Baurecht

Mobilfunkanlage im Außenbereich, Unzulässiger Antrag bei fehlender Nachbarschaft

Aktenzeichen  M 9 SN 21.4958

Datum:
10.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45687
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 iVm § 80a
VwGO § 42 Abs. 2
BauGB § 35 Abs.1 Nr.3, Abs.3 Nr.3 und Nr.5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben zu je 1/7 die Kosten des Verfahrenseinschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. zu tragen. Der Beigeladene zu 2. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 26250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die der beigeladenen Bauherrin erteilten Baugenehmigung zur Errichtung eines Mobilfunkmasten auf dem Grundstück FlNr. … im Eigentum des beigeladenen Markt Kösching.
Das Vorhabensgrundstück ist ein Waldgrundstück im Außenbereich am Rande des Geltungsbereichs der Landschaftsschutzgebietsverordnung vom 14.9.1995“ Naturpark Altmühltal (Südliche Frankenalb)“ idF v 12.12. 2013.
Die Antragsteller sind Eigentümer von mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücken im Geltungsbereich des Bebauungsplans “E. … “ des beigeladenen Markts, der dort ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Mit Antrag vom18.5.2020 beantragte die Beigeladene zu 1. (im folgenden: Bauherrin) die Erteilung einer Baugenehmigung für einen 35 m hohen und ca.1,50m breiten Mobilfunkmast als Stahlgittermast mit 2 Plattformen und Outdoortechnik sowie Fundamentplatte. Beigefügt waren eine Verpflichtungserklärung nach § 35 Abs. 5 S.2 BauGB zum Rückbau und ein Landschaftspflegerischer Begleitplan vom 30.4.2020, ausweislich dessen die Rodung von 60 qm Wald am Standort und einem 1 m breiten Zuweg nötig war.
Der Beigeladene zu 2. (im folgenden: Markt) hat mit Beschluss v. 18.6.2020 das gemeindliches Einvernehmen für 4 G und 5 G erteilt (Bl.53 BA).
Die Untere Naturschutzbehörde hat mit Schreiben vom 28.7.2020 (Bl.60 BA) und vom 18.8 2021 (Bl.119 BA) Stellung genommen und eine Erlaubnis nach § 7 Abs. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung (im folgenden: VO) erteilt. Es handele sich hier um ein Landschaftsschutzgebiet nach der weiterbestehenden Schutzzone Naturpark Altmühltal. Ein Eingriff iSd. § 14 BNatschG mache Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen nach der Bayerischen Kompensationsverordnung (BayKompV) notwendig. Wegen des Artenschutzrechts, § 44 BNatschG, sei eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände für alle europarechtlich geschützten Arten erforderlich. Erforderlich seien die vorgeschlagenen Auflagen bezüglich der Rodung, der Naturverjüngung durch Sukzession, der ökologischen Baubegleitung bei der Baustelleneinrichtung, dem Verbot von Fahren und Abstellen auf angrenzenden Flächen und der Bauzaunerrichtung.
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), Ingolstadt, Bereich Forsten nahm mit Schreiben vom 21.7.2020 Stellung (Bl.66 BA). Es seien 127 qm Gemeindewald betroffen mit einem ca.50 Jahre altem Bestand, geschätzt zu 45% Kiefer, 30% Lärche, 20% Fichte und 5% Bergahorn. Die Bäume hätten eine Höhe von ca. 20 m und in 40-50 Jahren von ca.30 m. Nach dem Waldfunktionsplan handele es sich um Wald mit einer besonderen Funktion als Lebensraum, für das Landschaftsbild und als regionaler Klimaschutzwald im Landschaftsschutzgebiet Naturpark Altmühltal. Der Rodung nach Art. 9 Abs. 2 BayWald werde unter der Auflage einer Aufforstung mit Laubbäumen der temporär genutzten Fläche und der Landwirtschaftsfläche FlNr. … im Eigentum des Marktes zugestimmt.
Nach einer Vereinbarung vom 13.10.2020/2.11.2020 (Bl.91 BA) hatte die Bauherrin mangels geeigneter Ausgleichsflächen eine Ersatzzahlung in Höhe von 7735,00 Euro an den Bayer. Naturschutzfond zu leisen; das Geld ist bezahlt.
Nach der saP des Büros für naturschutzfachliche Gutachten J. … vom November 2020 (Bl.96ff BA) bestehen keine Bedenken bei Umsetzung der Vermeidungs- und Ersatzmaßnahmen.
Der Marktgemeinderat hat am 15.10. 2020 (Bl.112) einen Beschluss über Einholung eines Gutachtens über den Standort und den Bedarf für eine Grundversorgung mit Telefonie gefasst. Nach dem Gutachten der Technischen Hochschule Deggendorf über fünf Alternativstandorte 0-4 sind die Standorte 0 und 1 technisch geeignet. Planungsbedarf bedeute heutzutage die Sicherstellung der mobilen Datenkommunikation, nicht die Sprachtelefonie.
Mit Bescheid vom 20.August 2021 erteilte das Landratsamt die beantragte Baugenehmigung (Ziff.I) unter Auflagen (Ziff. II). Danach besteht Verpflichtung zum Rückbau (II.1). Ziff.3: Vereinbarung über Ersatzzahlung v.20.11.2020 ist Bestandteil der Genehmigung (II.3). Die Genehmigung nach § 7 Abs. 2 der Verordnung Naturpark Altmühltal wurde erteilt (II.11). Die Rodungserlaubnis nach Art.9.BayWaldG wurde erteilt (II.12).
Die Aufforstung temporär genutzter Flächen mit Laubbäumen (II.13) und die Neuaufforstung ebenso großer Fläche im Nahbereich (II.14) wurde angeordnet. Ebenfalls aufgenommen wurde ein Vorbehalt weiterer Auflagen im öffentlichen Interesse (II.19). Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid und seine Begründung Bezug genommen.
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom 16.9.2021 Klage (M 9 K 21.4957) und beantragte mit Schriftsatz vom selben Tage gem. § 80 Abs. 5 iVm § 80a Abs. 1 Nr.2 VwGO:
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird einstweilen, bis zum Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren, angeordnet. Bis zum Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist dem Beigeladenen aufzugeben, nicht mit den Bauarbeiten zu beginnen.
Zur Begründung hat die Bevollmächtigte vorgetragen, dass die Antragsteller alle in dem Bebauungsplan E. … … festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet wohnen. Die Entfernung der Grundstücke zum Mobilfunkmast betrage 77 m bis 170 m. Wegen des Immissionschutzes seien alle Antragsteller Nachbarn der Anlage. Das Bauvorhaben läge in einem faktischen FFHGebiet und im Geltungsbereich der Landschaftsschutzverordnung „Naturpark Altmühltal“ die ein Bauverbot mit Erlaubnisvorbehalt gem. § 6 Abs. 1 VO anordne. Die Antragsteller hätten einen Abwehranspruch wegen des Abstandsgebots gem. § 50 BImschG iVm Störfallverordnung (Serveso III Richtlinie), wegen der Nutzungskollision einer heranrückenden Industrieanlagennutzung verbunden mit negativen Umwelteinwirkungen, die die WA-Wohnutzung störten, wegen einer gebietsunverträglichen Störung aufgrund der optisch erdrückenden Wirkung des vierfach höheren Masten in mindestens 77 m Entfernung und der wahrnehmbaren gewerblichen Überformung des Allgemeinen Wohngebiets, wegen der von der Baubehörde wegen der Unverbindlichkeit der Standortbescheinigung nach § 22 BImschG selbständig zu prüfenden Strahlenbelastung und wegen des Verstoßes gegen das Vorsorgeprinzip aufgrund der Nichtberücksichtigung athermischer Strahlungseffekte, für die § 36 BImSchG keine eigene Vorsorgeregelung enthalte. Die Antragsteller hätten Anspruch auf Gefahrenvorsorge und müssten sich nicht auf den Schadenseintritt verweisen lassen. Ein Abwarten mit dem Bau bis zur Hauptsacheentscheidung sei wegen der Leistungsfähigkeit vorhandener Mobilfunkanlagen zumutbar. Ein Ermessensfehlgebrauch läge vor, da das Abstandsgebot, die Störfallverordnung und das Vorsorgegebot nicht geprüft wurden, weshalb dem Eilantrag nach den Grundsätzen der Folgenabwägung statt zu geben sei.
Die Flurnummern der einzelnen Grundstücke der Antragsteller wurden trotz der Bitte des Gerichts in der mündlichen Verhandlung bisher nicht vorgelegt.
Der Antragsgegner nahm mit Schreiben vom 25.10.2021 und 14.11 2021 Stellung und beantragte,
Antragsablehnung
Ein Baubeginn sei nicht erfolgt. Die Standortbescheinigung müsse im Baugenehmigungsverfahren nicht vorgelegt werden und sei jetzt da. Die Ausgleichszahlungen seien bezahlt worden. Ein gleich geeigneter Standort sei im Innenbereich nicht verfügbar. Naturund Landschaftspflege seien nicht drittschützend. Schädliche Umwelteinwirkungen durch den Mast als Bauwerk gebe es nicht. Es gebe keinen Gebietserhaltungsanspruch für Vorhaben im Außenbereich und kein Recht auf eine unverbaute Landschaft (VG Augsburg U.v.26.9.2016 – Au S 16.316). Der Mobilfunkmast sei nach § 35 Abs. 1 Nr.3 BauGB im Außenbereich privilegiert. Es läge kein Fall des § 35 Abs. 3 Nr.3 BauGB vor, da die Strahlung der Anlage nicht Prüfungsgegenstand im Baugenehmigungsverfahren sei (BayVGH B.v.8.6.2015 – 1 CS 15.914). Der Naturschutz stehe nicht gem. § 35 Abs. 3 Nr.5 als öffentlicher Belang dem Vorhaben entgegen. Es läge keine erhebliche Beeinträchtigung des Naturhaushalts iSd § 14 Abs. 1 BNatschG vor, da keine ökologisch wertvollen Flächen erheblich beeinträchtigt würden und es kein Biotop sei. Deshalb seien keine Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 15 Abs. 2 BNatSchG nötig. Wegen des mastartigen Eingriffs höher als 20 m sei eine Ersatzzahlung beruhend auf der Intensität „hoch“ des Eingriffs in Natur- und Landschaftsbild festgesetzt worden, da dafür keine Kompensation real möglich sei. Im Übrigen drohe keine Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbilds, da Mast eher schmächtig wirke.
Die beigeladene Bauherrin beantragte zuletzt,
Antragsablehnung
Die Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur liege vor und werde den Beteiligten übergeben. Auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten im Verfahren M 9 SN 21.5136 werde verwiesen.
Der beigeladene Markt hat Stellung genommen. Maßgeblich für die Standortwahl sei die Zahl der Betroffenen gewesen. Der Eingriff in das Natur- und Landschaftsbild sollte zugleich so gering wie möglich gehalten werden. Der Markt habe sich seit November 2011 bis August 2021 insgesamt 24-mal mit dem Mobilfunkmasten beschäftigt, eine Aufstellung der Termine sei beigefügt. Die Alternativstandorte seien begutachtet worden, auf die beigefügte Präsentation der Technischen Hochschule Deggendorf werde verwiesen.
Mit Beschluss vom 2.Dezember 2021 wurde das Verfahren des Antragstellers zu 6.(Herr T.A.) abgetrennt und unter dem neuen AZ M 9 SN 21.6254 eingestellt, nachdem der Antragsteller zu 6. nach der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 19.11.2021 Klage und Eilantrag zurückgenommen hat.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Mobilfunkmasten ist unzulässig, da die Antragsteller keine Nachbarn sind.
Vorliegend fehlt es an der Antragsbefugnis der Antragsteller und der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren als Sachurteilsvoraussetzung, § 42 Abs. 2 VwGO. Danach ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein; dies gilt entsprechend für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Durch die Regelung des § 42 Abs. 2 VwGO soll verhindert werden, dass sich im Wege der verwaltungsgerichtlichen Klage Dritte zum Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit oder einzelner anderer zur Wahrung von Gesetz und Recht machen (Sodan in Sodan/Ziekow, Kommentar VwGO, 5. Auflage 2018 Rn. 386).
Die Antragsteller sind nicht als Grundstückseigentümerin im selben Baugebiet bzw. als unmittelbare Nachbarn klagebefugt, da sie sich nicht als unmittelbar angrenzende und möglicherweise von Immissionen betroffene Nachbarn im baurechtlichen Sinn auf die Möglichkeit der Verletzung von drittschützenden Normen und eigener Rechte berufen können. Ausweislich der Adressen und der Angaben der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung liegen alle Grundstücke im Gemeindegebiet in einem durch den Bebauungsplan E. …-* festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet; die Zuordnung nach den Flurnummern war nicht möglich. Die Mindestentfernung zum vorgesehenen Standort berträgt 77 m und keines der Grundstücke grenzt an das Vorhabensgrundstück an. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs und des Rücksichtnahmegebots scheidet aus.
1. Ein Dritter, der nicht Adressat des Verwaltungsaktes ist, hat nur dann die Befugnis zur Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt, wenn die Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte als möglich erscheint (hM, sog.Möglichkeitstheorie). Die Antragsteller können als Eigentümer der Wohngrundstücke nicht geltend machen, durch die der Bauherrin erteilte Baugenehmigung in subjektiven Rechten verletzt zu sein.
Baurechtlich setzt die mögliche Verletzung eigener Rechte voraus, dass es sich um den Eigentümer eines benachbarten Grundstücks handelt. Klagebefugt ist nur der baurechtliche Nachbar. Der baurechtliche Nachbarbegriff setzt eine räumliche Nähe des klägerischen Grundstücks zu dem Baugrundstück voraus. Wenn wie hier die Grundstücke der Antragsteller nicht an das Vorhabensgrundstück angrenzen hängt diese räumliche Nähe, die für den Nachbarbegriff maßgeblich ist, davon ab, wie weit durch nachbarschützende Vorschriften der Kreis der Berechtigten gezogen wird.
2. Die Antragsteller können sich nicht auf eine mögliche Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs berufen. Da hier die Grundstücke der Antragsteller im durch Bebauungsplan festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet liegen und das Vorhabensgrundstück im Außenbereich fehlt grundsätzlich eine rechtlich relevante Nachbarschaft. Der Gebietserhaltungsanspruch besteht zwar unabhängig von der Entfernung zwischen den Grundstücken und einer konkreten Beeinträchtigung durch eine gebietsfremde Nutzung, er scheidet allerdings aus, wenn die Grundstücke wie hier jeweils zu einem anderen Gebietstypus gehören.
3. Eine Klagebefugnis kann auch nicht einer möglichen Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme entnommen werden, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO, § 35 Abs. 3 S.1 Nr.3 BauGB. Da sich das angegriffene Vorhaben im bauplanungsrechtlichen Außenbereich befindet, folgt das Gebot der Rücksichtnahme aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Die Antragsteller haben allerdings nicht dargelegt, dass das Vorhaben für sie schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen könnte, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
a) Die Ausführungen zur Strahlenbelastung, die von der Mobilfunkanlage ausgehen, sind nicht zu der Herleitung einer Klagebefugnis aufgrund einer möglichen Verletzung nachbarrechtlicher Vorschriften geeignet.
Die Standortbescheinigung ist nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens und es besteht keine Prüfpflicht der Baugenehmigungsbehörde (BayVGH, B.v. 19.10.2017 – 1 ZB 15.2081); eine Konzentrationswirkung des Baugenehmigungsverfahrens besteht nicht. Die Standortbescheinigung liegt außerdem vor und ist anfechtbar. Es ist nicht ersichtlich, worin ein Recht des Nachbarn auf entsprechende Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung bestehen könnte, dass die Baugenehmigung den Vorgaben der 26. BImSchV entsprechen müsse.
Bei der Mobilfunkanlage handelt es sich um eine nicht genehmigungspflichtige Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die Pflichten der Betreiber derartiger Anlagen sind in § 22 BImSchG geregelt. Die 26. BImSchV konkretisiert das vom Normengeber für erforderlich gehaltene Maß dessen, was an Umwelteinwirkungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG für die Nachbarschaft zumutbar ist. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Februar 1997 ist die 26. BImSchV eine geeignete Maßnahme zur Abwehr von Gesundheitsgefahren aus elektromagnetischen Feldern. Ausweislich der Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur vom 9.11.2021, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde, hält die Mobilfunkanlage der Bauherrin die standortbezogenen Sicherheitsabstände zum Schutz vor elektromagnetischen Feldern basierend auf den Grenzwerten des § 3 der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) ein. Ist die Standortbescheinigung erteilt, sind die immissionsfachlichen und gesundheitlichen Aspekte geklärt (BayVGH, B.v. 22. 2021 – 9 CS 21.2520 mit weiteren Nachweisen). In diesem Fall liegt die Standortbescheinigung vor und es ist davon auszugehen, dass die nach der 26. BImSchV erforderlichen Sicherheitsabstände eingehalten und keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder hervorgerufen werden (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 4 C 2.12). Nach der Standortbescheinigung beträgt bei einer Höhe des geplanten Mastens von 32,93 m die Hauptrichtung vom Gesamtstandort 16,39 m und vertikal (90 Grad) 4,84 m. Damit ist offensichtlich ausgeschlossen, dass dieser Sicherheitsabstand auf dem Grundstück der Antragsteller liegt. Eine Klagebefugnis kann deshalb hieraus nicht abgeleitet werden. Abgesehen davon haben die Antragsteller in keiner Weise dargelegt, weshalb sie trotz der deutlich größeren Entfernung ihres Grundstücks zum Bauvorhaben konkreten schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt sein könnten (VG Stuttgart, B.v. 29.6.2021 – 11 K 1585/21).
b) Der Sachvortrag zum Abstandsgebot nach § 50 BImschG iVm. Störfallverordnung (Serveso III Richtlinie), einer heranrückenden Industrieanlagennutzung und der gewerblichen Überformung des Allgemeinen Wohngebiets und des Verstoßes gegen das Vorsorgeprinzip aufgrund der Nichtberücksichtigung athermischer Strahlungseffekte sind nicht schlüssig, da es sich weder um ein Kernkraftwerk noch um eine Industrieanlage handelt. Eine Klagebefugnis lässt sich den vermutlich ein anderes Vorhaben betreffenden Ausführungen nicht entnehmen.
c) Der Anblick des Mobilfunkmasten („optisch erdrückend“) gibt ebenfalls keine Klagebefugnis, da dies keinen Verstoß gegen Gebot der Rücksichtnahme darstellen kann. Eine einmauernde oder verschattende Wirkung ist wegen der Entfernung von ca. 77m bis ca. 200m sowie der zwischen dem Vorhabensgrundstück und den Grundstücken der Antragsteller liegenden weiteren Grundstücke und der Bauweise des Mobilfunkmasten ausgeschlossen.
4. Sonstige mögliche Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts oder des Bauordnungsrechtes sind nicht ersichtlich und wurden nicht vorgetragen. Die Abstandflächen werden eingehalten. Die Standortbescheinigung liegt vor. Unzumutbare gesundheitlich Beschwerden durch die negativen optischen Wirkungen und die schädlichen Umweltauswirkungen sind als unbelegte Behauptungen nicht geeignet, den Bewohnern einer in der Nähe gelegenen Gemeinde Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben im Außenbereich und damit eine Klagebefugnis zu vermitteln.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO abzulehnen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. waren gem. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO den Antragstellern aufzuerlegen, da die Beigeladene zu 1. einen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Der Beigeladenen zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 51 Abs. 1 GKG iVm. Streitwertkatalog. Zum Zeitpunkt der Entscheidung waren es sieben Antragsteller, da die Rücknahme durch den damaligen Antragsteller zu 6. und die Einstellung des Verfahrens nach Abtrennung (M 9 SN 21.6254) erst am 19.11. 2021 nach Niederlegung dieser Entscheidung erfolgte.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben