Baurecht

Klage einer Nachbargemeinde gegen eine Hähnchenmastanlage, Selbstgestaltungsrecht, interkommunales Abstimmungsgebot

Aktenzeichen  22 ZB 21.3024

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 944
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4
BauGB § 35 Abs. 3, § 2 Abs. 2
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 11 K 20.1559 2021-07-29 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 60.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung der der Beigeladenen mit Bescheid vom 29. Juli 2020 erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur Aufzucht und Haltung von Masthähnchen weiter.
Die streitgegenständliche Anlage soll auf dem Grundstück Fl.Nr.580 in der Gemeinde W. errichtet werden. Die Klägerin ist die Nachbargemeinde. Das Anlagengrundstück liegt im Außenbereich, das Gemeindegebiet und insbesondere ein Grundstück der Klägerin grenzen direkt an das Anlagengrundstück an.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. Juli 2021 abgewiesen. Die Klage sei infolge der innerprozessualen Präklusion des § 6 Abs. 1 UmwRG unbegründet. Im Übrigen verletze die Genehmigung keine Rechte der Klägerin (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); sie könne die Aufhebung auch nicht nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG verlangen. Das Urteil wurde der Klägerin am 3. November 2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2021, am selben Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen, beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung. Sie begründet den Antrag mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz geltend.
Der Beklagte und die Beigeladene haben beantragt,
den Zulassungsantrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung.
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt. Es hat die Klage der Klägerin abgewiesen, weil die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Klageverfahren innerprozessual präkludiert ist und (im Übrigen) der streitgegenständliche Bescheid keine Rechte der Klägerin verletzt. Bezüglich des ersten Begründungsstrangs macht die Klägerin die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) geltend, bezüglich des zweiten Begründungsstrangs ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Zudem verweist sie darauf, dass die Zulassungsgründe der § 124 Abs. 2 Nr. 2 bis Nr. 4 VwGO vorlägen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte kann bei einer auf mehrere Gründe gestützten (Berufungs-)Entscheidung die Berufung bzw. die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder die Entscheidung selbständig tragenden Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 23.11.2016 – 1 B 113/16 – juris Rn. 1; B.v. 25.5.2007 – 1 B 203.06 – juris Rn. 3; B.v. 9.3.1982 – 7 B 40.82 – juris; BayVGH, B.v. 1.7.2020 – 22 ZB 19.299 – juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 12.7.2016 – 15 ZB 14.1108 – juris Rn. 17). Daran fehlt es hier.
Denn der von der Klägerin hinsichtlich des zweiten Begründungsstrangs geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegt nicht vor (1.1). Die Ausführungen zu den sonstigen Zulassungsgründen entsprechen in Bezug auf die Klageabweisung wegen fehlender Verletzung der Rechte der Klägerin nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.2).
1.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426.17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
Zur Begründung seiner Rechtsansicht im zweiten Begründungsstrang hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass von der streitgegenständlichen Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Beeinträchtigungen auf den Grundstücken der Klägerin hervorgerufen würden. Auch lasse sich dem klägerischen Vorbringen keine unmittelbare Auswirkung gewichtiger Art auf das Gemeindegebiet und damit kein qualifizierter Abstimmungsbedarf im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB entnehmen. Die Klägerin werde auch nicht in ihrer kommunalen Planungshoheit verletzt. Die Klägerin sei nicht Standortgemeinde und könne sich daher nicht auf gesundheitliche Belange ihrer Gemeindebürger, Eingriffe in den Wasserhaushalt sowie natur- und artenschutzrechtliche Belange berufen. Die Planungshoheit könne auch dadurch beeinträchtigt werden, dass sich eine auf das Gemeindegebiet selbst oder auf das Gebiet einer Nachbargemeinde beziehende Fachplanung nachhaltig störend auf eine von der betroffenen Gemeinde selbst bereits eingeleitete und hinreichend konkretisierte Planung auswirkt oder dass durch eine überörtliche Planung wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer künftigen Planung durch die Gemeinde selbst entzogen werden. Hinsichtlich des ungeschriebenen öffentlichen Belangs des Planungserfordernisses, auf den sich eine benachbarte Gemeinde berufen könne, gehe der Gesetzgeber davon aus, dass im Grundsatz bei privilegierten Anlagen nach § 35 Abs. 1 BauGB das Konditionalprogramm des § 35 BauGB die Zulässigkeit derartiger Anlagen ausreichend zu steuern vermöge. Abgesehen davon ließen sich dem Vorbringen der Klägerin keine unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf das Gemeindegebiet der Klägerin und damit kein qualifizierter Abstimmungsbedarf im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB entnehmen. Der Hinweis auf Einbußen beim Tourismus reiche hierfür nicht aus. Ausgehend von der immissionsschutzfachlichen Einschätzung und von dem vorgelegten immissionsschutzfachlichen Gutachten sei davon auszugehen, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen bzw. erheblichen nachteiligen Einwirkungen auf das in 1,9 km von der Hähnchenmastanlage entfernte Wohngebiet „M.“ zu erwarten seien. Die Klägerin sei diesem Gutachten nicht substantiiert entgegengetreten. Die Klägerin könne die Aufhebung der Genehmigung im Übrigen auch nicht wegen eines nach § 4 Abs. 3 UmwRG beachtlichen Verfahrensfehlers verlangen.
Zur Begründung ihres Zulassungsantrags bringt die Klägerin insoweit vor, dass die Genehmigung rechtswidrig sei. Bei der Hähnchenmastanlage handle es ich nicht um ein privilegiertes Vorhaben. Der vom Landratsamt angenommene Flächenbedarf sei für die Erzeugung der essentiellen Bestandteile des Tierfutters zu gering. Es müsse auch bestritten werden, dass die vom Vorhabenträger genutzten Pachtflächen weiter zur Verfügung stünden, da Pachtverhältnisse gekündigt worden seien. Die Anlage sei auch nicht aufgrund der besonderen Anforderungen an die Umgebung oder nachteiliger Wirkungen im Außenbereich anzusiedeln. Es handle sich um einen Gewerbebetrieb, der nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen sei. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange, insbesondere führe es zu unzumutbaren Lärm- und Geruchsbelästigungen, insbesondere in den angrenzenden Ortsteilen der Klägerin. Auch durch den dem Betrieb zuzurechnenden Verkehrslärm entstünden nicht zu akzeptierende Lärmimmissionen. Das Vorhaben gefährde Maßnahmen der Wasserwirtschaft im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB. Auch liege eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor. Da das Verwaltungsgericht sich hiermit nicht auseinandergesetzt habe, bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Von dem beabsichtigten Vorhaben gingen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art aus, so dass die Planungshoheit der Klägerin verletzt werde. Der Schutz der Planungshoheit erfordere die Überprüfung der Zulässigkeit von Vorhaben nach §§ 31, 33 bis 35 BauGB ungeachtet der Frage des Drittschutzes. Durch die zu erwartenden Immissionen könne das geplante Wohngebiet „M.“ nicht mehr in der gewünschten Nutzungsart bebaut werden. Zudem sei die Planungshoheit der Klägerin im Hinblick auf die monatelang unterbliebene Beteiligung im Genehmigungsverfahren verletzt worden. Auch das interkommunale Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB sei verletzt worden. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts komme es auch darauf an, dass die Erschließung des Vorhabens nicht gesichert sei. Die Verkehrsgefährdung habe unmittelbare Auswirkungen auf gemeindliche Einrichtungen entlang der Erschließungsstraße.
Diese Ausführungen rechtfertigen jedoch die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Nachbargemeinde wie die Klägerin nur dann die Aufhebung einer Anlagengenehmigung erreichen kann, wenn sie in eigenen Rechten verletzt ist. Als eigene Rechtspositionen kommen neben dem einfachgesetzlichen Eigentum nur Belange in Betracht, die sich dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuordnen lassen (BVerwG, U.v. 28.11.2017 – 7 A 17.12 – juris Rn. 64).
1.1.1 Entgegen der in der Zulassungsbegründung vertretenen Rechtsansicht kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert, sondern nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen und beeinträchtige öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB.
Zwar sind die Genehmigungsvoraussetzungen des § 35 BauGB nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf das Rechtsmittel der Gemeinde hin in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5.15 – juris Rn. 14; U.v. 1.7.2010 – 4 C 4.08 – juris Rn. 32; U.v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 – juris Rn. 34 sowie die von der Klägerin angeführte Rspr. des OVG NW, U.V. 30.7.2009 – 8 A 2357/08 – juris). Das gilt jedoch nur für die Standortgemeinde, die gemäß § 36 BauGB am Genehmigungsverfahren zu beteiligen ist. Für die Klägerin als Nachbargemeinde gilt dies nicht (OVG LSA, B.v. 3.5.2021 – 2 R 9/21 – juris Rn. 30).
Die in § 36 Abs. 1 BauGB vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde dient der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.2008 – 4 B 25.08 – juris Rn. 5). Verfahrens- und materiell-rechtlich kann sich nur die Standortgemeinde auf § 36 BauGB berufen. Eine unbeabsichtigte Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des § 36 BauGB für Nachbargemeinden rechtfertigte, ist insoweit nicht ersichtlich (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2013 – 22 ZB 13.927 – juris Rn. 13, B.v. 3.2.2009 – 22 CS 08.3194 – juris Rn. 9). Eine Gemeinde kann – außerhalb des Anwendungsbereichs von § 36 BauGB – Verstöße gegen Vorschriften, die nicht auch dem Schutz gemeindlicher Interessen zu dienen bestimmt sind, nicht mit Erfolg abwehren. Sie ist weder berechtigt, sich über die Anrufung der Verwaltungsgerichte als Kontrolleur der zur Wahrung öffentlicher Belange jeweils berufenen staatlichen Behörden zu betätigen, noch ist sie befugt, sich zum Sachwalter privater Interessen aufzuschwingen. Dies gilt auch für die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten öffentlichen Belange (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 22 CS 17.1471 – juris Rn. 15; B.v. 27.8.2013 – 22 ZB 13.927 – a.a.O. Rn. 11; B.v. 3.2.2009 – 22 CS 08.3194 – a.a.O. Rn. 8). Die Klägerin kann sich daher nicht darauf berufen, dass die streitgegenständliche Anlage unzumutbare Geruchs- oder Lärmimmissionen hervorrufen würde, die Erschließung nicht gesichert wäre, es sich um keinen privilegierten Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB handeln würde oder die Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 oder Nr. 5 BauGB beeinträchtigt würden
1.1.2 Im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Planungshoheit bzw. das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin durch die streitgegenständliche Anlage nicht berührt ist. Grundsätzlich kann eine Gemeinde ein Selbstgestaltungsrecht, das dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie entnommen wird, gegenüber Vorhaben auf ihrem Gemeindegebiet einwenden. Auf dieses Recht kann sich auch eine Nachbargemeinde berufen, wenn sich ein Vorhaben auch auf ihr Gebiet auswirkt, allerdings begrenzt durch das Selbstgestaltungsrecht der Standortgemeinde. Im Rahmen der Anlagengenehmigung im Anwendungsbereich des § 35 BauGB entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Abwehransprüche einer Nachbargemeinde allenfalls dann entstehen, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 7 A 4.12 – juris Rn. 62 m.w.N.; BayVGH, B.v 20.9.2017 – 22 CS 17.1471 – juris Rn. 22; B.v. 27.8.2013 – 22 ZB 13.927 – juris Rn. 11 m.w.N.). Die Klägerin beruft sich insoweit darauf, dass die von der Anlage verursachten Immissionen eine Wohnnutzung im Bebauungsplangebiet „M.“ unmöglich machen würden. Das Verwaltungsgericht hat demgegenüber darauf abgestellt, dass nach der immissionsschutzfachlichen Einschätzung und dem vorgelegten immissionsschutzfachlichen Gutachten zufolge davon auszugehen sei, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen bzw. erheblichen nachteiligen Einwirkungen auf das in 1,9 km von der Hähnchenmastanlage entfernte Wohngebiet „M.“ zu erwarten seien und die Klägerin den Feststellungen des Gutachtens nicht substantiiert entgegengetreten sei. Auch im Zulassungsverfahren behauptet die Klägerin lediglich, dass erhebliche schädliche Umwelteinwirkungen im geplanten Wohngebiet zu erwarten seien, ohne sich mit den immissionsschutzfachlichen Stellungnahmen auseinanderzusetzen und insbesondere darzulegen, weshalb die Immissionsprognose nicht zutreffen solle. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Anlage „nachhaltig auf das Gemeindegebiet der Klägerin und die Entwicklung der Gemeinde einwirken“ würde.
1.1.3 Das Verwaltungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass das interkommunale Abstimmungsgebot aus § 2 Abs. 2 BauGB nicht verletzt ist. § 2 Abs. 2 BauGB richtet sich in erster Linie an die Gemeinde, die im Begriff ist, einen Bauleitplan aufzustellen. Der darin enthaltene Rechtsgedanke kommt aber auch dann zum Tragen, wenn – wie hier – ein Vorhaben ohne förmliche Planung nach § 35 BauGB zugelassen werden soll. Handelt es sich um ein Vorhaben, das im Fall einer Bebauungsplanung nur nach Abstimmung mit einer Nachbargemeinde gemäß § 2 Abs. 2 BauGB als zulässig festgesetzt werden könnte, so darf das Abstimmungsgebot nicht dadurch umgangen werden, dass eine förmliche Planung unterbleibt (BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 13.4.2016 – juris Rn. 12). § 2 Abs. 2 BauGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass benachbarte Gemeinden sich mit ihrer Planungsbefugnis im Verhältnis der Gleichordnung gegenüberstehen. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen diesen Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange. Die Nachbargemeinde kann sich unabhängig davon, welche planerischen Absichten sie für ihr Gebiet verfolgt oder bereits umgesetzt hat, gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf dem benachbarten Gemeindegebiet zur Wehr setzen (vgl. BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – juris Rn. 21 m.w.N.). Weiter geht die Rechtsprechung im Grundsatz davon aus, dass das in § 35 BauGB vorgesehene Entscheidungsprogramm sich in aller Regel als ausreichend erweist, um eine städtebaulich entstehende Konfliktlage im Außenbereich angemessen beurteilen zu können und diese Beurteilung den behördlichen Entscheidungsverfahren zuzuweisen (BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – juris Rn. 18). Die öffentlichen Belange, die der Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufzählt, haben indes nur beispielhaften Charakter. Zu den nicht benannten öffentlichen Belangen gehört auch das Erfordernis einer förmlichen Planung. Er bringt zum Ausdruck, dass die in § 35 BauGB selbst enthaltenen Vorgaben nicht ausreichen, um im Sinne des erwähnten Konditionalprogramms eine Entscheidung über die Zulässigkeit des beabsichtigten Vorhabens treffen zu können. Das im Außenbereich zu verwirklichende Vorhaben kann eine Konfliktlage mit so hoher Intensität für die berührten öffentlichen und privaten Belange auslösen, dass dies die in § 35 BauGB vorausgesetzte Entscheidungsfähigkeit des Zulassungsverfahrens übersteigt. Ein derartiges Koordinierungsbedürfnis wird vielfach dann zu bejahen sein, wenn die durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einen in erster Linie planerischen Ausgleich erfordern, der seinerseits Gegenstand einer abwägenden Entscheidung zu sein hat; diese ist nach Maßgabe der §§ 1 ff. BauGB allein in einem Bauleitplanverfahren zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 11.8.2004 – 4 B 55.04 – juris Rn. 4 ff.).
Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, das strittige Vorhaben erzeuge keine gravierenden Auswirkungen auf das Gemeindegebiet der Klägerin, die geeignet seien, ein Planungsbedürfnis auszulösen. Ein qualifizierter Abstimmungsbedarf, ein Bedürfnis nach planerischer Bewältigung bestehe nicht. Dem Vorbringen der Klägerin ließen sich auch keine unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf ihr Gemeindegebiet entnehmen.
Demgegenüber hat die Klägerin auch in der Begründung des Zulassungsantrags über die bereits im Verwaltungs- und Klageverfahren angeführten und vom Verwaltungsgericht auch berücksichtigten Einwendungen hinaus keine weiteren Gesichtspunkte benannt, die unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf ihr Gemeindegebiet hätten begründen können. Sie verweist wiederum auf die von der Anlage ausgehenden Emissionen, die aber nach der immissionsschutzfachlichen Einschätzung, auf die das Verwaltungsgericht Bezug nimmt, zu keinen schädlichen Umwelteinwirkungen im Gemeindegebiet der Klägerin führen.
Die Klägerin legt auch nicht dar, dass die in der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für ein Planungserfordernis bei der streitgegenständlichen Anlage zu bejahen wären. Wenn keine konkreten Tatsachen für gewichtige Folgen städtebaulicher Art auf das Gemeindegebiet der Klägerin sprechen, kann ein Ausnahmefall von dem Grundsatz, dass das in § 35 BauGB vorgesehene Entscheidungsprogramm sich in aller Regel als ausreichend erweist, um eine städtebaulich entstehende Konfliktlage im Außenbereich angemessen beurteilen zu können, nicht angenommen werden. Der Verweis auf eine angeblich nicht gesicherte Erschließung und die Gefährdung der Verkehrssicherheit reicht hierfür nicht aus, da sich hieraus ein Planungserfordernis für die Standortgemeinde nicht ergibt. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, sie könne die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten Belange im Rahmen des interkommunalen Abstimmungsgebotes unabhängig vom Drittschutz für sich in Anspruch nehmen, verkennt sie, dass dies nur im Zusammenhang mit der Darlegung eines Planungserfordernisses möglich ist.
1.1.4 Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich auch nicht, inwieweit die Klägerin durch die behauptete verspätete Beteiligung im Genehmigungsverfahren in ihren Rechten verletzt sein könnte. Da ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach § 19 Abs. 2 BImSchG durchgeführt wurde, finden die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung keine Anwendung. Aus Art. 25 Abs. 3 BayVwVfG ergibt sich ebenfalls keine Rechtsverletzung der Klägerin. Da keine rechtlich verbindliche Verpflichtung zur Durchführung der frühen Öffentlichkeitbeteiligung besteht, existiert auch keine Sanktion bei deren fehlenden Durchführung. Art. 25 Abs. 3 BayVwVfG richtet sich primär an den Vorhabenträger und nicht an die Behörde, der nur eine Handlungsobliegenheit auferlegt wird, so dass an das Unterlassen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung keine Rechtsfolgen geknüpft sind (Herrmann in BeckOK, VwVfG, Stand 1.10.2021, § 25 Rn. 35). Auch aus Art. 66 BayBO ergibt sich kein Anspruch auf eine Beteiligung im Genehmigungsverfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt.
1.2 Soweit sich die Klägerin unter Punkt F. des Schriftsatzes vom 23. Dezember 2021 darauf beruft, dass die Rechtssache besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten aufweise, sie eine grundsätzliche Bedeutung habe und von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweiche, genügt dies in Bezug auf die geltend gemachte Verletzung ihrer Rechte nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
2. Auf das Zulassungsvorbringen der Klägerin bezüglich der vom Verwaltungsgericht (auch) angenommenen innerprozessualen Präklusion nach § 6 UmwRG und die diesbezüglich geltend gemachten Zulassungsgründe kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an, weil – wie bereits oben ausgeführt – bei einer auf mehrere Gründe gestützten Entscheidung die Berufung nur zugelassen werden kann, wenn hinsichtlich jeder die Entscheidung selbständig tragenden Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt und dies für den zweiten Begründungsstrang des Urteils vom 29. Juli 2021 nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Klägerin trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, weil sich diese im Zulassungsverfahren beteiligt hat, einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 19.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts gegenüber der Klägerin rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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