. 1 und die Bebauung der entsprechenden Teilfläche entschlossen hat. Der damaligen Bauherrin als in Grundstücksangelegenheiten und Bebauungsvoraussetzungen erfahrene Projektentwicklungsgesellschaft war sicherlich bewusst, dass eine offenkundig rechtswidrige Ablehnung ihres Bauantrags durch ein entsprechendes Rechtsmittelverfahren hätte korrigiert werden können, ebenso wie einem unzulässigen Verzögern der Entscheidung durch eine Untätigkeitsklage hätte begegnet werden können. Dass die Abgabe der Dienstbarkeit und des Bauverzichts durch die damalige Bauherrin einem unzulässigen Druck von Seiten der Beklagten geschuldet worden wäre und von ihr praktisch „erpresst“ worden wäre, was ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten darstellen würde, ist somit nicht ersichtlich. Dass die Beklagte der damaligen Bauherrin mitteilte, ohne entsprechenden Bauverzicht und Sicherung durch die Dienstbarkeit werde die Baugenehmigung nicht erteilt, ist jedenfalls kein Indiz für einen solchen unzulässigen Druck, sondern vielmehr die im Verwaltungsverfahren gebotene Information des Bauherren über die Sicht der Baugenehmigungsbehörde.
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten im Hinblick auf die Forderung nach einem durch die Dienstbarkeit gesicherten Bauverzicht ergibt sich auch nicht daraus, dass dieser die gesamte Fläche des nunmehrigen Grundstücks FlNr. … betraf, wobei möglicherweise auch nicht von schützenswertem Baumbestand betroffene Grundstücksteile in den Bauverzicht einbezogen worden waren. Denn die Aufteilung des ursprünglichen Gesamtgrundstücks FlNr. … in die jetzt geschaffenen Teilgrundstücke, die Situierung der einzelnen Vorhaben sowie des Wegegrundstücks und deren Größe erfolgte durch die damalige Bauherrin nach deren Plänen, im Übrigen hat die damalige Bauherrin die Dienstbarkeit und die von dieser betroffenen Grundstücksteilfläche wie geschehen bewilligt, ohne dass ersichtlich wäre, dass hinsichtlich des Umfangs dieser Fläche und etwa einer Ausklammerung von Teilbereichen des jetzigen Grundstücks FlNr. …Gespräche zwischen den damaligen Beteiligten geführt worden wären. Dass möglicherweise ein kleineres Bauvorhaben auf dem jetzigen Baugrundstück ohne Beeinträchtigung schützenswerten Baumbestandes möglich wäre, steht jedenfalls der Wirksamkeit der Dienstbarkeit und des durch diese gesicherten Bauverzichts jedenfalls im Hinblick auf das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht entgegen, zumal dieses zumindest Flächen, die nach dem Bestandteil der Baugenehmigung vom 11. Mai 2016 im Verfahren … gewordenen Freiflächengestaltungsplan Ersatzpflanzungen enthalten sollen, betrifft.
Im Übrigen ist auch festzustellen, dass bezogen auf das maßgeblich der Beurteilung zugrunde zuliegende Gesamtgrundstück FlNr. …alt der Schutz des insbesondere im südwestlichen Grundstücksbereich massiv vorhandenen Baumbestandes entsprechend der Baumschutzverordnung der Beklagten ein legitimes Ziel des Behördenhandelns darstellte, zumal die Genehmigung zur Fällung von insgesamt 54 Bäumen auf dem Gesamtgrundstück erteilt wurde und weiter nur die Ersatzpflanzung von 14 statt wie ursprünglich geplant 35 Bäumen angeordnet wurde, in dem der damaligen Bauherrin Ersatzzahlungen für 21 weitere, an sich notwendige Bäume erlaubt wurden. Die Heranziehung der Baumschutzverordnung der Beklagten als Grundlage für den bewilligten Bauverzicht führt insoweit also nicht zu einer vollständigen Unbebaubarkeit des Baugrundstücks, sondern betrifft nur etwa ein gutes Viertel der Gesamtfläche und stellt damit nicht einen unzumutbaren Eingriff in das Eigentum der damaligen Grundstückseigentümerin dar.
Dass diese im Nachhinein die von der Dienstbarkeit betroffene Fläche an einen Dritten, den Kläger, veräußerte, ändert nichts am Gegenstand der Beurteilung, zumal dieser sowohl im Hinblick auf die Dienstbarkeit als auch im Hinblick auf die bestandskräftigen Regelungen der Baugenehmigung vom 11. Mai 2016, insbesondere die Auflagen Nrn. 1 und 8 sowie den Blaueintrag in den Lageplan als Rechtsnachfolger im Eigentum an die entsprechenden Festsetzungen gebunden ist. Auch im Hinblick auf diese Regelungen in der Baugenehmigung greift der Einwand des Rechtsmissbrauches nicht ein, insofern kann auf die obigen Ausführungen zum Gebrauch der Dienstbarkeit verwiesen werden. Im Hinblick darauf, dass der erklärte Bauverzicht und die angeordnete Freihaltung von baulichen Anlagen für das Grundstück FlNr. … sowohl aus dem Grundbuch als auch aus dem Inhalt der Baugenehmigung vom 11. Mai 2016 zweifelsfrei erkennbar waren, besteht auch kein schützenswertes Interesse des Klägers als Grundstückserwerber, da ihm die Sachlage bekannt war, jedenfalls bekannt sein musste.
Damit war die Klage im Hauptwie im Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

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