Baurecht

Genehmigung für Fällung eines Walnussbaumes

Aktenzeichen  M 19 K 18.5188

Datum:
24.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 47002
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BaumschutzV § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist mit den im Wege der objektiven Eventualklagehäufung verfolgten Anträgen zulässig aber unbegründet.
1. Im Hauptantrag ist die Klage als Verpflichtungsklage statthaft und zulässig. Sie ist jedoch insoweit nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Sie haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Fällung des Baumes.
Das Grundstück der Kläger liegt innerhalb des in § 1 Abs. 5 BaumschutzV umschriebenen räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung. Nach § 1 Abs. 1 BaumschutzV sind alle Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von 80 cm und mehr in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt. Es ist verboten, lebende Gehölze, die hiernach geschützt sind, ohne Genehmigung der Beklagten zu entfernen, zu zerstören oder zu verändern (§ 3 Abs. 1 BaumschutzV). Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Entfernen, ein Zerstören oder ein Verändern geschützter Gehölze auf Antrag genehmigt werden kann, sind in § 5 BaumschutzV normiert. Keiner der dort genannten Genehmigungstatbestände ist erfüllt.
a) Nach § 5 Abs. 2 BaumschutzV muss die Genehmigung zur Fällung erteilt werden, wenn die geschützten Gehölze krank sind und ihre Erhaltung nicht im öffentlichen Interesse geboten oder nicht möglich ist.
Der Walnussbaum ist nicht krank. Es handelt sich um einen vitalen, erhaltenswerten Baum. Der Fachgutachter der unteren Naturschutzbehörde kam aufgrund einer Ortsbesichtigung zu dem Ergebnis, dass der Baum keinerlei Schäden aufweise. Nach der Entfernung des Totholzes und der Kroneneinkürzung sowie dem Einbau einer dynamischen Kronensicherung ist der Baum derzeit bruch- und verkehrssicher. Bei dem vom Klägerbevollmächtigten beschriebenen „Spalt“ handelt es sich um einen Zwiesel. Dieser wurde nach Angaben des Fachgutachters der unteren Naturschutzbehörde im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch die dynamische Kronensicherung fachgerecht stabilisiert. Auch beim gerichtlichen Augenschein waren keine auf eine Erkrankung des Baumes hindeutenden äußeren Anzeichen festzustellen.
b) Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumschutzV liegen ebenfalls nicht vor. Durch den streitgegenständlichen Baum wird weder der Bestand oder die Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks noch des darauf errichteten Doppelhauses unzumutbar beeinträchtigt.
Eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt regelmäßig nur vor, wenn die mit dem geschützten Baum verbundenen Auswirkungen nach Art und Intensität den Bestand oder die Nutzbarkeit des Grundstücks oder des vorhandenen Gebäudes erheblich beeinträchtigen. Die Beeinträchtigungen müssen allerdings deutlich über das Maß bloßer Belästigungen hinausgehen.
Eine Beeinträchtigung des Gebäudebestands ist weder vorgetragen noch erkennbar. Teil einer angemessenen Grundstücksnutzung ist allerdings neben der Wohnnutzung auch eine Freizeitnutzung und eine entsprechend gärtnerische Nutzung des Grundstücks. Diese implizieren sowohl eine Besonnung mindestens von Teilbereichen des Grundstücks, die über wenige Minuten hinausgeht, als auch verschiedenartige Bepflanzungsmöglichkeiten. Demnach ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Verschattungswirkung nicht entsprechend nutzbarer Grundstückfläche oder die Unmöglichkeit einer gärtnerischen Bewirtschaftung aufgrund dichten Wurzelwerks im Boden die Entfernung eines Baumes rechtfertigen kann. Jedoch sind auch hier die Anforderungen an die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung hoch. Diese kann allenfalls bejaht werden, wenn nicht einmal Teilbereiche eines Grundstücks gärtnerisch nutzbar, also bepflanzbar und besonnt sind und entsprechend insgesamt nur sehr eingeschränkte Bepflanzungsmöglichkeiten bestehen (VG München, U.v. 23.11.2015 – M 8 K 14.2817 – juris Rn. 61; U.v. 19.11.2012 – M 8 K 11.5128 – juris Rn. 35).
Eine derart unzumutbare Situation besteht auf dem klägerischen Grundstück indes nicht. Der vorhandene Baumbestand auf ihrem Grundstück und dem Grundstück der Beigeladenen im Grenzbereich führt nicht dazu, dass die Kläger ihr Grundstück nicht oder nur sehr eingeschränkt gärtnerisch nutzen können. Hiervon konnte sich das Gericht beim Augenscheintermin überzeugen. Es trifft zwar zu, dass die Krone des Walnussbaums das Grundstück teilweise verschattet. Die gärtnerische Nutzung unmittelbar im Stammbereich unterhalb des Walnussbaums im Grenzbereich zur Beigeladenen hin ist darüber hinaus wegen der dort verlaufenden Baumwurzeln deutlich erschwert. Auch war erkennbar, dass das Gartenhaus zumindest leicht verzogen war und es ist nicht auszuschließen, dass dies auch auf das Wurzelwerk des Baumes zurückzuführen ist. Das klägerische Grundstück ist jedoch in seinen übrigen Bereichen ausreichend nutzbar. Im Garten sind Blumenbeete angelegt, es finden sich (Beeren-) Sträucher, ein kleines Gewächshaus und Rasensowie Lager- und Freisitzflächen. Eine Besonnung des Grundstücks findet in üblichem Umfang statt. Auch die Neuerrichtung eines Gartenhauses wird den Klägern möglich sein. Dieses dürfte unter Beachtung besonderer konstruktiver Voraussetzungen (evtl. Punktfundament) am bisherigen Platz errichtet werden können; jedenfalls lässt sich an anderer Stelle im Garten ein Gartenhaus aufstellen. Da die Kläger den verbleibenden Gartenbereich umfangreich und vielfältig nutzen können, müssen sie zugunsten der mit der Baumschutzverordnung verfolgten Ziele die durch den Walnussbaum entstehenden Beeinträchtigungen hinnehmen. Ein von Umgebungseinwirkungen isolierter Anspruch auf optimale gärtnerische Bewirtschaftung eines innerstädtischen Hausgartens besteht nicht.
c) Die von den Klägern vorgetragenen Beeinträchtigungen stellen auch bei einer Gesamtbetrachtung und -würdigung keine Belastung dar, die sich zu einer nicht beabsichtigten Härte im Sinne des § 5 Abs. 3 BaumschutzV i.V.m. § 67 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verdichten würde. Die in einem Garten möglicherweise unerwünschte Verschattung von Flächen und erschwerte Bepflanzung von stark verwurzelten Bodenbereichen mögen zwar als lästig empfunden werden, gehen aber mit größerem Baumbestand in dicht besiedelten Gebieten unweigerlich einher. Die Betroffenheit der Kläger überschreitet nicht die Schwelle zur unbeabsichtigten Härte. Die Einwirkung ist mit Blick auf die Gartengröße und die bestehenden Nutzungsmöglichkeiten von untergeordneter Bedeutung.
2. Auch der Hilfsantrag bleibt ohne Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Genehmigung der Kappung und Entfernung der Wurzeln des Walnussbaums.
Nach § 3 Abs. 1 BaumschutzV ist es vorbehaltlich einer Genehmigung nach § 5 BaumschutzV nicht nur verboten, einen durch die Verordnung geschützten Baum zu entfernen, sondern auch ihn zu verändern. Eine Veränderung ist nach § 3 Abs. 4 BaumschutzV insbesondere dann gegeben, wenn ein Eingriff vorgenommen wird, der das charakteristische Aussehen verändert, das weitere Wachstum behindert oder das Gehölz in seiner Gesundheit schädigt.
Die begehrte Maßnahme stellt eine Veränderung in diesem Sinne dar. Die Abtrennung des Wurzelwerks auf dem klägerischen Grundstück würde die Versorgungssituation und die Standsicherheit des Baumes maßgeblich verändern.
Die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Veränderung liegen nicht vor. Wie bereits dargelegt, geht von dem Baum keine unzumutbare Beeinträchtigung aus. Die Anforderungen an eine Unzumutbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumschutzV sind zwar grundsätzlich weniger streng, wenn nicht die Beseitigung, sondern lediglich eine Veränderung des Baumes in Rede steht. Da vorliegend die erstrebte Veränderung des Baumes aber erheblich ist und nach den Angaben des Fachgutachters der unteren Naturschutzbehörde die Standsicherheit des Baumes gefährden und möglicherweise auch zu einem Absterben des Baumes führen würde, genügen die bloßen Belästigungen, die das klägerische Grundstück durch den streitgegenständlichen Baum erfährt, nicht für einen Anspruch auf Genehmigung der Entfernung des Wurzelwerks.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene keinen Klageantrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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