Baurecht

Immissionsschutzrecht, Nachbarklage auf Unterlassung von Lärmeinwirkungen aus dem Betrieb eines kommunalen Freibades, öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch, Abgrenzung von Sportanlagenlärmschutzverordnung zu Freizeitlärm-Richtlinie, bedingter Beweisantrag (abgelehnt)

Aktenzeichen  M 28 K 19.6031

Datum:
27.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44986
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 21
BImSchG § 22 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG
18. BImSchV § 1 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A. Die zulässige (Unterlassungs-)Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BayVGH, U.v. 6.2.2015 – 22 B 12.269 – juris Rn. 35) keinen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, Lärmeinwirkungen aus dem Betrieb des kommunalen Freibades auf das klägerische Grundstück zu unterlassen, die die Grenzwerte nach der Freizeitlärm-Richtlinie für ein reines Wohngebiet tags innerhalb und außerhalb der Ruhezeiten überschreiten (nachfolgend I.) bzw. die die entsprechenden Grenzwerte nach der 18. BImSchV überschreiten (nachfolgend II.). Dem bedingt gestellten Beweisantrag war ebenfalls nicht nachzukommen (nachfolgend III.)
I. Zwar kann sich die Klägerin, da die Beklagte ihr Freibad als öffentliche Einrichtung i.S. des Art. 21 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (schlicht-hoheitlich) betreibt, grundsätzlich auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch stützen (nachfolgend 1.), im Ergebnis kann sie von der Beklagten jedoch nicht verlangen, solche Lärmeinwirkungen aus dem Betrieb des Freibades auf das klägerische Grundstück zu unterlassen, die die im Klageantrag näher bezeichneten Grenzwerte nach der Freizeitlärm-Richtlinie überschreiten (nachfolgend 2.).
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Nachbar einer von der öffentlichen Hand (schlicht-hoheitlich) betriebenen Anlage einen am Maßstab des § 22 BImSchG i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG ausgerichteten öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf, dass unzumutbare Lärmbelästigungen aus dem Betrieb der Anlage unterbleiben oder auf ein Mindestmaß beschränkt werden (vgl. im Einzelnen: BayVGH, U.v. 6.2.2015 – 22 B 12.269 – juris Rn. 21 f.; VGH BW, U.v. 23.5.2014 – 10 S 249/14 – juris Rn. 22 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 29.4.1988 – 7 C 33.87 – BVerwGE 79, 254, und U.v. 19.1.1989 – 7 C 77/87 – BVerwGE 81, 197).
2. Die Beklagte kann allerdings nicht auf die Einhaltung der Grenzwerte der Freizeitlärm-Richtlinie verwiesen werden, da das Gericht – wie im Folgenden dargelegt wird – das strittige Freibad als Sportanlage im Sinne der auf Grundlage des § 23 Abs. 1 BImSchG erlassenen 18. BImSchV beurteilt. Die Richtwerte dieser Verordnung konkretisieren verbindlich die Zumutbarkeit von Sportlärm und erlauben keine von den darin normativ festgelegten Immissionsrichtwerten abweichende Bewertung des Einzelfalls. Angesichts des grundsätzlich abschließenden und verbindlichen Charakters der 18. BImSchV verbietet sich konsequenterweise auch ein Rückgriff auf die Freizeitlärm-Richtlinie (BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 1 N 12.1228 – juris Rn. 42; U.v. 24.8.2007 – 22 B 05.2870 – juris Rn. 27).
Sportanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV sind am Leitbild einer Anlage orientiert‚ die dem Vereinssport‚ Schulsport oder vergleichbar organisiertem Freizeitsport dient (BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 1 N 12.1228 – juris Rn. 37). Zum Begriff der Sportanlage führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24. August 2007 (22 B 05.2870 – juris Rn. 21 ff.) insoweit aus:
„Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 18. BImSchV sind Sportanlagen ortsfeste Einrichtungen i.S. des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die zur Sportausübung bestimmt sind. Damit wird zwar die Notwendigkeit der Zweckbestimmung der Anlage für den Sport hervorgehoben, der immissionsschutzrechtliche Sportbegriff jedoch nicht definiert. Es existiert auch keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs “Sport“ und damit auch des Begriffs „Sportausübung“; aufgrund der Bandbreite an sportlichen Betätigungen (Breitensport, Leistungssport, Schulsport etc.) erscheint eine genaue Definition auch nicht möglich (vgl. Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Bd. II, RdNr. 27 zu § 1 18. BImSchV). Es ist aber anerkannt, dass sich das Phänomen „Sport“ durch bestimmte Wesensmerkmale definiert; zu diesen gehören die körperliche Bewegung, Wettkampf- bzw. Leistungsstreben, das Vorhandensein von Regeln und Organisationsformen und die Betätigung als Selbstzweck ohne produktive Absichten (vgl. Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer a.a.O. m.w.N.). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die einzelnen Kriterien bei den verschiedenen Erscheinungsformen des Sports ein unterschiedliches Gewicht besitzen. Sportausübung kann deshalb auch dann vorliegen, wenn einzelne Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Insbesondere beim Freizeit- und Breitensport kann beispielsweise das Leistungsprinzip nur eingeschränkte Geltung beanspruchen (vgl. Kuchler NuR 2000, 77 m.w.N.). Zur Sportausübung bestimmt ist eine Anlage, wenn sie primär, d.h. von ihrem Hauptzweck her der Durchführung von Wettkampfsport und/oder der körperlichen Ertüchtigung dienen soll (vgl. VGH BW vom 27.9.2004 NVwZ-RR 2005, 795 m.w.N.; Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer a.a.O. RdNr. 30).
Ob eine Sportanlage vorliegt, ist demgemäß von einer Würdigung des jeweiligen Einzelfalls abhängig. Dabei ist zu beachten, dass der Verordnungsgeber ausgehend von der sog. Tegelsbarg-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19.1.1989 BVerwGE 81, 197) die Besonderheiten des Sportlärms berücksichtigen und durch ein neues Regelwerk privilegieren wollte. Demgemäß nimmt der Verordnungsgeber in der Begründung der Verordnung wiederholt auf diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug, deren Gegenstand die von einer typischen Sportanlage ausgehende nachbarliche Lärmbelästigung war, nämlich einer Bezirkssportanlage mit wechselndem Betrieb wie Schulsport, nicht organisierter Leichtathletik, organisierten Leichtathletikwettkämpfen, Fußballtraining, einfachen Fußballspielen und Fußballspielen mit Wettkampfcharakter und anfeuernden Zuschauergruppen (vgl. BT-Drs. 17/91 S. 32 ff./34). Anlass für den Erlass der Verordnung war demgemäß nicht in erster Linie die Absicht, organisierten Wettkampfsport zu privilegieren, sondern den von der Bevölkerung ausgeübten Breitensport. Entsprechend heißt es in der amtlichen Begründung zu § 1 18. BImSchV (Anwendungsbereich): „…Damit sind fast alle Arten von Sportanlagen erfasst: z.B. Fußballstadien, Tennisplätze, Schwimmbäder, Eislaufbahnen, Bowlingbahnen, Sportplätze, Kegelbahnen, Turnhallen…“ (BT-Drs. 17/91 S. 37).
Freibäder können danach Sportanlagen in diesem Sinn sein, und zwar nicht nur dann, wenn es sich um sog. „sportorientierte“ Bäder handelt, die in erster Linie zur Nutzung für Wettkämpfe bzw. für den Schul- oder Vereinssport bestimmt sind und daneben auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Eine derartige Abgrenzung von sog. Sport-Freibädern zu (bloßen) Freizeitbädern würde zu sehr auf eine Forderung nach Wettkampforientiertheit hinauslaufen, die – wie bereits ausgeführt – schon von der Entstehungsgeschichte der Verordnung her nicht gerechtfertigt erscheint. Zudem würde eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs auch gegen die erkennbare Intention des Verordnungsgebers verstoßen, der mit der Regelung des § 5 Abs. 2 18. BImSchV Freibäder ersichtlich privilegieren wollte. Nach der darin enthaltenen Ausnahmeregelung ist es der zuständigen Behörde verboten, dem Betreiber eines Freibads in der Zeit zwischen 7.00 Uhr und 22.00 Uhr Betriebszeiten vorzuschreiben, also ihm aufzugeben, während dieses Zeitraums zeitweise zu schließen. Eine solche Privilegierung macht nur Sinn für typische Freibäder, die sich gerade nicht durch eine besondere wettkampfartige Orientierung, sondern durch ihre allgemeine Nutzung zu Freizeitsportzwecken durch die Bevölkerung auszeichnen, da nur bei solchen Freibädern organisatorische Probleme bei einer vorübergehenden Schließung, insbesondere während der Ruhezeiten an Sonn- und Feiertagen, auftreten können. Insoweit muss zur Abgrenzung von bloßen Spaß- und Erlebnisbädern, die hauptsächlich der (bloßen) Freizeitgestaltung der Besucher dienen, zu Freibädern, die unter den Anwendungsbereich der Sportanlagenlärmschutzverordnung fallen, darauf abgestellt werden, ob ein Freibad bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung in erster Linie (noch) dazu bestimmt und geeignet ist, der Allgemeinheit die Ausübung des Breitensports „Schwimmen“ zu ermöglichen (vgl. Kuchler NuR 2000, 77). Indiz hierfür kann sein, dass das Freibad jedenfalls eine Eignung zur Durchführung von Wettkämpfen bzw. für den Schul- oder Vereinssport besitzt und dafür auch regelmäßig genutzt wird, wenn diese Nutzung auch nicht den Schwerpunkt des Betriebs darstellt.“
Gemessen an diesen Maßgaben ist das Freibad der Beklagten als Sportanlage im Sinne der 18. BImSchV einzuordnen.
Zunächst sprechen bereits die bauliche Gestaltung des Freibads sowie dessen Ausstattung dafür, dass es sich bei dem Freibad um eine Sportanlage im Sinn des § 1 Abs. 2 der 18. BImSchV handelt: Das Freibad besteht im Wesentlichen aus einem 50 Meter Mehrzweckbecken, das in erster Linie dazu dient, den Besuchern des Freibads das „Bahnenschwimmen“ zu ermöglichen, sowie einem separaten Kinderbecken, das offenkundig dazu dient, kleinere Kinder an den Umgang mit Wasser zu gewöhnen und ihnen somit das Erlernen des Schwimmens ermöglichen soll. Aufgrund der Größe seines Beckens und seinen Wassertiefen ist das Mehrzweckbecken mit seinen sechs Bahnen sowie den dort angebrachten Startblöcken ohne Einschränkungen zur Ausübung des Schwimmsports geeignet. Gleiches gilt auch für das separate Kinderbecken, das nach seiner Größe und Wassertiefe zweifellos das Schwimmen (für Ungeübte) und das Erlernen des Schwimmens ermöglichen soll. Die wenigen „Spaßelemente“ des Freibads (v.a. Volleyballfeld, Wasserrutsche und „mobile Elemente“) können den Charakter des Freibades indes nicht derart verändern, dass dieses als ein Erlebnisbad, bei dem der Freizeitaspekt im Vordergrund steht, anzusehen wäre: Die Wasserrutsche befinde sich am Rand des Nichtschwimmerbereichs des Mehrzweckbeckens und hindere selbst bei deren Betrieb nicht generell das Schwimmen bzw. das Erlernen des Schwimmens durch Lernwillige, da bei ihrer Nutzung lediglich ein bis zwei Bahnen für Schwimmer gesperrt würden. Das Schwimmen im überwiegenden Teil des Beckens bleibe auch bei Öffnung der Wasserrutsche unverändert möglich. Daneben besteht das Freibad im Wesentlichen aus einem Volleyballfeld sowie weiträumigen, naturbelassenen Liegeflächen. Hinsichtlich der „mobilen Elemente“ im Freibad erläuterte der 1. Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass es sich hierbei um aufblasbare Tiere gehandelt habe, die aber inzwischen nicht mehr zum Einsatz kämen, weil sie das Bahnenschwimmen erheblich gestört hätten. Insgesamt erscheinen die Spaßelemente, die letztlich auch der zeitgemäßen Nutzung der Anlage dienen und so deren Erhalt sicherstellen, als flächenmäßig und im Vergleich zur typischen Nutzung eines Freibads zu untergeordnet und (noch) zu wenig prägend, um den Charakter des Freibads in seinem Wesen verändern zu können. Alles in allem ist die Nutzung des Freibads nach Überzeugung des Gerichts schwerpunktmäßig weiterhin auf die Ausübung des Breitensports „Schwimmen“ ausgerichtet.
Hinzu kommt vorliegend, dass das Freibad regelmäßig zu organisiertem Schul- und Vereinssport sowie zu Trainingszwecken bzw. zur Durchführung von Schwimm- und anderen Sportkursen genutzt wird; dies hat die Beklagte durch die Vorlage von verschiedenen Bestätigungen belegt. Diese Nutzung auch für Zwecke des Schul- und Vereinssports sowie zu Kurs- und Trainingszwecken trägt zusätzlich dazu bei, dass das Freibad bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung als Sportanlage anzusehen ist, da es insgesamt schwerpunktmäßig der (Freizeit-)Sportausübung dient.
II. Obwohl sich die Klägerin damit im Grundsatz auf die Vorschriften der 18. BImSchV berufen kann, hat sie dennoch keinen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, solche Lärmeinwirkungen aus dem Betrieb des kommunalen Freibades auf das klägerische Grundstück zu unterlassen, welche die Grenzwerte nach der 18. BImSchV für ein reines Wohngebiet tags innerhalb und außerhalb der Ruhezeiten überschreiten.
Das Gericht beurteilt das der Klägerin gegenüber einzuhaltende Lärmschutzniveau als einem allgemeinen Wohngebiet entsprechend, sodass die Klägerin keinen weitergehenden Anspruch als darauf, dass die Beklagte beim Betrieb ihres Freibades die entsprechenden Maßgaben der 18. BImSchV für ein allgemeines Wohngebiet einhält, hat.
Grundsätzlich bestimmt sich das einzuhaltende Schutzniveau nach den näheren Maßgaben der 18. BImSchV und ihres Anhangs. Gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 der 18. BImSchV ist bei Anwendung der Immissionsrichtwerte nach § 2 Abs. 2 der Verordnung grundsätzlich auf die Festsetzungen in Bebauungsplänen abzustellen. Hiernach könnte sich die Klägerin an sich auf das Schutzniveau eines reinen Wohngebiets berufen, welches im Bebauungsplan Nr. 22 „Wohngebiet an der M…- … straße“ für das klägerische Grundstück festgesetzt wurde.
Die Schutzbedürftigkeit der Wohnnutzung der Klägerin wird vorliegend aber durch die konkreten Umstände der ebenfalls maßgeblichen Umgebung des klägerischen Grundstücks gemindert. Die Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV sind gebietsbezogen und insoweit Ausdruck einer typisierenden Betrachtungsweise des Verordnungsgebers. Sie beruhen auf einer abstrakt-generellen Abwägung der in einem Baugebiet miteinander konkurrierenden Nutzungsinteressen. Im Einzelfall stehen diese Immissionsrichtwerte aber einer „Feinabstimmung“ nicht entgegen, wenn die typisierende Betrachtungsweise des Verordnungsgebers unangemessen erscheint und dies erforderlich ist, um einen rücksichtsvollen Umgang einander abträglicher Nutzungen zu ermöglichen (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6/98 – juris Rn. 25 ff.; BayVGH, U.v. 6.2.2015 – 22 B 12.269 – juris Rn. 39.; U.v. 24.8.2007 – 22 B 05.2870 – juris Rn. 29 f.).
Das Grundstück der Klägerin liegt zum einen am Rande des festgesetzten Wohngebiets zum Außenbereich (§ 35 BauGB) hin. Das Freibadgelände, das vom klägerischen Grundstück lediglich durch ein etwa 30 Meter breites und unbebautes (Außenbereichs-)Grundstück getrennt wird, nimmt aufgrund der dort kaum vorhandenen maßstabbildenden Bebauung hingegen nicht mehr am Bebauungszusammenhang des Wohngebiets der Klägerin teil. Zudem wirkt der Betrieb des Freibads als solcher als schutzmindernde Vorbelastung. Das seit 1929 existierende Freibad wurde spätestens seit 1984 – damals wurden die Anlage saniert und umgebaut – in seiner nunmehr bestehenden Form betrieben und seither auch nicht mehr wesentlich verändert. Nachdem die Klägerin bzw. etwaige Rechtsvorgänger sich nicht fristgerecht gegen die damalige Baugenehmigung gewehrt haben, ist die Schutzwürdigkeit des von der Klägerin bewohnten Grundstücks mit der Unanfechtbarkeit der Genehmigungen für das Freibadgelände und mit der Aufnahme der legalen betrieblichen Nutzung gemindert. Aufgrund dieser Vorbelastung und aufgrund der Ortsrandlage des Wohnhauses, das die Klägerin bewohnt, hat die Klägerin einen niedrigeren Schutzanspruch, der nach ständiger Rechtsprechung zu einer Art Mittelwertbildung führt und sich an dem nächstniedrigeren Schutzniveau, hier demjenigen eines allgemeinen Wohngebiets, orientieren kann (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.1989 – 7 C 77/87 – juris Rn. 28; BayVGH, 24.8.2007 – 22 B 05.2870 – juris Rn. 30). Die Klägerin kann von der Beklagten also lediglich verlangen, dass diese beim Betrieb des Freibades den in § 2 Abs. 2 Nr. 3 der 18. BImSchV geregelten Immissionsrichtwert für allgemeine Wohngebiete innerhalb und außerhalb der Ruhezeiten von 55 dB(A) nicht überschreitet, wofür die Kammer keine Anhaltspunkte hat (vgl. auch unten III.). Einen weitergehenden Anspruch hat die Klägerin nicht.
III. Vor diesem Hintergrund war auch dem in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzukommen.
Die Fragen, ob bei einer Besucherzahl von weit über 1.000, mindestens 1.500, die Grenzwerte der Freizeitlärm-Richtlinie bzw. der 18. BImSchV für ein reines Wohngebiet an Werktagen tagsüber außerhalb und innerhalb von Ruhezeiten und desgleichen an den Sonn- und Feiertagen überschritten werden, sind zum einen nicht entscheidungserheblich (nachfolgend 1.), zum anderen handelt es sich bei dem Beweisantrag um einen sog. Ausforschungsbeweis „ins Blaue hinein“ (nachfolgend 2.).
1. Die unter Beweis gestellten Fragen sind schon nicht entscheidungserheblich.
a) Soweit es die Grenzwerte der Freizeitlärm-Richtlinie betrifft, folgt die fehlende Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Fragen schon daraus, dass die Freizeitlärm-Richtlinie im vorliegenden Fall unabhängig von der Beweisfrage nicht anwendbar ist. Da sich die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht auf die Einhaltung der (gegenüber der 18. BImSchV strengeren) Grenzwerte der Freizeitlärm-Richtlinie berufen kann, kann auch dahinstehen, ob diese tatsächlich überschritten werden (vgl. hierzu unter I.).
b) Soweit es die Einhaltung der Grenzwerte der 18. BImSchV betrifft, kann sich die Klägerin zwar im Grundsatz auf deren Immissionsrichtwerte berufen, wegen der unter II. aufgezeigten Gemengelage jedoch nur auf das niedrigere Schutzniveau einer allgemeinen Wohnbebauung. Selbst wenn ein Sachverständigengutachten also zu dem Ergebnis kommen würde, dass bei einer Besucherzahl von 1.500 – soweit der Beweisantrag von „weit über 1.000 Personen“ spricht, dürfte er bereits zu unbestimmt sein – die Grenzwerte der 18. BImSchV für ein reines Wohngebiet tags innerhalb und außerhalb der Ruhezeiten überschritten werden, würde dies der Klage noch nicht zum Erfolg verhelfen, da damit nicht gesagt wäre, dass bei einer Besucherzahl von 1.500 auch die Grenzwerte der allein maßgeblichen 18. BImSchV für ein allgemeines Wohngebiet überschritten werden.
2. Der Beweisantrag ist zudem als sog. Ausforschungsbeweis unzulässig.
Eine Beweiserhebung ist bei Behauptungen ins Blaue hinein, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, nicht angezeigt (BayVGH, U.v. 16.5.2017 – 15 N 15.1485 – juris Rn. 25; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 86 Rn. 18a; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss v. 18.6.1993 – 2 BvR 231/93 – juris Rn. 21).
Aus Sicht des Gerichts hat die Klägerin im Ergebnis nicht hinreichend substantiiert dargelegt, wieso der Berechnung und Beurteilung der Geräuschimmissionen ausgerechnet eine Besucherzahl von (mindestens) 1.500 zugrunde zu legen sein sollte. Die Klägerin hat insoweit zwar zutreffend vorgetragen, dass in der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 6. September 2017 bei der Bestimmung des „realistischen Durchschnittsbetriebs“ (vgl. zu diesem Erfordernis: BayVGH, U.v. 2.5.2017 – 1 B 15.1575 – juris Rn. 27 f.) Kinder unter sechs Jahre unberücksichtigt geblieben sind. Da die (insoweit abschließende) 18. BImSchV eine gesonderte Berechnung bzw. Beurteilung von Kinderlärm nicht vorsieht (vgl. u.a. Nr. 2.1 des 1. Anhangs) und folglich auch das Kinderlärmprivileg des § 22 Abs. 1a BImSchG hier keine Anwendung findet, dürfte dessen Nichtberücksichtigung bei der Ermittlung des realistischen Durchschnittsbetriebs – wie von der Klägerseite geltend gemacht – auch fehlerhaft gewesen sein. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass der Berechnung und Beurteilung der Geräuschimmissionen tatsächlich eine höhere Besucherzahl zugrunde gelegt hätte werden müssen. Aus Sicht des Gerichts wurde jedoch nicht ansatzweise plausibel gemacht oder wäre sonst ersichtlich, dass sich die Besucherzahl bei Einbeziehung der Kleinkinder unter sechs Jahren um den Faktor 1,5 erhöhen würde. Die Annahme, dass (mindestens) jeder zweite Besucher das Freibad mit einem Kleinkind besuchen würde, erscheint dem Gericht lebensfremd und „aus der Luft gegriffen“; zumal das Gutachten bei Ermittlung der Besucherzahl ohnehin von einer „worst-case-Betrachtung“ ausgegangen ist.
3. Nicht entscheidungserheblich und lediglich der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang auch noch angemerkt, dass hinreichend tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass bei einer angenommenen Besucherzahl von 1.500 die maßgebenden Grenzwerte der 18. BImSchV überschritten würden, weder dargelegt wurden noch sonst ersichtlich sind. Nach der 18. BImSchV beträgt der Immissionsrichtwert für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden tagsüber (innerhalb und außerhalb der Ruhezeiten) in reinen Wohngebieten 50 dB(A) und in allgemeinen Wohngebieten 55 dB(A). Hinsichtlich der Ruhezeit am Morgen sind diese Richtwerte jeweils um 5 dB(A) zu reduzieren. Nach der von der Beklagten eingeholten schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 6. September 2017 errechnet sich bei dem klägerischen Anwesen tagsüber während der Ruhezeit ein Immissionsrichtwert von 49 dB(A) [am IO3 im 2. OG; im 1. OG und im EG wurden nur 48,3 dB(A) bzw. 47,5 dB(A) errechnet]. Hinsichtlich der Ruhezeit am Morgen sei trotz der insoweit strengeren Immissionsrichtwerte von einer Einhaltung der Grenzwerte auszugehen, da das Freibad am Morgen nur in geringem Maße in Anspruch genommen werde. Da das Gericht davon ausgeht, dass der Klägerin nur das Schutzniveau eines allgemeinen Wohngebiets zusteht (vgl. unter II.), wird der maßgebliche Immissionsrichtwert mithin um 6 dB(A) unterschritten. Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausginge, dass der Berechnung eine höhere Besucherzahl zugrunde gelegt hätte werden müssen, erscheint es angesichts der erheblichen Differenz zwischen dem berechneten Beurteilungspegel und dem maßgeblichen Immissionsrichtwert (und wohl auch angesichts der 2019 erfolgten Verlegung des Volleyballfelds in den südwestlichen Teil der Anlage) nicht wahrscheinlich, dass der Immissionsrichtwert von 55 dB(A) überschritten werden würde. Zudem sei in diesem Zusammenhang noch auf § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV hingewiesen, ausweislich dessen die zuständige Behörde bei Sportanlagen von einer Festsetzung von Betriebszeiten absehen soll, wenn die Immissionsrichtwerte an den in § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV genannten Immissionsorten jeweils um weniger als 5 dB(A) überschritten werden und die Sportanlage – so wie hier – vor Inkrafttreten der 18. BImSchV baurechtlich genehmigt war und danach nicht wesentlich geändert wurde.
B. Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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