Baurecht

Keine öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzansprüche innerhalb der Gemeinschaft der Miteigentümer ein- und desselben Grundstücks

Aktenzeichen  9 CS 19.967

Datum:
30.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZfIR – 2020, 34
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 42 Abs. 2, § 146 Abs. 4 S. 1
BGB § 917 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3, § 43 Abs. 1

 

Leitsatz

Das Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz schließt öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche innerhalb der Gemeinschaft der Miteigentümer ein- und desselben Grundstücks (grundsätzlich) aus. (Rn. 21 – 30)
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich auch nach Ablauf der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO für neue Tatsachen offen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 S 19.186 2019-04-15 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Antragsteller und die Beigeladene sind Teileigentümer des ca. 30.360 m² großen Grundstücks FlNr. …, Gemarkung W. (Baugrundstück). Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „B.weg“ der Antragsgegnerin in der Fassung der 3. Änderung vom 20. November 2013.
Bei dem Baugrundstück handelt es sich um eine Teilfläche des sog. Bürgerbräugeländes, welche mit notariellem Kaufvertrag vom 17. Januar 2012 von der Antragsgegnerin an die Gesellschafter der „Bürgerbräu B …, H …, W … GbR“ verkauft wurde. Die Gesellschafter vereinbarten am 25. Oktober 2012 eine notariell beurkundete “Teilungserklärung nach § 8 WEG samt Gemeinschaftsordnung (URNr. 2095/2012)“, aufgrund derer das Grundstück mit den darauf vorhandenen Gebäuden in insgesamt 21 Sondereigentums- und Abrechnungseinheiten aufgeteilt wurde. Mit weiterer notarieller Urkunde vom 25. Oktober 2012 (URNr. 2096/2012) nahmen die Gesellschafter eine Auseinandersetzung vor, aufgrund derer die Miteigentumsanteile bestimmt und dem Antragsteller u.a. die Sondereigentumseinheiten 08a und 08b (Sektkellerei) sowie 14a (Atelierhaus), der Gesellschaft „Bürgerbräu B … W … GbR“ u.a. die Sondereigentumseinheiten 14b, 14c und 14d (Standort des Bauvorhabens) übertragen wurden. Die Beigeladene ist als Gesamtrechtsnachfolgerin der Gesellschaft „Bürgerbräu B …W … GbR“ nunmehr Sondereigentümerin deren früherer Sondereigentumseinheiten.
Mit notariell beglaubigter „Teilungserklärung nach § 8 WEG und Nachtrag zur diesamtlichen Urkunde vom 25. Oktober 2012, 2095/2012“ vom 4. Dezember 2017 erfolgte eine Zusammenlegung der Miteigentumsanteile der Sondereigentumseinheiten Nrn. 14b, 14c und 14d zur neuen Sondereigentumseinheit „Atelierhaus 14/ Bürogebäude 14“ und eine Unterteilung dieser Einheit in mehrere Miteigentumsanteile, verbunden mit Sondereigentum.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2018 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Baugenehmigung für den Neubau eines Bürogebäudes im Bereich der neuen Sondereigentumseinheit 14 auf dem Baugrundstück. Vorgesehen sind Räumlichkeiten für Büros auf drei Ebenen. Im Erdgeschoss ist ein Parkbereich mit 14 vertikal zur Zufahrt angeordneten Stellplätzen geplant. Diese Sondereigentumseinheit befindet sich am südwestlichen Rand des Baugrundstücks – nur durch die Zufahrt getrennt – wesentlich versetzt gegenüber der Sondereigentumseinheit 08a des Antragstellers. Das genehmigte Bürogebäude ist insgesamt ca. 41 m breit; auf einer Breite von ca. 11 m liegt es der Sondereigentumseinheit 08a direkt gegenüber. Die vorhandene Zufahrt hat im Bereich zwischen der Sondereigentumseinheit 08a des Antragstellers und der Sondereigentumseinheit 14 eine tatsächliche Breite von ca. 6,50 m. Ein 3,00 m breiter Streifen dieser Zufahrt, der entlang der Sondereigentumseinheiten 05, 08a und 08b des Antragstellers verläuft, steht diesem als Sondernutzungsfläche zur Verfügung; der übrige Teil ist als Gemeinschaftsfläche gekennzeichnet.
Die Antragstellerin hat gegen diese Baugenehmigung Klage zum Verwaltungsgericht erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. April 2019 abgelehnt. Dem Antragsteller fehle die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Das Sondereigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz schließe öffentlich-rechtliche Nachbarschutzrechte innerhalb der Miteigentümer ein- und desselben Grundstücks grundsätzlich aus. Der Antragsteller sei kein Nachbar im baurechtlichen Sinne, sondern Miteigentümer des Buchgrundstücks, auf dem das Bauvorhaben der Beigeladenen realisiert werden solle. Es fehle damit an der für eine baurechtliche Nachbarklage kennzeichnenden Dreiecksbeziehung. Ein Fall einer „notwegeerheblichen Rechtswidrigkeit“ der angefochtenen Baugenehmigung infolge unzureichender Erschließung komme in der vorliegenden Fallkonstellation nicht in Betracht. Es erscheine bereits zweifelhaft, ob die Vorschrift des § 917 BGB im Verhältnis zwischen zwei Sondereigentümern überhaupt anwendbar sei. Dessen ungeachtet drohe dem Antragsteller in einem zivilgerichtlichen Verfahren um die Duldung eines Notwegerechts jedenfalls kein Rechtsverlust in der Weise, dass er durch den Eintritt der Bestandskraft der Baugenehmigung einen Automatismus hinsichtlich der Entstehung eines Notwegerechts zu befürchten hätte oder dass ihm die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Vorhabens abgeschnitten wäre.
Mit Bescheid vom 19. Juni 2019 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Baugenehmigung für den „Neubau eines Bürogebäudes – 1. Planänderung“ auf dem Baugrundstück. Nach der Nebenbestimmung Nr. 2080 dieser Genehmigung gelten die Auflagen und Bedingungen der Baugenehmigung vom 15. Oktober 2018 weiter und sind bei der Bauausführung zu beachten. Die Tekturgenehmigung bezieht sich auf eine Anpassung der südlichen Gründungswand des Bürogebäudes. Aus dem diesbezüglichen Bauantrag der Beigeladenen ergibt sich, dass aus statischen Gründen eine Anpassung der südlichen Grundstückswand erforderlich geworden ist. Diese soll nach Süden verlagert werden, wobei die ursprünglich geplante Wand bestehen bleiben und dazwischen auf der Ebene Null ein Hohlraum entstehen soll.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei er antragsbefugt. Die angefochtene Baugenehmigung führe dazu, dass die Beigeladene zur regelmäßigen Erschließung ihres Bauvorhabens „Bürogebäude“ ein Notwegerecht über das Sondereigentum und Sondernutzungsrecht des Antragstellers in Anspruch nehmen müsse. Werde die angefochtene Baugenehmigung bestandskräftig, wirke diese auf das Zivilrecht dergestalt ein, dass sie die Ordnungsmäßigkeit der Nutzung des Sondereigentums bezüglich bzw. des Sondernutzungsrechts des Antragstellers im Sinn von § 917 BGB bestimme. Auf der Grundlage dieser Automatik greife die Baugenehmigung unmittelbar in die Eigentumsrechte des Antragstellers ein. Die Rechtsprechung zur Klagebefugnis eines „normalen“ Nachbarn im Rahmen der „notwegeerheblichen Rechtswidrigkeit“ einer Baugenehmigung sei auf den Antragsteller als Sondereigentümer und Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechend anzuwenden. Er habe andernfalls keinen effektiven Rechtsschutz gegen eine notwegeerheblich rechtswidrige, aber bestandskräftige Baugenehmigung. Da Sondereigentum wie auch Gemeinschaftseigentum „echtes“ Eigentum seien, sei auch auf dieses Eigentumsrecht § 917 BGB anwendbar. Die vertragliche Vereinbarung in Abschnitt III Nr. 1d der Teilungserklärung vom 25. Oktober 2012 gewähre den jeweiligen anderen Sondereigentümern nur im Ausnahmefall ein zeitlich und gegenständlich eingeschränktes Nutzungsrecht an Sondernutzungsrechten eines anderen Sondereigentümers. Jedenfalls sei eine Befahrung seiner Sondereigentumsfläche an der Zufahrt zum Bürogebäude der Beigeladenen zur Nutzung der Stellplätze 11 bis 14 in der Mittelgarage des Bürogebäudes zwingend erforderlich.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 15. April 2019 die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zum Neubau eines Bürogebäudes vom 15. Oktober 2018 und gegen die mit Bescheid vom 19. Juni 2019 erteilte Tekturgenehmigung herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antrag sei wegen fehlender Antragsbefugnis unzulässig. Als Miteigentümer des streitgegenständlichen Baugrundstücks stünden dem Antragsteller keine öffentlich-rechtlichen Abwehransprüche zu. Stattdessen obliege es ihm, seine ihm im Rahmen der Teilungserklärung nach § 8 WEG eingeräumten privaten Rechte und Befugnisse auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Als Miteigentümer des Baugrundstücks sei der Antragsteller nicht antragsbefugt. Die angefochtene Baugenehmigung schließe zivilrechtliche Ansprüche des Antragstellers, insbesondere aus dem Wohnungseigentumsrecht, nicht aus. Sie greife in das zivilrechtliche Verhältnis zwischen den Beteiligten nicht ein. Diese seien nicht daran gehindert, ihre diesbezüglichen Ansprüche zivilrechtlich geltend zu machen. Die Entstehung eines Notwegerechts sei im Übrigen in mehrfacher Hinsicht von vornherein nicht zu befürchten. Zudem würde es an der notwendigen Kausalität zwischen der Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung und der Entstehung eines Notwegerechts fehlen. Die notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg im Sinn von § 917 BGB sei hier bereits aufgrund der privatrechtlichen Teilungserklärung nach § 8 WEG samt Gemeinschaftsordnung vom 25. Oktober 2012 entfallen. Jedenfalls aber wäre ein Notwegerecht mit dem am 4. Dezember 2017 notariell beurkundeten Nachtrag zur Teilungserklärung entstanden, indem anstelle der sog. Atelierhäuser das hier genehmigte Bürogebäude Gegenstand gewesen und somit für alle Miteigentümer zum verbindlichen Bestandteil der Teilungserklärung geworden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat die Antragsbefugnis des Antragstellers zu Recht verneint.
1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist entsprechend dem im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag des Antragstellers die Baugenehmigung vom 15. Oktober 2018 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 19. Juni 2019. Mit dieser Genehmigung wurde die ursprüngliche Baugenehmigung unter Wahrung der Identität des Bauvorhabens lediglich modifiziert, was insbesondere auch daraus abgeleitet werden kann, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Nebenbestimmung Nr. 2080 zur Tekturgenehmigung die Auflagen und Bedingungen der Baugenehmigung vom 15. Oktober 2018 weiter gelten und bei der Bauausführung zu beachten sind.
Die Tekturgenehmigung konnte vom Antragsteller auch als neue Tatsache in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. Hierzu zählt auch eine erst im Beschwerdeverfahren erfolgte Antragserweiterung, um das Eilrechtsschutzbegehren an eine veränderte Genehmigungslage unter Einbeziehung einer Tekturgenehmigung anzupassen (vgl. Jeromin in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 146 Rn. 34). Dass die Tekturgenehmigung erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erlassen worden ist, ändert daran nichts. Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich auch nach Ablauf der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO für neue Tatsachen offen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 29 m.w.N.). Dies gebietet, da auch der Vortrag des Beschwerdegegners normativ keinen thematischen oder zeitlichen Beschränkungen unterliegt, bereits der Grundsatz der Waffengleichheit. Es wäre zudem nicht prozessökonomisch, wenn der Antragsteller hinsichtlich der offensichtlich vorliegenden und unstreitigen neuen Tatsache der Tekturgenehmigung auf den Weg eines Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO verwiesen würde, zumal hier bei ihrer Berücksichtigung auch keine Verfahrensverzögerungen zu befürchten sind (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O. § 146 Rn. 29; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 146 Rn. 43 m.w.N.).
2. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Ist der Kläger nicht Adressat eines Verwaltungsakts, sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist für die Klagebefugnis erforderlich, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist und die Verletzung dieser Vorschrift zumindest möglich erscheint. Dies ist allerdings dann nicht der Fall, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 22.12.2016 – 4 B 13.16 – juris Rn. 7 m.w.N.). Diese die Klagebefugnis betreffende Regelung ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO entsprechend anwendbar (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2017 – 9 CS 16.1241 – juris Rn. 17 m.w.N.). Davon ausgehend fehlt dem Antragsteller als Sondereigentümer der Sondereigentumseinheiten 08a und 08b (Sektkellerei) und 14a (Atelierhaus) sowie Sondernutzungsberechtigtem an einen Teil der sich im Gemeinschaftseigentum befindlichen Fläche der Zufahrt zu den Sondereigentumseinheiten der Beigeladenen (früher 14a, 14b und 14c [Atelierhäuser], nach Zusammenlegung Atelierhaus 14/Bürogebäude 14) die Antragsbefugnis, weil ihm die von ihm behaupteten öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung offensichtlich nicht zustehen können. Vielmehr ist er auf die Geltendmachung der sich innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft ergebenden Rechte im Zivilrechtsweg zu verweisen.
a) Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stehen dem Antragsteller als Sondereigentümer und Sondernutzungsberechtigten und damit Inhaber eines besonders ausgestalteten Miteigentumsrechts keine öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzansprüche zu, soweit es um die Nutzung eines anderen Sondereigentums auf dem gemeinschaftlichen Grundstück geht. Der Sondereigentümer ist insoweit in die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eingebunden, deren Konflikte nach besonderen Regeln zu lösen sind. Insbesondere enthält das Wohnungseigentumsgesetz auch für das Verhältnis der einzelnen Sondereigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft zueinander spezielle, den Inhalt des Sondereigentums bestimmende Regelungen sowohl materiell-rechtlicher Art über die Abgrenzung der gegenseitig zustehenden Befugnisse als auch verfahrensrechtlicher Art darüber, wie diese Befugnisse durchzusetzen sind. Soweit sie greifen, ist für eine öffentlich-rechtliche Nachbarklage des Sondereigentümers kein Raum; etwaige öffentlich-rechtliche Drittschutzansprüche werden durch das Zivilrecht überlagert und verdrängt (vgl. BVerwG, U.v. 14.10.1988 – 4 C 1/86 – juris Rn. 12; B.v. 28.2.1990 – 4 B 32/90 – juris Rn. 5; U.v. 12.3.1998 – 4 C 3/97 – juris Rn. 20).
Gemäß § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen solchen Gebrauch sowohl der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile als auch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich eine Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG entscheidet das zuständige Amtsgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Antrag eines Wohnungseigentümers auch über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, also auch über die sich aus § 15 Abs. 3 WEG ergebenden Ansprüche. Der Inhalt dieser gegenseitigen Rechte und Pflichten bestimmt sich in erster Linie nach den zwischen den Wohnungseigentümern geltenden besonderen Vereinbarungen und Beschlüssen. Hier kann insbesondere nicht außer Betracht bleiben, dass sowohl die notarielle Teilungserklärung nach § 8 Weg samt Gemeinschaftsordnung vom 25. Oktober 2012 als auch die spätere notarielle Teilungserklärung nach § 8 WEG hinsichtlich der Unteraufteilung der Atelierhäuser – Häuser 14b – 14d vom 4. Dezember 2017 sowie die frühere Verpflichtung zur Begründung von Sondereigentum und Übertragungsverpflichtung der Gesellschafter der „Bürgerbräu B …, H …, W … GbR“, zu denen auch der Antragsteller gehörte, vom 16. Januar 2012 umfangreiche Regelungen über solche Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander enthalten. Insbesondere beinhaltet die Teilungserklärung vom 25. Oktober 2012 unter Abschnitt III Gemeinschaftsordnung Nr. 1d gerade auch „im Hinblick auf den verschachtelten Gebäudebestand und die baulichen Besonderheiten des Areals“ eine spezielle Regelung zur Einschränkung von eingeräumten Sondernutzungsrechten. Soweit keine speziellen vertraglichen Regelungen bestehen, gelten ergänzend für das Rechtsverhältnis zwischen den Sondereigentümern auch die Normen des öffentlichen Baurechts. Auch diese hat das Amtsgericht bei der ihm übertragenen Entscheidung eines Streits zwischen den Sondereigentümern anzuwenden; dabei kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob diese Normen auch Nachbarschutz gewähren (vgl. BVerwG, U.v. 14.10.1988 – 4 C 1/86 – juris Rn. 11; B.v. 28.2.1990 – 4 B 32/90 – juris Rn. 5). Aber auch dann besteht kein selbständiger öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch; vielmehr beruht die Anwendbarkeit des öffentlichen Rechts auch in diesem Fall auf der privatrechtlichen Vorschrift des § 15 Abs. 3 WEG (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 3/97 – juris Rn. 21).
Dass der Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG Wohnungseigentümern auch untereinander zusteht, ändert daran nichts (vgl. BVerfG, B.v. 22.12.2004 – 1 BvR 1806/04 – juris Rn. 17). Es verletzt auch weder die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG noch die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG an die Gewährung rechtlichen Gehörs, dass der Wohnungseigentümer die behauptete Unvereinbarkeit des Gebrauchs des Sondereigentums durch einen anderen Miteigentümer auf dem Zivilrechtsweg geltend machen muss (vgl. BVerfG, B.v. 7.2.2006 – 1 BvR 2304/15 – juris Rn. 10 ff.).
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat sowohl bei den Verwaltungsgerichten als auch bei den Verwaltungsgerichtshöfen und Oberverwaltungsgerichten nahezu ausnahmslos Zustimmung gefunden (s. Übersicht bei Fricke/Wolter, ZfBR 2013, 218 Fußnote 25; vgl. zusätzlich OVG RHPf, U.v. 26.2.2019 – 8 A 11076 18.OVG – juris Rn. 30 ff.; BayVGH, B.v. 17.8.2017 – 9 CE 17.1362 – juris Rn. 12). Gleiches gilt für die öffentlich-rechtliche Literatur (vgl. z.B. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 152; R.P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 42 Rn. 97; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 483; Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Februar 2019, § 42 Abs. 2 Rn. 143; Schweinoch, ZWE 2014, 237; Gröhn/Hellmann-Sieg, BauR 2010, 400; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, Vorb. §§ 29-38 Rn. 25; a.A. Fricke/Wolter, ZfBR 2013, 218) sowie die Literatur auf dem Gebiet des Wohnungseigentumsrechts (vgl. Wicke in Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 13 WEG Rn. 3; Commichau/Engelhard in MüKo, BGB, 7. Aufl. 2017, § 15 WEG Rn. 46; Grziwotz in Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 13 WEG Rn. 1; Staudinger/Rapp, BGB, Neubearbeitung 2018, § 5 WEG Rn. 66; Schultzky in Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 13 WEG Rn. 55).
b) Eine Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus dem von ihm behaupteten Fehlen einer ausreichenden wegemäßigen Erschließung des Bauvorhabens der Beigeladenen. Das planungsrechtliche Erfordernis der gesicherten Erschließung dient grundsätzlich nur dem öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und ist daher nicht nachbarschützend (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 66 m.w.N.).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen liegt hier auch kein Fall einer „notwegeerheblichen“ (objektiven) Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung infolge einer unzureichenden Erschließung des Bauvorhabens vor. Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einem Nachbarn ein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG dann zustehen kann, wenn die Umsetzung einer Baugenehmigung infolge des Fehlens der wegemäßigen Erschließung des Baugrundstücks zur Begründung oder Ausweitung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB an seinem Grundstück führt und damit gleichsam im Wege einer „Automatik“ eine unmittelbare Verschlechterung seiner Eigentumsrechte bewirkt, ohne dass ihm im Übrigen hiergegen ein sonstiger effektiver Rechtsschutz zur Verfügung steht (vgl. zusammenfassend BayVGH, B.v. 3.1.2018 – 15 ZB 16.239 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Eine solche oder vergleichbare Situation ist hier aber nicht gegeben. Die oben genannte Rechtsprechung beruht auf der Prämisse, dass die Erteilung einer Baugenehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde nicht ohne Einfluss auf die Beurteilung bleiben kann, ob die Benutzung des Baugrundstücks ordnungsmäßig im Sinn des § 917 Abs. 1 BGB ist. Wegen ihrer Feststellungswirkung wirkt eine bestandskräftige Baugenehmigung dergestalt auf das Zivilrecht ein, dass sie die Ordnungsmäßigkeit der Nutzung im Sinn des § 917 Abs. 1 BGB bestimmt (vgl. auch BGH, U.v. 24.4.2015 – V ZR 138/14 – juris Rn. 16). Auch wenn sie rechtswidrig ist, schneidet sie dem Nachbarn, der sich im Zivilprozess gegen die Inanspruchnahme seines Grundstücks auf der Grundlage des § 917 Abs. 1 BGB zur Wehr setzt, den Vortrag ab, die Benutzung des Baugrundstücks sei schon deshalb nicht ordnungsgemäß, weil sie dem öffentlichen Baurecht widerspreche (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1998 – 4 B 45/98 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf den Fall übertragen werden, bei dem sich ein Sondereigentümer – wie hier der Antragsteller – gegen die Nutzung eines anderen Sondereigentümers auf demselben Grundstück wendet. In dieser Fallkonstellation kann – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht davon ausgegangen werden, dass dem Antragsteller in einem eventuellen zivilgerichtlichen Verfahren um die Duldung eines Notwegerechts die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens des Beigeladenen abgeschnitten wäre und er im Wege einer „Automatik“ die Entstehung eines Notwegerechts zu befürchten hätte. Die – bereits oben erwähnte – höchstrichterliche Rechtsprechung zum ausnahmsweisen Bestehen eines Abwehrrechts eines Nachbarn aus Art. 14 Abs. 1 GG bei einer notwegeerheblichen Rechtswidrigkeit einer Baugenehmigung ist allein auf den Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht bezogen. Demgegenüber fehlt es zwischen den an einer Wohnungseigentümergemeinschaft beteiligten Sondereigentümern an einer Rechtsbeziehung, die der für das baurechtliche Nachbarverhältnis kennzeichnenden und für die Gewährung öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes maßgebenden „Dreiecksbeziehung“ entspricht (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.1988 – 4 C 20/85 – juris Rn. 12; OVG RhPf, U.v. 26.2.2019 – 8 A 11076/18.OVG – juris Rn. 32).
Wie bereits oben ausgeführt wurde, bestimmt sich der Inhalt der sich aus § 15 Abs. 3 WEG ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander in erster Linie nach den zwischen den Wohnungseigentümern geltenden besonderen Vereinbarungen und Beschlüssen. Er wird durch die behördliche Gestattung einer bestimmten Nutzung des Sondereigentums nicht berührt. Diese ergeht „unbeschadet der privaten Rechte“ des anderen Sondereigentümers (vgl. Art. 68 Abs. 4 BayBO) und entfaltet ihm gegenüber keine öffentlich-rechtliche Wirkung, so dass er durch sie nicht gebunden wird. Er kann insbesondere die materielle Baurechtswidrigkeit der Baugenehmigung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen einen anderen Sondereigentümer nach § 43 WEG geltend machen (vgl. BVerwG, U.v. 14.10.1988 – 4 C 1/86 – juris Rn. 11; B.v. 28.2.1990 – 4 B 32/90 – juris Rn. 5f.).
Der Antragsteller ist deshalb darauf verwiesen, seine vermeintlichen Ansprüche gegen die Beigeladene in dem beim Amtsgericht Würzburg anhängigen zivilrechtlichen Verfahren weiter zu verfolgen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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