Aktenzeichen 3194.Z3-3_01-21-61
VgV § 56 Abs. 1
Leitsatz
1. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet im Vergabeverfahren zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden; vielmehr darf er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 – Verg 20/19).
2. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Antragsgegner den Auftragsgegenstand in den Vergabeunterlagen in weiten Teilen funktional über zu lösende Aufgaben beschrieben hat.
3. Hat sich ein Bieter allerdings auf eine Ausführungsvariante festgelegt und bringt ein Mitbewerber gegen diese Art der Ausführung konkrete, substantiierte und auf den Einzelfall bezogene Einwände vor, die das Leistungsversprechen dieses Bieters als zweifelhaft erscheinen lassen, muss der öffentliche Auftraggeber bereit und in der Lage sein, das Leistungsversprechen des Bieters effektiv zu verifizieren.
4. Der öffentliche Auftraggeber ist in der Wahl seiner Überprüfungsmittel grundsätzlich frei und nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt. Das vom Auftraggeber gewählte Mittel zur Überprüfung muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen worden sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 – Verg 20/19).
Tenor
1. Dem Antragsgegner wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Der Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht verpflichtet, die Angebotswertung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
I.
Mit Auftragsbekanntmachung vom…, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am … unter Nr. …, schrieb der Antragsgegner einen Lieferauftrag über Catering in der ANKER-Dependance F… im Wege eines offenen Verfahrens aus. Zuschlagskriterium war gemäß Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung der Preis. Abschnitt III.1.3) der Bekanntmachung enthielt in Bezug auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit auszugsweise folgende Festlegung:
„Eigenerklärung gem. L 124 EU Seite 12 von 12 mit dem Inhalt:
…
Der/Das Bewerber/Bieter/Mitglied der Bewerber-/Bietergemeinschaft bestätigt ausdrücklich, dass es über die vorstehend verlangten wirtschaftlichen und finanziellen Kapazitäten für die Ausführung des Auftrags verfügt.
Ferner, dass er über die vorstehend verlangten personellen und technischen Mittel sowie über ausreichende Erfahrungen verfügt, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können.
…“
Ausweislich der Angabe in Abschnitt I.3) der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem ein Leistungsverzeichnis, welches unter Ziffer 3.5 folgende Vorgabe enthielt:
„[…] Die Warmspeisen müssen unter Berücksichtigung der Ausgabezeiten in den Räumlichkeiten am Leistungsort warm ankommen und sind gleich im Anschluss daran warm auszugeben.
Die Lebensmittel sind unmittelbar vor der Essensausgabe „frisch zu schöpfen“ (keine Fertig-Schalen-Verpflegung). Die Ausgabetemperatur beträgt mindestens 65°C. Ein nachträgliches Erwärmen der gelieferten Speisen vor Ort ist nicht möglich. Die Speisen dürfen maximal drei Stunden warmgehalten werden. Die Warmhaltezeit beginnt mit der Beendigung des Garprozesses und endet mit der Ausgabe der Speise an den letzten Asylbewerber. Der AN hat sicherzustellen und lückenlos zu dokumentieren, dass während der gesamten Warmhaltezeit die Kerntemperatur von mindestens +65°C nicht unterschritten wird. Im Übrigen gelten die Regelungen der DIN 10508:2019-03 Der AN hat den ordnungsgemäßen Transport sicherzustellen, insb. unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen zu Kühlketten oder Warmhaltezeiten. Der AN ist dafür verantwortlich, dass die eingesetzten Auslieferungsfahrzeuge den hygienischen, technischen und normierten Ansprüchen gerecht werden.
Hinsichtlich der Lieferung von zu kühlenden Lebensmitteln trägt der AN die Verantwortung, dass die Kühlkette nicht unterbrochen wird. Dies ist anhand von Liefer- und Temperaturprotokollen lückenlos nachzuweisen, die dem AG auf Verlangen vorzulegen sind. […]“
Daneben enthielten die Vergabeunterlagen auch eine Leistungsbeschreibung, die unter Ziffer 8 mit dem Titel „Qualität der Leistungen“ folgende Vorgabe enthielt:
„Der AN erbringt die geschuldeten Cateringleistungen entsprechend der Qualitätsvorgaben und Qualitätsmaßstäbe der für den Transport, die Zubereitung, die Lagerung und die Ausgabe von Lebensmitteln einschlägigen DIN-Vorschriften und vergleichbaren Vorgaben des Cateringgewerbes.
[…]
Bei der Leistungserbringung hat der AN insbesondere die Regelungen der DIN 10508:2019-03 einzuhalten.
[…]“
Sowohl Antragstellerin als auch Beigeladene reichten innerhalb der auf den 06.09.2021, 10:00 Uhr, festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot ein.
Mit Informationsschreiben gem. § 134 GWB vom 22.09.2021 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, da es nicht das wirtschaftlichste sei. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag am 04.10.2021 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
Mit Schreiben vom 27.09.2021 rügte die Antragstellerin die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig. Da die Antragstellerin aufgrund ihres hohen Interesses an dem Auftrag besonders scharf kalkuliert habe, gehe sie davon aus, dass sie auf Grundlage des bekannt gegeben Zuschlagskriteriums Preis den Zuschlag erhalten müsse. Ein niedrigerer Wertungspreis eines anderen Bieters könne nur auf einer abweichenden Preisermittlung beruhen. Sie gehe davon aus, dass die Beigeladene insbesondere die Kosten für das Rückführen und Spülen des benutzten Geschirrs und sonstigen Equipments außerhalb der Einrichtung, die Kosten für eine mindestens zweimalige Anlieferung pro Tag, welche mit rund …000 € pro Jahr zu veranschlagen seien, die Kosten für das erweiterte Kontinentalfrühstück nach Punkt 3.9.1 des Leistungsverzeichnisses und die Kosten für das Bereitstellen der vorgegebenen Überproduktion von 10% zu den bestellten Mengen nicht wie vorgegeben einkalkuliert habe. Des Weiteren hätte eine Preisprüfung nach § 60 VgV ergeben müssen, dass die Beigeladene mit ihren immensen Transportkosten zu einem noch niedrigeren Preis nicht mehr vertragskonform leisten kann.
Mit Schreiben vom 28.09.2021 erwiderte der Antragsgegner, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Vergabeverstöße nicht gegeben seien und der Rüge demzufolge nicht abgeholfen werde. Die Angebotsprüfung und -wertung sei bezogen auf alle eingereichten Angebote einheitlich vorgenommen worden; alleiniges Zuschlagskriterium sei der Preis gewesen. Die von der Antragstellerin angesetzten Transportkosten beruhten auf spekulativen Annahmen und auch das Vorbringen hinsichtlich der anderen Positionen mute wie ein (willkürlicher) Vortrag „ins Blaue hinein“ an. Das Angebot der Beigeladenen sei auskömmlich und eine Preisprüfung nicht erforderlich gewesen, da die über die Rechtsprechung begründete Aufgreifschwelle nicht erreicht sei.
Mit Nachricht über die Vergabeplattform vom 30.09.2021 bekräftigte die Antragstellerin die von ihr vorgebrachten Beanstandungen. Bei der Beigeladenen seien 1.307 Fahrten pro Jahr von ihrem Standort in … zum Leistungsort und zurück (insgesamt rund 350 km) notwendig. Unter Berücksichtigung der Kosten für Maut, Diesel, Personal und Abschreibung ergäben sich Transportkosten von mindestens …000 Euro pro Jahr. Sofern die Auskömmlichkeit des Angebotspreises der Beigeladenen geprüft worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Prüfung nicht ausreichend gewesen oder das Ergebnis der Aufklärung nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Wegen der großen Entfernung des Standortes der Beigeladenen zum Leistungsort sei auch die Einhaltung der vorgegebenen Ausgabezeiten und damit die Versorgungsicherheit nicht gewährleistet.
Am 01.10.2021 entgegnete der Antragsgegner, dass Ziffer 3.5 des Leistungsverzeichnisses dem Auftragnehmer eine große „Dispositionsfreiheit“ bzw. Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich der anfallenden Fahrten gewähre und die fristgemäße Leistungserbringung auch bei geringerer Entfernung zum Leistungsort gefährdet sein könne.
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 01.10.2021 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Insbesondere habe die Antragstellerin schlüssig Umstände dargelegt, welche die Unangemessenheit des Preises der Beigeladenen indizierten und die vorgesehene Vergabe an die Beigeladene auch rechtzeitig gerügt.
Zur Begründetheit des Nachprüfungsantrags wiederholt die Antragstellerin ihren Vortrag aus den Rügeschreiben. Vertiefend führt sie aus, dass sie aufgrund des noch niedrigeren Angebotspreises der Beigeladenen davon ausgehe, dass der Wertungspreis nicht entsprechend den Vorgaben in den Vergabeunterlagen und/oder unterschiedlich ermittelt worden sei. Damit verstoße die Wertung gegen den Wettbewerbs-, Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz. Zudem gehe die Antragstellerin aufgrund des noch niedrigeren Angebotspreises der Beigeladenen trotz erheblicher Transportkosten davon aus, dass die Beigeladene die Leistung in mehrfacher Hinsicht nicht gemäß den Vorgaben der Vergabeunterlagen kalkuliert und angeboten habe. Dies betreffe insbesondere die notwendigen Anlieferungen pro Tag gemäß Ziffer 16.5 der Leistungsbeschreibung, das Rückführen und Spülen des benutzten Geschirrs und sonstigen Equipments gemäß Ziffer 4.1 des Leistungsverzeichnisses, die Bereitstellung einer Überproduktion von 10% zu den bestellten Mengen gemäß Ziffer 3.1 des Leistungsverzeichnisses sowie das vorgegebene erweiterte Kontinentalfrühstück nach Ziffer 3.9.1 der Leistungsbeschreibung. Soweit der Antragsgegner dem entgegenhalte, der Auftragnehmer könne die Anzahl der anfallenden Fahrten bzw. die Transportkosten durch die Wahl eines geeigneten Produktionsverfahrens und durch den Einsatz geeigneten Equipments regulieren, sei dies nicht nachvollziehbar. Denn bei sämtlichen Produktionsverfahren seien mindestens vier Fahrten pro Tag zum Leistungsort und zurück notwendig. Wie der Antragsgegner zu seiner gegenteiligen Einschätzung gekommen sei, erschließe sich nicht. Der Antragsgegner möge auch erläutern, wie das Schmutzgeschirr ohne zusätzliche Fahrt von der Einrichtung zum Ort des externen Spülens gelangen soll, da bei einer Produktion von Warmspeisen auf dem Lkw das Schmutzgeschirr nicht im gleichen Fahrzeug zurücktransportiert werden dürfe. Hinzu käme, dass aufgrund der großen Entfernung des Standorts der Beigeladenen zum Leistungsort die Einhaltung der vorgegebenen Ausgabezeiten und damit die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet sei. Unabhängig vom Erfordernis einer Preisprüfung nach § 60 Abs. 1 VgV sei der Antragsgegner verpflichtet zu prüfen, ob das Angebot der Beigeladenen Änderungen an den Vergabeunterlagen enthält, ob die Beigeladene die Kalkulationsvorgaben einhält und ob mit deren Ausführungskonzept die Einhaltung der Ausgabezeiten gewährleistet ist.
Der Antragsgegner habe mitgeteilt, dass das Angebot der Beigeladenen „auskömmlich, d. h. über alle Leistungsteile hinweg für die Bieterin kostendeckend“ sei. Auf welcher Grundlage der Antragsgegner zu diesem Ergebnis gekommen sein will, wenn eine Preisprüfung mangels Erforderlichkeit nicht stattgefunden haben soll, erschließe sich nicht. Dass der Antragsgegner das Angebot der Beigeladenen anzunehmen beabsichtige, könne nur bedeuten, dass die nach § 60 Abs. 1 VgV gebotene Preisaufklärung unterlassen, diese nicht hinreichend betrieben oder das Ergebnis der Aufklärung nicht hinreichend gewürdigt wurde.
Die Antragstellerin habe zudem Kenntnis von Tatsachen erhalten, die weitere Vergaberechtsverstöße begründen und im Hinblick auf die Verfahrensförderungspflicht geltend gemacht würden. Die Antragstellerin habe die Prozesse der Beigeladenen durch eine Detektei beobachten lassen. Hierbei sei der Eindruck entstanden, dass die Beigeladene an ihrem Standort kein Essen produziere. Es sei nur ein einziger Lkw mit Stromversorgung gesichtet worden. Dieser werde von der Beigeladenen in einem Interimsauftrag des Antragsgegners zur Belieferung der ANKER-Einrichtung in M… eingesetzt. Für einen weiteren Auftrag des Antragsgegners, der seinerzeit durch die Regierung von … vergeben worden sei, setze die Beigeladene Lkw ohne Stromversorgung ein. Im Rahmen dreier Beobachtungen habe die Warmhaltezeit der Speisen hier wenigstens 6,30 Stunden betragen. An einem Tag habe keine Anlieferung durch die Beigeladene stattgefunden, obwohl die Beigeladene vertraglich verpflichtet sei, täglich ein warmes Mittagessen auszugeben.
Auf Grundlage der gemachten Beobachtungen gehe die Antragstellerin davon aus, dass die Beigeladene nicht beabsichtige, die Warmspeisen für 1.000 Verpflegungsteilnehmer in ihrer Küche an ihrem Standort zuzubereiten. Sollte die Beigeladene das (passive) Warmhalten der Speisen während der Fahrt beabsichtigen, könne sie wegen der großen Entfernung ihres Standorts zum Leistungsort die in der DIN 10508:2019-03 vorgegebene maximale Warmhaltezeit von drei Stunden nicht einhalten. Das Produzieren von Speisen auf einem Lkw mache diesen zu einem zulassungs- und überwachungspflichtigen Produktionsbetrieb. Ein Regenerieren auf dem Lkw während der Fahrt für 1.000 Verpflegungsteilnehmer sei darüber hinaus technisch nicht möglich, weil die Beigeladene nur einen einzigen Lkw mit Stromversorgung besitze, dieser bereits in einem anderen Auftrag eingesetzt werde und die Stromversorgung auch nicht ausreichen würde. Zudem entspräche ein Regenerieren auf dem Lkw nicht den Vorgaben der einschlägigen DIN-Normen und damit nicht den Vorgaben der Vergabeunterlagen. Insbesondere müsse nach der DIN 10536:2016-03 das Regenerieren chargenweise nach Bedarf unmittelbar vor der Ausgabe erfolgen und sich unmittelbar an die Entnahme der Produkte aus dem Kühllager anschließen. Mit dem Regenerieren der Speisen auf dem Lkw könne die Beigeladene diese beiden Vorgaben jedoch nicht zugleich erfüllen. Auch würde der unbeaufsichtigte Betrieb des eingesetzten „hybrid kitchens“ im Laderaum des Lkw ohne Nachfüllen von Wasser nicht wie in der DIN 10536:2016-03 vorgegeben der Betriebsanleitung des Herstellers entsprechen. Daneben könne der mikrobiologisch kritische Temperaturbereich zwischen 10 und 65 °C nicht wie in der DIN-Norm vorgegeben möglichst rasch durchschritten und nicht eine Produkttemperatur von mindestens 72 °C für 2 Minuten erreicht werden. Zudem würde die Produkttemperatur der Speisen nach dem Regenerieren bis zur Ausgabe unter 65 °C absinken. Auch sei nicht ersichtlich, wie während der Fahrt das Erreichen der vorgegebenen Temperaturen kontrolliert werden könne, da die Mitnahme von Personen im Laderaum nach § 21 Abs. 2 Satz 1 StVO verboten sei.
Die Beigeladene habe ferner im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen, durch die ihre Integrität infrage gestellt werde. Die Beigeladene halte als Verpflegungsunternehmen bei der Ausführung zweier öffentlicher Aufträge die in den bestehenden öffentlichen Aufträgen sowie in der DIN 10508:2019-03 vorgegebene maximale Warmhaltezeit von drei Stunden ab Beendigung des Garprozesses bis zur Ausgabe an den letzten Tischgast nicht ein. Die Warmhaltezeit der von der Beigeladenen gelieferten Warmspeisen betrage nach den Beobachtungen der Antragstellerin bis zu rund 7 Stunden. Die Verfehlungen seien durch die von der Antragstellerin vorgelegten Ermittlungsberichte sowie durch Zeugenaussagen nachweisbar. Aufgrund von Dauer, Häufigkeit, Erheblichkeit und Schwere der Verfehlungen sei das Ermessen des Antragsgegners hinsichtlich eines Ausschlusses der Beigeladenen auf null reduziert. Die Beigeladene habe durch das von ihr vorgelegte Aufklärungsschreiben zudem versucht, den Antragsgegner glauben zu machen, sie würde die für die Umsetzung ihres vermeintlichen Konzepts notwendigen Fahrzeuge und Geräte besitzen. Damit habe sie die Ausschlussgründe des § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB sowie des § 124 Abs. 1 Nr. 9c) GWB verwirklicht.
Den im Wege der Akteneinsicht überlassenen Unterlagen lasse sich nicht entnehmen, dass sich der Antragsgegner vor seiner Vergabeentscheidung mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob das Angebot der Beigeladenen als ungewöhnlich niedrig anzusehen ist. Der Antragsgegner habe sich auch nicht damit auseinandergesetzt, was Grund dafür sein könnte, dass das Angebot der Beigeladenen mehr als 10% günstiger als jenes der Antragstellerin ist. Insbesondere habe der Antragsgegner nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin noch einmal schärfer kalkuliert habe als in einer vorangegangenen Ausschreibung und dass der Beigeladenen – anders als der Antragstellerin – aufgrund der Entfernung ihres Standorts zum Leistungsort für die Erbringung der ausgeschriebenen Leistung erhebliche Transportkosten entstehen. Eine Preisaufklärung wäre aus diesem Grund zwingend geboten gewesen. Aufgrund der Akteneinsicht sei zudem festzustellen, dass es keine dokumentierte Prüfung und Entscheidung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen, zur Erfüllung der Mindestanforderungen an die Referenzen sowie zum Vorliegen der materiellen Eignung gebe. Die fehlende Dokumentation der vorgenannten Prüfvorgänge bedinge die Wiederholung des Vergabeverfahrens ab dem Zeitpunkt der unzureichenden Dokumentation.
Die Antragstellerin beantragt
I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
Der Antragsgegner beantragt
I. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen, hilfsweise zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für nicht notwendig erklärt.
Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, zumindest aber unbegründet. Die von der Antragstellerin behaupteten Rechtsverletzungen durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften seien nicht erkennbar. Nach Ansicht des Antragsgegners sei äußerst zweifelhaft, ob die von der Antragstellerin vorgetragenen „Indizien“ den Anforderungen an die Antragsbefugnis genügten, da es sich hierbei lediglich um Behauptungen „ins Blaue hinein“ handle. Insbesondere könne die Antragstellerin aus der von ihr angeführten „sehr scharfen“ Kalkulation des eigenen Angebots, nicht redlicherweise den Schluss ziehen, dass es keinem anderen Bieter möglich sei, günstiger anzubieten.
Die Angebotsprüfung und -wertung sei für alle Angebote einheitlich nach Maßgabe des Preises als alleinigem Zuschlagskriterium vorgenommen worden. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, die einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV rechtfertigten. Weder habe die Beigeladene erklärt, dass von ihr Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden seien noch ergebe sich dies konkludent aus den eingereichten Angebotsunterlagen. Wie bereits in der Rügeerwiderung ausgeführt, obliege gemäß Ziffer 3.5 des Leistungsverzeichnisses dem Auftragnehmer die Wahl eines zur vertragskonformen Leistungserbringung geeigneten Produktionsverfahrens. Durch den Einsatz von geeignetem Equipment könne der Auftragnehmer die zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung erforderliche Anzahl der Transporte maßgeblich beeinflussen. In den Vergabeunterlagen existierten keine expliziten Vorgaben hinsichtlich einer bestimmten Anzahl an Transportfahrten. Die Fahrten ergäben sich lediglich als Konsequenz aus den Vorgaben zur Leistung bzw. den rechtlichen Rahmenbedingungen, zu deren Einhaltung sich die Beigeladene mit Abgabe ihres Angebots verpflichtet habe. Der zwingende Ansatz von Transportkosten ohne Möglichkeit einer anderweitigen Egalisierung widerspräche dem Gleichbehandlungs- und dem Wettbewerbsgrundsatz. Das Vorbringen der Antragstellerin hinsichtlich der Positionen des Leistungsverzeichnisses zu Reinigung, vorzuhaltender Verpflegungsmenge und Kontinentalfrühstück weise keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen jeweiligen Sachverhalts auf. Unvorhergesehene Verkehrsbehinderungen könnten auch bei geringerer Entfernung zum Leistungsort die fristgemäße Leistungserbringung gefährden; die genannten Bedenken würden lediglich bei einer Produktion am Leistungsort (cook & serve) entfallen. Fehler bei der Kommissionierung auf Seiten des Auftragnehmers seien allein Teil der Vertragsabwicklung.
Es bestünden keine begründeten Zweifel, dass die Beigeladene nicht vertragskonform leisten könne. Die Leistungsfähigkeit der Bieterin in ähnlich gelagerten Fällen sei durch vergleichbare Referenzen bestätigt. Vorliegend sei auch die von der Rechtsprechung begründete Aufgreifschwelle für die Überprüfung der Auskömmlichkeit des Angebotspreises nicht erreicht. Der Auftraggeber habe somit keine Prüfpflicht, sondern vielmehr einen Beurteilungsspielraum, ob er das Angebot für ungewöhnlich niedrig ansehe und eine Preisaufklärung für geboten halte. Dieser Spielraum sei vom Antragsgegner unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Einbeziehung der aktuellen Marktsituation ausgeschöpft worden. Der Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots habe auf Grundlage von Erfahrungswerten bei wettbewerblicher Preisbildung nicht gewonnen werden können, sondern sei vielmehr durch diese widerlegt worden.
Die Antragstellerin bediene sich hinsichtlich der von ihr dargelegten Beobachtungen über den Betrieb der Beigeladenen fragwürdiger Quellen, deren Aussagekraft, Qualität und Verwertbarkeit kritisch hinterfragt werden müsse. Die Ausführungen der Beigeladenen seien hingegen glaubhaft; auf diese werde verwiesen. Der Vortrag der Antragstellerin bezogen auf die zukünftige Leistungserbringung sei zudem unbeachtlich, da die technischen und personellen Voraussetzungen zur Durchführung der Leistung erst zum Zeitpunkt der Auftragsausführung vorhanden sein müssten. Ungeachtet dessen habe die Beigeladene nachvollziehbar dargelegt, dass sie die vertragsgegenständlichen Leistungen ohne Unterauftragnehmer mittels ihres qualifizierten Personals an ihrem Standort bzw. in den ihr zur Verfügung stehenden Fahrzeugen gemäß ihrem technologisch innovativen Konzept erbringe. Die Beigeladene verfüge über mehrere Fahrzeuge mit Stromversorgung und habe vorgetragen, dass zur Leistungserbringung in der ANKER-Einrichtung I… ein solches eingesetzt werde. Ein passives Warmhalten werde nach dem Vortrag der Beigeladenen bei den mit Stromversorgung ausgestatteten Fahrzeugen nicht praktiziert. Die Einhaltung der lebensmittel- und hygienerechtlichen Regelungen würden durch das seitens der Beigeladenen vorgelegte Gutachten der B… GmbH vom 15.01.2022 und die Bestätigung der Zulassung und Durchführung regelmäßiger Kontrollen durch das Landratsamt O… vom 19.01.2022 dokumentiert.
Die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Beigeladenen nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB seien nicht gegeben. Ausweislich der Beobachtung der Antragstellerin werde beim Catering in der ANKER-Einrichtung M… ein Fahrzeug mit Stromversorgung verwendet, so dass eine Fertigstellung der Speisen während der Fahrt möglich sei. Die Konformität des Konzepts der Beigeladenen mittels der von ihr eingesetzten technischen Ausstattung der Fahrzeuge mit den lebensmittel- und hygienerechtlichen Regelungen sei von der B… GmbH geprüft und bestätigt worden. Ausweislich der vorgelegten Bestätigung des Landratsamts O…, Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung, erfolge eine regelmäßige Kontrolle. Die Verwaltungsleitung der ANKER-Einrichtung I… habe mitgeteilt, dass man mit der aktuellen Leistung der Beigeladenen zufrieden sei. Bezogen auf die „Verpflegung von Flüchtlingen in verschiedenen Einrichtungen der Zentralen Aufnahmeeinrichtung Bayern“ der Regierung von … sei anzumerken, dass in der vorgelegten Leistungsbeschreibung der Regierung von … keinerlei Vorgaben zur Einhaltung bestimmter DIN-Normen oder maximaler Warmhaltezeiten enthalten seien. Ungeachtet dessen bestünden auch unter Berücksichtigung der Behauptungen der Antragstellerin keinerlei Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beigeladenen und der fachlichen Eignung bezüglich der ordnungsgemäßen Leistungserbringung. Auch ein Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 bzw. Nr. 9 c) GWB komme nicht in Betracht, insbesondere da die Ausführungen der Beigeladenen zur Einhaltung der Vorgaben des Leistungsverzeichnisses sowie sämtlicher lebensmittel- und hygienerechtlicher Vorgaben hinreichend verifiziert seien.
Im Übrigen dürfe ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich auf das von einem Fachunternehmen mit dem Angebot abgegebene Leistungsversprechen vertrauen, den Auftrag nach den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses auszuführen. Das Vertrauen auf die Einhaltung des Leistungsversprechens werde hier durch die Vorlage von Nachweisen und Referenzen Dritter gestärkt. Eine weitergehende, vollständige Überprüfung insbesondere des Produktionsverfahrens der Beigeladenen sei nicht erforderlich und durch den Auftraggeber weder in technischer noch personeller Hinsicht leistbar. Öffentliche Auftraggeber seien nach ständiger Rechtsprechung lediglich im Rahmen der Grenzen der Zumutbarkeit verpflichtet, den Wahrheitsgehalt der Bieterangaben zu überprüfen.
Die in § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 12 VgV benannten Pflichtangaben seien hinreichend dokumentiert; eine Verletzung der Dokumentationspflicht i.S.v. § 8 VgV liege nicht vor.
Mit Beschluss vom 19.10.2021 wurde die Zuschlagsprätendentin zum Verfahren beigeladen.
Die Beigeladene beantragt
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene war notwendig.
Für die Vergabestelle habe es keinen Anhaltspunkt gegeben, die Kalkulation der Beigeladenen zu überprüfen, da die zitierte „Aufgreifschwelle“ nicht überschritten worden sei. Die Unterstellung, die Beigeladene habe bestimmte Aufwendungen in ihrem Angebot nicht oder nicht hinreichend kalkuliert, sei falsch. Das Angebot der Beigeladenen sei seriös. Die Einhaltung sämtlicher Vorgaben des Leistungsverzeichnisses sei verbindlich im Rahmen des Angebotes zugesichert worden und die Beigeladene habe ihre entsprechende Leistungsfähigkeit durch die vorgelegten Referenzen nachgewiesen. Die Beigeladene habe unter anderem für die Versorgung entsprechender ANKER-Einrichtungen ein eigenes, technologisch innovatives Konzept entwickelt, welches sicherstelle, dass die in den Leistungsbeschreibungen regelmäßig vorgegebenen Anforderungen an die Erwärmung bzw. Warmhaltezeiten der Speisen ohne Weiteres eingehalten werden können. Die Behauptung der Antragstellerin, die Beigeladene könne die von ihr zitierte DIN-Vorschrift nicht erfüllen, sei falsch. Insbesondere würden die lebensmittelrechtlich geforderten Temperaturen der Lebensmittel von der Kühlkette bis zur Erwärmung eingehalten. Der erforderliche Strombedarf sei durch eigene Stromaggregate auf dem Fahrzeug sichergestellt. Die Beigeladene sei zertifiziert, bis zu 40.000 Essen/Tag herzustellen. Dies werde durch eine Bestätigung des Landratsamts O… vom 19.01.2022 belegt. Die Beigeladene habe die Umsetzbarkeit des Konzeptes zudem gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 18.01.2022 nachgewiesen. Daneben habe die Beigeladene anlässlich der bevorstehenden Beauftragung für das Catering in der Unterkunftsdependance … entsprechende Erläuterungen abgegeben, die auch für den streitgegenständlichen Auftrag einschlägig seien. Daraus könne die Vergabekammer ohne weiteres erkennen, dass es sich um ein seriöses und technisch durchführbares Konzept handle.
Die Befunde des von der Antragstellerin beauftragten Detektivs seien falsch und die Ausführungen der Antragstellerin zu ganz anders gelagerten Aufträgen für das vorliegende Nachprüfungsverfahren irrelevant. Die Beigeladene bereite die Speisen für alle Aufträge in ihrer Zentralküche in S… zu. Die Beigeladene verfüge über insgesamt 19 Fahrzeuge, von denen 14 Fahrzeuge Kühlfahrzeuge seien. Davon seien vier Fahrzeuge mit eigener Stromversorgung ausgestattet. Das System „Fahrzeit gleich Garzeit“ habe die Beigeladene vom B… GmbH, …, begutachten lassen. Zudem ergebe sich aus einer Bestätigung des Herstellers der für das Regenerieren eingesetzten Geräte, dass die Kombination der dort angesprochenen Geräte zum Produzieren/Regenerieren von Speisen geeignet sei. Tätigkeiten nach der Zubereitung, also etwa das Regenerieren, seien keine Herstellungs- oder Zubereitungshandlungen mehr. Die Beigeladene habe weder in der Vergangenheit noch aktuell gegen Verträge oder gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Die Antragstellerin behaupte dies ausschließlich auf der Grundlage nachweislich fehlerhafter Ermittlungen und in Unkenntnis der Abläufe in anderen Verfahren. Die Behauptung, die Beigeladene habe falsche Unterlagen vorgelegt, um die Vergabekammer und die Antragsgegnerin zu täuschen, werde zurückgewiesen. Der Versuch der Täuschung falle vielmehr auf die Antragstellerin zurück, die nachweislich unrichtige Tatsachen in erheblichem Umfang vortragen lasse.
Am 27.04.2022 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 05.05.2022 wies die Beigeladene darauf hin, dass sie im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens klargestellt habe, dass sie das Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ auch in der streitgegenständlichen Ausschreibung einsetzen werde. Dieses Konzept sei dem Antragsgegner aus der Interimsvergabe für die ANKER-Einrichtung in M… und in den … Dependancen bekannt. Für den Antragsgegner habe daher kein Anlass bestanden, dieses Konzept erneut zu überprüfen. Der Antragsgegner wisse, dass es den Anforderungen entspreche. Das Konzept der Beigeladenen sei sowohl hinsichtlich der technischen Ausstattung als auch mit der erforderlichen Energieversorgung funktionsfähig. Die einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorgaben würden eingehalten, was sich unter anderem aus einer neueren Bestätigung des Landratsamtes O… – Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung vom 26.04.2022 ergebe.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2022 sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV. Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 1, 4 GWB. Der Antragsgegnerist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Ungeachtet der Frage, ob es sich vorliegend um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der RL 2014/24/EU handelt, ist der maßgebliche Schwellenwert gem. § 106 GWB jedenfalls überschritten.
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch den nicht erfolgten Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wegen Abweichens von den Vergabeunterlagen sowie eine unzureichende Prüfung der Auskömmlichkeit des von der Beigeladenen angebotenen Preises geltend gemacht.
Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1GWB entgegen, da die Antragstellerin erst mit Erhalt des Informationsschreibens gem. § 134 GWB vom 22.09.2021 davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen ergehen soll, jedoch bereits mit Schreiben vom 27.09.2021, also innerhalb der 10-Tage-Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB, die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig beanstandete.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners sind die vorgebrachten Beanstandungen der Antragstellerin zudem hinreichend substantiiert. Bei den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge ist nach der Rechtsprechung ein großzügiger Maßstab anzulegen. Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2021 – Verg 9/21). Allerdings ist – auch zur Vermeidung völlig haltloser und missbräuchlicher Rügen – ein Mindestmaß an Substantiierung einzuhalten sowie eine Darlegung zu fordern, welche tatsächlichen Anhaltspunkte und Indizien aus Sicht des Bieters den hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (vgl. OLG München, Beschluss vom 30.11.2020 – Verg 6/20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2020 – VII-Verg 36/19 m. w. N.).
Die Antragstellerin hat spätestens in ihrem Schreiben vom 30.09.2021 die Tatsachen benannt, die sie zu der Annahme führten, dass die Beigeladene unauskömmlich oder abweichend von den Vorgaben der Vergabeunterlagen kalkuliert habe. Dies betrifft namentlich den Umstand, dass aufgrund der großen Entfernung des Standorts der Beigeladenen zum Leistungsort dieser Kosten entstünden, die eine auskömmliche Kalkulation unwahrscheinlich erscheinen lassen, und auch eine Einhaltung der vorgegebenen Ausgabezeiten durch die Beigeladene aus diesem Grund nicht gewährleistet sei.
2. Der Nachprüfungsantrag istauch begründet.
Der Antragsgegner hat gegen die in § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GWB niedergelegten Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung verstoßen, indem er nicht hinreichend überprüft hat, ob das Angebot der Beigeladenen die Vorgaben der Vergabeunterlagen einhält. Daneben ist die Entscheidung des Antragsgegners über den (nicht erfolgten) Ausschluss der Beigeladenen vom Vergabeverfahren gem. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB auf der Basis eines unzureichend ermittelten Sachverhalts getroffen worden und insoweit ermessensfehlerhaft.
2.1. Gem. § 56 Abs. 1 VgV sind Angebote auf Vollständigkeit sowie fachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen. Die fachliche Richtigkeitsprüfung der Angebote bezieht sich auf den fachlichen Inhalt der von den Bietern eingereichten Unterlagen und umfasst regelmäßig die Prüfung, ob die angebotene Leistung den Anforderungen der Ausschreibung, insbesondere der Leistungsbeschreibung und den technischen Spezifikationen entspricht. (vgl. Beck VergabeR/Haak/Hogeweg, 3. Aufl. 2019, VgV § 56 Rn. 23). Ein öffentlicher Auftraggeber ist jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden; vielmehr darf er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 – Verg 20/19 m. w. N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2020 – 15 Verg 2/20). Eine Überprüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers ergibt sich aber dann, wenn konkrete Tatsachen das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen. In diesen Fällen muss der öffentliche Auftraggeber aus Gründen der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter bereit und in der Lage sein, das Leistungsversprechen des Bieters effektiv zu verifizieren (OLG Düsseldorf, aaO). So liegt der Fall hier.
2.1.1. Festzuhalten ist zunächst, dass der Antragsgegner den Auftragsgegenstand in den Vergabeunterlagen in weiten Teilen funktional über zu lösende Aufgaben (vollwertige Speisen- und Getränkeversorgung der Asylbewerber, Anlieferung frei Haus, Verteilung der gelieferten Speisen und Getränke, Rückführung/Reinigung des Geschirrs, Entsorgung von Essensresten/ Müll etc.) beschrieben hat, was gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VgV grundsätzlich zulässig ist. Insbesondere hat der Antragsgegner in den Vergabeunterlagen kein konkretes Produktionsverfahren für die Verpflegung vorgegeben oder ausgeschlossen. Ausweislich der Angebotsaufforderung war von den Bietern auch nicht verlangt, mit dem Angebot ein konkretes Produktionsverfahren darzulegen. Gleichwohl erfordert nicht zuletzt die Kalkulation eines konkreten Angebotspreises, sich vorab detaillierte Vorstellungen über die Art und Weise der Leistungserbringung sowie sämtliche kalkulationsrelevanten Parameter zu machen. Daher beinhaltet das Leistungsversprechen eines Bieters auch bei einer überwiegend funktional gehaltenen Leistungsbeschreibung regelmäßig eine konkrete Art und Weise der Auftragsausführung, die mittelbar über den angebotenen Preis zum Ausdruck gebracht wird. Öffentliche Auftraggeber sind in derartigen Konstellationen berechtigt, Aufklärung über den Angebotsinhalt zu verlangen, um sich mit dem konkreten Inhalt der abgegebenen Angebote vertraut zu machen (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 15.05.2015 – Z3-3-3194-1-05-01/15; OLG München, Beschluss vom 25.11.2013 – Verg 13/13). Mit den im Rahmen der Aufklärung getätigten Angaben konkretisiert der Bieter anschließend den Inhalt seines Angebots (vgl. OLG München, aaO).
Vorliegend hat die Beigeladene im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens erklärt, den streitgegenständlichen Auftrag mittels des von ihr für die Zubereitung von Speisekomponenten entwickelten Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ auszuführen. Damit hat sie ihr mit dem Angebot abgegebenes Leistungsversprechen auf dieses Konzept konkretisiert. Dass diese Erklärung erst im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens und nicht auf eine vom Antragsgegner betriebene Aufklärung hin erfolgte, ist insoweit unschädlich. Zum einen kann eine notwendige Aufklärung auch noch im Vergabenachprüfungsverfahren erfolgen (VK Südbayern, Beschluss vom 25.01.2018 – Z3-3-3194-1-52-10/17). Zum anderen dürfen bei der Frage, ob der vom Bieter angebotene Leistungsumfang demjenigen der Leistungsbeschreibung entspricht, auch nachträgliche Erläuterungen des Bieters darüber, wie er sein Angebot im Zeitpunkt seiner Abgabe verstanden wissen wollte, und welchen Inhalt er ihm tatsächlich beimaß, nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.06.2016 – 1 U 151/15; VK Südbayern, Beschluss vom 03.06.2014 – Z3-3-3194-1-14-03/14).
2.1.2. Die Antragstellerin hat vorliegend konkrete Umstände vorgetragen, die das Leistungsversprechen der Beigeladenen in Frage stellen und den Antragsgegner zu einer Überprüfung dieses Leistungsversprechens verpflichten.
Dies gilt zwar nicht in Bezug auf die von der Antragstellerin angestellten Vermutungen, dass die Beigeladene abweichend von den Vorgaben der Vergabeunterlagen nicht die notwendigen Anlieferungen pro Tag, das Rückführen und Spülen des benutzten Geschirrs und sonstigen Equipments, die Bereitstellung einer „Überproduktion“ von 10% zu den bestellten Mengen sowie das vorgegebene erweiterte Kontinentalfrühstück kalkuliert und angeboten habe. Denn insoweit hat die Antragstellerin zur Begründung ihrer Vermutung im Wesentlichen den niedrigen Angebotspreis der Beigeladenen angeführt. Dies allein ist aber noch nicht ausreichend, das Leistungsversprechen eines Bieters in Frage zu stellen. Vielmehr ist der Frage, inwieweit sich der angebotene Preis auf die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrags auswirken wird, grundsätzlich erst bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen im Rahmen einer Auskömmlichkeitsprüfung nachzugehen (vgl. EuGH, Urteil vom 10.09.2020 – C-367/19).
Eine Aufklärungspflicht trifft den Antragsgegner auch nicht im Hinblick auf die Frage, ob die Beigeladene imstande ist, die Leistung gemäß den Vorgaben der DIN 10508 sowie der DIN 10536 einzuhalten. Denn dass die Vorgaben der DIN 10508 sowie der DIN 10536 im Rahmen des Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ grundsätzlich eingehalten werden können, hat die Beigeladene bereits durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der B… GmbH, …, nachgewiesen, so dass der Antragsgegner grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einschlägigen DIN-Vorgaben von der Beigeladenen auch bei der Ausführung des streitgegenständlichen Auftrags eingehalten werden, den die Beigeladene erklärungsgemäß mit ebenjenem Konzept umzusetzen beabsichtigt. Gleiches gilt in Bezug auf die von der Antragstellerin geäußerten Bedenken hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit. Diesbezüglich hat die Beigeladene mit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.05.2022 eine Bestätigung des Landratsamts O… – Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung vom 26.04.2022 vorgelegt, aus der hervorgeht, dass bei der letzten Kontrolle des Betriebs der Beigeladenen insbesondere das Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ überprüft worden sei und bei ordnungsgemäßer Durchführung keine Lebensmittelsicherheitsbedenken bestünden.
Allerdings hat die Antragstellerin konkrete Umstände vorgetragen, wonach es der Beigeladen nicht möglich ist, das Konzept „Fahrzeit gleich Garzeit“ im streitgegenständlichen Auftrag umzusetzen. Insbesondere hat die Antragstellerin auf Grundlage der Betriebsanleitung des Herstellers R… GmbH & Co. KG für das „h…“ vorgerechnet, dass die Beigeladene für die Regeneration der benötigten Mittagessen für 1.000 Verpflegungsteilnehmer auf dem LKW 25 Regenerationsgeräte benötige und der hierfür erforderliche Strombedarf 88 kW betrage. Allein um eine ausreichende Strommenge erzeugen zu können, wäre ein Stromaggregat mit den Abmessungen 3.760 x 1.400 x 2.500 und einem Gewicht ca. 4,35 Tonnen notwendig. Abgesehen davon wäre es aus Platzgründen nicht möglich, zusätzlich zu einem solchen Stromaggregat die zur Versorgung von 1.000 Verpflegungsteilnehmern notwendigen 25 Regenerationsgeräte auf einem einzigen LKW zu verladen.
Die von der Antragstellerin dargelegten technischen Gegebenheiten sind nach Überzeugung der Vergabekammer geeignet, das Leistungsversprechen der Beigeladenen als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Durch die fehlende Überprüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen ist die Antragstellerin auch in ihren Rechten verletzt, da eine objektive und transparente Bewertung der Angebote voraussetzt, dass der öffentliche Auftraggeber in der Lage ist, deren Inhalt anhand der von den Bietern gelieferten Angaben und Unterlagen effektiv zu überprüfen (vgl. EuGH, Urteil vom 04.12.2003 – C-448/01). Der Antragsgegner hat sich im streitgegenständlichen Vergabeverfahren folglich davon zu überzeugen, dass die Ausführung des streitgegenständlichen Auftrags durch die Beigeladene mittels ihres Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ möglich ist. Dabei wird er auch zu prüfen haben, wie viele LKW mit Stromversorgung die Beigeladene zur Auftragsausführung benötigt und ob ihr diese für die Auftragsausführung zur Verfügung stehen.
2.1.3. Wie der Antragsgegner die Umsetzbarkeit des Konzepts „Fahrzeit gleich Garzeit“ in streitgegenständlichem Auftrag überprüft, bleibt ihm überlassen. Der öffentliche Auftraggeber ist in der Wahl seiner Überprüfungsmittel grundsätzlich frei und im Interesse einer zügigen Umsetzung der Beschaffungsabsicht und einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens und aus Gründen seiner begrenzten Ressourcen und administrativen Möglichkeiten nicht auf eine bestimmte Methode oder bestimmte Mittel der fachlichen Prüfung festgelegt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 – Verg 20/19 m. w. N.). Das vom Auftraggeber gewählte Mittel zur Überprüfung muss jedoch geeignet und die Mittelauswahl frei von sachwidrigen Erwägungen getroffen worden sein (OLG Düsseldorf, aaO).
2.2. Die Entscheidung des Antragsgegners über den (nicht erfolgten) Ausschluss der Beigeladenen vom Vergabeverfahren gem. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB ist ermessensfehlerhaft, da sie auf einem unzureichend ermittelten Sachverhalt basiert.
Im Anwendungsbereich des § 124 GWB kommt dem öffentlichen Auftraggeber ein Ermessensspielraum bei der Entscheidung über den Ausschluss des Bieters zu. Angesichts dessen können die Nachprüfungsinstanzen die Entscheidung des Auftraggebers, einen Bieter von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen oder hiervon abzusehen, nur auf Ermessensfehler prüfen. Solche liegen unter anderem vor, wenn die vom Auftraggeber getroffenen Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen, sachwidrigen Erwägungen beruhen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2018 – Verg 31/18).
Gem. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB können öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird. Eine schwere Verfehlung i.S.v. § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB kommt bei der Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen in Betracht, die eine solche Intensität und Schwere aufweisen, dass der öffentliche Auftraggeber berechtigterweise an der Integrität des Unternehmens zweifeln darf. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist hiervon grundsätzlich auch die Verletzung von Auftragsausführungsbedingungen bei früheren öffentlichen Aufträgen umfasst (BT-Drucks. 18/6281, S 105).
Die Antragstellerin hat unter anderem vorgetragen, dass die Beigeladene im Rahmen der Ausführung des Auftrags zur Verpflegung der ANKER-Einrichtung in … einen Lkw ohne Stromversorgung einsetze und im Rahmen dreier Beobachtungen die Warmhaltezeit der Speisen wenigstens 6,30 Stunden betragen habe. Der Antragsgegner hat seine Ermessensentscheidung gegen einen Ausschluss der Beigeladenen im Wesentlichen damit begründet, dass in der vorgelegten Leistungsbeschreibung der Regierung von … keinerlei Vorgaben zur Einhaltung bestimmter DIN-Normen oder maximaler Warmhaltezeiten enthalten seien. Bei DIN-Normen handle es sich lediglich um freiwillig zu beachtende Standards, solange diese nicht durch spezielle, z.B. vertragliche oder gesetzliche, Regelungen für verbindlich erklärt werden. Ungeachtet dessen bestünden auch unter Berücksichtigung der Behauptungen der Antragstellerin keinerlei Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beigeladenen und der fachlichen Eignung bezüglich der ordnungsgemäßen Leistungserbringung.
Dem Antragsgegner ist zwar grundsätzlich darin zuzustimmen, dass DIN-Normen unverbindliche Regelwerke darstellen. Gleichwohl darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass DIN-Normen im Zeitpunkt ihrer Erstellung den Stand der Technik abbilden und eine Erkenntnisquelle für technisch-ordnungsgemäßes Verhalten im Regelfall sind (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 19.02.1998 – 5 U 81-94). Insoweit kommt ihnen eine indizielle Bedeutung in Bezug auf eine ordnungsgemäße Leistungserbringung zu. Wie der Einleitung der DIN-Norm DIN 10508:2019-03 entnommen werden kann, spielen beim Herstellen, Behandeln, dem Transport und der Lagerung sowie dem Inverkehrbringen von Lebensmitteln die Temperaturführung und die Einhaltung bestimmter Temperaturen eine entscheidende Rolle, um eine unerwünschte Vermehrung von Mikroorganismen in Grenzen zu halten. Auch außerhalb einer vertraglich geschuldeten Einhaltung der DIN-Norm ist ein Verstoß gegen deren Vorgaben damit prinzipiell geeignet, eine Schlechtleistung zu indizieren. Dies gilt vorliegend umso mehr, als zu den vertraglich normierten Pflichten des Auftragnehmers im Cateringvertrag der Regierung von … unter anderem zählte, die ordnungsgemäße Durchführung aller Ausgaben sicherzustellen, die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung notwendigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen sowie für die sachgerechte Ausführung der Leistung zu sorgen. Die Entscheidung des Antragsgegners, den von der Antragstellerin dargelegten Verstößen der Beigeladenen gegen die nach der DIN 10508:2019-03 empfohlenen Warmhaltezeit in dem Catering-Auftrag der Regierung von … nicht weiter nachzugehen, basiert insoweit auf einer sachwidrigen Erwägung. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner der Einhaltung der Warmhaltezeiten in dem streitgegenständlichen Auftrag ausweislich der Tatsache, dass dies mehrfach in den Vergabeunterlagen geregelt wurde, eine nicht unerhebliche Rolle beimaß. Da der Auftraggeber aber im Rahmen der fakultativen Ausschlussgründe eine Prognoseentscheidung über die ordnungsgemäße Ausführung des ausgeschriebenen Auftrags treffen muss, wäre es nach Ansicht der Vergabekammer geboten gewesen, sich zunächst über Art und Umfang der von der Antragstellerin behaupteten Leistungsdefizite der Beigeladenen betreffend die Warmhaltezeit der Speisen im Catering-Auftrag der Regierung von … Gewissheit zu verschaffen. Ohne sich ein konkretes Bild über eine mögliche Vertragsverletzung der Beigeladenen und dessen Schwere im Catering-Auftrag der Regierung von … gemacht zu haben, lässt sich eine verlässliche Prognose über die ordnungsgemäße Ausführung des streitgegenständlichen Auftrags kaum treffen. Dies gilt erst recht, zumal nicht auszuschließen ist, dass in dem sensiblen Bereich der Lebensmittelhygiene auch eine Verletzung von lebensmittelrechtlichen Bestimmungen nicht auszuschließen ist.
Die Antragstellerin ist hierdurch in ihren Rechten verletzt, da sie gem. § 97 Abs. 6 GWB einen Anspruch darauf hat, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden, wozu auch die ordnungsgemäße Ausübung von Ermessens- bzw. Beurteilungsspielräumen zählt (vgl. OLG München, Beschluss vom 09.03.2018 – Verg 10/17).
2.3. Die übrigen Beanstandungen der Antragstellerin erachtet die Vergabekammer dagegen als nicht gegeben.
2.3.1. Der Antragsgegner war vorliegend nicht verpflichtet, gem. § 60 Abs. 1 VgV von der Beigeladenen Aufklärung über ihren Angebotspreis zu verlangen.
In der Rechtsprechung der Vergabesenate sind insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten (BGH, Beschluss vom 31.01.2017 – X ZB 10/16). Maßgeblich für die Feststellung unangemessen niedriger Angebotspreise ist der Vergleich der Endpreise. Der öffentliche Auftraggeber ist in der Regel verpflichtet, in die Prüfung der Preisbildung einzutreten, wenn der Abstand zwischen dem Angebot des bestplatzierten und dem Angebot des zweitplatzierten Bieters mehr als 20% beträgt (BayObLG, Beschluss vom 09.04.2021 – Verg 3/21 m. w. N.). Bei einem Preisabstand von unter 10% zum nächsthöheren Angebot besteht regelmäßig kein Anlass für eine Aufklärung der Angemessenheit der Preise (vgl. BayObLG, aaO). Die Entscheidung des Antragsgegners, von einer Aufklärung des Angebotspreises der Beigeladenen abzusehen, begegnet vor diesem Hintergrund keinen vergaberechtlichen Bedenken. Es sind auch keine sonstigen Umstände ersichtlich, die den Preis des Angebots der Beigeladenen als ungewöhnlich niedrig erscheinen lassen. Die Entfernung eines Bieters zum Leistungsort und die damit möglicherweise einhergehenden Transportkosten sind für sich genommen nicht geeignet, eine Prüfpflicht zu begründen. Dass sich Bieter unterschiedlichen kalkulatorischen Voraussetzungen gegenübersehen, ist bei EUweiten Vergabeverfahren regelmäßig der Fall. Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16.03.2022 einwendet, dass ein Unterbieten ihres Angebots nur möglich sei, wenn lediglich die Kosten für ein (passives) Warmhalten der Speisen während der Fahrt kalkuliert werden, betrifft dies eben jenen Aspekt des Leistungsversprechens der Beigeladenen, welches der Antragsgegner nach den bereits zuvor dargelegten Gründen zu überprüfen hat.
2.3.2. Die Vergabeunterlagen enthalten keine verbindlichen Kalkulationsvorgaben, gegen welche die Beigeladene verstoßen haben könnte. Kalkulationsvorgaben liegen vor, wenn öffentliche Auftraggeber den Bietern die Höhe der Preise vorschreiben und die Faktoren zur Ermittlung der Preise festlegen (VK Westfalen, Beschluss vom 27.10.2015 – VK 1-28/15). Weder Ziff. 1.2 des Formblatts L2150 noch Ziff. 16.5 der Leistungsbeschreibung enthalten Kalkulationsvorgaben in diesem Sinne, da diesen nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen ist, dass die für die aufgeführten Positionen anfallenden Kosten zwingend in den Angebotspreis einzukalkulieren sind. Die genannten Regelungen sind vielmehr als reine Vergütungsregelungen zu verstehen. 2.3.3. Anders als die Antragstellerin kann die Vergabekammer nicht erkennen, dass die Beigeladene die fakultativen Ausschlussgründe gem. § 124 Abs. 1 Nr. 8 und 9c) GWB verwirklicht haben könnte.
Soweit sich die Antragstellerin insoweit auf falsche oder irreführende Angaben der Beigeladenen hinsichtlich der ihr zur Verfügung stehenden technischen Ausstattung bezieht, ist hervorzuheben, dass derartige Angaben hinsichtlich der Eignung der Bieter nicht gefordert waren. Die in Abschnitt III.1.3) der Auftragsbekanntmachung geforderte Bestätigung, dass der Bieter über die „vorstehend“ verlangten personellen und technischen Mittel sowie über ausreichende Erfahrungen verfügt, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können, bezieht sich auf die Eigenerklärung gem. Formblatt L 124 EU. In diesem Formblatt war durch die Vergabestelle mittels ankreuzen vorzugeben, welche Erklärungen und Nachweise der Bieter für seine Eignung vorzulegen hatte. Da das Kriterium „Erklärung, aus der ersichtlich ist, über welche Ausstattung, welche Geräte und welche technische Ausrüstung das Unternehmen für die Ausführung des Auftrags verfügt“ nicht vorausgewählt war, war eine solche Erklärung – unabhängig der Frage der wirksamen Bekanntmachung dieses Kriteriums – schon nicht gefordert.
2.3.4. Anhaltspunkte dafür, dass der Wertungspreis der Angebote nicht entsprechend den Vorgaben in den Vergabeunterlagen und/oder unterschiedlich ermittelt wurde, sind nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin eine unzureichende Dokumentation des Vergabeverfahrens beanstandet, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass sich die geltend gemachten Dokumentationsmängel nachteilig auf ihre Rechtsstellung im Vergabeverfahren ausgewirkt haben. Nur dann aber kann sich ein Bieter auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen (vgl. OLG München, Beschluss vom 02.11.2012 – Verg 26/12).
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind vorliegendder Antragsgegner und die Beigeladene.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.
Der Antragsgegnerist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Da der Antragsgegner sowie die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren unterlegen sind, haben sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin gem. § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB i.V.m. § 421 Abs. 1 Satz 1 BGB gesamtschuldnerisch zu tragen.
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters durch die Antragstellerin wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, dadie zweckentsprechende Führung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens die rechtlichen Kenntnisse eines durchschnittlichen mittelständischen Unternehmens weit überschreitet. Für Bieter ist im Vergabenachprüfungsverfahren die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters regelmäßig erforderlich.