Baurecht

Mangelbeseitigungskosten einer Wohneigentumsgemeinschaft

Aktenzeichen  11 O 9068/17

Datum:
7.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163238
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % desjenigen Betrages, dessen Vollstreckung unternommen werden soll.
4. (Beschluss): Der Streitwert beträgt endgültig 1.555.344,46 €.

Gründe

A. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist zulässig.
Ob die behaupteten Ansprüche bestehen, ist eine Frage der Begründetheit. Bestehen sie, so konnte die Klägerin sie auch vergemeinschaften, das heißt an sich ziehen, was mit dem vorgelegten Beschluss umfassend erfolgt ist.
I. – Die allgemeinen Einwendungen der Beklagten gegen die Beschlussfassung greifen nicht durch:
Ob der Beschluss unterschrieben ist, spielt keine Rolle, da er unbestritten gefasst wurde. Die Einhaltung der Formalien (Ladung, Quorum und dergleichen) hat die Beklagtenseite nur pauschal bezweifelt, aber nicht mit Bestimmtheit Anhaltspunkte dafür vorgetragen, woran es konkret gefehlt haben soll.
Irrelevant ist auch, ob bei der Beschlussfassung genau diejenigen Menschen abgestimmt haben, die seinerzeit Erwerber der Beklagten zu 1 gewesen sind. Denn wäre es zu einem Weiterverkauf von Wohnungen gekommen, so wäre hierin jeweils konkludent auf die Abtretung noch bestehender Gewährleistungsrecht gegen die Beklagte zu 1 zu sehen gewesen, so dass jeder Zweit- oder Dritterwerber als ebenso berechtigt anzusehen wäre wie ein Erst-Erwerber. Im übrigen ist selbst anhand des Beklagtenvorbringens nicht ausgeschlossen, dass noch etliche Erwerber Eigentümer sind (so auch die Klägerin, Schriftsatz 3.11.2017). Das genügt, um einen möglichen Anspruch anzunehmen, zu dessen Durchsetzung die Klägerin dann auch befugt ist.
II. – Die Klage ist auch gegen die Beklagte zu 2 zulässig.
Insbesondere ist sie insoweit nicht etwa deshalb unzulässig, weil spezielle Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 nicht vergemeinschaftet worden wären. Diese Ansprüche können sich nämlich nur aus § 128 HGB analog ergeben und hängen daher begrifflich an denen, die die Klägerin gegen die Beklagte zu 1 hätte. Vergemeinschaftet sie letztere, so sind auch die Ansprüche gegen die Beklagte zu 2 mitvergemeinschaftet.
So ist der Beschluss auszulegen, da im Zweifel davon auszugehen ist, dass eine Mitgliederversammlung einer WEG Beschlüsse mit maximaler Effizienz erlassen will (§ 133 BGB).
III. – Nicht zu folgen vermag die Kammer der Rechtsbehauptung von Beklagtenseite, als ob man vertragliche Erfüllungsansprüche nicht vergemeinschaften könne (Bl. 42). Die Grenze der Vergemeinschaftbarkeit ist erst dort erreicht, wo verschiedene vertragliche Ansprüche unterschiedlicher Rechtssubjekte auf Seiten der Erwerber einander widerstreiten würden.
IV. – Zulässig ist auch der Feststellungsantrag (Klageantrag Ziffer II.). Er ist dahin auszulegen, dass die Klägerin eine Haftung für etwaige eigene Aufwendungen und Schäden festgestellt wissen will, die auch dann eintreten könnten, wenn die Beklagten den Klageantrag I erfüllen würden. Diese Neben-Schäden lassen sich erfahrungsgemäß nicht vorab beziffern oder auch nur näher beschreiben.
B. Begründetheit
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Ansprüche der Klägerin sind zwar nicht verjährt (oder sonstwie verwirkt). Sie sind aber durch den Vergleich abgegolten. Daran scheitern auch angestaffelte Ansprüche auf Ersatz von Privatgutachterkosten sowie auf materiellen Schadensersatz in Höhe vorgerichtlicher Anwaltskosten wegen behaupteten Verzuges.
I. – Ansprüche sind nicht verjährt/verwirkt
1. – Verjährung scheidet aus, weil es keine Abnahme gab.
1.1 Jegliche Verjährung setzt eine Abnahme voraus. Die Kammer tritt der (zwischen den Parteien unumstrittenen) Wertung bei, dass jene Abnahme nicht wirksam war, die auf Basis der unwirksamen Abnahmeklausel intendiert war. Diese Abnahmeklausel war nach § 307 Abs. 2 BGB unwirksam, da sie vom gesetzlichen Leitbild (Abnahmebefugnis des Erwerbers) abwich und dies die Erwerber unangemessen benachteiligte.
1.2 Eine konkludente Abnahme in der Folgezeit kommt nicht in Betracht.
1.2.1 Es kann offen bleiben, ob die Mitglieder der Klägerin ab 2008 oder 2009 jenes Erklärungsbewusstsein hatten, das ihnen die Beklagten unterstellen, weil die Klägerin anwaltlich beraten gewesen sei. Dieses Erklärungsbewusstsein läge relativ fern, da in der Rechtsprechung erst in den Jahren 2008 ff in Rechtsprechung und Literatur zunehmend in Frage gestellt wurde, ob Abnahmeklauseln wie die hier verwendete wirksam sein können; das Thema war aber seinerzeit noch längst nicht allgemein in alle Facetten durchdacht.
1.2.2 Darauf kommt es durchgreifend nicht an, denn selbst wenn ein Erklärungsbewusstsein bei den Mitgliedern der Klägerin vorhanden gewesen wäre, würde es immer noch an einer Erklärung fehlen. Die konkludente Abnahme müsste sich ja an irgendeinem Verhalten festmachen, das die Mitglieder der WEG (in ihrem vollen Erklärungsbewusstsein) an den Tag gelegt hätten. Eine kommentarlose Weiternutzung des bereits lange bezogenen Wohneigentums wäre jedenfalls keine solche Erklärung.
II. – Abgeltung durch Vergleich
Ansprüche wegen der klagegegenständlichen Mängel sind im Vergleich abgegolten.
Der Vergleich K4 regelt mit Blick auf diese Mängel (in dem Text K 4 Ziffern 1 bis 4 und Ziffer 6) nichts „anderes“, so dass die Klausel (K4 Ziffer 5) greift, die da lautet: Die Klägerin verzichtet „auf Ansprüche wegen den übrigen gerügten Mängeln“.
Zu diesen „übrigen gerügten Mängeln“ gehören jene, die die Klägerin bereits in ihrem Schreiben vom 26.8.2015 (K 5) angesprochen hatte. Dort beschrieb sie die Fassadenmängel und nahm zusätzlich Bezug auf das selbst erholte Privatgutachten des Sachverständigen P##. Auch was dort steht, gehört also zu den „übrigen gerügten Mängeln“ im Sinne des Vergleichs (K 4 Ziffer 5).
Denn diese „übrigen gerügten Mängel“ waren vor dem Vergleich erstens „gerügt“ und zweitens auch Gegenstand der Vergleichsverhandlungen, wie sie sich anhand des Schriftverkehrs nachweisen lassen: Die Bedenken, die die Klägerin noch in K5 gegen eine abschließende Abgeltung solcher Mängel artikuliert hatte, hat sie später fallen lassen, nachdem die Beklagte auf eine Abgeltung bestand (K6).
Nachfolgend soll das anhand der einzelnen Mangelbehauptungen belegt werden, wobei sich die Kammer in Reihenfolge und Bezifferung an die Vorgabe der Klage hält:
1. Die Mangelbehauptung-1 geht dahin, es sei eine Vielzahl von Rissen im Putz vorhanden, die über den Dämmplattenstößen verlaufen. Die weitere Beschreibung (Bl. 2 Ziffer 1 Satz 2) ist nicht Teil der eigentlichen Mangelbehauptung. Das Gericht hat darauf hingewiesen (Bl. 12) und sah sich durch die Klagepartei bestätigt (Bl. 17).
Diese Risse im Putz waren bereits Gegenstand des Vergleichs.
Schon vor dem Vergleich hatte der klägerseits beauftragte Sachverständige P## Risse im Putz und eine hieraus resultierende beginnende Veralgung und Verpilzung festgestellt und dokumentiert. Sein Schreiben vom 9.6.2015 (B2) schilderte dies. Sogar die Beobachtung, dass diese Risse die Plattenstöße nachzeichnen, ergibt sich bereits aus B2 (vgl. Seite 2 unten) und ist anhand dort wiedergegebener Fotos ohne Mühe nachvollziehbar.
2. Die Brüstungsabdeckungen im Dachgeschoss sind unfachgerecht eingebunden, was zu Hinterfeuchtungen und umfangreichen Putzabsprengungen geführt hat, so die klagegegenständliche Mangelbehauptung-2.
Ansprüche hierwegen sind im Vergleich K4 abgegolten.
Denn schon vor dem Vergleich hat der klägerische Privatgutachter im Schreiben vom 9.6.2015 (B 2, dort Seite 5 und Seite 6) gerügt, dass Schäden vom Übergangsbereich vom Blech ins Mauerwerk auf den Dachterrassen bestünden. Vom Symptom her ist das dasselbe.
3. Die Sockelbereiche an den Loggien sind mangelhaft eingebunden, was zu Hinterfeuchtungen und umfangreichen Putzabsprengungen geführt hat. Diese klagegegenständliche Mangelbehauptung-3 betrifft ebenfalls die Einbindung von Blechen unter den Putz und ist deswegen auch vom Vergleich erfasst, da das Symptom (B 2) zuvor gerügt war und die Klägerin im Vergleich auf weitere Ansprüche verzichtet hat. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend.
4. Die Blechabdeckung hat ein falsches Gefälle, was zu Hinterfeuchtungen und umfangreichen Putzabsprengungen geführt hat.
Diese klagegegenständliche Mangelbehauptung-4 war bereits als Symptom geschildert in den Ausführungen des Privatgutachters vom 9.6.2015 (B 2, dort speziell Seite 7 und Seite 9), die der Vergleich als „übrige gerügte Mängel“ anspricht. Der Privatgutachter beanstandete die Neigung von Blechen. Es kann keinen Unterschied machen, ob diese Bleche nur schwach geneigt oder verhältnismäßig gering geneigt waren (so damals der Privatgutachter), oder ob das Symptom sich nunmehr krasser äußert (oder lediglich schärfer formuliert wird), nämlich als „falsches Gefälle der Blechabdeckung“. Denn das Symptom ist jeweils identisch, nämlich dass durch eine nicht funktonssichere Stellung des Abdeckbleches das Wasser nicht zuverlässig abgeleitet wird und den Putz schädigt.
5. Die Dachrandverblechung weist einen unzureichenden Überstand auf, so die klagegegenständliche Mangelbehauptung-5. Auch diese Behauptung betrifft wieder die Einbindung der Bleche in das umgebende Material (Putz). Diese Einbindung war bereits Gegenstand umfassender Rügen in dem privatgutachtlichen Schreiben B2, das dem Vergleich vorausging, in dessen Aushandlung einfloss und in K 4 Ziffer 5 unter dem Begriff „übrige gerügte Mängel“ einer Verzichtsvereinbarung zugeführt wurde. Auch hier hat das Gericht daher von einer Abgeltung des Mangels auszugehen.
6. Bei den Fensterblechen kann sich aufgrund der fehlenden Dämmung an den Blechunterseiten Kondenswasser bilden, das in der Vergangenheit bereits zu Hinterfeuchtungen im System und den dunklen Flecken (verstärkter Pilzbefall) auf dem Anstrich geführt hat. Dieser mit der Klage behauptete Mangel-6 war als Symptom bereits in der Ausarbeitung des Privatgutachters vom 9.6.2015 (B2) gerügt, und zwar im wesentlichen wortgleich, nämlich als Hinterfeuchtungen und dunkle Flecken im Anstrich.
Zwar hat der Privatgutachter in B2 nicht zur Ursache Stellung genommen; jedenfalls findet sich in B 2 noch nicht die Behauptung, die Ursache sei eine fehlende Dämmung unter den Fensterblechen. Aber darauf kommt es nicht an.
Denn soweit mangels dieser Dämmung in unzulässigem Maße Kondenswasser angefallen ist, kann das lediglich zu dem gleichen Symptom geführt haben, das der Privatgutachter in B2 bereits beobachtete. Die Ursache (“fehlende Dämmung“) ist nicht mit dem Mangel zu verwechseln. Der Mangel war vor dem Vergleich als Symptom formuliert – und damit ausreichend und umfassend beschrieben sowie „gerügt“. Auch wegen dieses Mangels (gleich welche Ursache er hat) ist im Vergleich (K 4 Ziffer 5) ein Verzicht vereinbart. Das gibt dem Vergleich auch in diesem Punkt Abgeltungswirkung.
7. An den Ecken der Fensteröffnungen fehlt die Diagonalarmierung, wie sie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und in den Verarbeitungsrichtlinien des Herstellers zur Vermeidung von Spannungsrissen gefordert wird (Bl. 3) – so die klägerische Mangelbehauptung-7. Die fehlende Diagonalarmierung hat bereits der Privatgutachter in B2 gerügt. Das ergibt sich schon aus dem verschiedentlich in B2 beschriebenen Symptom diagonaler Risse, die von den Ecken ausgehen und sich im Text B2 immer wieder angesprochen finden. Hinzu tritt auf Seite 8 von B2 die Feststellung des Privatgutachters, eine gemäß regelmäßigen Herstellervorschriften geforderte Diagonalarmierung sei nicht erkennbar. Daraus hat das Gericht zu folgern, dass sowohl das Symptom als auch die in Betracht kommende Ursache oder Mitursache (fehlendes Gewebe in den Ecken) bereits vor Vergleichsschluss bekannt war und mit dem Vergleich abgegolten wurde.
8. Die Dämmplatten sind entgegen den anerkannten Regeln der Technik und den Verarbeitungsrichtlinien des Systemherstellers untereinander nicht passgenau und stumpf gestoßen sowie die Fugen nicht mit geeignetem Dämmstoff oder PU-Dämmschaum geschlossen, was neben Wärmebrücken auch zu vorzeitigen Putz- und Anstrichmängeln führt – so die Mangelbehauptung-8 der Klägerin.
Dieser Mangel war bereits vor dem Vergleich bekannt und gerügt. Auch hier ist nämlich das nach außen hin sichtbare korrespondierende Symptom bereits geschildert in den Ausführungen des Privatgutachters der Klägerin vom 9.6.2015 (B2 Seite 9). Der Klägerin wäre lediglich zuzugeben, dass in B2, soweit ersichtlich, die Worte „stumpf gestoßen“ noch nicht verwendet wurden. In der Sache beschrieb der Privatgutachter aber nichts anderes als das, was man sieht, wenn die Plattenstöße nicht sauber ausgeführt werden: Dem Privatgutachter war insbesondere bereits aufgefallen, dass zahlreiche Risse einen Verlauf haben, der darauf schließen lässt, dass der Riss jeweils entlang der Plattenstöße verläuft. Schon das reicht, um anzunehmen, dass der Mangel seinerzeit als Symptom erkannt war, vor dem Vergleich gerügt war und im Vergleich mit abgegolten wurde. Auf Ursachen käme es hier nicht durchgreifend an.
Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass auch die heute behauptete Ursache abgedeckt ist von den Annahmen, die der Privatgutachter bereits anlässlich der von ihm formulierten Mangelrüge in Betracht zog: Der Privatgutachter stellte seinerzeit (B2 Seite 9) die vermuteten Ursachen dar, bezogen auf die Erscheinung der Risse, die entlang den Plattenstößen aufgetreten waren. Er diskutierte dabei drei Ursachen, deren dritte sich praktisch deckt mit der, die die Klägerin nunmehr annimmt: Außer (1.) einem fehlerhaft liegenden Putzgewebe und (2.) einer unzureichenden Verklebung der Dämmplatten zog der Privatgutachter (B2) als mögliche Ursache (3.) in Betracht, dass die Fugen zwischen den Dämmplatten zu groß sein könnten. Das ist praktisch dasselbe wie die aktuelle Ursachenbeschreibung, wonach die Platten „stumpf gestoßen“ sind.
Indes würde auch unabhängig von dieser Ursachen-Koinzidenz gelten: Als Symptom war der Mangel in B 2 bereits beschrieben, somit vor dem Vergleich gerügt und im Vergleich als „übriger gerügter Mangel“ durch Verzicht erledigt.
9. Die WDVS-Platten weisen einen unzureichenden Verbund und damit ein geschwächtes Haftvermögen zum Untergrund auf, so die Mangelbehauptung-9 der Klägerin.
Diese Behauptung aus der Klage ist als Symptom bereits in B2 dokumentiert, und mehr noch: Der Privatgutachter hat dort bereits drei mögliche Ursachen angegeben, deren dritte auch im Klageantrag behauptet ist, nämlich „unzureichender Verbund und geschwächtes Haftvermögen zum Untergrund“: In B2 Seite 9 schreibt der Privatgutachter: „Mögliche Ursache sind ein fehlerhaft liegendes Putzgewebe, zu große Fugen zwischen den Dämmplatten oder eine unzureichende Verklebung der Dämmplatten – was in diesem Zusammenhang nur die Verklebung mit dem Untergrund meinen kann.
Auch dieser Mangel ist folglich bei Vergleichsabschluss bekannt, zuvor gerügt, dem Vergleichsbetrag zugrunde gelegt und im Vergleich abgegolten worden.
10. An der gesamten Fassade (K1) fehlen die Brandriegel. Bei allen Fenstern, Türen, doppelschaligen Wänden am Gebäudeübergang u.ä. muss durch geeignete Maßnahmen (z.B. Tausch des normalen Materiales durch geeignetes, für die Brandschutzertüchtigung zugelassenes Material) die Möglichkeit des Brandüberschlages verhindert werden, so die Mangelbehauptung der Klägerin.
Die Mangelbehauptung ist zwar plausibel, denn es liegt auf der Hand, dass der Brandüberschlag nur verhindert werden kann, wenn man
– brandschutzmäßig ungeeignetes Material unter den Fassadenöffnungen entfernt
– und stattdessen geeignetes Material verbaut.
Diesen Mangel hatte die Klägerin aber vor Vergleichsschluss gerügt: Ihn hatte bereits der Privatgutachter erkannt und dargestellt, indem er (B 2 Seite 5) schrieb, dass die Polystyroldämmung (die gerichtsbekanntermaßen hoch brennbar ist) zwar durch eine Mineralwolldämmung unterbrochen wird (und sich an dieser Stelle bei Materialübergang bereits ein Riss gebildet hat), aber dass diese Mineralwolldämmung brandschutzmäßig ungeeignet sei, da es sich um Glaswolle handele und nicht um Steinwolle. Die tatsächlichen Symptome sind damit bereits in B2 vollständig geschildert.
Es kommt nicht darauf an, dass der Begutachtungszusammenhang in B2 ein geringfügig anderer gedanklicher Ansatz war. Genauer: Der Klägerin ist zuzugeben, dass der Privatgutachter in B2 in seine Untersuchungen nicht eingestiegen ist mit dem Ansatz, zu überprüfen, ob die Brandriegel ordnungsgemäß ausgebildet oder überhaupt vorhanden sind. Vielmehr ist der Privatgutachter eingestiegen bei dem Symptom des Risses, den er dort vorfand, wo zwei unterschiedliche Dämm-Materialien aneinanderstießen (so genannter „Materialwechsel“). Hierhin gehört seine Feststellung, dass es für den Materialwechsel an dieser Stelle bautechnisch kein Bedürfnis gibt, weil die hier verwendete Glaswolle ohnehin brandschutzmäßig nicht geeignet ist. Damit postuliert der Privatgutachter aber bereits in B2 nicht etwa, dass man die Fassade durchgängig mit Polystyrol hätte dämmen sollen – weit gefehlt: Der Sachverständige erinnert vielmehr an dieser Stelle daran, dass die Brandschutzeigenschaft (wie sie unstreitig für einen Brandriegel erforderlich sind) lediglich durch Steinwolle zu vermitteln wäre.
Der Mangel findet sich daher in B2 als doppelte Rüge: Erstens bringt B 2 unter anderem die Symptombeschreibung, wonach die Beklagte zu 1 Glaswolle an der Stelle verbaut hat, wo richtigerweise Steinwolle hingehört. Zweitens enthält B2 enthält sogar schon einen Bewertungsansatz, der sich mit dem Brandschutz beschäftigt: Steinwolle hätte die erforderliche Brandschutzeigenschaft, die der Glaswolle abgeht. Der Privatgutachter begnügt sich nicht mit der Feststellung nur des Risses und des Materialwechsels, sondern moniert auch, dass das verwendete Mineralwolle-Material an dieser Stelle falsch ist, weil es nicht den erforderlichen Brandschutz vermittelt. Damit ergibt sich auch hier das klare Bild, dass die Klägerin den Mangel vor Vergleichsschluss bereits kannte, vor dem Vergleich gerügt hatte und im Vergleich auf weitere Rechte deswegen verzichtet hat und infolge der Abgeltungswirkung des Vergleichs mit den klagegegenständlichen Ansprüchen gesperrt ist.
11. Diese Sperrwirkung gilt für die gesamte Fassade, auch wenn die Privatbegutachtung sich nur auf einzelne Fassadenseiten (Süd und West, K 15 grün markiert) bezog und die Parteien vor Abschluss des Vergleichs nur über Mängel korrespondiert hatten, die an der Süd- bzw. Westseite augenfällig geworden waren (Schriftsatz vom 3.11.2017, S. 3). Das gilt auch, wenn die Klägerin vor Vergleichsschluss die Kosten auf der Basis schätzte, dass nur die Süd- und Westfassade zu bearbeiten sein würde (Schriftsatz 3.11.2017, S. 4; K 4, B 3).
11.1 Denn die Klägerin bringt selbst vor: Sie wollte das Risiko von weiteren Kosten (B 1) (nur) übernehmen, soweit in dem Privatgutachten (B 2) „Anhaltspunkte für solche Mängel und ihre Ursachen enthalten sind“ (ebd.). Vorstehend war zu zeigen, dass die klagegegenständlichen Mängel in dem Privatgutachten (B 2) nicht nur als Anhaltspunkte auftauchen, sondern als Symptom ausdrücklich genannt sind und der Privatgutachter über relevante Strecken auch noch eine Ursachen-Erklärung mitliefert, die sich mit dem Vortrag der Klägerin im vorliegenden Prozess deckt. Die Kammer folgt daher nicht der klägerischen Wertung, wonach es „keine Überschneidung“ gebe zwischen den klagegegenständlichen Mängeln und den vor Vergleichsschluss bekannten (Schriftsatz 3.11.2017 S. 6). Genauer: Es gibt in der Tat keine Überschneidung, sondern die Mängelbeschreibungen decken sich in vollem Umfang miteinander.
11.2 Auf vorstehende „Anhaltspunkt-These“ der Klägerin kommt es aber nicht einmal durchgreifend an: Sondern ein Fassadenmangel, den die Klägerin mit Blick auf West- oder Südseite gerügt und als Symptom beschrieben hat, ist auch dann ein „gerügter Mangel“, wenn er sich späterhin an weiteren Fassadenseiten zeigt. Die Abgeltungsbestimmung des Vergleichs knüpft nicht an die gerügten Flächen an, sondern an den gerügten Mangel.
11.3 Das gilt auch, soweit die Klägerin bestimmte Sanierungsmaßnahmen vor Vergleichsschluss nicht für erforderlich hielt (Schriftsatz 3.11.2017, Seite 5). Die Abgeltungsbestimmung knüpft nicht an Maßnahmen an, sondern an Mängel.
12. Diese Sperrwirkung erstreckt sich auch auf die Nebenansprüche.
12.1 Nach dem Vergleichsschluss kann die Beklagte zu 1) nicht in Verzug geraten sein mit einer etwa noch geschuldeten Beseitigung von Mängeln. Es ist daher ein Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten weder als materieller Schadensersatzanspruch wegen Verzugs mit Mangelbeseitigung zuzusprechen, noch als unselbständiger Nebenanspruch im Zusammenhang mit einem etwaigen Verzug der Beklagten, bezogen auf die eingeklagte Zahlung.
12.2 Auch ein Ersatzanspruch hinsichtlich Privatgutachterkosten ist nicht gerechtfertigt. Es kann offen bleiben, ob die Privatgutachterkosten vorliegend ein Mangelfolgeschaden sind oder nur entstanden, um die Fassade noch einmal auf Mängel zu untersuchen. Denn auch dieser mängelassoziierte Anspruch ist mit dem Vergleich abgegolten und erledigt, die Klägerin also mit der Forderung gesperrt.
13. Aus alledem ergibt sich, dass auch dem Feststellungsantrag kein Erfolg beschieden sein kann.
C. Von Amts wegen zu treffende Entscheidungen
I. – Kosten
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
II. – „v.V.“
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 ZPO.
III. – Streitwert
Der Streitwert war endgültig zu taxieren. Wie schon bei der vorläufigen Streitwertfestsetzung (Bl. 12) musste einem Ansatz von 1,4 Mio. € für Antrag I. ein 10-%iger Aufschlag hinzugerechnet werden für den flankierenden Feststellungsantrag. Aufzuaddieren waren noch 4.230,45 € für die Privatgutachterkosten.
Hinzu kommt (was der Beschluss zur vorläufigen Festsetzung übersah), dass die vorgerichtlichen Anwaltskosten in behaupteter Höhe von 11.114,01 € hier als selbständiger materieller Anspruch eingeklagt sind (vgl. Klage Seite 8) und den Streitwert deswegen erhöhen (ebd.). Es kommt dabei nicht auf die Bewertung der Beklagten an, sondern die Intention der Klägerin.
Der Streitwert summiert sich daher auf 1.555.344,46 €.

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