Baurecht

Gewerbliche Altpapiersammlung

Aktenzeichen  20 B 17.283

Datum:
12.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 139200
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 3 Nr. 3, S. 4, § 18 Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1. Die transparente und diskriminierungsfreie Vergabe der flächendeckenden Sammlung von Papier, Pappe und Kartonagen im haushaltsnahen Holsystem mittels Altpapiertonne durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger wird durch eine bestehende flächendeckende gewerbliche Sammlung im Holsystem erschwert. (Rn. 32)
2. Für eine Erschwerung der Vergabe muss ein entsprechendes Vergabeverfahren konkret in Aussicht stehen. Ausreichend ist grundsätzlich, dass das zuständige Organ der entsorgungspflichtigen Körperschaft einen konkreten Beschluss über die Ausschreibung und Vergabe getroffen hat, der von der Verwaltung ohne weitere Beschlussfassung unter Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften umgesetzt werden kann. (Rn. 35)

Verfahrensgang

M 17 K 13.377 2014-10-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. Oktober 2014 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts München 16. Oktober wird geändert, weil der Bescheid des Beklagten vom 14. Januar 2013 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 18 Abs. 5 Satz 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Die Untersagung der gewerblichen Altpapiersammlung der Klägerin ab dem 1. Juli 2013 ist auf diese Vorschrift und nicht auf Satz 1 des § 18 Abs. 5 KrWG zu stützen, weil es sich bei der angegriffenen Maßnahme einheitlich um eine Untersagung mit Auslauffrist handelt. Danach hat die Behörde die Durchführung der angezeigten Sammlung zu untersagen, wenn die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4 KrWG genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Der hier maßgebliche § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG besagt, dass eine Überlassungspflicht für Abfälle nicht besteht, wenn diese durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen. Der Sammlung der Klägerin stehen hier öffentliche Interessen entgegen, weil sie die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des Beigeladenen als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger wesentlich beeinträchtigt, denn sie erschwert die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich (§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG).
Der gewerblichen Altpapiersammlung stehen in dem für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 57; BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – juris Rn. 24; U.v. 11.5.2017 – 20 B 15.285 – juris Rn. 21), d.h. hier im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren, überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG entgegen. Nach dieser Vorschrift sind gewerbliche Sammlungen sortenreiner Haushaltsabfälle – wie hier Abfälle der sog. PPK-Fraktion (Papier, Pappe, Kartonagen), im Wesentlichen also Altpapier – von der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG bestehenden Pflicht zur Überlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (§ 20 KrWG) ausgenommen, soweit überwiegende öffentliche Interessen der konkreten Sammlung nicht entgegenstehen. Überwiegende öffentliche Interessen stehen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG u.a. entgegen, wenn die Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von diesem beauftragten Dritten gefährdet. Die Regelvermutung des § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG greift auch dann, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Entsorgungsleistungen nicht selbst erbringt, sondern ausschreibt und diese Ausschreibung durch gewerbliche Sammlungen erschwert oder unterlaufen würde (vgl. die amtliche Begründung, BT-Drs. 17/6052, S. 88). Dieses Kriterium, das seine endgültige Formulierung durch einen im Gesetzgebungsverfahren angenommenen Änderungsvorschlag erhalten hat, soll verhindern, dass durch die gewerbliche Sammlung eine diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb im konkreten Fall von vornherein erheblich erschwert oder nach Erteilung des Entsorgungsauftrags an einen Wettbewerber gar unterlaufen wird (vgl. Änderungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, BT-Drs. 17/7505 S. 44, und Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, ebenda S. 3). Die Regelung schützt die wettbewerbskonforme Einbindung der privaten Entsorgungswirtschaft in die kommunale Aufgabenwahrnehmung und sichert so die „duale“ Entsorgungsverantwortung im Bereich der Entsorgung von Haushaltsabfällen ab. Sie gewährleistet damit einen fairen Interessenausgleich zwischen öffentlich-rechtlicher und privater Entsorgungswirtschaft (BT-Drs. 17/7505 S. 44; vgl. auch Karpenstein/Dingemann in Jarass/Petersen, KrWG, § 17 Rn. 184). Sie steht – im Gegensatz zu den Fällen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 und 2 KrWG – nicht unter dem Vorbehalt, dass die gewerbliche Sammlung wesentlich leistungsfähiger ist, weil die entsprechende Einschränkung in § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG sich nach ihrem Wortlaut nicht auf die Nummer 3 des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG bezieht (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – AbfallR 2017, 237).
In der Kommentarliteratur werden jedoch Bedenken geäußert, ob diese strenge Vermutungsregel noch eine durch Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigte Beschränkung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit gewerblicher Sammler darstellt (eingehend Karpenstein/Dingemann a.a.O. Rn. 36 f., 185 ff.; ferner Klement in Schmehl, GK-KrWG, § 17 Rn. 155 f.; Frenz in Fluck/Frenz/Fischer/Franßen, § 17 KrWG Rn. 179 f.). Eventuellen Bedenken im Hinblick auf die Unionsrechtskonformität der Regelvermutung kann zunächst dadurch begegnet werden, dass die Schwelle eines erheblichen Erschwerens oder Unterlaufens der Vergabe nicht zu niedrig angesetzt wird. Erforderlich ist daher eine deutlich fühlbare Erschwerung oder gar Ausschaltung der diskriminierungsfreien und transparenten Vergabe (BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 20 CS 16.1416 – a.a.O.; Beckmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2016, KrWG § 17 Rn. 134 ff.; Frenz a.a.O. Rn. 182; Karpenstein/Dingemann a.a.O. Rn. 36). Hier kommt allerdings vor allem die besondere Interessenlage bei der haushaltsnahen Altpapiersammlung im Holsystem mittels Papiertonne hinzu. Mit der Sammlung der Klägerin wird eine haushaltsnahe Sammlung des Altpapiers im Holsystem mittels Papiertonne bereits durchgeführt. Die Klägerin ist dabei im Entsorgungsgebiet des Beigeladenen alleiniger Marktteilnehmer im Holsystem. Der Beigeladene, der seine derzeitige Sammlung von Altpapier im Bringsystem über seine 21 Recyclinghöfe organisiert hat, beabsichtigt nunmehr eine Altpapiersammlung ebenso im Holsystem über eine Ausschreibung und Vergabe an einen privaten Dritten durchzuführen und sein bisheriges Bringsystem selbst beizubehalten. Eine Sammlung von Altpapier im Holsystem mittels Papiertonne bedingt bei lebensnaher Betrachtungsweise jedoch, dass pro Haushalt lediglich eine Tonne dem Verbraucher zur Verfügung gestellt wird. Dies bedeutet, dass die Verantwortlichkeit für diese Papiertonne in der Regel, abgesehen von besonderen Konstellationen im Einzelfall, in die Hand eines Sammlers gegeben werden muss, jedenfalls soweit die konkurrierenden Sammlungen im gesamten Gebiet der entsorgungspflichtigen Körperschaft stattfinden sollen. Folglich stellt sich die Wettbewerbssituation hier so dar, dass eine gewerbliche Sammlung im Gebiet des Beigeladenen ohne weitere private Konkurrenz stattfindet und der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger erst durch die Ausschreibung und Vergabe der Leistung an einen privaten Dritten, welcher durchaus auch die Klägerin sein kann, möglichst wettbewerbsgerechte Voraussetzungen für die Sammlung von Altpapier verwirklicht. Denn es ist nicht ersichtlich, wie in einem Fall, wenn ein privater Dritter das Holsystem mittels Papiertonne quasi besetzt hält, weitere private Sammler in den Wettbewerb ohne Ausschreibung und Vergabe eintreten könnten. Demnach kann der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die von einem privaten Sammler gesammelte Altpapiermenge grundsätzlich an sich ziehen und über die öffentliche Ausschreibung und Vergabe des Holsystems den privaten Wettbewerbern am Markt zugänglich machen. Der Beigeladene muss sich nicht darauf verweisen lassen, etwa eine Haushaltsbefragung durchzuführen, welcher Haushalt sich für die kommunale Tonne entscheidet und welcher für die des privaten Sammlers (so aber wohl OVG Saarland, U.v. 12.1.2017 – 2 A 147/15 – AbfallR 2017, 125) und so eine parallele Sammlung des Altpapiers anzustreben. Dem europarechtlich geschützten Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit ist bereits durch die transparente und diskriminierungsfreie Ausschreibung Genüge getan (Plenarprotokoll 17/158, Anlage 2). Zudem beeinträchtigen parallel durchgeführte Sammlungen von Altpapier im Holsystem mittels Papiertonne auf der Seite der Haushalte die gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der angebotenen Entsorgungsleistung. Dieses Kriterium, das auch in den Leistungsvergleich nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG einzubeziehen ist, stellt einen Belang dar, den die Mitgliedstaaten bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nach dem Protokoll Nr. 26 zu Art. 14 AEUV (Protokoll Nr. 26 über Dienst von allgemeinem Interesse in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.10.2012, ABl. C 326, S. 308, 1. Spiegelstrich) berücksichtigen dürfen. Es ist daher in die Beurteilung einzubeziehen, ob die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wesentlich beeinträchtigt wird und damit eine Beschränkung der Grundfreiheiten gewerblicher Sammler nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt ist.
Für eine Erschwerung der Vergabe muss jedoch ein entsprechendes Vergabeverfahren konkret in Aussicht stehen. Eine rein prophylaktische Verdrängung gewerblicher Sammler kann damit nämlich nicht gerechtfertigt werden (OVG Saarland, U.v. 12.1.2017 – 2 A 147/15 – AbfallR 2017, 125; VGH BW, B.v. 9.9.2013 – 10 S 1116/13 – DVBl 2013, 1537). Hierfür dürfen aber nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, um den Spielraum des öffentlichen Entsorgungsträgers bei der Ausschreibung und Vergabe nicht unnötig einzuengen. Ausreichend ist grundsätzlich, dass das zuständige Organ der entsorgungspflichtigen Körperschaft einen konkreten Beschluss über die Ausschreibung und Vergabe getroffen hat, der von der Verwaltung ohne weitere Beschlussfassung unter Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften umgesetzt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn der Kreistag des Beigeladenen hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2011 die Einführung der kommunalen Papiertonne (ohne Anschlusszwang) zum frühesten Zeitpunkt, spätestens zum 1. Januar 2013 beschlossen und weiter bestimmt, dass die Papiersammlung, einschließlich der Gestellung der Papiertonnen, mittels öffentlicher Ausschreibung an ein gewerbliches Unternehmen vergeben wird. Damit hat der Kreistag die geplante Sammlung im Holsystem mittels Ausschreibung an einen privaten Sammler hinreichend umschrieben und festgelegt. Dieser Beschluss ist nach wie vor gültig. Zwar ist die zeitliche Vorgabe des Kreistages objektiv nicht mehr einzuhalten. Dies ist jedoch unschädlich, da keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass der Kreistag als zur Entscheidung berufenes Organ des Landkreises nicht mehr an seinem Beschluss vom 13. Oktober 2011 festhalten will. Der Beschluss des Werkausschusses vom 12. März 2013, die Ausschreibung für die kommunale Papiertonne zurückzustellen, ändert hieran nichts. Zum einen reagierte der Landkreis lediglich auf die gerichtliche Auseinandersetzung mit der Klägerin. Zum anderen kann der Werkausschuss als beschließender Ausschuss des Landkreises eine Grundsatzentscheidung des Kreistages nicht ändern (vgl. Art. 76 Abs. 4 Satz LKrO). Darauf, dass die Beschlussfassung durch den Kreistag für eine bevorstehende Vergabe ausreichend ist, deutet auch § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG hin, der auch die geplante Leistung eines Entsorgungsträgers berücksichtigt. Zwar ist diese Regelung auf den Fall des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG nicht anwendbar, sie zeigt aber, dass Grundsatzentscheidungen des zuständigen Organs in die Betrachtung miteinzubeziehen sind. Dabei sollen innere Motivationen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder lediglich allgemeine Willensbekundungen zwar nicht genügen; die Planung muss sich vielmehr zumindest in Beschlüssen der verantwortlichen Gremien des öffentlichen Entsorgungsträgers hinreichend konkret manifestieren (BT-Drucksache 17/7505 S.45). Dies ist hier der Fall.
Weiter erschwert die Sammlung der Klägerin die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich. Eine solche Situation liegt hier vor, weil sich bei Fortsetzung der klägerischen Sammlung zwei flächendeckende Sammlungen im Holsystem im gesamten Entsorgungsgebiet gegenüberstehen würden. Aus der bereits dargestellten praktischen Erforderlichkeit der Einmaligkeit einer Papiertonne pro Haushalt folgt, dass ohne die Untersagung der gewerblichen Sammlung die Ausschreibung und Vergabe dieser Sammlung im Holsystem nicht möglich ist und damit wesentlich erschwert wird. Bei Fortführung der gewerblichen Sammlung der Klägerin macht das Aufstellen einer (weiteren) kommunalen Sammeltonne für Altpapier keinen Sinn.
Ob, wie der Beklagte meint, auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 und 2 KrWG hier erfüllt sind, kann dahinstehen. Auf diese Frage kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass jedenfalls unter Zugrundelegung des im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung durchgeführten Bringsystems über die 21 Recyclinghöfe des Beigeladenen die Anwendung dieser Bestimmungen nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG ausgeschlossen ist, weil die von der Klägerin angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle wesentlich leistungsfähiger ist als die vom Beigeladenen bereits angebotene Leistung im Bringsystem. Der Senat geht davon aus, dass bei Altpapier die Sammlung im Holsystem mittels Papiertonne grundsätzlich leistungsfähiger ist als ein Bringsystem über 21 Recyclinghöfe. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sind die in § 17 Abs. 3 Satz 5 KrWG angeführten Kriterien heranzuziehen. Beim Leistungsvergleich ist auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen gewerblichen Sammlers abzustellen. Der besondere Schutz der vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Verfügung gestellten einheitlichen Entsorgungsstruktur kann nur dann zurücktreten, wenn sich ein wiederum einheitlich verantwortetes Erfassungs- und Verwertungssystem als überlegen zeigt. Nur wenn die gewerbliche Sammlung von einer Stelle zentral organisiert und verantwortet wird und nicht nur auf einem unkoordinierten Nebeneinander verschiedener Sammlungen in unterschiedlicher Trägerschaft beruht, kann sie das Maß an Verlässlichkeit in Anspruch nehmen, das eine Verdrängung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu rechtfertigen geeignet ist (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – BVerwGE 155, 336 = juris Rn 15). Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sind nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KrWG sowohl die in Bezug auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu beurteilenden Kriterien der Qualität und der Effizienz, des Umfangs und der Dauer der Erfassung und Verwertung der Abfälle als auch die aus Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beurteilende gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der Leistung zugrunde zu legen. Der Leitbegriff der gemeinwohlverträglichen Servicegerechtigkeit reflektiert die im Protokoll über Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zum Lissabon-Vertrag betonten gemeinsamen Werte der Union, nach denen es für Daseinsvorsorgeleistungen insbesondere auf „die Bedürfnisse und Präferenzen der Nutzer“ sowie auf ein hohes Niveau in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung und Förderung des universellen Zugangs und der Nutzerrechte“ ankommt (BT-Drucksache 17/7505 S. 45). Hier liegt es auf der Hand, dass das von der Klägerin landkreisweit und seit vielen Jahren beständig durchgeführte Holsystem aus Gründen der Servicefreundlichkeit sowie aus ökologischer Sicht wesentlich leistungsfähiger ist.
Anders verhält es sich zwar, wenn man das vom Beigeladenen geplante kombinierte Bring- und Holsystem zugrunde legt. Allerdings ist bereits fraglich, ob das vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2016 (Az.: 7 C 4.15 – BVerwGE 155, 336) entwickelte Vergleichsmodell mit einer Irrelevanzschwelle auf den hier zu entscheidenden Fall der erstmaligen Einrichtung eines Holsystems durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger anwendbar ist (bejahend: OVG Saarland, U.v. 12.1.2017 – 2 A 147/15 – AbfallR 2017, 125). Zumal es sich bei der Sammlung der Klägerin um eine zunächst rechtmäßig durchgeführte Sammlung, welche den Status quo prägt und den Anteil des Entsorgungsträgers am gesamten Sammelaufkommen anzeigt, handeln dürfte (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – BVerwGE 155, 336 = juris Rn 55). Aber selbst wenn man die Sammelmengen des öffentlichen Trägers und aller gewerblicher Sammler gegenüberstellt (so wohl OVG Saarland, U.v. 12.1.2017 – 2 A 147/15 – AbfallR 2017, 125 = juris Rn 55), bleibt fraglich, welche Sammelmenge bei einer geplanten Sammlung des öffentlichen Entsorgungsträgers anzusetzen ist. Geht man wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass durch die private Sammlung der Klägerin die gesamte (geplante) Sammelmenge im Holsystem entzogen wird, so wäre offenkundig die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Irrelevanzschwelle überschritten. Dies würde bei der Sammlung von Altpapier aber bedeuten, dass im Falle der erstmaligen Errichtung eines haushaltsnahen Holsystemes durch den öffentlichen Entsorgungsträger, die bestehende private Sammlung zwingend zu untersagen wäre. Dies dürfte mit Art. 106 AEUV nur schwerlich zu vereinbaren sein, zumal hier der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger auch ohne Beteiligung der privaten Sammler durch die öffentliche Ausschreibung und Vergabe in der Lage wäre, das gesamte Altpapieraufkommen in seinem Entsorgungsgebiet abzüglich der Sammelmenge der gemeinnützigen Träger zu übernehmen. Geht man dagegen davon aus, dass der fiktive Marktanteil der geplanten Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bei der Annahme einer oder mehrerer paralleler privater Sammlungen zu prognostizieren ist, bewegt man sich auf dem Gebiet der Spekulation, jedenfalls hat der Beigeladene hierzu keine belastbaren Zahlen vorgelegt. Im Ergebnis kann es hier letztlich aber dahinstehen, ob neben den Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 KrWG auch die der § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 KrWG vorliegen. Der Senat neigt dazu, dies zu verneinen.
Die Untersagung der klägerischen gewerblichen Sammlung mit Ablauf des 31. August 2013 ist auch verhältnismäßig.
Insbesondere wahrt die Maßnahme mit der eingeräumten Auslauffrist den Vertrauensschutz, welcher der Sammlung der Klägerin als bisher rechtmäßig betriebener Bestandssammlung nach § 18 Abs. 7 KrWG zusteht. Insoweit hatte der Beklagte eine Abwägung vorzunehmen, in welche die Belange der Klägerin mit dem ihnen gebührenden Gewicht einzustellen waren (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – juris Rn. 63; ebenso schon BayVGH, B.v. 2.5.2013 – 20 AS 13.700 und 20 AS 13.771 – juris). Es handelt sich insoweit nicht um einen Bestandsschutz als einfach-rechtliche Konkretisierung der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG. Denn eine Genehmigung, die jedenfalls bei Ausnutzung im Rahmen der Gesetze einen solchen Bestandsschutz vermitteln könnte, wird im Anzeigeverfahren für private Sammlungen nach § 18 KrWG gerade nicht erteilt. Vielmehr konkretisiert § 18 Abs. 7 KrWG lediglich den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes als Bestandteil des Verhältnismäßigkeitsgebotes. Insoweit ist das Vertrauen der Klägerin auf weitere Durchführung ihrer rechtmäßigen Sammlung schutzwürdig. Das betroffene Schutzgut ist in erster Linie die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. In dieses Schutzgut wird durch die auf das Entsorgungsgebiet des Beigeladenen beschränkte, zeitlich aufgeschobene Untersagung im Wege einer Berufsausübungsregelung eingegriffen. Die Klägerin hat hingegen nicht substantiiert vorgetragen, dass aufgrund einer Existenzgefährdung in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen wird (Art. 14 GG). Die Fristsetzung des Untersagungsbescheids vom 14. Januar 2013 mit Wirkung zum 31. August 2013 ist angesichts der besonderen Umstände nicht zu beanstanden. In den über acht Monaten hatte die Klägerin hinreichend Zeit, ihre betrieblichen Dispositionen zu treffen. Hierbei muss auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin bereits seit ca. August 2012 von den Plänen des Beigeladenen Kenntnis hatte.
Die Untersagung der Sammlung der Klägerin ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Die Untersagung einer Sammlung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG als grundsätzlich gebundene Entscheidung ist nur als Ultima Ratio zulässig. Sie ist unverhältnismäßig, wenn als milderes Mittel eine Maßnahme nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG in Betracht kommt, mit der die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen gewährleistet werden kann (BVerwG, U.v. 30.6.2016 – 7 C 4.15 – BVerwGE 155, 336). Die Klägerin macht zwar geltend, dass eine Mengenbeschränkung der Sammlung oder eine Gebietsaufteilung innerhalb des Entsorgungsgebietes eine weniger einschneidende Maßnahme darstellen würde. Diese für die Klägerin weniger belastenden Maßnahmen kommen jedoch nicht in Betracht, weil sie nicht geeignet sind, das Ziel der landkreisweiten Vergabe der Entsorgungsdienstleistung der haushaltsnahen Altpapierentsorgung mittels Altpapiertonne zu erreichen. Beide Maßnahmen zielen darauf ab, die Sammlung der Klägerin neben der noch auszuschreibenden Sammlung durchzuführen und würden damit einem landkreisweiten einheitlichen Sammlungssystem zuwiderlaufen. Sie sind im Übrigen hier nicht praktikabel, weil sie, sobald weitere private Sammler auf dem Markt innerhalb des Landkreises des Beigeladenen auftreten wollen, nicht mehr durchführbar wären.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.


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