Baurecht

Gewässerausbau, Plangenehmigungsverfahren, Verwaltungsgerichte, Wasserwirtschaftsamt, Prozeßbevollmächtigter, Natürliche Rückhaltefläche, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Zwingender Versagungsgrund, Wasserrechtliche Planfeststellung, Beseitigungsanordnung, Antragsunterlagen, Landratsamt, Kostenentscheidung, Rechtsmittelbelehrung, Amtlicher Sachverständiger, Nebenbestimmung, Grundstückseigentümer, Grundstücksfläche, Grundstücknachbar, Nachbargrundstück

Aktenzeichen  B 7 K 19.230

Datum:
21.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40904
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 67 II
WHG § 68 I und III Nr. 1
BayVwVfG Art. 21 I 1
§ 98 VwGO i.V.m. § 412 ZPO

 

Leitsatz

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen. 
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und bleibt deshalb erfolglos.
1. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Plangenehmigung für die von ihm bereits errichtete Uferbefestigung, noch einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen diesbezüglichen Antrag. Die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung der Plangenehmigung durch das Landratsamt … mit Bescheid vom 11.02.2019 war rechtmäßig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 und Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Die vom Kläger im Jahr 2014 am … entlang des Grundstücks Fl.-Nr. aa, Gemarkung …, errichtete Ufermauer erfüllt den Tatbestand eines plangenehmigungs- bzw. planfeststellungsbedürftigen Gewässerausbaus i.S.d. § 67 Abs. 2 Satz 1, § 68 Abs. 1 WHG. Denn durch die mehrreihige Aufschichtung großer Wasserbausteine am Böschungsfuß und die Auffüllung des dahinterliegenden Geländes wurde das Ufer des … von der natürlichen Trapezform ausgehend erheblich zu einer befestigten Ufermauer hin umgestaltet. Über diesen Umstand herrscht zwischen den Beteiligten auch im Wesentlichen Einigkeit.
b) Der Erteilung einer Plangenehmigung bzw. Planfeststellung für die Ufermauer steht jedoch der zwingende Versagungsgrund einer Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nach § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG entgegen.
aa) Insofern kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger dem Landratsamt vorgelegten Antragsunterlagen den gesetzlichen Anforderungen insbesondere der Verordnung über Pläne und Beilagen in wasserrechtlichen Verfahren (WPBV) entsprechen. Dies kann seitens des Gerichts namentlich deshalb nicht abschließend beurteilt werden, weil der Kläger trotz ausreichend bemessener und großzügig verlängerter Frist die nicht in den Akten befindlichen Bestandteile der Antragsunterlagen nicht vorgelegt hat. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch auch nicht an, weil das (bereits realisierte) Vorhaben des Klägers jedenfalls in materieller Hinsicht nicht genehmigungsfähig ist.
bb) Nach § 68 Abs. 3 Nr. 1 WHG darf der Plan nur festgestellt oder genehmigt werden, wenn eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken oder eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen, vor allem in Auwäldern, nicht zu erwarten ist. Die Vorschrift enthält – grundsätzlich – einen zwingenden Versagungsgrund (Schenk in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, 53. EL August 2019, § 68 Rn. 20). Nach § 72 WHG ist ein Hochwasser die zeitlich begrenzte Überschwemmung von normalerweise nicht mit Wasser bedecktem Land durch oberirdische Gewässer oder durch in Küstengebiete eindringendes Meerwasser. Ein Hochwasserrisiko ist gem. § 73 Abs. 1 Satz 2 WHG die Kombination der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Hochwasserereignisses mit den möglichen nachteiligen Hochwasserfolgen für die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe, wirtschaftliche Tätigkeiten und erhebliche Sachwerte.
Daran gemessen steht der beantragten Plangenehmigung eine erhebliche und dauerhafte, nicht ausgleichbare Erhöhung der Hochwasserrisiken entgegen. Denn für das Gericht ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass durch die Mauer, die ausgehend vom Böschungsfuß nahezu senkrecht errichtet wurde, und die Auffüllung des dahintergelegenen Teils des ehemaligen Trapezbachbettes der Abflussquerschnitt des … zugunsten einer Vergrößerung der nutzbaren Grundstücksfläche des Klägers verringert wurde. Damit steht dem Gewässer insgesamt weniger Raum zur Verfügung. Im Falle eines Hochwassers würde dies einerseits aufgrund der Verengung zu höheren Fließgeschwindigkeiten führen und andererseits dazu, dass aufgrund der nur einseitigen Eingrenzung des Baches das Wasser auf das gegenüber gelegene Grundstück Fl.-Nr. ccc „hinüberdrückt“ und dieses umso mehr von Überschwemmungen betroffen wäre. Das erschließt sich der Kammer bereits ohne Berücksichtigung des Gutachtens des Wasserwirtschaftsamts … vom 31.01.2019 allein aufgrund allgemein bekannter physikalischer Grundsätze. Möglichkeiten, wie sich dies mittels Inhalts- oder Nebenbestimmungen verhindern ließe, hat der Kläger nicht aufgezeigt und sind auch für die Kammer nicht erkennbar.
Diese Annahmen werden bestätigt durch die Ausführungen, die das Wasserwirtschaftsamt … als amtlicher Sachverständiger im Gutachten vom 31.01.2019 getroffen hat. Das Wasserwirtschaftsamt führt darin unter anderem aus: „Das Verschmälern des Bachbettes, einhergehend mit einer Geländerauffüllung auf Fl.-Nr. aa, verringert jedoch das Abflussprofil dahingehend, dass mit höherer Fließgeschwindigkeit und Erhöhung der Überschwemmungsgefahr für das gegenüberliegende Grundstück Fl.-Nr. ccc gerechnet werden muss. Das natürliche Abflussverhalten wird weiter eingeschränkt. […] Die Einengung des Abflussquerschnitts und die teilweise Auffüllung des Grundstücks Fl.-Nr. aa führen zu höheren Fließgeschwindigkeiten bzw. zu der Gefahr häufigeren Ausuferns, aufgrund der unterschiedlichen Höhenlage bevorzugt das linksufrige Grundstück betreffend.“ (GA, S. 3 und 5). Möglichkeiten, die Erhöhung der Hochwassergefahr durch Auflagen oder Bedingungen auszugleichen bzw. zu vermeiden sieht auch das Wasserwirtschaftsamt nicht (GA, S. 3).
Der Verwertbarkeit des Gutachtens vom 31.01.2019 steht nicht die klägerseits vorgebrachte Besorgnis der Befangenheit entgegen. Schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, das Wasserwirtschaftsamt … sei aufgrund unsachlicher Äußerungen seitens Herrn P. im Laufe des Verwaltungsverfahrens als voreingenommen gegenüber dem Kläger anzusehen und nicht mehr in der Lage, die tatsächlichen Gegebenheiten objektiv zu beurteilen (vgl. Sitzungsniederschrift, S. 4; Klagebegründung, S. 6 ff.). Jedoch kann das Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG nicht einer Behörde als solcher, sondern stets nur einzelnen für die Behörde tätigen Personen begegnen. Allenfalls käme hierfür der klägerseits genannte Herr P. in Betracht, der jedoch an der Erstellung des Gutachtens vom 31.01.2019 gerade nicht beteiligt war. Für das Wasserwirtschaftsamt tätige Gutachterin war vielmehr Frau B., in Bezug auf die aber keinerlei Anhaltspunkte für eine voreingenommene Amtsausübung vorgetragen oder sonst ersichtlich sind.
Auch war eine weitere Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung des Klägers, dass durch die von ihm durchgeführten Gewässerausbaumaßnahmen im Bereich des … weder eine Erhöhung des Hochwasserrisikos, noch eine Zerstörung natürlicher Rückhalteflächen zu erwarten sei, nicht erforderlich. Der in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellte Beweisantrag wird daher abgelehnt. Denn § 98 VwGO i.V.m. § 412 ZPO verlangt eine weitere Beweiserhebung nur, wenn das bereits vorliegende Gutachten nicht geeignet ist, dem Gericht die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln.
Amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts kommen eine besondere Bedeutung zu. Diesen liegt die fachliche Erfahrung aus einer jahrelangen Bearbeitung wasserrechtlicher Sachverhalte in einem bestimmten Gebiet zugrunde und nicht nur die Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall, sodass ihnen grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen privater Fachinstitute zukommt; für nicht durch Aussagen sachverständiger Personen untermauerte Darlegungen wasserwirtschaftlicher Art von Prozessbeteiligten gilt dies erst recht. Die Notwendigkeit einer Abweichung oder Beweiserhebung durch das Gericht ist daher erst geboten, wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass die gutachterliche Äußerung der Fachbehörde tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2020 – 8 ZB 20.1178 – juris m.w.N.).
Das ist hier aber nicht der Fall. Mit dem Argument, dass es seit dem Bau der fraglichen Ufermauer im Jahr 2014 trotz extremer Niederschlagsereignisse zu keiner verschärften Hochwassersituation am … gekommen sei, zeigt der Klägerbevollmächtigte keine Mängel oder Widersprüche im Gutachten des Wasserwirtschaftsamts auf. Die Ausführungen des amtlichen Sachverständigen zur Erhöhung der Hochwassergefahr beruhen nämlich auf einer prognostischen Bewertung des Hochwasserrisikos i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 WHG. Ausgehend vom Zeitpunkt der Gutachtenserstellung (31.01.2019) trifft der amtliche Gutachter eine Aussage zu der künftigen Eintrittswahrscheinlichkeit und den zu erwartenden Folgen aufgrund einer Vielzahl von Erkenntnisquellen, von denen die in der Vergangenheit eingetretenen Hochwasserereignisse nur eine sein können (vgl. § 73 Abs. 2 WHG i.V.m. Art. 4 Abs. 2 RL 2007/60/EG vom 23.10.2007). Vor diesem Hintergrund kann allein aus dem Umstand, dass in den vergangenen sieben (bzw. ausgehend vom Zeitpunkt der Begutachtung: fünf) Jahren keine verschärfte Hochwassersituation eingetreten ist, nicht abgeleitet werden, dass dies auch künftig nicht zu erwarten steht. Insbesondere ist dieser Zeitraum vergleichsweise kurz (z.B. im Verhältnis zur Eintrittswahrscheinlichkeit eines HQ-100-Hochwassers) und daher wohl nicht allein repräsentativ für eine langfristige Prognose, wie sie das Wasserwirtschaftsamt zu treffen hatte. Stichhaltige, fachliche Kritikpunkte am Vorgehen des Wasserwirtschaftsamts bei der Erstellung des Gutachtens sind indes weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich. Das Gutachten des Wasserwirtschaftsamts ist vielmehr in sich schlüssig und inhaltlich gut nachvollziehbar. Im Übrigen ist auch nicht konkretisiert worden, auf welche Niederschlagsereignisse in den vergangenen Jahren der Klägerbevollmächtigte bei seinen Ausführungen im Einzelnen rekurriert, und weshalb diese so erheblich gewesen sein sollten, dass sich daraus eine offenbare Unrichtigkeit des wasserwirtschaftlichen Gutachtens ersehen ließe.
c) Die in § 68 Abs. 3 WHG enthaltene materiell-rechtliche Schranke für das planerische Abwägungsgebot führt auf der Rechtsfolgenseite dazu, dass die Planfeststellung bzw. – genehmigung zwingend zu versagen ist, wenn eine Beeinträchtigung des Allgemeinwohls im Sinne der Norm zu erwarten ist (vgl. Spieth in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 56. Edition, § 68 WHG, Rn. 21). Die Entscheidung der Behörde ist in dieser Hinsicht eine gebundene.
Unbehelflich ist insoweit der Vortrag des Klägers, auch der Grundstücksnachbar habe seinerseits für den Kläger nachteilige Uferveränderungen vorgenommen. Denn erstens ist für das Gleichbehandlungsargument grundsätzlich nur im Rahmen von Ermessensentscheidungen Raum, nicht jedoch im Falle von sich zwingend aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen (vgl. z.B. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 103 ff.). Zweitens ist ein früherer oder gegenwärtiger Eingriff seitens des Nachbarn, der auch nur annährend so erheblich wäre wie die vom Kläger errichtete Ufermauer, nicht im Ansatz ersichtlich. Drittens steht jedenfalls der in der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde Grundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“ einer auf den Gleichheitssatz gestützten Abwehr belastender Verwaltungsentscheidungen sowie der Einforderung einer Dritten rechtswidrig gewährten Begünstigung entgegen (vgl. z.B. Wollenschläger in: v. Mangold/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 218), sodass der Kläger nicht einmal dann Ansprüche für sich aus dem Handeln des Grundstücksnachbaren ableiten könnte, wenn es von dessen Seite her tatsächlich zu einer vergleichbaren Uferumgestaltung gekommen wäre.
d) Der Kläger hat mithin keinen Anspruch auf Erteilung einer Plangenehmigung/Planfeststellung für die von ihm errichtete Ufermauer oder auf erneute Entscheidung der Behörde. Die Ablehnung seines Antrags durch Bescheid des Landratsamts … vom 11.02.2019 war rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Klage war abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Aufgrund der allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Kosten des Beklagten bedurfte es keiner Einräumung einer Abwendungsbefugnis.


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