Baurecht

Gewidmete Straßenflächen als Anknüpfungspunkt für naturschutzrechtliche oder auch waldrechtliche Schutztatbestände

Aktenzeichen  8 B 15.522

Datum:
13.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
UPR – 2017, 159
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG BayStrWG Art. 2 Nr. 1, Art. 6, Art. 10 Abs. 1, 58 Abs. 2
BGB BGB § 94, § 199 Abs. 1
BNatSchG BNatSchG § 15 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 1, § 34 Abs. 1 u. Abs. 3, § 45 Abs. 7
BV BV Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1
EGBGB EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1
EUV EUV Art. 5 Abs. 1 S. 2
GG GG Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
GKG GKG § 52 Abs. 1, 2
LSV LSV § 3 Abs. 1 u. Abs. 2
VwGO VwGO § 121, § 128, § 133, § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 S. 3, § 167

 

Leitsatz

1. Eine gewidmete Straßenfläche, die aber wegen (schleichender) Verlagerung der Straßenfläche nicht befestigt ist, kann nicht Anknüpfungspunkt für naturschutzrechtliche oder auch waldrechtliche Schutztatbestände sein. (amtlicher Leitsatz)

Verfahrensgang

M 2 K 13.249 2013-10-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Ziffer I Satz 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 22. Oktober 2013 wird geändert und erhält folgende Fassung:
Die Beklagte wird verpflichtet, die auf dem Grundstück FlNr. …/… der Gemarkung U. im Jahr 2012 aufgebrachte Asphaltdecke nebst Kiesbankett und alle darunter liegenden Asphaltdecken zu beseitigen.
II.
Ziffer II des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 22. Oktober 2013 wird geändert. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung, die sich nach sachgerechter Auslegung des Antrags des Klägers im Berufungsverfahren gegen die Beschränkung der Beseitigungspflicht der Beklagten auf die im Jahr 2012 aufgebrachte Asphaltdecke sowie gegen die der Beklagten in Ziffer I Satz 1 und 2 des erstinstanzlichen Urteilstenors eingeräumte Dreijahresfrist richtet, ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass nicht nur die 2012 aufgetragene bituminöse Schicht, sondern der gesamte auf seinem Grundstück FlNr. …/… der Gemarkung U. befindliche Straßenkörper der A.-straße nebst Kiesbankett von der Beklagten beseitigt wird, ohne dass dieser hierfür eine Auslauffrist einzuräumen ist. Deshalb greift der im Berufungsverfahren gestellte Antrag durch, so dass Ziffer I Satz 1 des erstinstanzlichen Urteilstenors zur Klarstellung neu zu fassen ist. Die der Beklagten in Ziffer I Satz 2 des erstinstanzlichen Urteilstenors auferlegte Duldungsverpflichtung hat keine Grundlage mehr, weil dem Kläger ohnehin ein sofortiger Beseitigungsanspruch zusteht.
Der im ersten Rechtszug gestellte weitere (Haupt-)Antrag, die Beklagte zur Herstellung einer Wiese mit dem ortsüblichen Bodenaufbau zu verpflichten, wurde im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten. Diese Beschränkung der Antragstellung ist aber nach § 128 VwGO unbedenklich (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 128 Rn. 1 ff.). Wegen der Abweisung in erster Instanz ist insoweit Rechtskraft eingetreten (§ 121 VwGO).
1. Anspruchsgrundlage für das Beseitigungsbegehren des Klägers ist der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, der sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – BVerwGE 94, 100) und des Senats (BayVGH, B. v. 5.11.2012 – 8 ZB 12.116 – BayVBl 2013, 473 Rn. 10 m. w. N.) aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten herleitet.
Wie das Verwaltungsgericht in dem ausschließlich vom Kläger mit der Berufung angegriffenen Urteil zutreffend ausführt, sind die Voraussetzungen dieses gewohnheitsrechtlich anerkannten Anspruchs hier erfüllt. Denn die A.-straße, die nach dem Stand ihrer Widmung (Eintragungsverfügung vom 15.2.1962, Bl. 20 der VG-Akte; vgl. Art. 67 Abs. 4 i. V. m. Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes – BayStrWG) auf der im Süden an das klägerische Grundstück angrenzenden FlNr. … der Gemarkung u… verlaufen müsste, nimmt tatsächlich auf einer Fläche von rund 75 m2 das hierfür nicht gewidmete Grundstück des Klägers in Anspruch. Die Beklagte, die als zuständige Straßenbaubehörde gemäß Art. 10 Abs. 1, 58 Abs. 2 BayStrWG dafür verantwortlich ist, dass die Grenzen des gewidmeten Straßengrundstücks eingehalten werden (BayVGH, U. v. 15.9.1999 – 8 B 97.1349 – VGH n. F. 53, 22), ist zur Beseitigung dieses rechtswidrigen Zustands verpflichtet, ohne dass es darauf ankommt, ob die Straße von vorneherein auf dem Grundstück des Klägers angelegt wurde oder ob sich diese erst im Nachhinein – etwa im Zuge von Erneuerungs- und Unterhaltsmaßnahmen oder auch schleichend -verlagert hat.
2. Das Verwaltungsgericht kommt im angefochtenen Urteil weiterhin zu Recht zu dem Schluss, dass der Beseitigungspflicht der Beklagten auch keine rechtlichen Gründe entgegenstehen.
Dies wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Die Beseitigung der rechtswidrigen Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks hat zwar zwangsläufig zur Folge, dass die Straßenfläche auf das im Süden angrenzende, gewidmete Straßengrundstück FlNr. … der Gemarkung u… verlegt werden muss, weil die a.-straße die einzige bestehende wegemäßige Erschließung der Siedlung „U.“ darstellt. Im Zusammenhang mit dieser Verlegung macht die Beklagte naturschutzfachliche und naturschutzrechtliche Belange geltend, weil sich das von der Widmung umfasste Straßengrundstück im Umgriff der Gemeindeverordnung zum Schutze von Landschaftsteilen in der …-stadt m… vom 9. Oktober 1964 (Landschaftsschutzverordnung – im Folgenden LSV) befindet und außerdem von der Verordnung der …-stadt m… über die Erklärung von Wald zu Bannwald vom 2. August 1984 (Bannwaldverordnung) erfasst sein soll. Zudem liegt die als Biotop kartierte Fläche in einem FFH-Gebiet (Natura 2000-Gebiet „a… und …“ Nr…-…). Die Beklagte behauptet aber selbst nicht, dass die (Wiederherstellung der Straße auf der hierfür gewidmeten Flurnummer … aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist.
Einem solchen Einwand stünde ohnehin entgegen, dass die Beklagte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München kein Rechtsmittel eingelegt hat, so dass ihre Pflicht zur Beseitigung der obersten Asphaltdecke und zur Duldung der Beseitigung des sonstigen Straßenkörpers durch den Kläger – wenn auch unter Zugestehen einer Dreijahresfrist, auf die im Folgenden (vgl. unter 3 und 4) noch einzugehen sein wird – bereits rechtskräftig festgestellt ist.
3. Demzufolge ist der Beseitigungsanspruch des Klägers auch nicht wegen Unzumutbarkeit ausgeschlossen (vgl. dazu grundsätzlich BVerwG, U. v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – BVerwGE 94, 100). Die Beklagte kann nicht für sich in Anspruch nehmen, eine sofortige Beseitigung des rechtswidrigen Zustands sei ihr nicht zumutbar.
a) Die Beklagte verkennt insoweit, dass die auf Naturschutz- und FFH-Recht gestützten Einwendungen bereits durch die Teilrechtskraft des Ersturteils ausgeschlossen sind, das die entsprechenden Einwendungen der Beklagten abgehandelt und tatbestandlich verneint hat. Ihre Interpretation des erstinstanzlichen Urteils, die darin eingeräumte dreijährige Auslauffrist sei darauf zurückzuführen, dass eine sofortige Beseitigung des Überbaus unzumutbar sei, geht fehl. Das Verwaltungsgericht hat die Zumutbarkeit des vom Kläger geltend gemachten Beseitigungsanspruchs ausdrücklich und uneingeschränkt bejaht (vgl. UA S 13 f.). Die Beseitigungspflicht der Beklagten wurde dabei im erstinstanzlichen Urteil dem Grunde nach festgestellt, ohne die Zumutbarkeit mit Fragen des Naturschutz- oder FFH-Rechts zu verknüpfen.
b) Darüber hinaus verkennt der Beklagte, dass für die Verschiebung der Straße nach Süden in die ursprüngliche Trasse die Erteilung einer Ausnahme nach § 33 Abs. 1, § 34 Abs. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) im Hinblick auf das Natura 2000-Gebiet „ai… und …“ und gegebenenfalls nach § 45 Abs. 7 BNatSchG bzw. die Erteilung einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 LSV nicht erforderlich ist, weil damit nur der in der Eintragung nach Art. 67 Abs. 3 und 4 BayStrWG ursprünglich vorgesehene und somit rechtmäßige Zustand einer als gewidmet geltenden Straßenfläche wiederhergestellt wird.
Es erscheint ausgeschlossen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Notwendigkeit einer naturschutzrechtlichen Ausnahmeerteilung bzw. Erlaubnis hier gegeben sind, weil es sich bei der für die (Rück-)Verlegung der A.-straße in Anspruch genommenen Fläche gerade um die bestandskräftig eingetragene Straßenfläche handelt, die damit lediglich wieder ihrem Widmungszweck zugeführt wird, den sie rechtlich nie verloren hat. Durch die Widmung (Art. 6 Abs. 1, Art. 67 Abs. 4 BayStrWG) wird die gewidmete Fläche einem besonderen öffentlich-rechtlichen Nutzungsregime unterstellt. Die Widmung stellt dabei einen objekt- und sachenbezogenen Verwaltungsakt dar, der den Status der betroffenen Grundstücksfläche ändert und neue Rechte und Pflichten begründet, wie sie im Straßen- und Wegerecht geregelt sind (vgl. Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand Oktober 2014, Art. 6 Rn. 4). Andere Nutzungsregime wie etwa nach Naturschutzrecht werden dadurch verdrängt und sind mit dem straßenrechtlichen Regime nicht vereinbar. Angesichts dessen ist auch die (Wieder-)Herstellung der Straße auf dem hierfür gewidmeten Grundstück nicht als „Veränderung oder Störung“ im Sinne des § 33 Abs. 1 BNatSchG, als „Projekt“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG, als „Störung“ gemäß Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie oder als „Veränderung“ im Sinne des § 3 Abs. 1 LSV zu bewerten. Ebenso wenig kann eine solche Maßnahme als „Eingriff“ im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG verstanden werden.
Hinzu kommt, dass die Widmung der A.-straße bereits mit der Unanfechtbarkeit der Eintragungsverfügung vom 15. Februar 1962 (vgl. Art. 67 Abs. 4 i. V. m. Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 BayStrWG) und damit vor dem Inkrafttreten der Bannwaldverordnung und der Landschaftsschutzverordnung sowie vor der Unterschutzstellung des fraglichen Bereichs als FFH-Gebiet erfolgte und die Widmung ab diesem Zeitpunkt als verfügt gilt.
c) Ungeachtet dessen wäre die Rückverlegung als Bagatelltatbestand zu bewerten, der die mit dem Erfordernis der „erheblichen“ Beeinträchtigung festgelegte Geringfügigkeitsschwelle des Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie (vgl. BVerwG, U. v. 23.4.2014 – 9 A 25.12 – BVerwGE 149, 289 Rn. 48 zu der insoweit gleichlautenden Regelung des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL; vgl. auch EuGH, U. v. 25.7.2008 – C-142/07 – Slg. 2008, I-6097-6134 zur UVP-Pflichtigkeit von Projekten) nicht überschreitet. Da auch die naturschutzfachlichen, artenschutzrechtlichen und naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen des Bundesnaturschutzgesetzes einer Erheblichkeitsgrenze unterliegen, bedürfte es für die Rückverlegung der A.-straße auch aus diesem Grund keiner Ausnahmeerteilung bzw. Erlaubnis.
Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf die Landschaftsschutzverordnung zudem noch darauf hinzuweisen, dass nach § 3 Abs. 2 Nr. 13 LSV öffentliche Straßen ohnehin nicht von der dort geregelten Erlaubnispflicht erfasst sind. Ob sich der Geltungsbereich der Bannwaldverordnung überhaupt auf das beim Rückbau in Anspruch genommene Straßengrundstück erstreckt, ist wegen deren unklaren Grenzverlaufs zudem von vorneherein zweifelhaft und nicht schlüssig dargelegt.
Demzufolge könnten die von der Beklagten im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Verschiebung der Straße angeführten Aspekte des Natur- und Landschaftsschutzes unter keinem Gesichtspunkt die Unzumutbarkeit des Beseitigungsanspruchs begründen, ohne dass es noch darauf ankäme, dass die Annahme der Unzumutbarkeit der Folgenbeseitigung im Hinblick darauf, dass hier ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 BV geschützte Eigentum des Betroffenen inmitten steht, ohnehin besonders engen Einschränkungen unterliegt (BVerwG, U. v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – BVerwGE 94, 100/114; BayVGH, U. v. 15.9.1999 – 8 B 97.1349 – VGH n. F. 53, 22 [insoweit nicht veröffentlicht]; B. v. 5.11.2012 – 8 ZB 12.116 – BayVBl 2013, 473).
4. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist die Beklagte zur Folgenbeseitigung verpflichtet, ohne dass ihr insoweit eine Auslauffrist einzuräumen ist.
Eine rechtliche Grundlage für eine solche Frist ist nicht ersichtlich. Sie findet auch in dem vom Erstgericht – ohne weitere Erläuterungen – herangezogenen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und dem daraus und aus den Grundrechten abgeleiteten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch im Europäischen Recht Geltung beansprucht (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EUV), keine Stütze.
Entsprechend obigen Ausführungen gebieten vielmehr gerade diese rechtsstaatlichen Prinzipien die umgehende Wiederherstellung der rechtmäßigen Zustände und damit die uneingeschränkte Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung des nicht nur unerheblichen rechtswidrigen Eingriffs in das Eigentum des Klägers. Wie oben ausgeführt greifen die von der Beklagten geltend gemachten naturschutzfachlichen und naturschutzrechtlichen Belange nicht durch. Die auf die zeitliche Umsetzung der Beseitigungspflicht zielenden Einwände der Beklagten sind darüber hinaus ohnehin keine Fragen des Erkenntnisverfahrens, sondern allenfalls im Rahmen der Vollstreckung (vgl. § 167 Abs. 1 VwGO, § 887 ZPO) zu berücksichtigen.
5. Das Verwaltungsgericht hat zudem verkannt, dass sich die Beseitigungspflicht der Beklagten nicht nur auf die zuletzt, nämlich im Jahr 2012 aufgetragene Asphaltdecke erstreckt, sondern den gesamten widerrechtlich auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Straßenkörper einschließlich Kiesbankett (Art. 2 Nr. 1 BayStrWG) umfasst.
Das Erstgericht geht zu Unrecht davon aus, dass ein über die zuletzt aufgebrachte Asphaltschicht hinausgehender Beseitigungsanspruch verjährt ist. Dabei kann dahinstehen, ob der vom Kläger erhobene Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gegen die Verjährungseinrede greift. Denn unabhängig davon ist eine Verjährung des Beseitigungsanspruchs im Hinblick auf den gesamten Straßenkörper nicht eingetreten.
Welche Verjährungsfrist für den Folgenbeseitigungsanspruch gilt, ist in Rechtsprechung und Literatur noch nicht abschließend geklärt. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung zur Verjährungsdauer nach altem Recht vor der Schuldrechtsreform (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB) entschieden, der Folgenbeseitigungsanspruch verjähre längstens in 30 Jahren (BayVGH, U. v. 4.8.1998 – 8 B 97.62 – VGH n. F. 51, 118 m. w. N.; B. v. 10.1.2013 – 8 B 12.305 – BayVBl 2013, 606 Rn. 15). Wie die Verjährung nach neuem Recht zu beurteilen ist, blieb offen (BayVGH, B. v. 24.1.2005 – 8 ZB 04.1223 – juris Rn. 4). Im vorliegenden Fall kann diese Frage ebenfalls dahinstehen. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass der Anspruch auf Folgenbeseitigung seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 der kurzen regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt (§ 195 i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB; vgl. etwa BayVGH, U. v. 8.2.2012 – 4 B 11.175 – juris Rn. 24; U. v. 5.10.2009 – 4 B 08.2877 – BayVBl 2010, 629 Rn. 31), ist der vom Kläger geltend gemachte Beseitigungsanspruch im Hinblick auf den gesamten Straßenkörper nicht erloschen.
Dabei ist es ohne Belang, dass weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren trotz Prüfung der vorhandenen Aktenvorgänge ermittelt werden konnte, seit wann die A.-straße über das klägerische Grundstück verläuft und zu welchem Zeitpunkt welche Bau- und Unterhaltsmaßnahmen stattgefunden haben. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die erstmalige rechtswidrige Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks zeitlich so weit zurückliegt, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die oben dargestellte längste Verjährungsfrist von 30 Jahren bezogen auf diesen Eingriff bereits verstrichen war. Darauf kommt es hier aber nicht an. Jedenfalls mit dem Auftragen einer neuen Asphaltschicht begann die Verjährungsfrist erneut zu laufen, weil sie einen eigenständigen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff darstellt.
Hieraus folgt jedoch nicht, wie das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung meint, dass der Kläger nur die Beseitigung der obersten Asphaltschicht, welche unbestritten im Jahr 2012 erfolgte, beanspruchen kann. Denn zum einen ist ungeklärt, wann vor dieser im Jahr 2012 erfolgten Asphaltierung zuletzt Baumaßnahmen an der A.-straße im Bereich des klägerischen Grundstücks vorgenommen wurden, so dass die vom Verwaltungsgericht insoweit unterstellte Verjährung nicht hinreichend belegt ist. Zum anderen hat sich die 2012 aufgetragene bituminöse Schicht jedenfalls mit den darunter liegenden Asphaltschichten dergestalt verbunden, dass eine Trennung weder rechtlich noch faktisch möglich ist (vgl. § 946 i. V. m. § 94 BGB). Eine exakte Trennung der im Laufe der Jahre mutmaßlich mehrfach erneuerten und miteinander verbackenen Asphaltschichten wäre auch ersichtlich mit vernünftigem Aufwand nicht durchführbar. Die der Beklagten im erstinstanzlichen Urteil (rechtskräftig) auferlegte Pflicht, die im Jahr 2012 aufgetragene Asphaltdecke zu beseitigen, ist daher insoweit objektiv unmöglich. Dies hat aber zur Folge, dass sich die Beklagte hinsichtlich des gesamten, einheitlich zu sehenden Straßenkörpers nicht auf eine Verjährung des Beseitigungsanspruchs berufen kann, so dass der Folgenbeseitigungsanspruch des Klägers im vollen Umfang, einschließlich des jedenfalls (auch) 2012 angelegten Kiesbanketts, begründet ist.
Dem Berufungsantrag war daher, soweit er noch anhängig ist, voll stattzugeben. Die in Ziffer I Abs. 2 des erstinstanzlichen Urteiltenors ausgesprochene teilweise Klageabweisung muss im Hinblick auf den vom Kläger in der Berufung nicht weiter verfolgten Anspruch auf Herstellung einer Wiese mit ortsüblichem Bodenaufbau wegen deren Rechtskraft bestehen bleiben.
6. Da der Kläger damit in der ersten Instanz lediglich zu einem geringen Teil unterlegen ist, war die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts entsprechend abzuändern (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; zur Zulässigkeit der Neubewertung der Kostenentscheidung vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 128 Rn. 4). Die Beklagte, die im Berufungsverfahren vollumfänglich unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO), trägt damit die Kosten in beiden Rechtszügen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Rechtsmittelbelehrunq
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst-und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Verfahren wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 22. Oktober 2013 in beiden Rechtszügen auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der vom Erstgericht angesetzte Regelstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG wird der Bedeutung der Sache für den Kläger nicht hinreichend gerecht.


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