Baurecht

Immissionsschutzrechtliche Genehmigung von vier Windkraftanlagen

Aktenzeichen  22 ZB 15.1506

Datum:
13.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NuR – 2016, 425
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 I, III 1 Nrn. 3 u. 5
BNatSchG BNatSchG § 44 I Nr. 1
VwGO VwGO §§ 108, 124, 154, 162

 

Leitsatz

1. Eine Verunstaltung des Landschaftsbilds iSv § 35 III 1 Nr. 5 BauGB ist erst bei einer groben Unangemessenheit einer Anlage in ästhetischer Hinsicht gegeben, die nur im Ausnahmefall anzunehmen ist, wenn entweder die Umgebung wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdig oder der Eingriff in das Landschaftsbild besonders grob ist. Dem beweiswürdigenden Gericht ist hierbei ein Wertungsrahmen eröffnet. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 K 14.795 2015-05-27 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 60.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich als Standortgemeinde gegen eine der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts B. vom 21. Oktober 2014 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung, soweit diese den Bau und Betrieb von vier Windkraftanlagen in ihrem Gemeindegebiet auf den Grundstücken FlNrn. …, …, … und … der Gemarkung S. im planungsrechtlichen Außenbereich gestattet. Die Windkraftanlagen sollen bei einer Nabenhöhe von 139 m sowie einem Rotordurchmesser von 120 m eine Gesamthöhe von 199 m haben. Die Klägerin hat das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben verweigert. Das Landratsamt hat das fehlende gemeindliche Einvernehmen ersetzt.
Ausweislich des Genehmigungsbescheids liegen die Anlagenstandorte innerhalb der im Regionalplan Oberfranken-West, Fläche Nr. … ausgewiesenen Vorrangfläche für die Windenergienutzung sowie zwar innerhalb des Naturparks „Fränkische Schweiz – Veldensteiner Forst“, jedoch außerhalb eines dort als Landschaftsschutzgebiet festgesetzten Bereichs. Die Genehmigung bezieht sich auf Windkraftanlagen mit u. a. folgenden Daten (Ziff. IV.1. des Bescheids): Schallleistungspegel von 106,0 dB(A) im Normalbetrieb und 100,0 dB(A) im schallreduzierten Betrieb. Für im Einzelnen genannte Immissionsorte dürfen die Beurteilungspegel der von allen genehmigten Windkraftanlagen ausgehenden Geräusche bestimmte Immissionsrichtwertanteile (Beurteilungspegel inklusive eines Sicherheitszuschlags von 2 dB(A) im Sinne der oberen Vertrauensbereichsgrenze, Ziff. IV.2.1.2 und Ziff. IV.2.1.3) nicht überschreiten. Weiter wurden der landschaftspflegerische Begleitplan und in der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung vorgesehene Vermeidungsmaßnahmen zum Bestandteil der Genehmigung erklärt (Ziff. IV. 6.1) sowie ein Abschaltalgorithmus und ein Gondelmonitoring zu Fledermausaktivitäten beauflagt (Ziff. IV.6.3).
Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung beantragt und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils als Zulassungsgrund geltend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die Behördenakten beider Rechtszüge.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da in der nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO maßgeblichen Antragsbegründung nicht dargelegt ist, dass die Voraussetzungen des einzig geltend gemachten Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegen.
Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 7 m. w. N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f. m. w. N.). Gemessen daran sind hier keine ernstlichen Zweifel dargelegt. Die Klägerin hat nicht mit Erfolg dargelegt, dass die Ersetzung des Einvernehmens deshalb zu Unrecht erfolgt sei, da die strittigen Windkraftanlagen nicht mit den Vorgaben des § 35 BauGB vereinbar seien.
1. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass das Vorhaben entgegen der vom Verwaltungsgericht gebilligten Beurteilung des Landratsamts schädliche Lärmeinwirkungen i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hervorruft.
Das Verwaltungsgericht hat sich dabei zum Einen auf das Ergebnis des von ihm selbst eingenommenen Augenscheins und die Prüfung des ihm vorgelegten Bebauungsplans gestützt, wonach die auf dem Gebiet der Klägerin gelegenen maßgeblichen Immissionsorte IO 4.1 und IO 4.2 im Nordwesten bzw. Westen ihres Ortsteils S. städtebaulich als Dorfgebiet (IO 4.1) bzw. allgemeines Wohngebiet (IO 4.2) einzustufen sind. Das Verwaltungsgericht hat zum Anderen – gestützt auf von der Beigeladenen vorgelegte und vom Umweltingenieur des Landratsamts überprüfte Immissionsprognosen (IBAS-Gutachten vom 2.10.2013 und vom 14.1.2014) – festgestellt, dass bei den Entfernungen der nächstgelegenen Windkraftanlage Nr. 8 zum IO 4.1 von mehr als 900 m und zum IO 4.2 von ca. 1.000 m bei einer Leistungsbegrenzung der Windkraftanlagen Nr. 6 bis Nr. 10 auf 100 dB(A) während der Nachtzeit an diesen Immissionsorten die relevanten nächtlichen Immissionsrichtwerte der TA Lärm eingehalten werden können. Dem Urteil zu Folge ist die nördlich des Ortsteils S. gelegene Holzvergaseranlage, die bei entsprechendem Bedarf auch während der Nachtzeit betrieben werde, als Vorbelastung berücksichtigt worden und sind die Vorschläge des Gutachters zum Schallschutz als Nebenbestimmungen in den Bescheid aufgenommen worden (Urteil S. 9 f.).
Soweit die Klägerin hieran rügt, weder beim Ortstermin noch in der mündlichen Verhandlung habe der Umweltingenieur des Landratsamts eine schlüssige und ausreichende Begründung der Einbeziehung der Holzvergaseranlage in die Schallbetrachtung gegeben, konkrete Messungen und Einbeziehungen der tatsächlichen Immissionsbeiträge der Holzvergaseranlage seien unterlassen worden, so dass offenkundig und unbestritten sei, dass die Windkraftanlagen die maßgeblichen Immissionsrichtwerte im allgemeinen Wohngebiet von S. zur Nachtzeit überschritten, hat sie keine schlüssigen Gegenargumente dargelegt.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu nämlich ausgeführt, der beigezogene Umweltingenieur habe in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass am Immissionsort IO 4.2 ein Immissionsrichtwertanteil von 36 dB(A) und damit ein vorbelastungsbedingter Abzug von „nur“ 4 dB(A) ausreichend sei. Er habe dies überzeugend damit begründet, dass die Holzvergaseranlage vom IO 4.2 weiter entfernt sei als vom IO 4.1 und insoweit auf das immissionsschutzfachliche Gutachten vom 14. Januar 2014 (Tabelle 8, S. 23) verwiesen. Dies sei für das Verwaltungsgericht ohne Weiteres schlüssig und von der Klägerseite nicht in Zweifel gezogen worden (Urteil S. 10).
Hiergegen hat die Klägerin nichts Durchgreifendes vorgebracht. Dass die Holzvergaseranlage im Zeitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Ortstermins nicht in Betrieb gewesen war, zieht die zutreffende Berücksichtigung der Holzvergaseranlage in der immissionsschutzfachlichen Prognose vom 14. Januar 2014, welche das Verwaltungsgericht gebilligt hat, nicht in Zweifel. Denn gutachterlich wurde der Genehmigungsbescheid für die Holzvergasungsanlage herangezogen und wurden dessen Immissionsbegrenzungen von 55 dB(A) am Tag bzw. 40 dB(A) in der Nacht am nächst gelegenen Wohnhaus in die Prognose einbezogen sowie auf einen flächenbezogenen Schallleistungspegel umgerechnet (IBAS-Gutachten vom 14.1.2014, S. 15). Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, was hieran falsch sein sollte.
Soweit die Klägerin vorträgt, es habe zur Bestimmung der Vorbelastung einer Messung bedurft, spielt sie wohl auf die Regelung in Nr. A.1.2 Abs. 3 der Anlage zur TA Lärm an, wonach die Vorbelastung nach Nr. A.3 der Anlage zur TA Lärm durch Messung und die Zusatzbelastung nach Nr. A.2 der Anlage zur TA Lärm durch Prognose bestimmt wird. Dies ändert aber nichts daran, dass für die Vorbelastung der rechtlich zugelassene und zulässige Betrieb der vorhandenen Anlagen in Betracht zu ziehen ist, der sich den jeweiligen Genehmigungsbescheiden entnehmen lässt. Dass diese hier nicht aussagekräftig wären und es deshalb einer zusätzlichen Messung der Holzvergaseranlage bedurfte, ist nicht dargelegt.
Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe keine neutrale Begutachtung durchführen lassen, hat sie weder dargelegt, eine solche förmlich in der mündlichen Verhandlung beantragt zu haben, noch dass eine solche sich dem Verwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen. Das Verwaltungsgericht hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich die erforderliche Sachkunde hinsichtlich einer entscheidungserheblichen Tatsache durch die Verwertung von im Verwaltungsverfahren eingeholten und von einem Beteiligten vorgelegten Sachverständigengutachten im Wege des Urkundsbeweises zu verschaffen (vgl. zu dieser Befugnis z. B. BVerwG, B. v. 30.9.2010 – 8 B 15.10 – juris Rn. 4 BayVGH, B. v. 13.10.2015 – 22 ZB 15.1186 – Rn. 31). Dass dies rechtsfehlerhaft wäre, ist nicht dargelegt. Auch dass die Prognose sachlich unverwertbar wäre, hat die Klägerin nicht dargelegt. Ein Gutachten ist dann unverwertbar, wenn es unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des erstbeauftragten Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Sachverständiger über neuere oder überlegene Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in dem vorliegenden Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände eines Beteiligten oder durch die übrige Ermittlungstätigkeit des Gerichts ernsthaft in Frage gestellt scheinen (BVerwG, U. v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – BVerwGE 129, 209 ff., juris Rn. 33 m. w. N.). Solches hat die Klägerin hinsichtlich der immissionsschutzfachlichen Prognosen vom 17. Juni 2013 und vom 14. Januar 2014 nicht dargelegt.
2. Keine ernstlichen Zweifel ergeben sich aus dem Vorbringen der Klägerin auch insofern, als das Verwaltungsgericht in seinem Urteil eine Verunstaltung des Landschaftsbilds i. S. v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB verneint hat.
a) Das gilt zum Einen für die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine besondere Schönheit der Landschaft verneint, da die Unberührtheit der Natur und die Vielfalt des Landschaftsbildes in die Bewertung einzubeziehen seien und hier eine kleinteilige Landschaft mit vereinzelt liegenden Dörfern und Orten im Wechsel zwischen Feldern, Wiesen und Wald in kleinräumiger Struktur betroffen werde. Die Landschaft sei bisher frei von Vorbelastungen; anlässlich des Ortstermins seien lediglich zwei völlig untergeordnete Strommasten in weiter Entfernung zu sehen gewesen; auch die Steilwände des Steinbruchs bei W… seien nur zu erahnen, aber nicht sichtbar. Funkmasten, Windkraftanlagen, Schornsteine oder sonstige Belastungen fänden sich in der Gegend nicht.
Als öffentlicher Belang steht der Schutz des Landschaftsbilds i. S. v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB vor einer Verunstaltung in Mitten. Dafür maßgeblich ist eine grobe Unangemessenheit der strittigen Anlage in ästhetischer Hinsicht, die nur im Ausnahmefall anzunehmen ist, wenn entweder die Umgebung wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdig oder der Eingriff in das Landschaftsbild besonders grob ist (vgl. BVerwG, U. v. 18.3.2003 – 4 B 7.03 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 358; BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – Rn. 38 f.; BayVGH, B. v. 24.8.2015 – 22 ZB 15.1014 – Rn. 17).
Das Verwaltungsgericht hat – gestützt auf seinen Augenschein – eine rechtserhebliche Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes mit der Begründung verneint, dass weder die Landschaft wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdig sei, noch es sich um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handele. Die Windkraftanlagen seien im Bereich der Jura-Hochfläche geplant; markante Erhebungen, reizvolle Täler und Ähnliches befänden sich im näheren Umfeld nicht. Es handele sich vielmehr um das zwar landschaftlich reizvolle, aber doch überall anzutreffende Landschaftsbild auf dem Jurahöhenzug (Urteil S. 16).
Aus der Rüge der Klägerin, die Bewertung der Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild sei falsch, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht Fehler bei der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung begangen hat. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Durch den besonderen Charakter der Beweiswürdigung ist dem Gericht ein Wertungsrahmen eröffnet (vgl. BayVGH, B. v. 14.3.2013 – 22 ZB 13.103 u. a. – Rn. 11 m. w. N.). Dass die gerichtliche Überzeugungsbildung hier nicht nachvollziehbar wäre, hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Auf einzelne, die Schutzwürdigkeit der Landschaft etwa mindernde Vorbelastungen hat das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung der Klägerin gar nicht abgestellt, so dass es auf deren von ihr behauptetes Fehlen nicht entscheidungserheblich ankommt.
b) Auch mit ihrer Rüge einer ungenügenden Abwägung im Verfahren zur Aufstellung des Regionalplans, weshalb dessen Ausweisung eines Vorranggebiets nicht berücksichtigt werden dürfe, sowie einer darauf basierenden fehlerhaften Abwägung des Landratsamts hat die Klägerin keine ernstlichen Zweifel dargelegt, da sich das Verwaltungsgericht auf diesen Aspekt nicht gestützt hat. Selbst wenn der Regionalplan unwirksam wäre, würde daraus nicht folgen, dass deshalb dem strittigen Vorhaben öffentliche Belange i. S. v. § 35 Abs. 1 BauGB entgegen stünden. Zumindest ergibt sich dies nicht aus den Darlegungen der Klägerin.
3. Schließlich hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass der sich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB i. V. m. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ergebende öffentliche Belang des Artenschutzes der streitgegenständlichen Genehmigung entgegensteht.
Das Verwaltungsgericht hat sich auf die Einschätzung der Unteren Naturschutzbehörde gestützt, dass die vorliegende spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (mit ihrer auf Einwände der Klägerin und von ihr vorgetragene Vogelbeobachtungen hin erfolgten Ergänzung) unter Berücksichtigung der geforderten und auch in der streitgegenständlichen Genehmigung festgelegten Minimierungs- und Vermeidemaßnahmen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für die benannten Tierarten nachvollziehbar ausschließt (Urteil S. 12 ff.). Zwischen der Unteren Naturschutzbehörde und dem von der Beigeladenen mit der Ergänzung beauftragten Gutachter seien die weitere Vorgehensweise und ortsbezogene Abweichungen vom Windkrafterlass abgestimmt worden. Diese Abweichungen habe der Gutachter in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert. So sei der Uhu wegen seiner Nachtaktivität zwar schwer und kaum repräsentativ zu beobachten, könne jedoch anders als im Windkrafterlass angenommen nicht nur von Mitte März bis Ende August, sondern ganzjährig aufgrund von Verhören erfasst werden. Als regionaler ehrenamtlicher Uhu-Betreuer kenne er die unter Verschluss gehaltenen und durch Beobachtungen ehrenamtlicher Beobachter laufend aktualisiert erfassten Uhu-Horste der Region. Solche lägen zwar in einem mindestens 3 km vom Standort des Vorhabens entfernten Tal mit seinen zahlreichen, die Horste vor Beutegreifern schützenden Felswänden, aber nicht im näheren Umfeld des Vorhabensstandorts, wo nach dem gerichtlichen Augenschein keine solchen Felswände existierten noch vom Uhu bevorzugte Nahrungshabitate lägen (Urteil S. 14). Auch die gutachterlichen Beobachtungen der Weihen/Milane seien weitgehend entsprechend den Empfehlungen des Windkrafterlasses erfolgt; lediglich sei ein kürzerer Beobachtungszeitraum ab Anfang Mai bis Ende August statt ab Mitte März bis Ende August gewählt worden, wobei der Gutachter nachvollziehbar erläutert habe, auch in diesem Zeitraum Brutvorkommen an Hand der Flugbewegungen identifizieren zu können, da die Horste zur Brutfütterung stündlich angeflogen werden müssten (Urteil S. 15 f.). Ein Brutvorkommen des Milan im maßgeblichen Radius um den Vorhabensstandort sei gutachterlich dabei ebenso ausgeschlossen worden wie bevorzugte Nahrungshabitate, so dass auch eine Raumnutzungsanalyse „ins Blaue hinein“ nicht veranlasst gewesen sei (ebenda).
Soweit die Klägerin die Abweichung von den Empfehlungen des Windkrafterlasses als solche rügt, sind diese keine verbindliche Norm, sondern als antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität einzustufen, das (zumindest) auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruht, dem eine besondere tatsächliche Bedeutung zukommt (BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – Rn. 45; BayVGH, B. v. 6.10.2014 – 22 ZB 14.1079 u. a. – NuR 2014, 879/881 Rn. 25) und von dem fachlich begründete Abweichungen zulässig sind, wenn hierfür ein triftiger naturschutzfachlicher Grund vorliegt (BayVGH, U. v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – Rn. 45). Vorliegend hat das Verwaltungsgericht solche naturschutzfachlich begründeten und naturschutzbehördlich gebilligten Abweichungen festgestellt und gebilligt. Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotene Auseinandersetzung mit der im angefochtenen Urteil niedergelegten verwaltungsgerichtlichen Argumentation (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 59 m. w. N.) unterlässt die Klägerin nahezu völlig.
Insbesondere hat die Klägerin dies auch bezüglich des für den Uhu verkürzten Untersuchungszeitraums unterlassen, den das Verwaltungsgericht mit eingehender Begründung fachlich begründet gebilligt hat (Urteil S. 14 f.). Damit verfehlt ihr Vorbringen das in § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO normierte Darlegungsgebot, das eine substantiierte Auseinandersetzung mit der im angefochtenen Urteil niedergelegten verwaltungsgerichtlichen Argumentation erfordert (vgl. Happ a. a. O.).
Soweit die Klägerin rügt, aus dem artenschutzfachlichen Gutachten und seiner Ergänzung sei nicht ersichtlich, ob und wie viele zur Beobachtung geeignete Beobachtungspunkte es überhaupt gegeben habe, setzt sie sich nicht mit den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach drei fachlich geeignete Geländefixpunkte gewählt worden seien (Urteil S. 15 unter Verweis auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27.5.2015 S. 6).
Soweit die Klägerin rügt, es sei nicht dargelegt, ob nur die konkrete Fläche der Windkraftanlagen oder auch die Raumnutzung der angrenzenden Habitatflächen beobachtet worden sei, geht sie nicht auf die Feststellungen des Verwaltungsgerichts ein, bevorzugte Nahrungshabitate des Milan seien im maßgeblichen Radius um den Vorhabensstandort gutachterlich ausgeschlossen worden, so dass keine Raumnutzungsanalyse „ins Blaue hinein“ veranlasst gewesen sei (Urteil S. 15 f.).
Aus den Darlegungen der Klägerin lässt sich auch nicht ableiten, dass der Rahmen der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative, die sich auch auf den Umfang der erforderlichen Ermittlungen und die Erfassung des Bestands der geschützten Arten bezieht (BVerwG, U. v. 27.6.2013 – 4 C 1.12 – BVerwGE 147, 118 ff.), überschritten worden wäre. Weder wurde aufgezeigt, in Bezug auf welche kollisionsgefährdeten Vogelarten konkrete Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen bestanden hätten, noch dargelegt, in Bezug auf welche kollisionsgefährdeten Vogelarten in jüngster Zeit neue Risiken entstanden wären.
Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie einen Antrag gestellt hat und damit ihrerseits ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Streitwert: § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 19.3 und 2.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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