Baurecht

Feststellung eines Sturmschutzwaldes

Aktenzeichen  M 25 K 18.3854

Datum:
17.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 16509
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWaldG Art. 10 Abs. 2
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1 S. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Die Schutzwaldeigenschaft gem. Art. 10 Abs. 2 BayWaldG erhält der betreffende Wald nicht erst dadurch, dass er von der zuständigen Behörde als Schutzwald ausgewiesen wird. Die Schutzwaldeigenschaft folgt vielmehr unmittelbar und allein aus den örtlichen Gegebenheiten. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Schutzwaldeigenschaft im Verhältnis zu benachbarten Waldbeständen hat nur derjenige Wald, der selbst in der Lage ist, den Sturmwinden Widerstand entgegenzusetzen. Die Schutzwaldeigenschaft reicht soweit, als ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Existenz des Schutzwaldes und der Verhütung von Sturmschäden hergestellt werden kann, dh, dass der benachbarte Waldbestand schutzwürdig und -bedürftig ist. Zudem muss der Schutzwald dem benachbarten Waldbestand in einer Richtung vorgelagert sein, aus der regelmäßig oder doch sehr häufig Sturmwinde mit schädigender Wirkung zu erwarten sind. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Hauptwindrichtung an, sondern vielmehr auf die Heftigkeit der Winde. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Behörde ist bei der Feststellung des Schutzwaldes an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.
1. Die im Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2018 festgestellte Schutzwaldeigenschaft des Waldes auf der Teilfläche der Fl.Nr. 1730/0 und 1726/4 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Der Bescheid vom 4. Juli 2018 ist nicht wegen der fehlerhaften bzw. fehlenden Begründung rechtswidrig. Gem. Art. 39 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt zu begründen. Die Begründung muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe enthalten, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben.
Gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG kann die Verletzung der Begründungspflicht geheilt werden, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird.
Dies ist hier der Fall. Der streitgegenständliche Bescheid vom 4. Juli 2018 enthält bezüglich der Feststellung des 30 m tiefen Schutzstreifens und der Befristung keine Begründung. Durch die in der Klageerwiderung vom 11. Dezember 2018 und in der mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2019 zu Protokoll gegebene Gründe wurde der Verfahrensfehler geheilt.
b) Die Feststellung des Schutzwaldes auf Teilflächen der Fl.Nr. 1730/0 und 1726/4 ist gegenüber dem Waldbestand auf der Fl.Nr. 1832/0 zu Recht ergangen.
Nach Art. 10 Abs. 2 BayWaldG ist Schutzwald Wald, der benachbarte Waldbestände vor Sturmschäden schützt. Diese Eigenschaft erhält der betreffende Wald nicht erst dadurch, dass er von der zuständigen Behörde als Schutzwald ausgewiesen wird. Die Schutzwaldeigenschaft folgt vielmehr unmittelbar und allein aus den örtlichen Gegebenheiten. Bestehen Zweifel daran, ob ein Wald Schutzwald ist, ist dies auf Antrag oder von Amts wegen festzustellen (Art. 10 Abs. 4 BayWaldG).
Schutzwaldeigenschaft im Verhältnis zu benachbarten Waldbeständen hat nur derjenige Wald, der selbst in der Lage ist, den Sturmwinden Widerstand entgegenzusetzen. Die Schutzwaldeigenschaft reicht soweit, als ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Existenz des Schutzwaldes und der Verhütung von Sturmschäden hergestellt werden kann, d. h., dass der benachbarte Waldbestand schutzwürdig und – bedürftig ist. Zudem muss der Schutzwald dem benachbarten Waldbestand in einer Richtung vorgelagert sein, aus der regelmäßig oder doch sehr häufig Sturmwinde mit schädigender Wirkung zu erwarten sind. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Hauptwindrichtung an, sondern vielmehr auf die Heftigkeit der Winde (vergleiche dazu Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckl, Forstrecht in Bayern, Kommentar, Stand: 28. Mai 2018, zu Art. 10 BayWaldG Rn. 7ff).
Unter diesen Voraussetzungen erweist sich die vom Beklagten festgesetzte Teilfläche der Fl.Nr. 1730/0 und 1726/4 mit einer Tiefe von 30 m als Schutzwald i.S.d. Art. 10 Abs. 2 BayWaldG.
Der sich auf der Fl.Nr. 1832/0 befindliche Waldbestand ist schutzbedürftig. Nach den Feststellungen des zuständigen Revierleiters Herrn … im Rahmen des Ortstermins am 5. Juni 2018 besteht der sich nördlich der Gemeindeverbindungsstraße befindliche Teilbereich des Flurstücks aus 65% Fichten (Tanne) und 35% Laubholz in einem Alter zwischen 20-30 Jahren und durchschnittlicher Vitalität. Durch die ungünstigen Windverhältnisse ebenso wie die geringen Kronenanteile ist die Sturmwurfgefährdung insbesondere bei der Fichte hoch. Die Fichten sind zudem durch die Verdichtung im Unterboden im Wurzelraum eingeschränkt. Es besteht insgesamt mittleres bis hohes Sturmwurfrisiko für diesen Bestand.
Der sich südlich der Gemeindeverbindungsstraße befindliche Teilbereich des Flurstücks besteht zu 100% aus Fichten im Alter von 40-50 Jahren. Die Bäume weisen eine durchschnittliche Vitalität auf. Aufgrund des geringen Kronenanteils und der schlechten Windverhältnisse ist der Bestand als hoch sturmwurfgefährdet einzustufen.
Demgegenüber ist der Waldbestand auf den Grundstücken der Klägerin schutzfähig.
Nach den Feststellungen des zuständigen Revierleiters Herrn … besteht der sich nördlich der Gemeindeverbindungsstraße befindende Teil der Fl.Nr. 1730/0 aus 70% Eichen und 30% Ahornbäumen mit einem Alter zwischen 20-30 Jahren und durchschnittlicher Vitalität. Aufgrund der Bestockung und des Bestandsaufbaus (standortgerechte, tief wurzelnde Eichen und Ahornbäume) ist eine deutlich höhere Sturmwurfstabilität als im nachgelagerten Bestand gegeben.
Der sich südlich der Gemeindeverbindungsstraße befindliche Teil der Fl.Nr. 1730/0 und 1726/4 besteht zu 100% aus Fichten mit einem Alter von 50-60 Jahren und durchschnittlicher Vitalität. Der Bestand kann bei Ausweisung eines 30 m tiefen Schutzstreifens für einen temporären Schutz des jüngeren, nachgelagerten und instabileren Bestandes sorgen.
Ebenso ist der Wald der Klägerin dem Wald des Beigeladenen derart vorgelagert, dass er diesem vor Sturmwinden Schutz gewähren kann. Die Hauptsturmrichtung in dieser Gegend ist West und Nord/West. Alle Stürme der jüngsten Vergangenheit in diesem Bereich kamen aus westlicher oder nordwestlicher Richtung. So kam beispielsweise das Orkantief Friederike im Januar 2018 aus Westen. Ebenso kamen die Orkantiefs „Wiebke“, „Kyrill“ und „Lothar“ aus dem Westen. Nach Angaben der Beteiligten im Augenschein hat das Orkantief „Kyrill“ zu Schäden im Waldbestand der Klägerin und des Beigeladenen geführt. Hingegen treten nach Angaben des Revierleiters Föhnstürme auf Grund der doch weiten Entfernung zu den Alpen nicht auf.
Die Ergebnisse und Feststellungen des Revierleiters aus dem Vororttermin vom 5. Juni 2018 haben sich im Augenscheinstermin des Gerichts am 17. Juli 2019 bestätigt. Beim gesamten Waldbestand auf den Fl.Nr. 1730/0, 1726/4 und 1832/0 handelt es sich gleichermaßen um vitalen Wald. Ein Borkenkäferbefall wurde weder auf den Grundstücken der Klägerin noch auf dem des Beigeladenen festgestellt. Mit Ausnahme einer durch
„Hallimasch“ abgestorbenen Fichte auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. 1730/0 wurde kein Pilzbefall festgestellt. Auf sämtlichen Grundstücken wurde keine erkennbare Rotfäule festgestellt. Insofern hat sich die Feststellung im Ortstermin am 5. Juni 2018 durch den Revierleiter, dass Anzeichen von Rotfäule festgestellt wurden, nicht bestätigt.
Die Festsetzungen im Bescheid vom 4. Juli 2018 erweisen sich auch als verhältnismäßig. Der Beklagte ist bei der Feststellung des Schutzwaldes an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Dies gebietet schon die Grundrechtsposition des Waldbesitzers aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, weil mit der Schutzwaldfeststellung Einschränkungen in der Nutzung des Waldes nach den Art. 9, 14 und 46 BayWaldG verbunden sind. Insbesondere sind Kahlhieb und Rodung nicht ohne weiteres möglich. Der Beklagte hatte damit die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls bei seiner Feststellung in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung des Art. 10 Abs. 2 BayWaldG dient.
Die Eigenschaft als Schutzwald richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Nach den Ausführungen des Forstdirektors Herr … in der mündlichen Verhandlung reicht ein Schutzwald mit einer Tiefe von 30 m aus, um den nachgelagerten Bestand wirksam vor Sturmwinden zu schützen. Dies gilt nach den Erfahrungen der Forstwirtschaft auch dann, wenn es sich bei der Außengrenze nicht um Randwald handelt. Danach ist der vom Beklagten festgesetzte 30 m tiefe Schutzstreifen geeignet und erforderlich, um den Waldbestand des Beigeladenen effektiv vor Sturmwurf zu schützen.
Ebenso verhältnismäßig ist die auf 10 Jahre festgesetzte Befristung der Schutzwaldfeststellung. Art. 10 Abs. 2 BayWaldG sieht keine Befristung vor, so dass die Feststellungwirkung zunächst auf Dauer besteht und erst endet, wenn eine andere Entscheidung der Behörde getroffen wird. Aus diesem Grund hat der Beklagte eine Befristung von 10 Jahren vorgesehen. Die Befristung ist geeignet, um die widerstreitenden Interessen des Allgemeinwohls am Erhalt des gesamten Waldbestandes auf der einen Seite und das Interesse des Waldeigentümers an der wirtschaftlichen Nutzung seines Grundeigentums auf der anderen Seite in Einklang zu bringen. Diese Frist in dieser Länge ist auch erforderlich und angemessen, damit der Beigeladenen seinen Wald durch geeignete Maßnahmen stabilisieren und so umbauen kann, dass er nach Ablauf der Frist nicht mehr auf den Waldbestand der Klägerin als Schutzwald angewiesen ist. Bei der Festlegung der Frist wurde auch berücksichtigt, dass aus forstfachlicher Sicht, der Waldbestand des Beigeladenen unter den derzeitigen Gegebenheiten noch weitere 50 Jahre so bestehen könnte und derzeit keine Verjüngung im Bestand erforderlich wäre. Daneben bleibt es aber der Klägerin unbenommen, bei einer Veränderung der örtlichen Gegebenheiten die Schutzwaldeigenschaft überprüfen zu lassen.
Somit wurde vom Beklagten für Teilflächen der Fl.Nr. 1730/0 und 1726/4 zu Recht die Eigenschaft als Schutzwald i.S.d. Art. 10 Abs. 2 BayWaldG für die Dauer von 10 Jahren festgestellt. Der gestellte Feststellungsantrag ist aus diesem Grund ebenfalls unbegründet.
2. Die Klage war damit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 111 ZPO.


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