Baurecht

Kein Drittschutz gegen wasserrechtliche Genehmigung für bauliche Anlage im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet

Aktenzeichen  Au 3 K 15.520

Datum:
19.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG WHG § 76 Abs. 3, § 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 6
VwGO VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Die hochwasserschutzrechtlichen Regelungen in § 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 3 S. 1 WHG dienen erkennbar allein dem Allgemeinwohl und vermitteln weder unmittelbar noch über das (wasserrechtliche) Rücksichtnahmegebot Drittschutz. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die Klage, die ausschließlich die erteilte wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG betrifft, ist bereits unzulässig, weil es der Klägerin an der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis fehlt.
1. Eine öffentlich-rechtliche Gestattung kann von einem Dritten, der nicht Adressat des Verwaltungsakts (d. h. Gestattungsinhaber) ist, nur dann angefochten werden, wenn er sich auf die mögliche Verletzung von Vorschriften, die ausschließlich oder zumindest auch seinem Schutz dienen (drittschützende Normen), berufen kann. Aus den Darlegungen des Klägers oder der Klägerin muss sich ergeben, dass eine Verletzung eigener subjektiver Rechte nicht offensichtlich ausgeschlossen, sondern möglich ist (sog. Möglichkeitstheorie, vgl. z. B. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 93).
1.1 Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass sie als „unmittelbar Enteignungsbetroffene“ eine (objektiv) rechtswidrige Straßenbaumaßnahme nicht hinnehmen müsse, kann damit die Klagebefugnis nicht begründet werden. Eine unmittelbare Verletzung des Eigentumsrechts der Klägerin nach Art. 14 GG durch die angefochtene (Ausnahme-) Genehmigung nach § 78 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6, § 76 Abs. 3 WHG für das im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet geplante Straßenbauvorhaben ist ausgeschlossen. Denn die Genehmigung bewirkt keinen unmittelbaren Eigentumsentzug, stellt daher keine Enteignungsentscheidung dar, und weist auch keine enteignungsrechtliche Vorwirkung auf. Bei der Genehmigung handelt es sich nicht um eine wasserrechtliche Planfeststellung oder Plangenehmigung nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 WHG mit ausdrücklicher Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung nach § 71 WHG (vgl. zum Erfordernis der Feststellung nach § 71 Satz 1 und 2 WHG z. B. BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 8 ZB 14.1403 – juris, Leitsatz und Rn. 6). Eine enteignungsrechtliche Vorwirkung ergibt sich auch nicht aus Art. 28 BayEG, da über die Erteilung der Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG nicht in einem förmlichen Verfahren zu entscheiden ist (vgl. Art. 69 Satz 2 BayWG). Auch aus Art. 56 Satz 1 BayWG folgt keine enteignungsrechtliche Vorwirkung der streitgegenständlichen Genehmigung, da die Bestimmung die Enteignung für bestimmte Arten von wasserwirtschaftlichen Vorhaben nur allgemein zulässt, somit lediglich die möglichen Enteignungszwecke im Bereich der Wasserwirtschaft in Ausfüllung des Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayEG festlegt und auch keine Bindungswirkung für die Enteignungsbehörde – wie etwa § 71 Satz 3 WHG – vorschreibt. Darüber hinaus dient die streitgegenständliche Genehmigung nach § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG auch nicht einem der in Art. 56 Satz 1 BayWG genannten Enteignungszwecke.
Zur Bejahung der Klagebefugnis reicht deshalb der Hinweis, dass für die Realisierung des Vorhabens Grund und Boden der Klägerin in Anspruch genommen werden müsse, nicht aus.
1.2 Die Klagebefugnis ergibt sich auch nicht daraus, dass – wie die Klägerin meint – das Landratsamt ein (wasserrechtliches) Planfeststellungsverfahren hätte durchführen müssen. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die geplante „Straße in Dammlage“ im vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiet den Tatbestand des § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG („…Dammbauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen…“) erfüllt und deshalb als dem Gewässerausbau gleichstehende Maßnahme grundsätzlich der Planfeststellungspflicht (§ 68 Abs. 1 WHG) unterliegt. Selbst wenn letzteres zuträfe, wäre (allein) durch die Erteilung einer „falschen“ Genehmigung nach Durchführung eines „falschen“ Verfahrens eine Verletzung eigener Rechte der Klägerin nicht möglich, denn es gibt grundsätzlich keinen Anspruch eines Dritten auf Durchführung des richtigen Verfahrens. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall, in dem eine Baugenehmigung von einem Dritten mit der Begründung, dass anstelle der Baugenehmigung eine wasserrechtliche Planfeststellung erforderlich gewesen wäre, angefochten worden war, folgendes ausgeführt (B.v. 3.11.2011 – 14 ZB 11.2209 – juris Rn. 6):
„Verfahrensvorschriften sind – mit Ausnahme der sog. absoluten Verfahrensrechte (siehe hierzu etwa Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 73 zu § 42 Abs. 2) – grundsätzlich nicht drittschützend. Sie sind nur dann den Interessen eines Drittbetroffenen zu dienen bestimmt, wenn sie eine nach materiellem Recht geschützte Rechtsstellung des Nachbarn berühren (Kopp/Schenke, a. a. O., RdNr. 95 zu § 42). Der Drittbetroffene hat damit grundsätzlich nur einen Anspruch auf Schutz seiner materiellen Rechte (vgl. VGH BW vom 25.4.2006 DÖV 2006, 656 = VBlBW 2006, 314; wohl auch BVerwG vom 17.3.1998 NVwZ 1998, 737). Hieraus folgt, dass ein Nachbar grundsätzlich weder einen Anspruch auf Durchführung des richtigen Verfahrens hat noch einen solchen auf Durchführung eines Verfahrens überhaupt, denn die Vorschriften über die Genehmigungspflicht, die Genehmigungsfreiheit und das Genehmigungsverfahren dienen i. d. R. nicht dem Schutz des Nachbarn, sondern „nur“ dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Verwaltungsverfahren (BayVGH vom 14.1.2009 BayVBl. 2009, 694/695; ebenso OVG Bautzen vom 20.1.2010 BauR 2010, 947 (LS); OVG Saarl vom 27.5.2010 Az.: 2 B 95/10; OVG MV vom 21.12.2010 Az. 3 M 244/10 alle für das Baugenehmigungsverfahren). Das gilt auch für die Vorschriften über das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren, denn auch diese Vorschriften begründen für einen durch ein Ausbauvorhaben möglicherweise betroffenen Dritten kein subjektives Recht auf Einleitung und Durchführung des objektivrechtlich gebotenen Planfeststellungsverfahrens (vgl. grundlegend BVerwG vom 29.5.1981 BVerwGE 62, 243). Ein subjektives Recht i. S. e. allgemeinen Gesetzesvollzugsanspruchs auf die „richtige Verfahrensart“ sieht die Rechtsordnung zudem nicht vor. Das ist auch gar nicht erforderlich, denn wird ein Vorhaben ohne die erforderliche Planfeststellung oder mit fälschlicher Weise erteilter Baugenehmigung verwirklicht, so kann sich ein von dem genehmigungsbedürftigen Vorhaben (nachteilig) betroffener Dritter gegen jede Beeinträchtigung seiner materiellen Rechte, die durch das Vorhaben hervorgerufen werden können, ohne weiteres zur Wehr setzen (so schon BVerwG vom 21.5.1965 Buchholz 407.2 KreuzungsG Nr. 1). Ihm stehen insbesondere alle aus seiner materiellen Rechtsposition folgenden öffentlich-rechtlichen Abwehr-, Unterlassungs- und (Folgen-) Beseitigungsansprüche zu (BVerwG vom 29.5.1981 a. a. O.). Im vorliegenden Fall begründet daher die Behauptung der Klägerinnen, es hätte ein Planfeststellungsverfahren anstelle eines Baugenehmigungsverfahrens durchgeführt werden müssen, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, weil die entsprechenden Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes und des Bayerischen Wassergesetzes in Verbindung mit dem Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz keine Wirkung zugunsten der Klägerinnen entfalten.“
Das erkennende Gericht schließt sich dieser Rechtsauffassung, die die herrschende Meinung wiedergibt, an.
Da im vorliegenden Fall offensichtlich keine absoluten Verfahrensrechte der Klägerin im Raum stehen – als solche sind lediglich bestimmte enteignungsrechtliche Verfahrensvorschriften, Beteiligungsrechte von Gemeinden und Gemeindeverbänden im luftrechtlichen Genehmigungsverfahren und Beteiligungsrechte von anerkannten (Naturschutz-) Verbänden bei bestimmten Planfeststellungsverfahren anerkannt (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Okt. 2015, § 42 Abs. 2 Rn. 63; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 40 f.; jeweils m. w. N.) – kann das Unterlassen des möglicherweise richtigen Verfahrens und die Erteilung einer möglicherweise nicht zutreffenden Genehmigung allein, d. h. unabhängig davon, ob die Verletzung eines subjektiven materiellen Rechts möglich ist, nicht zur Klagebefugnis führen.
1.3 Zur Begründung ihrer Klagebefugnis kann sich die Klägerin weiter auch nicht auf eine Verletzung hochwasserschutzrechtlicher Bestimmungen stützen, denn diese weisen weder eine unmittelbar drittschützende Wirkung auf noch vermitteln sie in Verbindung mit dem Gebot der Rücksichtnahme Drittschutz.
1.3.1 Das Landratsamt hat das Vorhaben (auf das die bauordnungsrechtlichen Regelungen der Bayerischen Bauordnung nicht anwendbar sind [Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBO]) als „bauliche Anlage nach den §§ 30, 33, 34 und 35 BauGB“ qualifiziert, somit den Untersagungstatbestand nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 78 Abs. 6 WHG bejaht. Dementsprechend hat es die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Dispensentscheidung in § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG verortet. Dies hat zur Folge, dass für die Frage, ob sich die Klägerin auf eine drittschützende Regelung berufen kann, ausschließlich diese Regelungen in den Blick zu nehmen sind. Soweit klägerseits geltend gemacht wird, dass aufgrund der Situierung eines Teils der Dammtrasse quer zur Fließrichtung des Wassers bei Überschwemmungen (insbesondere im Süden) sowie der im Zusammenhang mit der Querung von Straßen und Wegen geplanten Aufschüttungen (Querdämme) und der Anlage von Baum- und Strauchpflanzungen auch die Untersagungstatbestände nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 7 WHG erfüllt seien und das Vorhaben deshalb auch an § 78 Abs. 4 Satz 1 WHG zu messen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie das Landratsamt zutreffend ausführt, handelt es sich bei den „Querbauwerken“ um unselbstständige Teile des nach § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG zu beurteilenden Gesamtvorhabens (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2014 – 8 CS 13.1848 – juris Rn. 26, der insoweit auf die ähnliche baurechtliche Problematik und die entsprechende Kommentierung von Lechner in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2013, Art. 2 Rn. 344 m f. verweist). Darüber hinaus ist, worauf das Landratsamt ebenfalls zutreffend hinweist, die Anlage von Bepflanzungen nicht Gegenstand des vom Beigeladenen gestellten Antrags.
1.3.2 Die hochwasserschutzrechtlichen Regelungen in § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 WHG, an denen das Vorhaben nach den vorstehenden Darlegungen ausschließlich zu messen ist, sind nicht drittschützend.
In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird die Frage nach der drittschützenden Wirkung der genannten (seit dem 1.3.2010 gültigen) Bestimmungen des vorbeugenden Hochwasserschutzes bzw. der Vorgängerregelungen
– § 32 WHG i. d. F. vom 27.Juli 1957,
– § 32 WHG i. d. F. vom 12. November 1996 und
– § 31b WHG i. d. F. vom 3. Mai 2005
(ggf. in Verbindung mit landesrechtlichen Vorschriften) nicht einheitlich beantwortet. Ein Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums bejaht eine drittschützende Wirkung zumindest einzelner Vorschriften über den Hochwasserschutz jedenfalls insoweit, als in diesen ein hochwasserrechtliches Rücksichtnahmegebot enthalten sei, wobei teilweise allerdings an Landesrecht angeknüpft wird (vgl. z. B. BayVGH, U.v. 8.11.1990 – 2 B 90.310 – BayVBl 1991, 247; U.v. 14.2.2005 – 26 B 03.2579 – BayVBl 2005, 726; B.v. 16.9.2005 – 15 CS 09.1924 – sämtliche juris, jeweils allerdings ohne eingehende Begründung; OVG RhPf, U.v. 2.3.2010 – 1 A 10176/09 -; VG Saarl, B.v. 8.5.2012 – 5 L 240/12 -; VG Regensburg, U.v. 21.3.2013 – RO 2 K 11.2064 -; wohl auch (noch) U.v. 11.10.2013 – RO 8 K 13.1095 -; sämtliche juris; Rossi in Sieder/Zeidler/Dahme, WHG und AbwAG, Stand: September 2015, § 78 WHG Rn. 81 f.; Reinhardt in Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. Aufl. 2014, § 78 Rn. 46; Fassbender/Gläßl, Drittschutz im Wasserrecht, NVwZ 2011, 1094 ff.).
Demgegenüber wird, ausgehend von der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur (fehlenden) drittschützenden Wirkung der Vorschriften des vorbeugenden Hochwasserschutzes im Beschluss vom 17. August 1972 (Az. IV B 162.71 – Buchholz 445.4 § 32 WHG Nr. 1), von einem weiteren Teil der Rechtsprechung sowie der Literatur eine drittschützende Wirkung verneint (vgl. z. B. NdsOVG, B.v. 20.7.2007 – 12 ME 210/07 – NVwZ 2007,1210; SächsOVG, U.v. 9.6.2011 – 1 A 504/09 – NVwZ-RR 2011, 937; VG Dresden, U.v. 16.6.2009 – 4 K 2574/07 – juris; VG Würzburg, U.v. 8.10.2013 – W 4 K 13.143 – juris; VG Regensburg, U.v. 12.5.2014 – RO 8 K 13.841 – nicht veröffentlicht; Hünneke, in: Landmann/Rohmer, UmweltR I, Stand August 2014, vor § 72 WHG Rn. 36; Jeromin/Praml, Hochwasserschutz und wasserrechtliches Rücksichtnahmegebot, NVwZ 2009, 1079).
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat – soweit ersichtlich – die Frage bislang offen gelassen (B.v. 18.11.2013 – 5 S 2037/13 – NVwZ-RR 2014, 265). Gleiches gilt für den 8. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v.4.2.2014 – 8 CS 13.1848 – und B.v. 16.12.2015 – 8 ZB 14.1471 – beide juris).
Nach Auffassung der Kammer vermitteln die vorliegend inmitten stehenden Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1), die sich von der Vorgängerregelung in § 31b Abs. 4 Satz 3 und 4 WHG i. d. bis zum 28. Februar 2010 gültigen Fassung nur insoweit unterscheiden, als die Genehmigung nunmehr als Ermessensentscheidung ausgestaltet ist, weder unmittelbar noch über das (wasserrechtliche) Rücksichtnahmegebot Drittschutz, so dass die Klagebefugnis nicht mit der möglichen Verletzung der genannten Bestimmungen begründet werden kann.
Nach dem genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 1972 (Az. IV B 162.71 – Buchholz 445.4 § 32 WHG Nr. 1) ist die Rechtsprechung zum Nachbarschutz im Baurecht sinngemäß auch im Wasserrecht zu berücksichtigen. Danach kann eine Vorschrift nur dann drittschützende Wirkung haben, wenn ein Verstoß gegen sie „Rechte“ des Dritten (Nachbarn) im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG verletzen kann (vgl. bereits BVerwG, U.v. 5.10.1965 – IV C 3.65 – BVerwGE 22, 129, 130). Ob dies der Fall ist, kann nur der jeweiligen Vorschrift entnommen werden. Es ist demnach zu prüfen, ob die Vorschrift dem Dritten ein „Recht“, also eine Rechtsposition einräumen will, die auf dem Klagewege durchgesetzt werden kann. Das ist nur dann zu bejahen, wenn die in Rede stehende Vorschrift einen überschaubaren Personenkreis, seine geschützten Interessen und die Art der Rechtsverletzungen, bezüglich derer Drittschutz gelten soll, hinreichend klar bestimmt (sog. Schutznormtheorie, vgl. z. B. BVerwG, U.v. 17.6.1993 – 3 C 3.89 – BVerwGE 92, 313; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 86). Für das Wasserhaushaltsrecht hat die Rechtsprechung eine (unmittelbare) drittschützende Wirkung solchen Vorschriften zuerkannt, die ausdrücklich die Interessen eines betroffenen „Dritten“ als Beteiligten berücksichtigen, wie etwa § 14 Abs. 3 und 4 WHG. Zu den derart gekennzeichneten Vorschriften mit drittschützender Wirkung gehören die Regelungen in § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 WHG nicht. Diese Normen, wie auch deren Vorgängerregelungen, dienen erkennbar allein dem Allgemeinwohl und nicht – auch – bestimmten Dritten. Sie sehen weder ausdrücklich noch nach ihrem Sinn die Berücksichtigung von Interessen oder Rechten dritter „Betroffener“ vor und bestimmen auch nicht hinreichend klar einen überschaubaren Kreis von „Nachbarn“, deren Rechte, zu deren Schutz sie bestimmt sein könnten, und die Art der Rechtsverletzungen, gegen die sie Schutz gewähren könnten. Vielmehr dienen sie ausschließlich dem vorbeugenden Hochwasserschutz zur Vermeidung von unnötigem Wasseraufkommen und richten sich auch nicht an einen überschaubaren Personenkreis. Sie sind damit (wie beispielsweise auch die Regelungen über immissionsschutzrechtliche Vorsorgepflichten, vgl. z. B. BVerwG, B.v. 16.1.2009 – 7 B 47/08 – Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 27) nicht (unmittelbar) drittschützend.
Zur Begründung der drittschützenden Wirkung der genannten Vorschriften kann auch nicht das (wasserrechtliche) Gebot der Rücksichtnahme herangezogen werden. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht auch für wasserrechtliche Gestattungstatbestände ein Rücksichtnahmegebot anerkannt (vgl. BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56/83 – BVerwGE 78, 40), gleichzeitig jedoch ausgeführt, dass der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz grundsätzlich auch im Wasserrecht aus Rechtsnormen abzuleiten ist, die der Behörde den Schutz bestimmter nachbarlicher Belange auferlegen. Denn das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften, die damit zugleich Inhalt und Reichweite dieses Gebots bestimmen (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 16.3.1989 – 4 C 36.85 – BVerwGE 81, 329). Entscheidend ist stets nur, was eine konkrete Norm des materiellen Rechts „hergibt“ (Happ, in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 42 Rn.158). Den genannten Vorschriften, an denen das Vorhaben des Beigeladenen wasserrechtlich zu messen ist, lässt sich jedoch, wie oben bereits dargelegt, kein zu schützender bestimmbarer Personenkreis in Abgrenzung zu jedem möglicherweise vom Hochwasser Betroffenen entnehmen (vgl. zum Ganzen SächsOVG, U.v. 9.6.2011 – 1 A 504/09 – NVwZ-RR 2011, 937). Im konkreten Fall reicht das vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiet der Mindel zumindest von B. im Süden bis zur Mündung in die Donau im Norden. Zudem ist die Berechnung der Pegelerhöhung, die der Bau der Ortsumfahrung mit sich bringt, mit erheblichen Ungenauigkeiten, die bei +/- 10 cm liegen, belastet. Es lässt sich demnach nicht hinreichend sicher feststellen, welche Grundstücke dann bei einem 100jährigen Hochwasser zusätzlich geflutet werden.
2. Die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; als unterlegener Teil hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Da sich der Beigeladene mit der ausdrücklichen Stellung eines Antrags auf Klageabweisung einem Prozessrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, eine Erstattungspflicht hinsichtlich seiner außergerichtlichen Aufwendungen aus § 162 Abs. 3 VwGO im Urteil auszusprechen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
3. Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob den Vorschriften des vorbeugenden Hochwasserschutzes (§§ 76 ff. WHG) im allgemeinen und § 78 Abs. 3 Satz 1 WHG im besonderen drittschützende Wirkung zukommt, zugelassen (§ 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzulegen; sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach, einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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