Baurecht

Klage auf Erteilung eines Vorbescheides für Wohn- und Geschäftshaus

Aktenzeichen  M 8 K 19.1656

Datum:
28.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22126
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
BayBO Art. 71
BauGB § 34

 

Leitsatz

1. Das Dachgeschoss zählt bei der Ermittlung der Geschosszahl grundsätzlich wie ein normales Geschoss. Dafür kommt es allerdings nicht darauf an, ob bei einem ausgebauten Dachgeschoss ein Vollgeschoss vorliegt. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Dachgeschoss mit zwei nach außen wahrnehmbaren Dachgeschossebenen ist bei der Ermittlung der Geschosszahl mit zwei Geschossen anzusetzen, ein Dachgeschoss mit nur einer nach außen wahrnehmbaren Dachgeschossebene mit einem Geschoss. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Dachgestaltung spielt hinsichtlich des Einfügens iRd § 34 Abs. 1 BauGB keine Rolle, da es sich hierbei um eine Frage des Bauordnungsrechts handelt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.     
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Zwar sieht § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich eine Entscheidung durch Beschluss vor, bei einer Teilerledigung können deren Folgen jedoch auch in der Entscheidung über den rechtshängig bleibenden Rest ausgesprochen werden (vgl. Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 92 RdNr. 24f., § 161 Rn. 14).
Im Übrigen hat die zulässige Klage in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids. Die negative Beantwortung der Vorbescheidsfragen ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
1. Eine Baugenehmigung (und damit auch ein Vorbescheid gemäß Art. 71 Satz 4 BayBO) ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO. Gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung eines Bauantrages auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Als feststellender Verwaltungsakt stellt der Vorbescheid im Rahmen der vom Bauherrn gestellten Fragen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Prüfung sind, fest. Er entfaltet insoweit während seiner Geltungsdauer – in der Regel drei Jahre (Art. 71 Satz 2 BayBO) – Bindungswirkung für das nachfolgende Baugenehmigungsverfahren.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf positive Beantwortung der gestellten Vorbescheidsfragen Nr. 3) und 4), da dem Vorhaben im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, Art. 71 Satz 1 und 4 BayBO iVm Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO, Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 a) BayBO iVm §§ 29 bis 38 BauGB.
Das abgefragte Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da es sich vom Maß der baulichen Nutzung her nicht in die Eigenart der maßgeblichen näheren Umgebung einfügt, § 34 Abs. 1 BauGB. Es geht in seiner Geschossigkeit über den aus der Umgebung ableitbaren Rahmen hinaus und verursacht städtebauliche Spannungen. Dies gilt für die beiden abgefragten Varianten mit „Satteldach“ (Frage 3) und – soweit aufgrund der Bauvorlagen beurteilbar – mit Mansarddach (Frage 4).
Hinsichtlich der Frage 4 „Variante Mansarddach“ sind überdies die Baupläne nicht ausreichend, um die Vorbescheidsfrage abschließend beantworten zu können, Art. 71 Satz 4, Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO iVm § 8 Abs. 2 Nr. 2 h) Bauvorlagenverordnung.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf positive Verbescheidung der Frage 3.
2.1. Wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt wurde, kann die im Vorbescheid gestellte Frage 3 nicht isoliert betrachtet und beurteilt werden. Bei dem mit Frage 3 und Frage 6 abgefragten Vorhaben handelt es sich um einen einheitlichen Baukörper, der über einen eingeschossigen Erweiterungsbau im Erdgeschoss mit Dachterrasse verfügt und in den Obergeschossen straßenseitig mit einer Geschossigkeit von E+V+2 Dachgeschossebenen ausgebildet werden soll (vgl. den Eingabeplan, Grundriss Erdgeschoss). Eine Aufspaltung wie sie in Frage 3 („Vordergebäude“) und Frage 6 („Rückgebäude“) vorgenommen wurde, ist daher hinsichtlich des Einfügungskriteriums „Maß der baulichen Nutzung“ nicht möglich.
Gegenstand eines Vorbescheidsantrags können nach Art. 71 Satz 1 BayBO allerdings (nur) einzelne Fragen eines Bauvorhabens sein. Nach dem Sinn und Zweck des Vorbescheids, eine bindende Wirkung zu erzeugen, sind – jedenfalls soweit das in Rede stehende Vorhaben einer Baugenehmigung bedarf – einzelne Fragen des Bauvorhabens nur solche, über die entsprechend dem einschlägigen Prüfungsmaßstab in einer Baugenehmigung zu entscheiden ist (vgl. BayVGH, U.v. 14.2.2008 – 15 B 06.3463 – juris Rn. 14).
Die grundsätzliche Unbestimmtheit der Vorbescheidsfrage 3 kann vorliegend durch Auslegung beseitigt werden (vgl. zur Auslegung von Anträgen: Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Werkstand: 141. EL März 2021, Art. 71 Rn. 36 BVerwG, U.v. 12.12.2001 – 8 C 17/01 – BVerwGE 115, 302, m. w. N.). Dementsprechend war die Frage 3 unter Berücksichtigung der zur Auslegung heranzuziehenden Teile der Frage 6 (der Vorbescheidsantrag wurde hinsichtlich der Frage 6 nicht zurückgenommen, soweit dies erforderlich ist, um die Frage 3 beantworten zu können) und den vorliegenden Bauzeichnungen zusammenfassend so auszulegen, dass sie die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Maßes der Nutzung des Gesamtbaukörpers (Grundfläche und Höhenentwicklung) sowie dessen Zulässigkeit hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in der „Variante Satteldach“ zum Gegenstand hat.
2.2. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich hinsichtlich der abgefragten Einfügenskriterien nach § 34 Abs. 1 BauGB.
Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist, § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Nach Satz 2 dieser Vorschrift müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
2.2.1. Maßgeblicher Beurteilungsrahmen für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB die Eigenart der näheren Umgebung.
Der die nähere Umgebung bildende Bereich reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur bauaufsichtlichen Prüfung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (st.Rspr.: BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 33; B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.17 – juris Rn. 7), wobei darauf abzustellen ist, was in der Umgebung tatsächlich vorhanden ist (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.17 – juris Rn. 7).
Die maßgebliche nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 – 4 B 172.97 – juris Rn. 5; U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 13). Bei den Kriterien Nutzungsmaß und überbaubare Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21, m.w.N.). Entscheidend bleiben in jedem Fall die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall (vgl. OVG NW, U.v. 1.3.2017 – 2 A 46/16 – juris Rn. 35, m.w.N.). In der Regel gilt jedoch bei einem inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris Rn. 25; U.v. 24.7.2014 – 2 B 14.1099 – juris Rn. 20; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 16 f.; OVG RhPf, U.v. 8.3.2017 – 8 A 10695/16 – juris Rn. 30).
2.2.2. Dieses berücksichtigend ist vorliegend das Quartier …straße, …straße und …straße, im Geviertsinnern im Süden (aufgrund der ungewöhnlichen Größe des Gevierts) begrenzt auf der Höhe des Anwesens …straße 48. Die weiter südlich vorhandenen Gebäude stehen zu dem Vorhaben aufgrund der großen Entfernung in keiner städtebaulichen Beziehung mehr. In dem dichtest bebauten Quartier können sie daher das Vorhaben nicht mehr prägen.
Weiterhin prägt auch die Bebauung auf der Westseite der …straße – begrenzt auf der Höhe des Anwesens …straße 31 – das Vorhabengrundstück und ist Teil der maßgeblichen Umgebung. Die Kammer konnte bei Einnahme des Augenscheins feststellen, dass die …straße im Kreuzungsbereich verengt ist und über einen erhöhten Fußgängerüberweg verfügt. Es handelt sich dort um eine Einbahnstraße mit beidseitigen Gehwegen und Längsparkplätzen. Der …straße kommt weder aufgrund ihrer Breite, ihrer Auslastung noch ihrer sonstigen Ausgestaltung trennende Wirkung zu. Vielmehr stehen die beiden mehrgeschossigen Blockrandbebauungen beidseits der …straße in diesem Bereich zueinander in enger städtebaulicher Beziehung und prägen sich wechselseitig. Hierzu zählt auch der von der Klägerin angeführte Bezugsfall …straße 29/31.
Die verbindende Wirkung der …straße wird insbesondere im Vergleich zur …straße – im Bereich zwischen …straße und …straße – deutlich. Diese ist in beiden Fahrtrichtungen befahrbar und verfügt über zwei Fahrbahnen mit Gehsteigen und Längsparkplätzen. Ihr kommt aufgrund ihrer Breite und Ausgestaltung trennende Wirkung zu. Die dem Vorhaben ebenfalls gegenüberliegende Nordseite der …straße gehört daher nicht mehr zur maßgeblichen Umgebung. Aus diesem Grund war auch nicht die „Platzsituation“ …straße Ecke …straße als prägend anzusehen. Die dort vorhandenen Gebäude stehen aufgrund der trennenden Wirkung der …straße zueinander in keiner städtebaulichen Beziehung.
2.3. Das Vorhaben hält sich in der „Variante Satteldach“ hinsichtlich dem Maß der baulichen Nutzung – Geschosszahl – nicht innerhalb des vorgegebenen, aus der Umgebung ableitbaren Rahmens. Es verfügt über acht Geschosse (E+V+2 DG). In der maßgeblichen Umgebung existiert – auch bei Berücksichtigung des Bezugsfalls …straße 29/31 – kein Gebäude mit einer vergleichbaren Geschossigkeit.
2.3.1. Ein Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es dort Referenzobjekte gibt, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung auch nach dem Verhältnis zur Freifläche, vergleichbar sind. Die Übereinstimmung nur in einem Maßfaktor genügt nicht. Für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung zueinander in Beziehung zu setzen. Gebäude prägen ihre Umgebung nicht durch einzelne Maßbestimmungsfaktoren im Sinne des § 16 Abs. 2 BauNVO, sondern erzielen ihre optische maßstabbildende Wirkung durch ihr gesamtes Erscheinungsbild (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Leitsatz 2, Rn. 20 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18.92 – juris Rn. 7). Dabei ist in erster Linie auf solche Maßfaktoren abzustellen, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten (BVerwG, B.v. 14.03.2013 – 4 B 49/12 – juris Rn. 5).
Das Dachgeschoss zählt bei der Ermittlung der Geschosszahl grundsätzlich wie ein normales Geschoss (VG Augsburg, U.v. 18.05.2009 – Au 5 K 08.1435 – juris Rn. 28 u. 31). Dafür kommt es allerdings nicht darauf an, ob bei einem ausgebauten Dachgeschoss ein Vollgeschoss vorliegt (BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18/92 – NVwZ 1994, 1006-1008). Maßgeblich ist auch hier allein das, was nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Dementsprechend ist ein Dachgeschoss mit zwei nach außen wahrnehmbaren Dachgeschossebenen bei der Ermittlung der Geschosszahl mit zwei Geschossen anzusetzen, ein Dachgeschoss mit nur einer nach außen wahrnehmbaren Dachgeschossebene mit einem Geschoss. Ebenso kommt es mangels Erkennbarkeit von außen nicht darauf an, ob das Dachgeschoss im Dachspitz insoweit „ausgebaut“ ist, dass das Dach auch in der „zweiten Ebene“ beispielsweise zu Lagerzwecken genutzt werden kann. Eine solche lediglich im Gebäudeinnern, aber nicht nach außen in Erscheinung tretende „zweite Dachgeschossebene“ (im Dachspitz) fällt bei der Ermittlung der Geschosszahl nicht ins Gewicht. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang mangels Wahrnehmbarkeit nach außen auch, ob im Dachgeschoss eine weitere Dachgeschossebene realisiert werden könnte (vgl. BVerwG, B.v. 14.03.2013 – 4 B 49/12 – juris Rn. 4).
Die Dachgestaltung spielt hinsichtlich des Einfügens im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB überdies keine Rolle, da es sich hierbei um eine Frage des Bauordnungsrechts handelt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 141. EL Februar 2021, § 34 Rn. 38, m.w.N.). Da es nur darauf ankommt, was nach außen in Erscheinung tritt, kann ein zurückgesetztes Terrassengeschoss zwar nicht anders beurteilt werden, als ein Dachgeschoss auf einem Gebäude mit geneigtem Dach. Voraussetzung ist allerdings, dass das Bauvolumen im obersten Geschoss vergleichbar ist (VG München, U.v. 24.10.2017 – M 1 K 16.5374 – juris Rn. 41).
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Flachdachgebäude gegenüber einem gleich hohen Gebäude mit Satteldach deutlich massiver wirkt (BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – juris Rn. 61). Daher kann auch der Vergleich der absoluten (First-)Höhe zu einem nicht abschließenden Ergebnis führen. Die Firsthöhe eines Gebäudes mit Satteldach kann dementsprechend nicht ohne weiteres auf die Höhe eines Gebäudes mit Flachdach übertragen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die oberen Geschosse entsprechend im Volumen angepasst werden (Einhaltung der „fiktiven Dachschräge“, vgl. VG Augsburg, U.v. 18.5.2009 – Au 5 K 08.1435 – juris; VG München, U.v. 16.12.2002 – M 8 K 02.4151 – juris).
2.3.2. Das Vorhaben nimmt zwar die Wandhöhe des Bezugsbaukörpers …straße 29/31 auf (jeweils 18,20 m). Hinsichtlich der Firsthöhe ragt es geringfügig über diese hinaus. Die Firsthöhe des Bezugsbaukörpers beträgt 24,14 m (vgl. den genehmigten PlanNr. …*), die des Vorhabens 24,20 m. Dieser Unterschied wäre in Natura jedoch nicht zu erkennen und ist daher insoweit irrelevant.
Das Vorhaben kommt in seiner Höhenentwicklung in der Variante „Satteldach“ aufgrund der vorgesehenen Dachform (Dachneigung von 45° straßenseitig und von 60° hofseitig) von seiner Wirkung her jedoch nicht einem Gebäude mit Satteldach, sondern einem Gebäude mit Terrassengeschoss und Flachdach gleich (vgl. hierzu auch: BayVGH, U.v. 14.8.2003 – 2 BV 03.771 – juris). Die Firsthöhen können daher nicht miteinander verglichen werden. Maßgeblich ist die Geschossigkeit, so wie sie nach außen in Erscheinung tritt. Hier gleicht sich das Vorhaben nicht an den Bezugsbaukörper an (sieben Geschosse), sondern übersteigt dessen Geschossanzahl um ein zusätzliches Geschoss im Dach (zweite Dachgeschossebene – „Galerie“).
Das massive, voluminöse Dach des Vorhabens tritt aufgrund seiner Höhe (6,00 m, abgegriffen), der vorgesehenen relativ steilen Dachneigung im Hofbereich und dem Flachdach wie zwei zusätzliche Geschosse in Erscheinung. Ausweislich der Pläne soll die zweite Dachgeschossebene zudem über ein nach außen wahrnehmbares Oberlicht verfügen. Dass das Dachgeschoss in der zweiten Ebene in den Planunterlagen als „Galerie“ bezeichnet wurde und kein durchgängiger Fußboden vorgesehen ist, ist eine unbeachtliche Frage der Innenaufteilung und für das äußere Erscheinungsbild ohne Belang.
Über dem südwestlichen Gebäudeteil (* …straße) wird über 40% der Grundfläche im 7.OG / der zweiten Dachgeschossebene ein Flachdach errichtet, über dem nordöstlichen Teil (* …straße) sind es 35%. Im Dach (6. und 7. OG) sind zwei Geschosse vorhanden, welche jeweils abgestuften Terrassengeschossen entsprechen und beidseitig durch eine Dachschräge „verkleidet“ werden. Besonders deutlich wird dies, wenn man gedanklich die beiden Dachschrägen zu einem fiktiven Dachspitz – wie er beim Bezugsfall …str. 29/31 vorhanden ist – verlängert (Höhe von ca. 28,20 m) oder fiktive Außenwände zwischen dem Bereich, über dem ein Flachdach verwirklicht werden soll und dem darunter liegenden Fußboden bildet.
2.3.3 Die Gebäude in der maßgeblichen Umgebung umfassen – wie das Gericht beim Augenschein feststellen konnte – inklusive Dachgeschoss lediglich bis zu sieben Geschosse.
Auch der Bezugsfall …straße 29/31 tritt nicht wie das Vorhaben achtgeschossig, sondern siebengeschossig in Erscheinung. Aufgrund des steilen Satteldachs (Dachneigung straßenseitig ca. 45°, hofseitig teilweise ebenfalls ca. 45°, teilweise ca. 20°) und des straßenseitigen Gaubenbands bzw. der Dachliegefenster im unteren Dachbereich, welche sich in der oberen Ebene nicht fortsetzen, wird das Dach von außen als eine Einheit bzw. ein Geschoss wahrgenommen. Daran ändert auch der straßenseitige, turmartige Aufbau (wohl Aufzugsüberfahrt) im oberen Bereich des Daches (* …straße 31) nichts. Dieser ist gegenüber dem restlichen Dach aufgrund seines im Vergleich zur Dachfläche geringen Umfangs untergeordnet und vermag das äußere Erscheinungsbild hinsichtlich der Geschossigkeit nicht zu verändern. Ergänzend wird dieser optische Eindruck bestätigt durch die dem Gericht vorliegenden genehmigten Pläne (PlanNr. …*). Im Dach befindet sich in der ersten Dachgeschossebene Büronutzung, im Dachspitz ist dagegen keine Hauptnutzung vorgesehen.
Dieser Eindruck des einheitlichen Dachs setzt sich hofseitig fort. Zwar verläuft dort in Teilbereichen die rückwärtige Außenwand bis zum Abschluss des siebten Geschosses, woran sich die flachgeneigte (ca. 20°), rückwärtige Dachschräge des Satteldachs anschließt. Auch im Eckbereich der …straße 29 befindet sich ein auskragender Bauteil in der siebten Geschossebene. Allerdings tritt das Gebäude auch hofseitig lediglich siebengeschossig in Erscheinung, da der Dachspitz auch in diesem Bereich nicht wie ein zusätzliches Geschoss wirkt.
2.4. Da das Erfordernis des Einfügens nicht zur Uniformität zwingt, ist es zwar nicht notwendig, dass ein streitiges Vorhaben den aus der Umgebung abzuleitenden Rahmen exakt einhält. Es können sich deshalb auch solche Vorhaben hinsichtlich in Rede stehender Beurteilungsmaßstäbe einfügen, die über den vorhandenen Rahmen unwesentlich hinausgehen (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 21). Voraussetzung hierfür ist, dass sie weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet sind, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen (BVerwG, U.v. 12.11.2014 – 9 C 7.13 – juris Rn. 16).
Das Vorhaben überschreitet den Rahmen mit einem zusätzlichen Geschoss jedoch nicht nur unwesentlich und ist geeignet, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen. Diese würden sich durch entsprechende Bauwünsche der Eigentümer der umgebenden Grundstücke noch deutlich erhöhen. Bei Realisierung des Vorhabens könnte die Beklagte die Verwirklichung weiterer achtgeschossiger Gebäude, welche bisher in der maßgeblichen Umgebung noch nicht vorhanden sind, nicht mehr verhindern. Es verbleibt daher dabei, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der Geschossigkeit nicht in die maßgebliche Umgebung einzufügen zu vermag.
2.5. Auf den weiteren abgefragten Maßfaktor „Grundfläche“, die von der Klägerin angesprochenen Besonderheiten bei der Ermittlung des Maßes im Rahmen der geschlossenen Bebauung und die Volumina des Vorhabens und des Bezugsbaukörpers – auch im Dach – kommt es mithin nicht (mehr) an. Gleiches gilt für den von der Klägerin bemühten Vergleich mit dem Vorhaben (PlanNr. …*), für das ein weitestgehend positiver Vorbescheid erteilt wurde.
Nur am Rande ist überdies darauf hinzuweisen, dass die von der Beklagten angeführten Belange des Ortsbildes, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB, ersichtlich durch das Vorhaben nicht berührt werden. Der Begriff des Ortsbildes als Zulässigkeitsmerkmal i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB stellt nämlich auf einen größeren maßstabbildenden Bereich ab als auf die für das Einfügensgebot maßgebliche nähere Umgebung (BVerwG, U.v. 11.5.2000 – 4 C 14.98 – NVwZ 2000, 1169).
2.6. Hinsichtlich des ebenfalls abgefragten Einfügens in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche besteht – dieses berücksichtigend – kein Anspruch auf positive Beantwortung der (Teil-)Frage, denn die Frage nach dem Maß und der Situierung des Gebäudes sind hier aufgrund der Einheitlichkeit des Baukörpers untrennbar miteinander verbunden (vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – juris Rn. 42).
3. Die Klägerin hat ebenso keinen Anspruch auf positive Beantwortung der Frage 4.
Auch diese Frage war zunächst auszulegen. In Zusammenschau mit der Frage 3 und aufgrund der rudimentären Darstellung des Mansarddachs in den Plänen (welche etwa für Fragen des Denkmalschutzes nicht ausreichend wäre) ist sie so zu verstehen, dass hier eine Variante des Baukörpers („Mansarddach“) dargestellt wurde, deren Zulässigkeit hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung abgefragt werden sollte.
Zwar spielt die Form des Dachs bauplanungsrechtlich grundsätzlich keine Rolle (s.o.). In der „Variante Mansarddach“ tritt die Wirkung des Dachs als zwei Geschosse aufgrund des noch massiveren Erscheinungsbilds – soweit im Schnitt „A-A / Alternative Mansarddach“ erkennbar – jedoch noch deutlicher hervor, so dass das oben Gesagte insoweit auch hier gilt.
Der Beklagten ist überdies darin zuzustimmen, dass die zeichnerische Darstellung in den genehmigten Plänen bei dem über Eck geführten Gebäude nicht ausreicht, um die abgefragte planungsrechtliche Zulässigkeit hinsichtlich des Maßes abschließend zu beurteilen. Der Vorbescheidsantrag muss jedoch hinreichend bestimmt sein (vgl. Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Werkstand: 141. EL März 2021, Art. 71 Rn. 34 ff.) Dem Antrag muss sowohl das Vorhaben, dessen Zulässigkeit geprüft werden soll, als auch der Umfang, in dem die Prüfung begehrt wird, entnommen werden können (BayVGH U.v. 22.5.2006 – 1 B 04.3531 – NVwZ-RR 2007, 653).
Der Schnitt „A-A / Alternative Mansarddach“ zeigt jedoch lediglich einen Flügel des Gebäudes (* …straße). Zwar ist durch Auslegung der Vorbescheidsfrage erkennbar, dass das Mansarddach auch bei dem anderen Flügel (* …straße) ausgeführt werden soll. Allerdings bleiben die hier vorgesehenen Maße entgegen Art. 71 Satz 4, 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO iVm § 8 Abs. 2 Nr. 2 h) BauVorlV offen. Angesichts dessen, dass die beiden Gebäudeteile über verschiedene Breiten verfügen (16,00 m und 14,20 m), können aus dem Schnitt und den dort angegebenen Maßen auch keine Rückschlüsse auf den nicht dargestellten Gebäudeteil gezogen werden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich des erledigten Teils des Verfahrens ergibt sich die Kostenpflicht der Klägerin aus § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, ihr auch insoweit die Kosten aufzuerlegen, da sie sich durch die Rücknahme des Vorbescheidsantrags freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO iVm §§ 708 ff. ZPO.


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