Baurecht

Gefährdung wesentlicher Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch Erstaufforstung

Aktenzeichen  B 1 K 16.909

Datum:
18.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 46340
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWaldG Art. 16 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Versagung einer Aufforstung kommt in Betracht, wenn sie geeignet wäre, den schützenswerten Charakter einer Landschaft erheblich nachteilig zu verändern. Dies kann auch bei der Aufforstung relativ kleiner Flächen der Fall sein; dies z.B. dann, wenn ökologisch wertvolle Flächen wie hochwertige Waldrandbereiche aufgeforstet würden. Ebenso, wenn bisher offene Flächen, die das Landschaftsbild maßgeblich bestimmen, aufgeforstet werden sollen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erstaufforstungserlaubnis. Der Ablehnungsbescheid des AELF … vom 21. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Waldgesetz für Bayern (BayWaldG) bedarf die Aufforstung nicht forstlich genutzter Grundstücke mit Waldbäumen durch Saat oder Pflanzung der Erlaubnis.
Über die Erlaubnis nach Art. 16 Abs. 1 BayWaldG ist gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayWaldG binnen drei Monaten nach Eingang des Antrags bei der unteren Forstbehörde zu entscheiden, sofern der Antrag die Zustimmung der nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG Beteiligten – insbesondere der Eigentümer und Nutzungsberechtigten der angrenzenden Grundstücke i.S.v. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayWaldG – enthält. Kann aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall über den Antrag innerhalb dieser Frist nicht entschieden werden, ist nach Art. 39 Abs. 3 Satz 2 BayWaldG die Frist vor ihrem Ablauf in einem dem Antragsteller mitzuteilenden Zwischenbescheid um höchstens drei Monate zu verlängern. Die Erlaubnis gilt gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3 BayWaldG als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der jeweils maßgeblichen Frist aus Art. 39 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayWaldG versagt wird.
Eine Genehmigungsfiktion nach Art. 39 Abs. 3 Satz 3 BayWaldG liegt nicht vor.
Nach dem Wortlaut von Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayWaldG ist über den Antrag binnen drei Monaten nach Eingang des Antrags bei der unteren Forstbehörde zu entscheiden, sofern der Antrag die Zustimmung der nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG Beteiligten enthält. Das Antragsformular vom 25. April 2016 enthielt unter dem Punkt „Erklärung der Verfahrensbeteiligten (Eigentümer und Nutzungsberechtigte des an das aufzuforstende Grundstück angrenzende Grundstück)“ keine Unterschrift der Verfahrensbeteiligten. Eine Beteiligung wäre aber erforderlich, da der Kläger nicht Eigentümer aller umliegenden Grundstücke ist. Auf Nachfrage des Gerichts teilte die Regierung von … mit Schreiben vom 7. August 2018 mit, dass der Kläger nicht Eigentümer des Straßengrundstücks ist. Dieses grenzt aber unmittelbar an das streitgegenständliche Grundstück an. Mangels Vorliegens einer Zustimmung der nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayWaldG zu beteiligenden Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigten der benachbarten Grundstücke ging somit der Vorgang in ein normales Verfahren über (BayVGH, B.v. 13.7.2005 – 19 ZB 03.1214 – BeckRS 2005, 39420 – beck-online). Ist die Genehmigungsfiktion nicht eingetreten, so hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Ausstellung einer der Erlaubnis gleichstehenden Bestätigung (Art. 39 Abs. 3 Satz 4 BayWaldG).
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Erstaufforstungserlaubnis. Nach Art. 16 Abs. 2 BayWaldG darf die Erlaubnis (nach pflichtgemäßer Ermessensausübung) nur versagt oder durch Auflagen eingeschränkt werden, wenn die Aufforstung Plänen i.S. des Art. 3 BayNatSchG (Gesetz über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der freien Natur – Bayerisches Naturschutzgesetz) widerspricht, wenn wesentliche Belange der Landeskultur oder des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet werden, der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt wird oder erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten sind.
Die Erlaubnis wurde vorliegend zu Recht versagt, da die Aufforstung wesentliche Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet. Die Begriffe Naturschutz und Landschaftspflege sind als weitgehend synonym zu betrachten. Dadurch, dass unter Naturschutz heute nicht mehr ausschließlich der konservierende Naturschutz verstanden wird, sondern auch die Landschaftsgestaltung, ist der Begriff des Naturschutzes in die Nähe des Begriffs der Landschaftspflege gerückt. Unter Landschaftspflege versteht man Planungen und Maßnahmen zur Erhaltung und Gestaltung der Landschaft außerhalb der bebauten Gebiete und zur Beseitigung von Landschaftsschäden. Die Versagung einer Aufforstung kommt danach in Betracht, wenn die Aufforstung geeignet wäre, den schützenswerten Charakter einer Landschaft erheblich nachteilig zu verändern. Dies kann auch bei Aufforstung relativ kleiner Flächen der Fall sein z.B., wenn ökologisch wertvolle Flächen wie hochwertige Waldrandbereiche aufgeforstet würden. Ebenso, wenn bisher offene Flächen, die das Landschaftsbild maßgeblich bestimmen (z.B. das Landschaftsbild prägende Wiesentäler und Talabschlüsse, Bergkuppen, Umgriffe von Felspartien, waldfreie Flächen in sonst dicht bewaldeten Gebieten), aufgeforstet werden, auch bei der Erstaufforstung kleiner Flächen (Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckel, Forstrecht in Bayern, Stand: März 2017, Art. 16 BayWaldG Rn 11 Erl. 1.4). Die Rechtsprechung hat im Kontext eines schützenswerten Landschaftsbilds bislang auf einen vielfältigen Wechsel zwischen Wald und Offenland und den Umstand, dass die Arten- und Nischenvielfalt an Saumstrukturen im Übergang zwischen Offenland und Wald besonders groß ist, abgestellt (VG Regensburg, U.v. 12.1.2016 – RN 4 K 15.700 – juris). Eine Aufforstung ist z.B. unzulässig, wenn durch sie ein prägendes Wiesental mit Gehölz bestandenem Bachlauf in einem großen zusammenhängenden Waldgebiet verloren ginge und ein ökologisch wertvoller Waldrand erheblich verkürzt und vereinheitlicht würde (VG Augsburg, U.v. 5.7.2016 – 3 K 15.1039 – BeckRS 2016, 48545 – beck-online). Der abwechslungsreiche Wechsel zwischen Wald und Wiesenbereichen ist in solchen Lagen zudem von Bedeutung für den Erholungswert der Landschaft (VG Augsburg, U.v. 22.2.2008 – Au 4 K 07.1277 – juris).
Die untere Naturschutzbehörde hat ausgeführt, dass die Fläche an der Ostseite des Höhenrückens mit Schloss H …, nördlich der Straße von S … nach H … liegt. Die Fläche ist Teil eines offenen Wiesentälchens mit weiten Ausblicken in die Umgebung. Es handelt sich um einen großen Strukturreichtum aufgrund der engen Verzahnung zwischen Wiesen, Hecken und Waldbereichen und um mäßig extensiv genutztes artenreiches Grünland, das dem Lebensraumtyp 6510 „magere Flachlandmähwiese“ entspricht. Das Grundstück ist wesentlicher Bestandteil der vielgestaltigen, parkähnlichen, historisch gewachsenen Kulturlandschaft rund um Schloss H … mit seinem erhaltenswerten Mosaik aus Wald und Offenland und den vielfältigen Blickbeziehungen in die Umgebung, die auch als ein wichtiges Naherholungsgebiet genutzt wird (Schreiben vom 19. Oktober 2016 – Blatt 44 der Behördenakte). Diese Ansicht wurde durch die untere Naturschutzbehörde im Schreiben der Regierung von … vom 7. August 2018 untermauert und darauf hingewiesen, dass der Zustand der Wiese bis zum heutigen Zeitpunkt der Stellungnahme vom 19. Oktober 2016 entspricht. Das Gericht konnte sich im durchgeführten Augenschein von dem Vorhandensein von Wechsel von Wald und Offenland überzeugen und folgt der Ansicht der unteren Naturschutzbehörde, dass das Grundstück Teil der parkähnlich gewachsenen Kulturlandschaft rund um Schloss H … ist, wenn auch der Ansicht, dass ein Ausblick bis zu den Hügeln des I … gegeben sei, nicht gefolgt werden kann. Diese Hügel können aufgrund des hinter der beantragten Erstaufforstungsfläche liegenden Waldes nur bedingt gesehen werden. Dennoch besticht der Reiz der Landschaft an streitgegenständlicher Fläche dadurch, dass eben ein Wechsel von Wald und Offenland besteht. Durch die Aufforstung ginge dieser kleinräumige Wechsel verloren. Auf Grund der ökologischen Wertigkeit der Fläche (magere Flachlandmähwiese) ist auch von einer Erheblichkeit der Beeinträchtigung auszugehen. Es handelt sich um einen schützenswerten hochwertigen Waldrandbereich.
Klarzustellen ist, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den naturschutzfachlichen Auswirkungen des Aufforstungsvorhabens nicht erforderlich war. Grund hierfür sind die nachvollziehbaren und überzeugenden naturschutzfachlichen Ausführungen der unteren Naturschutzbehörde als Teil der Kreisverwaltungsbehörde, der in Art. 42 Abs. 2 BayWaldG im Erlaubnisverfahren nach Art. 16 BayWaldG die Stellung eines Fachgutachters zugewiesen ist (vgl. VG Augsburg, U.v. 10.7.2012 – Au 3 K 11.1555 – juris Rn. 18). Den Ausführungen des Fachgutachters ist die Klägerseite letztlich nicht hinreichend fachlich substantiiert entgegengetreten. Die Klägerseite hat im Kern schlicht ihre abweichende Einschätzung der Beurteilung des gesetzlichen Fachgutachters entgegengesetzt (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 05.07.2016 – Au 3 K 15.1039 – juris).
Im Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) für den Landkreis … (Blatt 90 der Gerichtsakte) ist zudem für die Gemeinde A … ein Erhalt und eine Optimierung von wertvollen Waldrändern und -säumen als wichtige Teillebensräume und Verbundelemente für Arten der Trockenlebensräume vorgesehen (4.2.2. übergeordnete Ziele und Maßnahmen – Nr. 2). Zudem sind Erstaufforstungen im Bereich naturschutzfachlich wertvoller Trockenstandorte und kleinstrukturreicher Gebiete sowie in den Talauen restriktiv zu handhaben (4.2.2. übergeordnete Ziele und Maßnahmen – Nr. 11).
In diesem Kontext überzeugt der klägerische Vortrag nicht, dass das beantragte Aufforstungsvorhaben im Anschluss direkt an bestehende Waldflächen keinen störenden Fremdkörper im Landschaftsbild darstellen würde, denn dies ändert jedenfalls naturschutzfachlich nichts an der Tatsache, dass durch das Aufforstungsvorhaben – wie ausgeführt – die naturschutzfachlich schützenswerten Übergangsstrukturen in der Landschaft verloren gingen.
3. Das AELF … hat die Erlaubnis zur Erstaufforstung ohne Ermessensfehler versagt, so dass ein Anspruch des Klägers auf Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht in Betracht kommt.
Ermessensentscheidungen unterliegen nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO). Dem Gericht ist es deshalb versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es darf die Entscheidung nur auf Ermessensfehler (Ermessensausfall, Ermessensdefizit, Ermessensfehlgebrauch) hin überprüfen. Diese Prüfung erstreckt sich insbesondere auch darauf, ob die Behörde von einem ausreichend ermittelten und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und von der ihr eingeräumten Entscheidungsbefugnis in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Bei der Ermessensausübung nach Art. 40 BayVwVfG sind alle für den Einzelfall wesentlichen Umstände in die Erwägung einzubeziehen; ansonsten ist ein Ermessensdefizit und folglich ein Rechtsverstoß gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 2.7.2013 – 13 A 12.1659 – juris Rn. 22). Gemäß § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (vgl. allg. BayVGH, U.v. 31.1.2013 – 12 B 12.860 – juris Rn. 27). Das AELF …hat ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei Art. 16 Abs. 2 BayWaldG um eine Ermessensvorschrift handelt. In die gebotene Abwägung hat die Behörde im gerichtlichen Verfahren die Ermessenserwägungen im Schreiben vom 7. Februar 2017 (Blatt 44) ergänzt um die wirtschaftlichen Belange des Klägers. Nach alledem ist insbesondere – entgegen der Auffassung der Klägerseite – kein Ermessensausfall aufgrund Ermessensnichtgebrauchs gegeben. Unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist die Behörde vielmehr zu dem vertretbaren Ergebnis gelangt, die beantragte Erstaufforstungserlaubnis zu versagen.
III.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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