Baurecht

Gebührenbefreiung für Gemeinde bei Bau kultureller Einrichtung

Aktenzeichen  RN 12 K 16.1608

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KG Art. 4 S. 1 Nr. 2, Abs. 2

 

Leitsatz

Bei der Errichtung eines Gebäudes, welches nach dem in den Bauantragsunterlagen beschriebenen Nutzungsumfang der Unterbringung von Personen und/oder Nutzung des technischen Inventars zum Zwecke der Weiterbildung in der Volksmusik dient, handelt es sich um ein nicht-wirtschaftliches Unternehmen, so dass eine Gemeinde als Bauherrin von der Zahlung der Baugenehmigungsgebühr befreit ist.  (Rn. 11 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Gebührenfestsetzung in Ziff. IV des Bescheids des Landratsamts 2. … vom 19.9.2016 und die Kostenrechnung des Landratsamts 2 … vom 1.9.2016 (Nr. 310- …) werden aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtene Gebührenfestsetzung im Baugenehmigungsbescheid und die dazu ergangenen Kostenrechnung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Die Klägerin ist nach Art. 4 Satz 1 Nr. 2 Kostengesetz (KG) von der Zahlung der anfallenden Baugenehmigungsgebühr befreit. Die Ausnahme von der generellen Gebührenfreiheit der bayerischen Gemeinden nach Art. 4 Abs. 2 KG greift nicht ein. Danach sind u.a. nicht befreit die wirtschaftlichen kommunalen Unternehmen. Diese Differenzierung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Unternehmen einer Gemeinde war früher auch in der Bayerischen Gemeindeordnung vorgesehen. Trotz der Änderung der Bayerischen Gemeindeordnung im Jahr 1998 ist seither keine Anpassung des Bayerischen Kostengesetzes erfolgt, dies obwohl seither andere Änderungen des Gesetzes erfolgt sind. Nach Auffassung der Kammer ist daraus zu schließen, dass der Gesetzgeber die Unterscheidung ausschließlich für den Bereich des Kommunalrechts aufgeben wollte, es dagegen bei der Kostenerhebung bei der Differenzierung bleiben soll. Nach der Gesetzesbegründung zum Kostengesetz (Landtags-Drucksache 13/9101, S. 12) sollen alle nichtwirtschaftlichen Unternehmen unabhängig von ihrer Organisationsform gebührenbefreit sein, weil sie aus Sozialstaatsgründen meist mit Kostenunterdeckung arbeiten. Damit entspricht die Differenzierung nach wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen Unternehmen für die Frage der Gebührenbefreiung dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Soweit die Aufgabe der Differenzierung in den Kommunalgesetzen damit begründet wurde, dass der Rechtsbegriff des wirtschaftlichen Unternehmens unklar und umstritten sei (vgl. Landtags-Drucksache 13/10828, S. 16), führt das nicht zum Entfallen des Kriteriums bei der Anwendung des Kostengesetzes. Es kann wegen der Gesetzesbegründung zum Kostengesetz nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber ausschließlich auf die bei Inkrafttreten des Kostengesetzes im kommunalen Wirtschaftsrecht bestehende Differenzierung abstellen wollte und diese deshalb mit dem Wegfall in der Bayerischen Gemeindeordnung auch für den Bereich des Kostengesetzes entfallen würde (so aber: VG Ansbach, Urt. v. 23.11.2010 – Az. AN 9 K 10.00418). Vielmehr muss im Hinblick auf die selbständige Begründung der Differenzierung für den Bereich des Kostenrechts und die Tatsache, dass der Gesetzgeber in fast 20 Jahren eine Anpassung des Wortlauts des Kostengesetzes nicht vorgenommen hat, davon ausgegangen werden, dass die Differenzierung trotz der Abgrenzungsschwierigkeiten für den Bereich des Kostengesetzes weiterhin gelten soll (so auch VG Augsburg, U. v. 10.7.2007 – Az. Au 3 K 07.610). Soweit in Entscheidungen zur Gebührenbefreiung für der Abfall- oder Abwasserentsorgung dienende Unternehmen ausgeführt wird, dass die Differenzierung an Bedeutung verloren hat (z.B. BayVGH, U. v. 20.12.2007 –Az. 22 B 02.849 und U. v. 10.4.2006 – Az. 15 BV 05.664) ist anzuführen, dass es sich bei solchen Betrieben um eine eigenständige (dritte) Alternative der Ausnahmeregelung in Art. 4 Abs. 2 KG handelt. Da bei dieser Alternative eine Differenzierung nach wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Betrieben noch nie vorgesehen war, betreffen diese Entscheidungen allein das Problem, ob die Frage des Vorliegens eines „Unternehmens“ in Anlehnung an die Regelungen im Kommunalrecht zu entscheiden ist. Einen Rückschluss auf die hier einschlägige zweite Alternative des Art. 4 Abs. 2 KG lassen sie nicht zu.
Wie von der Klägerin auch unstreitig gestellt, liegt hier ein Unternehmen vor, da es nicht nur um die unselbständige Verwaltung gemeindlicher Liegenschaften geht, sondern, wie die Bezeichnung des Vorhabens als „A … Bayern“, die Schaffung einer eigenen Internetseite (www.A …de) und die geplante Betriebsführung durch ein „Team der A …“ (so betriebliches Nutzungskonzept, Register 6 der Bauantragsunterlagen) zeigt, eine selbständige organisatorische Einheit. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sich die Gemeinde letztlich für eine in Art. 86 ff. BayGO vorgesehene Organisationsform entscheiden wird oder ob es bei einem Regiebetrieb bleibt.
Es handelt sich um ein nicht-wirtschaftliches Unternehmen. Bei der Anwendung der nach obigen Ausführungen noch maßgebenden Differenzierung ist auf die Maßstäbe abzustellen, die früher im Bereich der Bayerischen Gemeindeordnung – und entsprechend auch bei Art. 4 Abs. 2 KG – für die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlilchen Unternehmen gegolten haben. Hier kann die Frage der Gewinnerzielung bzw. Kostendeckung schon deshalb nicht herangezogen werden, weil im Hinblick auf das Fehlen einer vergleichbaren Einrichtung keinerlei Prognosen zu Nachfrage und erzielbaren Erlösen möglich sind. Die von beiden Seiten dazu angeführten Gesichtspunkte können nur als Spekulation eingeordnet werden. Im Übrigen ergibt sich aus der Formulierung in der Gesetzesbegründung zum Kostengesetz „meist mit Kostenunterdeckung“, dass eine im Einzelfall erreichbare Kostendeckung für die Gebührenbefreiung nicht maßgeblich wäre. Die Kammer hält es für sachgerecht, auf die nicht mehr einschlägigen Verwaltungsvorschriften zur Eigenbetriebsverordnung (MABl. 1987, S. 428 ff.) zurückzugreifen. In deren Ziff. 1.1.1 und 1.1.2 sind wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche Unternehmen regelhaft aufgezählt und es werden „kulturelle Einrichtungen, z.B. Institute, Museen, Sammlungen, Ausstellungen, Theater, Konzerte, Volkshochschulen, Büchereien“ als nicht-wirtschaftliche Einrichtungen eingeordnet. Einer solchen Einrichtung entspricht das genehmigte Bauvorhaben. Dabei ist auf die Beschreibung des Nutzungszwecks in Register 6 der Bauantragsunterlagen abzustellen. Dort wird ausgeführt wird, dass Seminare und Schulungen sowie ein Individualangebot zur Verfügung gestellt werden sollen. Aus der Beschreibung ergibt sich, das Hauptzweck jeweils die Pflege der Volksmusik sein soll und andere Dienstleistungen lediglich neben diese Zielsetzung des Aufenthalts in der Akademie treten sollen. Die Kammer verkennt nicht, dass die genehmigten Räume und die in der Betriebsbeschreibung schon angekündigten Zusatzangebote auch für eine allgemeine touristische Nutzung der Gebäude geeignet wären. Auch ist die in der Klagebegründung behauptete „sozialverträgliche Gebührengestaltung“ bisher durch nichts festgeschrieben. Andererseits ist Inhalt der Baugenehmigung ausschließlich der in den Bauantragsunterlagen beschriebene Nutzungsumfang, d.h. die Unterbringung von Personen und/oder Nutzung des technischen Inventars zum Zwecke der Weiterbildung in der Volksmusik. Unabhängig davon, ob eine andere Nutzung der Klägerin nach kommunalrechtlichen Vorschriften gestattet wäre, wäre sie auch von der auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen ergangenen Baugenehmigung nicht gedeckt. Es ist daher auch der Vortrag des Beklagten, dass die Klägerin eine weitergehende Nutzung schon angekündigt hat, nicht entscheidungserheblich für die Frage, ob eine Gebühr für die erteilte Baugenehmigung erhoben werden kann.
Zum Ergebnis, dass ein Anspruch auf die Gebührenbefreiung besteht, gelangt man auch, wenn angesichts der spärlichen Festlegungen hinsichtlich der künftigen Organisationsform, der Entgeltgestaltung und des tatsächlichen Nutzerkreises und Nutzungsangebots zwischen dem Bau der Gebäude und dem Betrieb differenziert wird. Es ist dann davon auszugehen, dass die Gemeinde, wenn sie bauliche Anlagen vor förmlicher Gründung eines Betriebs errichtet, als Träger öffentlichen Belange handelt (so Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Art. 4 KG, Erl. Nr. 4).
Der Klage war demnach stattzugeben mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 VwGO).


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