Baurecht

Gebührenschuld des Eigentümers bei bestehendem Erbbaurecht

Aktenzeichen  M 10 K 16.910

Datum:
10.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 2 Abs. 1 S. 2, Art. 5 Abs. 6, Art. 8, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b cc
AO AO § 170

 

Leitsatz

1. Gebührensatzung für die öffentliche Abfallentsorgung in den Gemeinden … und ..
2. Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Zweckbverbandes …-Südost vom 17. April 2014
1 Art. 5 Abs. 6 BayKAG, welcher die Beitragspflicht regelt, wird so verstanden, dass sowohl der Eigentümer als auch der dinglich Berechtigte herangezogen werden können. Auch dem Eigentümer des Grundstücks kann die Nutzung der Entwässerungseinrichtung durch den Erbbauberechtigten zugerechnet werden, da die Erschließung des Grundstücks bezüglich der Entwässerung dem Eigentümer bewusst und zu seinem Nutzen ist (Anschluss an OVG NRW BeckRS 2014, 55563). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die vierjährige Verjährungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b cc BayKAG iVm § 170 AO beginnt erst zu laufen, wenn die Berechnung auch in tatsächlicher Hinsicht möglich ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein bloßes Unterlassen der Gebührenerhebung kann keinen Vertrauensschutz und somit auch keine Verwirkung begründen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide und Widerspruchsbescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin ist gebührenpflichtig (dazu unter 1.), so dass auch ihr Feststellungsantrag unbegründet ist. Der Anspruch des Beklagten ist nicht erloschen (dazu unter 2.) und auch weder verjährt noch verwirkt (dazu unter 3.).
1. Die Klägerin ist Schuldnerin sowohl der Abwassergebühren (dazu unter a.) als auch der Abfallgebühren (dazu unter b.) für das streitgegenständliche Grundstück. Denn nach den jeweiligen Satzungen des Beklagten haftet die Klägerin gemeinsam mit dem Erbbauberechtigten für die Gebühren im Wege der Gesamtschuld.
a. Im KAG, insbesondere im die Benutzungsgebühren betreffenden Art. 8 KAG, ist nicht geregelt, wer Gebührenschuldner ist. Diesen im Wege der Satzung zu bestimmen, oblag nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 KAG dem Beklagten. Der Beklagte hat in § 13 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Zweckverbandes …-Südost vom 17. April 2014 (BGS/EWS) bzw. in der vorherigen Version festgelegt: „Gebührenschuldner ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld Eigentümer des Grundstücks oder ähnlich zur Nutzung des Grundstücks dinglich berechtigt ist.“ Zweifel an der Wirksamkeit der BGS/EWS sowie der Entwässerungssatzung, auf die sie sich bezieht, sind weder vorgebracht noch sonst ersichtlich. Die Norm ordnet an, dass sowohl der Eigentümer als auch der Erbbauberechtigte als sonst dinglich Berechtigter herangezogen werden kann. Denn durch die Formulierung „Gebührenschuldner ist, wer…“ legt sie eine Definition fest, welche rechtlichen Eigenschaften eine Person zum Gebührenschuldner machen, ohne damit ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen den Gebührenschuldnern festzulegen. Eigentümer und sonst dinglich Berechtigter stehen nach der Formulierung der Norm nebeneinander; Hinweise darauf, dass nur einer der beiden Gebührenschuldner sein soll, finden sich nicht. Dieses Wortlautverständnis wird durch die systematische Auslegung bestätigt, denn auch der wortgleiche Art. 5 Abs. 6 KAG, welcher die Beitragspflicht regelt, wird so verstanden, dass sowohl der Eigentümer als auch der dinglich Berechtigte herangezogen werden können (siehe dazu Stadlöder in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabegesetz, Stand: Juli 2015, Art. 5 Rn. 228). Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift spricht dafür, Eigentümer und Erbbauberechtigten als Gesamtschuldner heranzuziehen. Es liegt im erkennbaren Interesse des Satzungsgebers und sogar in seiner Pflicht gegenüber der Solidargemeinschaft der Gebührenzahler, alle entstandenen Gebühren zu erheben. Damit geht ein berechtigtes und erkennbares Interesse an einer möglichst großen Auswahl potentieller Schuldner einher. Entgegen der klägerischen Ansicht steht diesem Interesse und der daran ausgerichteten Auslegung auch nicht das Wesen des Erbbaurechts als ein den Eigentümer „verdrängendes“ Nutzungsrecht entgegen, so dass § 13 BGS/EWS aus dem Sinn und Zweck des Erbbaurechts heraus zu interpretieren wäre. Zwar knüpft die Gebührenschuld grundsätzlich an die Nutzung der öffentlichen Einrichtung an. Jedoch liegt der BGS/EWS ein rechtlich überformter Nutzungsbegriff zu Grunde und meint nicht allein das Produzieren von Abwässern, welche in die Einrichtung eingeleitet werden. Das folgt bereits daraus, dass nicht jeder Gast oder Mieter die Entwässerungseinrichtung im Sinne der Satzungen nutzt. Auch dem Eigentümer des Grundstücks kann die Nutzung der Entwässerungseinrichtung durch den Erbbauberechtigten zugerechnet werden, da die Erschließung des Grundstücks bezüglich der Entwässerung dem Eigentümer bewusst und zu seinem Nutzen ist (vgl. OVG NW, U.v. 23. Juli 2014 – 9 A 169/12 – juris). Nach § 13 Abs. 3 BGS/EWS haftet die Klägerin als Gesamtschuldnerin.
b. Die Klägerin ist auch Gebührenschuldnerin der Abfallgebühren. In § 2 der Gebührensatzung für die öffentliche Abfallentsorgung in den Gemeinden …, …, …, …, … und … (Abfallgebührensatzung) ist geregelt: „Gebührenschuldner ist, wer die öffentliche Abfallentsorgung des Zweckverbandes bzw. des Landkreises … benutzt“ (Abs. 1) sowie „Bei der Abfuhr von Restmüll unter Verwendung von Abfallbehältnissen und bei den übrigen Abfuhren gilt der Eigentümer, die Eigentümergemeinschaft oder der dinglich Nutzungsberechtigte der an der die Abfallentsorgung des Zweckverbandes angeschlossenen Grundstücke als Benutzer […].“ (Abs. 2). Die Satzungsnorm ist insofern unklar, als sie nicht regelt, ob es nur einen Benutzer geben kann bzw. in welchem Verhältnis die genannten Benutzer zueinander stehen. Der Wortlaut lässt offen, ob jeweils nur entweder der Erbbauberechtigte oder der Eigentümer herangezogen werden kann oder ob der Beklagte auch bei einem bestehenden Erbbaurecht sowohl auf den Erbbauberechtigten als auch auf den Eigentümer zugreifen kann, und bedarf daher der Auslegung. Bezüglich der ratio der Norm ist auf die Ausführungen zur BGS/EWS zu verweisen, dass es sich beim Begriff der Nutzung um einen rechtlich geprägten Begriff handelt, der etwa Kundschaft oder Gäste nicht erfasst und daher eine gewisse Zurechnung vorsieht, und auf das Interesse des Beklagten, möglichst viele Schuldner zur Auswahl zu haben. Nach teleologischer Betrachtung ist davon auszugehen, dass nicht nur derjenige Nutzer der Einrichtung des Beklagten ist, dessen Abfall abtransportiert wird, sondern auch der Eigentümer des Grundstücks, das im Wege des Holsystems vom Beklagten bedient wird. Denn auch in der Satzung über die Vermeidung, Verwertung und das Einsammeln und Befördern von Abfällen in den Gemeinden …, …, …, …, … und … vom 1. Januar 1998 (Abfallwirtschaftsatzung), auf die sich die Gebührensatzung bezieht, stehen Eigentümer und sonst zur Nutzung Berechtigte beim Überlassungszwang nebeneinander (§ 7 Abs. 2 Abfallwirtschaftsatzung).
Entgegen der klägerischen Ansicht kommt es nicht darauf an, ob dem Satzungsgeber sprachlich auch deutlichere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, seinen Willen auszudrücken. Denn dies gilt bei einer auslegungsbedürftigen Norm naturgemäß für beide Ansichten. Nach § 2 Abs. 3 der Gebührensatzung haftet die Klägerin als Gesamtschuldnerin.
2. Die Forderungen des Beklagten gegen die Klägerin aus den streitgegenständlichen Bescheiden sind nicht durch Erfüllung erloschen (§§ 47, 224 AO), denn der Erbbauberechtigte hat keine Zahlungen auf die streitgegenständlichen Forderungen aus dem Zeitraum 2010 bis 2015 geleistet. Nach unbestrittenen Angaben des Beklagten bezogen sich die Forderungen, wegen derer beim Erbbauberechtigten gepfändet wurde, auf die Jahre vor 2010.
3. Die Ansprüche des Beklagten sind nicht verjährt. Denn die vierjährige Verjährungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b cc KAG i.V.m. § 170 AO beginnt erst zu laufen, wenn die Berechnung auch in tatsächlicher Hinsicht möglich ist. Die Ablesung des Verbrauchs für das Jahr 2010 erfolgte aber nach unbestrittenem Vortrag des Beklagten erst im März 2011, so dass die Verjährungsfrist am 1. Januar 2012 zu laufen begann und die Bescheide im Jahr 2015 noch vor Eintritt der Verjährung ergingen. Eine Verwirkung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Erforderlich ist hierfür neben einem Zeitauch ein Umstandsmoment (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 53 Rn. 41). Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin kein Verhalten gezeigt, das sie begründet darauf vertrauen lassen konnte, dass sie die Abwasser- und Abfallgebühren nicht mehr werde zahlen müssen. Denn der Beklagte hat gegenüber der Klägerin schlicht nichts unternommen; ein bloßes Unterlassen kann aber keinen Vertrauensschutz und somit auch keine Verwirkung begründen (vgl. Kopp/Ramsauer, aaO. Rn. 46).


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