Baurecht

Gebot der Rücksichtnahme bei Neubau eines Pferdestalles

Aktenzeichen  AN 3 S 16.01218

Datum:
25.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201, § 212a Abs. 1
BayBO BayBO Art. 59 S. 1
BImSchG BImSchG § 3, § 5 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Bei der Überprüfung der Zumutbarkeit von Immissionen kommt es nicht auf eine aus individueller Sicht vorliegende besondere Schutzbedürftigkeit an. Ein Nachbar kann sich nicht darauf berufen, dass er für ein von ihm gewähltes Produktionsverfahren „besonders saubere“ und von Partikeln jeglicher Art weitgehend freie Außenluft benötige. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens
sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen die den Beigeladenen mit Bescheid des Antragsgegners vom 7. Juni 2016 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Pferdestalles für 12 Pferde und einer landwirtschaftlichen Maschinen- und Bergehalle, Gemarkung …, Fl.Nr. … Das Baugrundstück befindet sich im Außenbereich.
Die Antragstellerin betreibt seit 2008 auf dem unmittelbar nördlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstück mit der Flurnummer … ein Unternehmen zur Produktion und zum Vertrieb von medizinischen und medizinisch-technischen Produkten. Das Unternehmen liegt in einem durch Bebauungsplan im Jahr 1996 („…“) festgesetzten Gewerbegebiet. Unter anderem betreibt sie dort einen Reinraum der Klasse GMPC, einen Reinraum, der der ISO-Klasse 7 entspricht sowie weitere kontrollierte Bereiche, die sämtlich mit gefilterter Außenluft versorgt werden müssen.
Die Antragstellerin ließ vortragen, sie beabsichtige entsprechend ihrer langfristigen Planung, auf derjenigen Grundstücksfläche, die derzeit als Parkplatz genutzt werde, ein weiteres Gebäude zu errichten, in welchem neben der Erweiterung des Produktionsbereichs ein Labor und ein Reinraum untergebracht werden sollen. Nach Vorbringen des Prozessbevollmächtigten hat die Antragstellerin hierzu einen Antrag auf einen entsprechenden Vorbescheid bei der Stadt … eingereicht. Die Antragstellerin müsse im Rahmen ihrer Produktion gewährleisten, dass der Anfall oder das Eindringen von Partikeln unbedingt vermieden werde. Dies gelte insbesondere für Partikel biologischer Herkunft und in ganz besonderer Weise für solche tierischen Ursprungs. Hier seien schutzwürdige Interessen der Antragstellerin bereits dann verletzt, wenn aus der Sicht ihrer Kunden (hier wohl insbesondere aus Japan) der Produktionsstandort aufgrund seiner räumlichen Nähe zu einem Tierhaltungsbetrieb und den mit diesem zwangsläufig verbundenen Partikel-und Geruchsemissionen als potenziell risikoträchtig angesehen werde. Dies erschütterte das Vertrauen in die Sterilität der von der Antragstellerin hergestellten Medizingeräte.
Außerdem sei das Vorhaben nicht privilegiert. Es sei bislang nicht klar, ob es sich bei der Pferdehaltung um Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB handle. Auch sei das Vorhaben nicht ausreichend erschlossen, da ungeklärt sei, in welcher Weise die mit der beabsichtigten Pferdehaltung verbundenen Abwässer umweltgerecht abgeleitet und entsorgt werden sollten. Insbesondere die geplante Einstellung von Fremdpferden mache sanitäre Einrichtungen für die Pferdehalter erforderlich. Hinzu komme, dass von dem Bauvorhaben schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten seien. Hier sei insbesondere zu befürchten, dass es zu Staubaufwirbelungen durch die Pferdehaltung kommen könne. Außerdem solle das Bauvorhaben in einem Überschwemmungsgebiet errichtet werden. Die hierzu erforderliche Genehmigung gemäß § 78 Abs. 3 WHG sei bisher nicht erteilt worden.
Darüber hinaus sei das Rücksichtnahmegebot verletzt. Zwar sei zutreffend, dass das Rücksichtnahmegebot nicht personenbezogen sei. Jedoch betreibe die Antragstellerin bereits seit 2008 den hochsensiblen Gewerbebetrieb und deswegen müsse dies bei Beurteilung der konkreten Verhältnisse berücksichtigt werden. Dabei komme es auch auf individuelle Interessen, die dem Nachbarschutz unterliegen, an. Die Verletzung des Rücksichtnahmegebots bestehe hierin, dass der Gewerbebetrieb der Antragstellerin seit 2008 bestehe und nun eine landwirtschaftliche Nutzung auf dem Nachbargrundstück erfolgen solle, die nicht die Voraussetzungen für eine Privilegierung erfülle. Es sei bereits eine deutlich räumliche Trennung vorhanden und damit kein einem landwirtschaftlichen Betrieb dienendes Vorhaben gegeben. Auch seien die Nebenbestimmungen im streitgegenständlichen Bescheid unbestimmt und deshalb rechtswidrig. Auch betrieben die Beigeladenen auf der an das Bau- und Nachbargrundstück angrenzenden Fl.Nr. … Geflügelhaltung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Der streitgegenständliche Bescheid wurde ausweislich der Akten des Landratsamts … am 13. Juni 2016 zur Post gegeben.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten, der am 7. Juli 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 7. Juni 2016 erheben (AN 3 K 16.01219). Mit Schriftsatz vom selben Tag beantragte die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Mit Schriftsatz, der am 20. Juli 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handle es sich bei dem Betrieb der Beigeladenen um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 201 BauGB. Das beantragte Bauvorhaben befinde sich im Außenbereich und diene diesem landwirtschaftlichen Betrieb. Auch sei die Erschließung des Bauvorhabens gesichert. Die Wasserversorgung werde durch einen Brunnen sichergestellt, für welchen die Beigeladenen mit Bescheid vom 29. Juli 2010 die wasserrechtliche Erlaubnis erhalten hätten. Bei der beantragten Pferdehaltung falle laut Aussage des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kein Abwasser an. Auch nach der Stellungnahme der Fachkundigen Stelle Wasserwirtschaft vom 3. Juli 2015 werde festgestellt, dass bei überdachter Miststätte keine Jauche anfalle. Die Errichtung von Sanitäranlagen sei nicht geplant, so dass auch hier kein Abwasser anfalle. Das anfallende Niederschlagswasser könne genehmigungsfrei versickern oder im Rahmen des Gemeingebrauchs in oberirdische Gewässer eingeleitet werden. Zwar liege das Bauvorhaben in einem amtlich festgesetzten Überschwemmungsgebiet und bedürfe daher einer Ausnahmegenehmigung von den Verboten des § 78 Abs. 1 WHG. Die erforderliche Ausnahme sei mit Bescheid des Landratsamtes … vom 15. Juni 2016 erteilt worden. Nach der Stellungnahme des Fachbereichs Immissionsschutz im Landratsamt … sei mit schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des BImschG nicht zu rechnen, so dass für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes kein Raum sei. Bei der immissionsschutzfachlichen Beurteilung seien die nächstgelegenen Bürofenster im Gewerbegebiet auf dem Grundstück der Antragstellerin mit der Schutzwürdigkeit eines Dorfgebietes angenommen worden, was die übliche Vorgehensweise für Emissionsorte im Gewerbegebiet sei. Jedoch endeten die zulässigen Mindestabstände selbst für den Fall der Annahme der Schutzwürdigkeit eines Wohngebietes noch weit vor den Gebäuden des Nachbargrundstücks. Übermäßige Staubbelastungen seien bei dem vorherrschenden Untergrund nicht zu erwarten. Nach der Stellungnahme des Fachbereichs Immissionsschutz könne das Bauvorhaben an der beantragten Stelle unter Einhaltung der getroffenen Nebenbestimmungen zugelassen werden. Auf individuelle Umstände, hier etwa die Einhaltung betrieblicher Standards, komme es nicht an. Das Baurecht regele die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtliche Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Dementsprechend sei auch das baurechtliche Rücksichtnahmegebot nicht dahingehend personenbezogen, dass es in seinen Anforderungen davon abhänge, wie sich die Eigentumsverhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellten oder wer die gegenwärtigen Nutzer eines Grundstücks seien. Besondere Empfindlichkeiten könnten daher im Rahmen des Gebotes der Rücksichtnahme keine Rolle spielen. Hierzu wurde verwiesen auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Insbesondere werde der Bagatellmassenstrom der TA Luft, der sich auf diffuse und nicht gefasste Staubquellen beziehe, nicht erreicht. Auch seien Pferde staubempfindlich, so dass es keine Daten zur Staubemissionsrate von Pferden gebe. Würde man vergleichsweise die Staubemissionswerte für Rinder zugrunde legen, wäre an dieser Stelle ein Stall mit ca. 350 Rindern zulässig. Auch sei zu beachten, dass sich von den insgesamt zwölf genehmigten Paddocks nur sechs in Richtung des Grundstücks der Klägerin befänden. Auch beinhalte der landschaftspflegerische Begleitplan, dass das Bauvorhaben mit Hecken eingegrünt werde, was zu einer zusätzlichen Minderung von Staubemissionen führen würde.
Die Stadt … hatte das Einvernehmen zu dem Bauvorhaben mit Beschlüssen vom 11. Mai 2015 und 2. Mai 2016 verweigert. Es wurde im Rahmen der streitgegenständlichen Baugenehmigung ersetzt. Hiergegen hat die Stadt … mit Schreiben vom 1. Juli 2016 Klage erhoben und ebenfalls beantragt, deren aufschiebende Wirkung anzuordnen (AN 3 K 16.01165, AN 3 S 16.01164).
Mit Beschluss vom 11. Juli 2016 wurden die Beigeladenen zum Verfahren beigeladen.
Ergänzend wird auf die beigezogenen Behördenakten und auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß
§ 80 a, § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus.
Gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage eines Dritten gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, die gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat, aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen.
Hierzu hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Insoweit stehen sich das Suspensionsinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch machen zu dürfen, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Deshalb ist bei der Entscheidung über den Antrag nach §§ 80 a, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs abzustellen. Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich also nach summarischer Prüfung die angefochtene Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (BayVGH, B. v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 -, juris). Erscheint der Nachbar Rechtsbehelf dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich erfolglos, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine reine Interessenabwägung statt.
Die nach den genannten Grundsätzen vorzunehmende Interessenabwägung fällt hier zulasten der Antragstellerin aus. Denn nach der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung dürfte die streitgegenständliche Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht aufzuheben sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Antragstellerin wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein auf nachbarschützende Rechte berufen kann (vgl. etwa BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 -, juris Rn. 20).
Das Vorhaben erweist sich nach summarischer Prüfung als planungsrechtlich zulässig (1.) und belastet die Antragstellerin nicht unzumutbar, weshalb kein Verstoß gegen das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot vorliegt (2.).
Die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung verstößt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegen Vorschriften, die im Verfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO zu prüfen sind und jedenfalls auch dem Schutz der Interessen der Antragstellerin als Grundstücksnachbarin dienen (3.).
1.
Das Vorhaben der Beigeladenen erweist sich nach summarischer Prüfung im Eilverfahren als planungsrechtlich zulässig nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Unstreitig liegt das Baugrundstück im Außenbereich. Die Kammer hat nach Aktenlage keine Zweifel, dass das Bauvorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb der Beigeladenen dient. Nach der Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … vom 16. Juni 2015 üben die Beigeladenen eine landwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 201 BauGB mit eigenverantwortlicher Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung von pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen aus. Das streitgegenständliche Bauvorhaben soll die Erweiterung der Pferdezucht und die Pensionspferdehaltung ermöglichen, da zwei vorhandene Althofstellen der Beigeladenen im Stadtgebiet von … keine Erweiterungsmöglichkeiten haben. Es werden nach den Unterlagen des Amtes für Landwirtschaft von den Beigeladenen 19,3 ha landwirtschaftlich und ca. 10 ha forstwirtschaftlich genutzt. Das für die Viehhaltung erforderliche Futter wird überwiegend selbst erzeugt.
2.
Auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist vorliegend nicht erkennbar. Von dem Bauvorhaben gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus, auf die sich die Antragstellerin als Nachbarin berufen kann.
Das drittschützende Rücksichtnahmegebot, das für nach § 35 BauGB zu beurteilende Vorhaben im Hinblick auf schädliche Umwelteinwirkungen als öffentlicher Belange in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthalten ist, wird zulasten des Nachbarn verletzt und gewährt diesem ein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird, also unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen überschritten wird, was der Nachbar billigerweise hinnehmen muss (BVerwG, B. v. 10.1.2013 – 4 B 48/12 -, juris; BayVGH, B. v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 -, juris; BayVGH, B. v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 -, juris).
Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind (BVerwG, U. v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 -, U. v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 -, juris).
a.
Hinsichtlich der von der Antragstellerin aufgeworfenen Bedenken zum Erfordernis wasserrechtlicher Genehmigungen wegen der Brunnennutzung und der Lage des Baugrundstücks im festgesetzten Überschwemmungsgebiet sowie der umweltgerechten Abwasserentsorgung ist schon nicht ersichtlich, inwieweit die Antragstellerin hiervon in ihren Rechten verletzt sein sollte. Die Antragstellerin ist nicht Sachwalter des Interesses der Allgemeinheit an einem gesetzmäßigen Verwaltungsvollzug (BayVGH, B. v. 29.5.1995 – 14 CS 95.879 -, juris).
Darüber hinaus wurden die nach § 78 Abs. 3 WHG erforderliche Ausnahmegenehmigung für die Errichtung eines Bauvorhabens im Überschwemmungsgebiet vom 15. Juni 2016 und die wasserrechtliche Genehmigung für die Grundwassernutzung (Brunnen) vom 29. Juli 2010 erteilt.
Anhaltspunkte dafür, dass eine Versickerung von Niederschlagswasser bzw. Einleitung in einen grundstücksnahen Graben einer wasserrechtlichen Erlaubnis bedürfe, bestehen nicht. Das Landratsamt hat diese Anforderungen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens in nicht zu beanstandender Weise beachtet. Nach der erteilten Baugenehmigung ist davon auszugehen, dass Sanitäranlagen nicht erforderlich sind, so dass ein Anschluss an das öffentliche Kanalnetz entbehrlich erscheint. Eine Wasserbelastung durch Festmist ist durch die entsprechenden Nebenbestimmungen 12. und 18. im streitgegenständlichen Bescheid ausgeschlossen.
Im Baugenehmigungsverfahren wurden alle Träger öffentlicher Belange beteiligt und deren Stellungnahmen und besondere Anforderungen im Baugenehmigungsbescheid mit Nebenbestimmungen und Hinweisen umgesetzt.
b.
Auch liegt die geltend gemachte unzumutbare Beeinträchtigung des Produktionsbetriebs der Antragstellerin durch von der Pferdehaltung ausgehenden Staubemissionen nach summarischer Prüfung nicht vor.
Nach Auffassung der Kammer hat die Antragstellerin schon nicht schlüssig vorgetragen, durch Staub-oder sonstige Partikelemissionen infolge der beabsichtigten Pferdehaltung von zwölf Pferden auf dem Baugrundstück in unzumutbarer Weise beeinträchtigt zu werden. Vielmehr wird aus den Einlassungen deutlich, dass nicht so sehr die tatsächliche Emissionssituation als beeinträchtigend empfunden wird, als vielmehr die Befürchtung, dass bei Bekanntwerden der Tierhaltung in unmittelbarer Nachbarschaft des Produktionsortes allein aufgrund der Tatsache dieser Tierhaltung mit einem Imageschaden hinsichtlich der sterilen Produktionsmethode bei den Kunden der Antragstellerin zu rechnen ist.
Im Übrigen ist zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts (§ 3 Abs. 1 BImschG) und auf dessen materiell-rechtliche Maßstäbe (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImschG) zurückzugreifen (vgl. BVerwG, U. v. 23.9.1999 – 4 C 6.98-, juris; BayVGH B. v. 3.5.2016 – a. a. O.).
Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der Legaldefinition de § 3 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (BayVGH, B. v. 29.9.1995 – 14 CS 95.879 -, juris).
Eine Anlage, die keine stärkeren Immissionen verursacht als jeweils immissionsschutzrechtlich gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulässig, ist auch im baurechtlichen Sinn nicht rücksichtslos (BVerwG, u. v. 30.9.1983 – 4 C 74.78 -, juris Rn. 13).
Nach diesen Maßstäben wird das Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Antragstellerin durch die befürchteten Staub-und Partikelemissionen nicht verletzt.
Insbesondere kommt es nicht auf eine aus individueller Sicht vorliegende besondere Schutzbedürftigkeit an. Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass sie für das gewählte Produktionsverfahren „besonders saubere“ und von Partikeln jeglicher Art weitgehend freie Außenluft benötige.
Das Baurecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Dementsprechend ist auch das baurechtliche Rücksichtnahmegebot nicht in einem Sinne „personenbezogen“, dass es in seinen Anforderungen davon abhängt, wie sich die Eigentumsverhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellen oder wie die gegenwärtigen Nutzer eines Grundstücks sind (BVerwG, B. v.14.2.1994 – 4 B 152/93 -, B. v. 15.7.1987 – 4 B 151/87 -, juris). Damit geht einher, dass die persönlichen Verhältnisse einzelner Eigentümer oder Nutzer, wie zum Beispiel besondere Empfindlichkeiten
oder gesundheitliche Voraussetzungen, bei der Zumutbarkeitsbewertung von Belästigungen oder Störungen im Rahmen des Gebotes der Rücksichtnahme keine Rolle spielen können und dürfen (vgl. BVerwG, B. v. 5.3.1984 – 4 B 20/84 -, juris). Abzustellen ist demnach auf das Empfinden von „durchschnittlichen Grundstückseigentümern“.
Das Grundstück der Antragstellerin liegt in einem festgesetzten Gewerbegebiet am Rand zum Außenbereich. Für ihre Schutzbedürftigkeit bedeutet dies zunächst, dass sie Belastungen, die für ein Gewerbegebiet typisch sind, hinzunehmen hat. Ein Anspruch auf besonders reine Luft für Produktionszwecke steht der Antragstellerin in einem Gewerbegebiet nicht zu.
Darüber hinaus ist für den Grad der Schutzwürdigkeit relevant, dass sie ihren Gewerbebetrieb am Rande zum Außenbereich errichtet hat und dort betreibt. Deswegen verringert sich ihre Schutzbedürftigkeit im Verhältnis zu den innerhalb des Gewerbegebietes gelegenen Produktionsstätten, da der Außenbereich grundsätzlich der Landwirtschaft und den davon ausgehenden Emissionen vorbehalten bleibt und im Randbereich mit entsprechenden Beeinträchtigungen gerechnet werden muss. Schon bisher wurden die südlich des Grundstücks der Antragstellerin gelegenen Flächen landwirtschaftlich und damit § 35 BauGB und dem einschlägigen Flächennutzungsplan entsprechend genutzt. Die Antragstellerin trug hierzu vor, es befinde sich auf der Fl.Nr. … bereits seit einigen Jahren eine Geflügelzucht.
Im Außenbereich hat die Landwirtschaft grundsätzlich Vorrang, da diese Nutzung quasi durch das Baugesetzbuch geplant ist (vgl. BVerwG, B. v. 2.12.2013 – 4 BN 44/13 -, juris Rn. 4). Der Eigentümer eines an der Grenze zum Außenbereich gelegenen Grundstücks muss mit Veränderungen in der Umgebung rechnen. Er kann nicht darauf vertrauen, dass in seiner Nachbarschaft keine emitierende Nutzung stattfindet, da der Außenbereich einer baulichen Nutzung nicht gänzlich entzogen ist. In den Bereichen, in denen Gebiete mit unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammentreffen, ist die Grundstücksnutzung daher mit einer spezifischen Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme belastet. Dies bedeutet auch hier nicht nur eine Pflichtigkeit dessen, der Belastungen verbreitet, sondern auch eine Duldungspflicht desjenigen, der sich in der Nähe angesiedelt hat, unabhängig davon, welche Nutzung zuerst stattfand (VG Neustadt an der Weinstraße, B. v. 23.2.2015 – 3 K 34714.NW -, juris Rn. 64).
Soweit die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Errichtung der Produktionsstätte im Jahr 2008 einerseits wegen entsprechender Zusagen der Stadt …, es sei mit weiterer Bautätigkeit im Außenbereich nicht zu rechnen und andererseits wegen der Randlage zum Überschwemmungsgebiet von keiner weiteren Nutzung der südlich gelegenen Grundstücke ausging, ist diese Hoffnung nicht schutzwürdig, zumal die Stadt … keine entsprechende sichernde Bauleitplanung zugunsten der Antragstellerin durchgeführt hat. Auch die geplante Betriebserweiterung mit Labor und Reinraum auf den derzeit als Parkplatz genutzten Betriebsflächen ist nicht geeignet, das streitgegenständliche Vorhaben als der Antragstellerin gegenüber rücksichtslos erscheinen zu lassen. Über den beantragten Vorbescheid ist nach eigenem Vortrag der Antragstellerin bislang nicht entschieden.
Nach den vorliegenden Stellungnahmen des Umweltamtes beim Landratsamt … vom 31. März 2015 und vom 13. November 2015 – das hinsichtlich des Grades der Schutzbedürftigkeit für das Grundstück der Antragstellerin entsprechend der o.g. Überlegungen von einem Dorfgebiet ausging (Stellungnahme vom 31. März 2015) – befinden sich die von der Tierhaltung ausgehenden Staubbelastungen infolge des entsprechend gestalteten Untergrundes in den Stallungen und vor allem infolge der geringen Tierbesatzdichte unterhalb der Bagatellgrenze und fallen demnach aus immissionsschutzrechtlicher Sicht nicht ins Gewicht. Eine Überschreitung der Grenzwerte der TA Luft ist demnach nicht ersichtlich. Die VDI Richtlinie 3894/2 ist nach Einschätzung des Umweltamtes beim Landratsamt … wegen Nichterfüllung der Rahmenbedingungen zur Anwendung dieser Richtlinie in Bezug auf die Quellstärke nicht erfüllt. Diese Einschätzung wird seitens der Antragstellerin auch nicht ernsthaft infrage gestellt.
Bloße Behauptungen reichen nicht aus, um fachliche Stellungnahmen zu erschüttern. Vielmehr kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes den amtlichen Auskünften und Gutachten von Fachbehörden im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen und deshalb grundsätzlich ein weit größeres Gewicht besitzen als Expertisen von privaten Fachinstituten BayVGH, zuletzt B. v. 17.7.2012 – 8 ZB 11.1285 -, juris).
Nachdem sich die befürchteten Emissionen auch durch die Eingrünung der Freiflächen auf dem Baugrundstück abschwächen werden und sich damit endgültig unterhalb der Bagatellgrenze befinden dürften, ist eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens der Antragstellerin gegenüber nach summarischer Prüfung nicht zu erkennen.
c.
Ein gebietsübergreifender Abwehranspruch in Bezug auf die Art der Nutzung besteht grundsätzlich nicht (BVerwG, B. v. 18.12.2007 – 4 B 55/07 -, juris; BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 -, juris; BayVGH, B. v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 -, juris). Anhaltspunkte dafür, dass der ein Gewerbegebiet festsetzende Bebauungsplan den Eigentümern der in seinem Umgriff gelegenen Grundstücke ausnahmsweise Abwehrrechte gegen Vorhaben auf dem streitbefangenen Grundstück einräumen wollte, gibt es nicht
3.
Bauordnungsrechtliche Einwendungen sind vorliegend nicht erkennbar und gehören außerdem nicht zum Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 BayBO, weshalb sie im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen.
Demnach war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach billigem Ermessen, der unterliegenden Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da es sich insoweit um eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO handelt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Hälfte des voraussichtlich im Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts, Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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