Baurecht

Klage gegen die Aufhebung der Erlaubnis zum Betreiben von offenen Feuerstellen

Aktenzeichen  M 25 K 19.5046

Datum:
27.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33773
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWaldG Art. 17 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.    Der Bescheid des Beklagten vom 8. Oktober 2018 wird aufgehoben. 
II.    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. 
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.      
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten. 

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klage ist zulässig, da sie insbesondere fristgerecht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids vom 8. Oktober 2018 an die Kläger erhoben wurde, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Der Bescheid vom 8. Oktober 2018 wurde den Klägern durch die Post übermittelt und gilt nach Art. 41 Abs. 2 BayVwVfG am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ausweislich der Behördenakte erfolgte die Aufgabe zur Post am 18. September 2019, so dass der Bescheid am 21. September 2019 als bekanntgegeben gilt. Die einmonatige Klagefrist lief somit am Montag, den 21. Oktober 2019 ab, §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 57 Abs. 1 und 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, § 193 BGB. Die am 7. Oktober 2019 erhobene Klage erfolgte damit fristgemäß.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1. Die Kläger werden durch die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 8. Oktober 2018 erteilte Erlaubnis in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO:
a.) Die Anfechtungsklage der Kläger gegen die dem Beigeladenen erteilte Erlaubnis kann nur erfolgreich sein, wenn die Erlaubnis Vorschriften verletzt, die dem Schutz der Rechte der Kläger zu dienen bestimmt sind. Die Prüfung beschränkt sich also darauf, ob drittschützende Vorschriften durch die Erteilung der Erlaubnis verletzt sind.
Vorliegend ist Rechtsgrundlage der mit Bescheid vom 8. Oktober 2018 erteilten Erlaubnis Art. 17 Abs. 1 BayWaldG. Normzweck des Art. 17 BayWaldG ist die Walderhaltung. Dabei darf die Erlaubnis zum Betrieb von Feuerstellen nur erlaubt werden, wenn der Betrieb den Belangen der Sicherheit nicht zuwiderläuft, d.h. der Schutz vor Waldbränden gewährleitet ist. Dieser Normzweck liegt zuvörderst zwar im öffentlichen Interesse. Gleichwohl besitzt der im Interesse der Allgemeinheit liegende Schutz vor Bränden insofern ein drittschützendes Element, als das Übergreifen des Waldbrandes auf die angrenzenden Grundstücke verhindert werden soll. Die Kläger als Eigentümer eines nahegelegenen Waldstücks können sich damit auf eine Verletzung von Art. 17 Abs. 1 BayWaldG berufen, als der Schutz vor einem Waldbrand wie hier inmitten steht.
b.) Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayWaldG bedarf der Erlaubnis, wer in einem Wald oder in einer Entfernung von weniger als 100m davon eine offene Feuerstätte errichten oder betreiben will. Diese darf nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG nur erteilt werden, wenn das Vorhaben den Belangen der Sicherheit, der Landeskultur, des Naturschutzes und der Erholung nicht zuwiderläuft und Belästigungen möglichst ausgeschlossen sind.
Das Betreiben einer Feuerstelle steht im Einklang mit dem Belang der Sicherheit, wenn die Beschränkung des Feuers auf den Ort oder die Fläche der Erlaubnis gewährleistet wird. Dies ist der Fall, wenn die äußeren Umstände hinsichtlich Ort und Zeit (z.B. Witterung, Baumarten, Bodenbewuchs) geeignet sind, eine unbeabsichtigte Ausbreitung des Feuers zu vermeiden. Auch die Nähe zu feuersensiblen Betrieben oder Betriebseinrichtungen ist zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung über die Erlaubnis ist insbesondere die Verordnung zur Verhütung von Bränden – Brandverhütungsverordnung (VVB) – vom 29. April 1981 in der bereinigten Fassung vom 10. Dezember 2012 (GVBl. S. 735) zu beachten (Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckl, Forstrecht in Bayern, Stand: Oktober 2019, zu Art. 17, Rn. 3).
Vorliegend bedurfte der Beigeladene für den Betrieb seiner beiden Feuerstätten der Erlaubnis, da sie in einem Wald i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG gelegen sind. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 ist Wald jede mit Waldbäumen bestockte Fläche, die einen flächenhaften Eindruck vermittelt. Nach den Ergebnissen des Augenscheins am 27. Oktober 2020 befindet sich um die beiden Feuerstellen Laubholzbestand (u.a. Weide und Schwarzerle). An diesen Laubholzbestand schließt sich im Osten Mischwald an und im Nordosten südlich des Weges der schmale Grundstücksstreifen der Gemeinde …, der ebenfalls mit Laubbäumen bestockt ist (Erlen, Buchen, Eschen). Nördlich daran (südlich und nördlich des Weges) schließt sich der Nadelholzbestand der Kläger an. Auf Grund der Größe der mit Waldbäumen bestockten Fläche, handelt es sich bei dem gesamten Areal um eine Waldfläche. Der Beigeladene bedurfte daher für den Betrieb der beiden Feuerstätten einer Erlaubnis.
Die vom Beklagten erteilte Erlaubnis steht nicht im Einklang mit den Belangen der Sicherheit nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG. Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Feuerstellen mitten im Wald liegen und die nahe der Feuerstellen gelegenen Bäume mit ihren Ästen über die beiden Feuerstellen ragen. Auch wenn, wie der Beklagte ausführt, die Entzündlichkeit von Laubbäumen geringer als bei Nadelbäumen einzuschätzen ist, so handelt es sich bei dem vorliegend um die Feuerstellen gelegenen Baumbestand doch um einen dichten Baum- und Strauchbestand, der ohne Unterbrechung in den Nadelwald übergeht, in dem sich am Boden zudem Totholz befindet. Diese besondere örtliche Situation würde die Ausbreitung eines Feuers begünstigen. Insofern hat der Beklagte auch die neue, bereinigte Fassung der Verordnung über die Verhütung von Bränden vom 10. Dezember 2012 bei seiner Entscheidung nicht beachtet. Dort sieht § 4 für Feuer im Freien nun für alle Feuerstätten (früher in § 3 nur für geschlossene Feuerstätten) besondere Abstände zu leicht entzündlichen Stoffen und zu sonstigen brennbaren Stoffen vor. Diese betragen zu leicht entzündbaren Stoffen mindestens 25m und zu sonstigen brennbaren Stoffen 5m, § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VVB. Offene Feuerstätten müssen gegenüber leicht entzündbaren Stoffen sogar einen Abstand von 100m einhalten, § 4 Abs. 1 Satz 2 VVB. Nach den Ergebnissen des Augenscheins am 27. Oktober 2020 stehen zumindest zur nördlichen Feuerstelle die Laubbäume in einer Entfernung von nur 3-4m. Damit ist der Mindestabstand von 5m zu entzündbaren Stoffen nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 VVB nicht eingehalten.
Hinzu kommt, dass der Beklagte die Erlaubnis ohne personelle Begrenzung erteilt hat. Damit ist die Benutzung der Feuerstellen nicht nur dem Beigeladenen erlaubt, sondern auch anderen Personen, die der Beigeladene hierzu ermächtigt. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Erlaubnis nach Art. 17 Abs. 1 BayWaldG grundsätzlich sach- und nicht personenbezogen ist und es deshalb für die ständige Aufsicht nicht einer dauernden Anwesenheit derselben Person bedarf (vgl. BayVGH, U.v. 30.9.2010 – 19 ZB 09.690 – beckonline BeckRS 2011, 45311 Rn. 28), so genügt doch die Zulassung eines völlig unbegrenzten Personenkreises den Anforderungen an die Sicherheit nicht mehr, denn die überwiegende Anzahl von Waldbränden wird nicht durch eine natürliche Ursache ausgelöst, sondern durch fahrlässiges Verhalten der Waldnutzer. Die im vorliegenden Fall bereits berichteten Verstöße, wie z.B. der Betrieb einer dritten Feuerstelle, legen eine Begrenzung der Nutzeranzahl nahe.
Ferner widerspricht auch die Ziffer 2 des Bescheides, wonach die Erlaubnis unbefristet gültig ist, den Belangen der Sicherheit. Die Festsetzung in Ziffer 2 bedeutet, dass der Beigeladene ohne zeitliche Begrenzung die Feuerstellen betreiben darf. Auf Veränderungen in den örtlichen Gegebenheiten, die sich mit Zeitablauf einstellen können, wie z.B. auf zunehmende Trockenperioden im Frühjahr und Sommer im Zuge des Klimawandels, kann der Beklagte nur mit einem Widerruf der Erlaubnis reagieren, der seinerseits angefochten werden kann. Gleiches gilt für den Aspekt der Einhaltung der vom Beklagten festgesetzten Auflagen oder die Zuverlässigkeit der Personen, die das Feuer beaufsichtigen. Das Instrument des Widerrufs der Erlaubnis ist zu schwerfällig, um effektiv die Belange der Sicherheit und damit den Schutz des Waldes vor Feuergefahren durchzusetzen.
Die Festsetzung in Ziff. 5 des Bescheides, dass die Erlaubnis ungültig wird, sofern an dem Tag die Waldbrandalarmstufe 4 bzw. 5 (gem. Waldbrandalarmindex nach Baumgartner) besteht, genügt nicht der Anforderung, die unbeabsichtigte Ausbreitung eines Feuers zu verhindern. Denn nach den Richtlinien zur Waldbrandabwehr vom 9. April 2013 (Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des Innern) sind Maßnahmen zur Waldbrandabwehr bereits bei erhöhter Waldbrandgefahr zu ergreifen. Dabei besteht bereits bei Stufe 3 (mittlere Gefahr) eine erhöhte Waldbrandgefahr. Warum eine Nutzung der Feuerstellen bei einer schon „erhöhten Waldbrandgefahr“ im Einklang mit den Belangen der Sicherheit steht, erschließt sich dem Gericht nicht ohne Weiteres. Auch der Beklagte nimmt dazu im Bescheid nicht Stellung.
Die in Ziff. 4.1 bis 4.8. des Bescheides festgesetzten Auflagen sind nicht geeignet, die in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG für die Erteilung einer Erlaubnis geforderte Gewährleistung der Sicherheit sicherzustellen und eine Waldbrandgefahr effektiv zu verhindern. Der Beklagte hat bei der Festsetzung der Auflagen die Außerkraft getretene Fassung der Verordnung zur Verhütung von Bränden vom 29. April 1981 (VVB) zu Grunde gelegt. In der seit 30. Dezember 2012 gültigen Fassung finden sich die Vorschriften zum Feuer im Freien in § 4 VVB (vormals § 3 VVB). Auch wenn die Vorschriften inhaltlich ähnlich sind, so hat doch in § 4 Abs. 1 VVB (neu) im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 VVB (alt) ein Systemwechsel dahingehend stattgefunden, als die in Absatz 1 vorgesehenen Abstände nun nicht nur für geschlossene Feuerstätten gelten, sondern für Feuerstätten allgemein. Bei offenen Feuern sind zudem die von ihm ausgehenden Gefahren besonders zu berücksichtigen, § 4 Abs. 1 Satz 2 VVB. Zudem vermögen die Auflagen nicht, die in Ziff. 2 auf unbestimmte Dauer erteilte Erlaubnis einzuschränken. Auch in Bezug auf Ziff. 5 des Bescheides verhelfen die Auflagen nicht dazu, dass bei einer erhöhten Waldbrandgefahr (Stufe 3) strengere Auflagen gelten würden.
Schließlich blieb bei der Erteilung der Erlaubnis unberücksichtigt, dass nahe der Feuerstellen (bei der südlichen 85m entfernt, bei der nördlichen 40m) auf einem Bahndamm eine mehrspurige Bahnlinie (S-Bahn, Güterverkehr, ICE) verläuft. Der Kreisbrandrat des Landkreises Dachau spricht in seiner Stellungnahme diesbezüglich von höchster Waldbrandgefahr. Die D. B. AG wurde im Vorfeld der Erteilung der Erlaubnis nicht gehört. Soweit ein zu befürchtender Böschungsbrand den Bahnverkehr beeinträchtigt, widerspricht zwar die Erlaubnis den Belangen der Sicherheit i.S.d. Art. 17 BayWaldG. Da jedoch die Sicherheit des Zugverkehrs nur im öffentlichen Interesse liegt, verleiht eine Verletzung von Art. 17 Abs. 1 BayWaldG keine drittschützende Rechtsposition, auf die sich die Kläger berufen könnten. Insoweit aber ein solcher Böschungsbrand immer auch eine reelle Feuergefahr durch ein Übergreifen auf den nahen klägerischen Wald birgt, handelt sich um eine drittschützende Rechtsposition der Kläger aus Art. 14 GG.
Der Bescheid vom 8. Oktober 2018 war daher aufzuheben und der Klage stattzugeben.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben