Baurecht

Möglicher Vergabeverstoß durch wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-24-05/17

Datum:
23.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2017, 127710
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2014/24/EU Art. 4
GWB GWB § 97, § 106, § 130 Abs. 2, § 135 Abs. 1 Nr. 2
VgV VgV § 3 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2, § 67

 

Leitsatz

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VgV ist bei der Schätzung des Auftragswerts vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Der Gesamtwert bestimmt sich nach der Summe aller Kosten der nachgefragten Leistungen. Hierzu können auch die zur Leistungserbringung erforderlichen Energiekosten zählen, auch wenn der Auftraggeber die Bieter hiervon freistellt. (Rn. 84 – 92)
2. Die Abgrenzung zwischen sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen im Sinne des § 130 GWB und sonstigen Dienstleistungen erfolgt unter Heranziehung der in Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU genannten CPV-Codes. Der Hauptgegenstand wird gem. § 130 Abs. 2 GWB danach bestimmt, welcher geschätzte Wert der Dienstleistungen am höchsten ist. (Rn. 93)
3. Bei der Auslegung der CPV-Codes ist zu beachten, dass einzelne CPV-Codes in den unterschiedlichen amtlichen Sprachfassungen der VO (EG) Nr. 213/2008 eine erheblich abweichende Bedeutung haben und zudem unklar ist, welche Teilleistungen unter einen CPV-Code zu subsumieren sind. (Rn. 93 – 100)
4. Eine stark wettbewerbseinschränkende Leistungsbestimmung stellt dann einen Vergaberechtsverstoß dar, wenn die vom Auftraggeber herangezogenen sachlichen Gründe tatsächlich nicht existieren bzw. nicht belegbar sind. (Rn. 113 – 116)

Tenor

1.Im streitgegenständlichen Vergabeverfahren Schulverpflegung der Grund- und Mittelschule in P… (Referenznummer der Bekanntmachung: …) wird der Antragsgegnerin untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
2.Das Vergabeverfahren wird aufgehoben.
3.Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens (Gebühren der Vergabekammer). Auslagen sind nicht angefallen.
4.Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. 
5.Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin beabsichtigt die Schulverpflegung der Grund- und Mittelschule in P… im Wege eines offenen Verfahrens als Lieferauftrag für die Zeit vom 01.02.2018 bis 31.07.2021 zu vergeben und hat dies mit europäischer Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften vom 21.03.2017 veröffentlicht. Nach Ziffer II.2.7 der Bekanntmachung soll der Auftrag nicht verlängert werden können. Dagegen wird unter Ziffer 3 Vertragslaufzeit der Ausschreibungsunterlagen aufgeführt, dass die Leistungserbringung zunächst für den Zeitraum vom 01.02.2018 bis 31.07.2019 erfolgen solle und der Vertrag sich höchstens zweimal um jeweils ein weiteres Jahr verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von 6 Monaten vor Vertragsende schriftlich gekündigt wird.
Gegenstand der Vergabe ist nach Ziffer 1 des Leistungsverzeichnisses die Herstellung und die Ausgabe von Mittagsverpflegung für die Schüler der zur Zeit im Bau befindlichen Grund- und Mittelschule P…, … der Antragsgegnerin sowie die damit verbundene Geschirr- und Küchenreinigung an den Schultagen. Zur eigenverantwortlichen Leistungserbringung werden dem Auftragnehmer die Küchenräumlichkeiten der Mensa unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Dabei ist der Beginn der Leistungserbringung zwingend an die Fertigstellung und Inbetriebnahme der Grund- und Mittelschule P… gebunden.
Die Schüler der Ganztagesklassen der Mittelschule, sowie der ab dem Schuljahr 2017/18 angebotenen Ganztagesklassen der Grundschule sind von Montag bis Donnerstag zur Teilnahme an der Mittagsverpflegung verpflichtet. Am Freitag ist es den Eltern freigestellt, die Schüler für die Mittagsverpflegung anzumelden. Die übrigen Schüler sind zur Teilnahme an der Mittagsverpflegung berechtigt. Die Mittagsverpflegung am Freitag ist, wenn Bedarf vorhanden ist, durch den Auftragnehmer auch bei geringerer Teilnehmeranzahl in gleichwertigem Umfang zu erbringen.
Die Vergabe erfolgt als Gesamtauftrag. Nebenangebote wurden nicht zugelassen (II.2.10 der Bekanntmachung).
Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde der 21.04.2017, 10:00 Uhr, festgelegt.
Aus Nummer 2.1.1 des Leistungsverzeichnisses geht hervor, dass vorliegend das Cook& Hold-Verfahren (Warmbelieferung) und das Cook& Chill-Verfahren (Kaltbelieferung) nach DIN 10536:2016-03 in Abhängigkeit von der Beschaffenheit der Produkte als Verpflegungssysteme zugelassen wurde. Eine Erweiterung um weitere Verpflegungssysteme zusätzlich zu den zwei definierten Systemen war nach Ziffer 2.1.1 des Leistungsverzeichnisses nicht zugelassen.
Ausweislich Kapitel 1.4 des Leistungsverzeichnisses stellt die Antragsgegnerin dem späteren Auftragnehmer eine neue und funktionstüchtige Regenerier- und Verteilküche inklusive Mobiliar und küchenspezifischen Anlagen unentgeltlich zur Verfügung. Die Unterhaltung und sachgemäße Pflege der definierten Geräte und Räumlichkeiten obliegt dem Auftragnehmer. Alle Wartungsintervalle und Reparaturen, der im Eigentum der Antragsgegnerin befindlichen Geräte, werden durch diese sichergestellt bzw. beauftragt und die hierdurch entstehenden Kosten sowie Ersatzbeschaffungen von der Antragsgegnerin übernommen. Alle mit den Telefon- Fax- und EDV-Anschlüssen verbundenen Geräte sowie Kosten gehen zu Lasten des Auftragnehmers.
Die Küchenräumlichkeiten werden ohne Kleininventar und ohne Geschirr zur Verfügung gestellt. Das Küchenkleininventar (Küchen-Utensilien, Töpfe, GN-Behälter, etc.) ist durch den Auftragnehmer zu erbringen und im Menüpreis einzukalkulieren.
Gem. Nr. 3.1 des Leistungsverzeichnisses stellt der Auftraggeber dem Auftragnehmer im Rahmen des Dienstleistungsauftrages voll ausgestattete gastronomische Räumlichkeiten (ohne Kleininventar oder Geschirr) für die Schulverpflegung zur Verfügung. Ein Entgelt wird nicht erhoben.
Die Kosten für die Nutzung des gestellten Küchengroßinventare, Heizung, elektrischer Energie, Gas und Wasser übernimmt der Auftraggeber.
Nach Nr. 4 und Nr. 5 der Ziffer 5.1.1 des Leistungsverzeichnisses erfolgt die Verrechnung der Speisen direkt zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber anhand der erfassten Bestellungen des Abrechnungssystems. Die Rechnungstellung an den Auftraggeber soll monatlich zum Monatsende erfolgen (vgl. auch Ziffer 5.1).
Mit E-Mail vom 11.04.2017 hat die Antragstellerin zu 1 eine Bieterfrage an die Antragsgegnerin gestellt und hinsichtlich Ziffer 2.1.1 angefragt, ob es zutreffend sei, dass ein Angebot des Cook& Freeze-Verfahrens (Tiefkühl-Wiedererhitzungsverfahrens) ausgeschlossen sein soll.
Daraufhin teilte die Antragsgegnerin am 18.04.2017 mit, dass für die geplante Schulverpflegung unempfindliche Produkte im Cook& Hold- oder Cook& Chill-Verfahren anzuliefern seien. Sensible Produkte seien für eine möglichst hohe Produktqualität erst Vorort zu garen bzw. zu regenerieren. Möglich sei zudem, unter Wahrung der optimalen Produktqualität und der Ernährungsphysiologie eine Kombination der zwei genannten Verpflegungssysteme. Eine Erweiterung der Verpflegungssysteme, z.B. im Cook& Freeze-System sei nicht zugelassen.
Mit Schreiben vom 20.04.2017 rügten sowohl die Antragstellerin zu 1 als auch zu 2 wortgleich diverse Vergabeverstöße, insbesondere einen Verstoß gegen die verspätete Beantwortung der Bieterfrage (§ 20 Abs. 3 Ziffer 1 VgV), den Ausschluss des sogenannten Cook& Freeze-Verfahrens und die konkrete Aufnahme von Optionen. Zudem belegten die zur Angebotskalkulation ausgegebenen, ansteigenden Verpflegungs- / Schülerzahlen, dass offensichtlich neben der Grund- und Mittelschule auch die gleichzeitige Versorgung der Volksschule P… avisiert werde, womit zumindest teilweise eine faktische Vergabe auch dieser Leistung vorgenommen werden soll (Direktvergabe). Dies sei unzulässig.
Gemäß der Niederschrift über die Submission haben bis zum Schlusstermin zwei Bieter Angebote abgegeben, nicht aber die Antragstellerinnen zu 1 und 2. Beide Bieter wurden anschließend am 05.05.2017 zur Angebotspräsentation (Probeessen) am 16.05.2017, um 16.00 Uhr, geladen. Nach der Gesamtwertung der Angebote belegte die Beigeladene den ersten Platz.
Mit Schreiben vom 08.05.2017 teilte die Antragsgegnerin den beiden Antragstellerinnen jeweils getrennt mit, dass aufgrund des Umstands, dass diese der apetito Gruppe angehörten und aufgrund ihrer wortgleichen Rüge davon ausgegangen werde, dass sich die Antragstellerinnen wettbewerbswidrig verhalten. Aufgrund ihrer Vorgehensweise führe dies von vornherein zur zwingenden Nichtberücksichtigung der beiden Unternehmen. Ferner wurden die Rügen vollumfänglich zurückgewiesen.
Da den Rügen nicht abgeholfen wurde, stellten die Antragstellerinnen durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 22.05.2017 einen Nachprüfungsantrag und beantragten,
1.Der Antragsgegnerin wird es untersagt, das Vergabeverfahren für Schulverpflegung der Grund- und Mittelschule in P… an der I.. auf Grundlage der bisherigen Ausschreibung durch Zuschlagserteilung abzuschließen
2.Hilfsweise zu vorstehender Ziffer 1:
Es wird festgestellt, dass hinsichtlich des öffentlichen Auftrags über Schulverpflegung der Grund- und Mittelschule in P… an der I.. ein etwaiger Zuschlag bzw. etwaige Zuschläge der Antragsgegnerin gem. § 135 Abs. 1 Ziff. 1, 2 GWB unwirksam ist und /oder sind.
3. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht den Auftrag Schulverpflegung der Grund- und Mittelschule in P… an der I.. unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.
4. Den Antragstellerinnen wird Akteneinsicht nach Maßgabe des § 165 GWB gewährt.
5. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen wird für notwendig erklärt.
6. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerinnen.
Die Antragstellerinnen wiesen im Nachprüfungsantrag darauf hin, dass sie Teil des apetito-Konzerns seien und selbständig an öffentlichen Ausschreibungen im Bereich der Verpflegung sowie des Catering etc. teilnehmen. Aktuell werde die Volksschule P…, die sich unter gleicher Anschrift (…) wie die neue Grund- und Mittelschule P… befinde, von der Antragstellerin zu 1 beliefert.
Mit einem geschätzten Gesamtvolumen des Auftrags von mindestens insgesamt ca. 1.074.087,50 € netto sei der maßgebliche Schwellenwert „gemäß § 106 GWB i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU, Verordnung 2015/2170(EU)“ überschritten. Der geschätzte Gesamtauftragswert setze sich zusammen aus
– der geschätzten „unmittelbaren“ Vergütung der Antragsgegnerin für die gegenständlichen Lieferungen, hier ca. 790.000 € netto (basierend auf der kalkulatorisch angegebenen Portionszahl von 185.935)
– sowie den unentgeltlichen Gegenleistungen des Auftraggebers,
wie der unentgeltlichen Überlassung sämtlicher technischer Einrichtungen, die mindestens einem Wert von ca. 113.850,- € betragen, der Übernahme sämtlicher Energiekosten durch die Antragsgegnerin von ca. 36.890,00 €, des optional anzubietenden Geschirr von ca. 6.000,00 €, die von der Antragsgegnerin auf dessen Kosten übernommene Wartungs- und Reparaturarbeiten an sämtlichen bereitgestellten Geräten von ca. 39.847,50 € netto, „die bei der Volksschule als Bestandsschule „de-facto“ mit vergebenen Verpflegungskontingente von mindestens 87.500,00 €“ sowie weitere Faktoren wie die erlassenen Pacht- /Mietzinsen.
Die Ausschreibungs- und Vertragsbedingungen würden die Antragstellerinnen ungerechtfertigt ausschließen und diskriminieren, da durch die Ziffer 2.1.1 des Leistungsverzeichnisses und die Bestätigung durch die Antwort auf die Bieteranfrage Anbieter von Cook& Freeze-Systemen ausgeschlossen seien, was sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Der Verweis der Antragsgegnerin auf ihre Entscheidungsfreiheit gehe fehl. Das Bestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers habe seine Grenzen, wo dieser ein bestimmtes Produkt, Verfahrens- oder Herstellungsarten bevorzuge und damit insbesondere andere Anbieter diskriminiere. Die Einschränkung auf das Cook& Hold-Verfahren und das Cook& Chill-Verfahren (Kaltbelieferung) sei nicht gerechtfertigt. Die Ausführung der Antragsgegnerin, wonach „Tiefkühlkost“ nicht den Eltern vermittelbar sei, sei nicht nachvollziehbar, da bei der Volksschule P… dies seit Jahren praktiziert werde und dort akzeptiert werde. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb Cook& Freeze-Anbieter ausgeschlossen würden, aber dann tatsächlich der Einsatz von Tiefkühlprodukten nach den weiteren Ausschreibungsbedingungen akzeptiert und sogar gefordert werden (vgl. Ziff. 1.2 des Leistungsverzeichnisses) und entsprechende technische (Tiefkühl-) Voraussetzungen geschaffen würden.
Auch dürften dabei subjektive Erwägungen keine Rolle spielen. Durch die mittelbaren Zugeständnisse der Antragsgegnerin in der Antwort auf die Rüge, wonach subjektive Erwägungen / Interessen zu dem Ausschluss des Cook& Freeze-Systems geführt hätten, werde die Sachwidrigkeit und Willkürlichkeit des Vorgehens weiter belegt. Der Nachprüfungsantrag sei bereits aufgrund des gezielten Ausschlusses bestimmter Marktteilnehmer begründet.
Zudem seien die gesetzten Fristen diskriminierend. Die von der Antragsgegnerin vorgegebene Angebotsfrist (21.04.2017) sei im Verhältnis zu dem Zeitpunkt der avisierten Leistungsausführung unangemessen. Dabei sei im Wesentlichen zu berücksichtigen, dass der Vertrag erst am 01.02.2018 beginne, aber eine Beauftragung bis Juli gefordert sei (Bindefrist 20.07.2017) und sich dann, wenn die bisherige Marktbeschränkung aufgehoben werden müsse, potentielle neue Bieter in die Lage versetzt sein müssen, die notwendigen Maßnahmen auszuarbeiten, um ein Angebot abzugeben.
Ferner seien nach § 20 Abs. 3 Ziffer 1 VgV Antworten auf Bieterfragen spätestens 6 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist zur Verfügung zu stellen. Dies sei nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin habe die Bieterfragen erst am 18.04.2017 beantwortet, die Angebotsfrist endete aber bereits am 21.04.2017. Damit liege ein Verstoß gegen § 20 Abs. 3 VgV vor.
In Bezug auf nicht bekanntgegebene Eignungsnachweise und Forderung unbestimmter Konzepte führten die Antragstellerinnen aus, dass der pauschale Verweis in der Bekanntmachung auf die abzugebenden Eigenerklärungen, die in den Ausschreibungsunterlagen ersichtlich seien, unzulässig sei.
Zudem seien die Zuschlagskriterien und das Bewertungsverfahren in nicht ausreichender Weise bekannt gemacht worden, so dass es dem Bieter bzw. interessierten Unternehmen nicht möglich sei, den Bewertungsmaßstab zweifelsfrei zu erkennen und hiernach sein Angebot auszurichten. Dies sei insbesondere der Fall soweit Gremien sensorische Prüfungen im Lebensmittelbereich vornehmen würden. Ferner wurden weitere Unklarheiten in Bezug auf Anlage B (Bewertungsmatrix) in Verbindung mit den weiteren Unterlagen, die vorgesehene Bewertung des Preises und Unklarheiten zu den konkreten Anforderungen im Hinblick auf die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit der Leistungserbringungen gerügt.
Die Vergaberechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Ausschreibung folge auch aus § 135 Abs. 1 Ziffer 2 GWB. Vorliegend sei keine vorherige öffentliche Bekanntmachung des Auftrags der Verpflegung der Volksschule P… erfolgt, obgleich im Zuge der Ausschreibung gegenüber Mitarbeitern der Antragstellerinnen durch Beschäftigte der Volksschule P… mitgeteilt worden sei, wonach der Auftragnehmer „Grund- und Mittelschule“ die Verpflegung der Volksschule voraussichtlich faktisch übernehmen werde, was eine unzulässige de-facto-Vergabe sei.
Der Nachprüfungsantrag sei auch zulässig. Durch die Gestaltung der Ausschreibung seien die Antragstellerinnen davon abgehalten worden, ein Angebot innerhalb der Angebotsfrist einzureichen. Zudem sei es unter den dargelegten Umständen den Antragstellerinnen nicht zuzumuten gewesen, innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot abzugeben.
Auch liege entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb vor. Sie verkenne, wonach eine Antragstellerin, die Teil eines Konzernverbundes sei, nicht per se aus jeglichem Vergabeverfahren ausgeschlossen seien, soweit wie vorliegend kein Verstoß gegen den Geheimwettbewerb vorliege.
Die Vergabekammer informierte die Antragsgegnerin mit Schreiben 23.05.2017 über den Nachprüfungsantrag und forderte deren Vergabeunterlagen an, die am 26.05.2017 bzw. 29.05.2017 eingegangen sind.
Nach Fristverlängerung nahm die Antragsgegnerin durch ihren nun mandatierten Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14.06.2017 Stellung und beantragte,
1.Die Nachprüfungsanträge zurückzuweisen;
2.der Antragstellerin zu 1) und der Antragstellerin zu 2) die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen; und
3.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
Die Antragstellerinnen hätten neben einer Vielzahl von vermeintlichen Vergaberechtsverstößen auch eine vermeintliche „De-Facto-Vergabe“ hinsichtlich der Schulverpflegung der „Volksschule P… an der I..“ geltend gemacht. Dies sei jedoch ein eigenständiger Nachprüfungsantrag, da dies einen eigenen Streitgegenstand darstelle. Ein Nachprüfungsverfahren zur Feststellung der Unwirksamkeit einer bereits beendeten Vergabe ohne vorherige Veröffentlichung stelle einen anderen Sachverhalt dar, als ein Nachprüfungsverfahren über vermeintliche Vergaberechtsverstöße. Da die Antragsgegnerin über die Schulverpflegung der Grund- und Mittelschule in P… aktuell kein Vergabeverfahren durch Zuschlag beendet habe, gebe es insoweit keinen vergebenen Auftrag. Allenfalls könnte als unzulässige Direktvergabe die letztmals im November 2016 stattgefundene Preisanpassung zwischen der Antragstellerin zu 1 und der Grund- und Mittelschule in P… an der I.. als vermeintliche wesentliche Vertragsänderung im Sinne des § 132 GWB und daher als neuausschreibungspflichtige Tatsache, aufzufassen sein. Da die letzte Preisanpassung jedoch mehr als sechs Monate vor Einreichung des Nachprüfungsantrags erfolgt sei, scheitere der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Antragstellerin zu 2 an der sechsmonatigen Maximalfrist des § 135 Abs. 2 S. 1 GWB. Der Antragstellerin zu 1) fehle diesbezüglich die Antragsbefugnis, weil ihr durch die Vertragsanpassung kein Schaden entstanden ist oder zu entstehen drohe.
Weiter teilte die Antragsgegnerin mit, dass die Vergabekammer Südbayern in dem gegenständlichen Nachprüfungsverfahren nicht zuständig sei, weil der geschätzte Auftragswert vorliegend den maßgeblichen EU-Schwellenwert in Höhe von 750.000,00 € weder erreiche noch übersteige. Die streitgegenständliche Vergabe umfasse sogenannte „soziale und andere besondere Dienstleistungen“ nach Artikel 74 der Richtlinie 2014/24/EU, bei denen gemäß Art. 4 lit. d) der Richtlinie 2014/24/EU der EU-Schwellenwert 750.000 € (netto) betrage (Verweisung der nationalen Norm § 106 Abs. 2 Nr. 1 HS 1 GWB auf Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU). Denn der gegenständliche Auftrag umfasse die Beschaffung von Leistungen, deren Hauptgegenstand die
– Auslieferung von Schulmahlzeiten („School-meal services“) – CPV-Code: 55523100-3) und die
– Verpflegungsdienste für Schulen („School catering services“) – CPV-Code: 55524000-9) bilde.
Die Antragsgegnerin habe gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 VgV den maximalen Leistungszeitraum von 3 ½ Jahre (42 Monate) vollständig für die Berechnung des kalkulatorischen Auftragswerts zugrunde gelegt. Auch habe sie den Leistungszeitraum aus objektiven Gründen auf 3 ½ Jahre begrenzen dürfen. Der Zeitraum für die Leistungserbringung solle ausweislich Kapitel 3 des Leistungsverzeichnisses wegen des erst noch abschließend zu errichtenden Neubaus der Grund- und Mittelschule in P… an der I.. unterschuljährig zum 01.02.2018 beginnen. Ein Vertragsbeginn zu Beginn des Schuljahres 2018/2019 wäre zu spät gewesen. Die Schülerverpflegung solle somit mit dem Beginn des Schulbetriebs der neu zu errichtenden Grund- und Mittelschule anfangen. Die Vertragslaufzeit solle aber nicht unterschuljährig beispielsweise nach 48 Monaten enden. Die Antragsgegnerin habe aus objektiven Gründen das Ende der Laufzeit der Rahmenvereinbarung auf das Ende des Schuljahres gelegt, damit ein möglicher neuer Auftragnehmer (als Ergebnis eines dann neuen Vergabeverfahrens) die Möglichkeit habe, sich in den Sommerferien mit den Räumlichkeiten und der Technik der Mansa auseinander zu setzen, damit die Leistung mit einer angemessenen Vorbereitungszeit zu Beginn eines neuen Schuljahrs im September erfolgen kann.
Somit sei ein maximaler Leistungszeitraum von 3 1/2 Jahren objektiv geboten gewesen.
Für die Berechnung des kalkulatorischen Auftragswerts sei bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen, die in der Form einer Rahmenvereinbarung beschafft werden, gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 10 Nr. 2 VgV nur die maximale Laufzeit der Rahmenvereinbarung, also der Leistungszeitraum von 3 ½ Jahren zu berücksichtigen. Dabei werde auf den geschätzten Gesamtwert aufeinanderfolgender Aufträge, die während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate bezogen werden, abgestellt. Dieser geschätzte Wert werde dann auf den gesamten Leistungszeitraum, also auf die gesamten 42 Monate hochgerechnet. Die Antragsgegnerin habe zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens auf der Basis des geschätzten Gesamtwerts der ersten zwölf Monate einen geschätzten Auftragswert für die maximale Laufzeit der Rahmenvereinbarung (48 Monate) ermittelt, der unter 750.000 € netto liege. Daher finde über § 106 Abs. 1 Satz 1 GWB der 4. Teil des GWB vorliegend keine Anwendung, auch wenn die Antragsgegnerin in Ziffer VI.4.1 der EU-Auftragsbekanntmachung die Vergabekammer Südbayern als zuständige Stelle für Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren genannt habe. Der Nachprüfungsantrag sei nicht statthaft.
Soweit die Antragstellerinnen den Ausschluss des sogenannten „Cook& Freeze-Verfahren“ geltend mache, sei das Vorbringen gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert, denn bereits aus Kapitel 2.1.1 des Leistungsverzeichnisses folgte, dass dieses Verpflegungssystem ausgeschlossen sei. Aus der Beantwortung der Bewerberfrage hätten die Antragstellerinnen keine weiteren Erkenntnisse erhalten.
Soweit die Antragstellerinnen erstmals in ihren Nachprüfungsanträgen den Vermeintlichen Verstoß gegen § 67 VgV gelten machen, fehle es insoweit an einer vorherigen Rüge.
Der Nachprüfungsantrag sei zudem unbegründet. Die Auffassung der Antragstellerinnen, dass die Angebotsfrist gemäß § 20 Abs. 3 VgV hätte verlängert werden müssen, sei nicht richtig, da die Information für die Erstellung des Angebots unerheblich gewesen sei (§ 20 Abs. 3 S. 3 VgV). Die Antwort auf die Bewerberfrage habe genau den Inhalt dessen wiederholt, was bereits eindeutig in Kapitel 2.1.1 des Leistungsverzeichnisses, sogar durch entsprechende Hervorhebung transparent gemacht worden sei. Damit habe es keinerlei neue Informationen, die nicht bereits durch die Vergabeunterlagen bekannt gewesen seien, gegeben. Somit sei die Frist zur Angebotsabgabe nicht zu verlängern gewesen.
Der Ausschluss des Verfahrens der Tiefkühlung und Wiedererhitzung von Speisen (Cook& Freeze-Verfahren) sei vom Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers gedeckt. Das Vergaberecht regle nicht, was der öffentliche Auftraggeber zu beschaffen habe, sondern lediglich die Art und Weise der Beschaffung. Keine Einschränkung des Leistungsbestimmungsrechts durch § 14 Abs. 6 VgV erfolge dann, wenn mindestens zwei Wirtschaftsteilnehmer die Leistung am Markt anbieten könnten, was sich vorliegend auch durch die Mehrzahl an Angeboten verschiedener Wirtschaftsteilnehmer zeige. Die Antragsgegnerin habe vorliegend die Möglichkeit zur Deckung ihres konkreten Beschaffungsbedarfs im Vorfeld mittels einer Marktrecherche ordnungsgemäß evaluiert. In einem zweiten Schritt hätten sämtliche Akteure auf Seiten der Antragsgegnerin (unter anderem Vertreter der Schuleinrichtungen, des Elternbeirats sowie der Stadträte und Repräsentanten der Stadtverwaltung) die Vor- und Nachteile zu den verschiedenen Versorgungssystemen gegeneinander abgewogen, die ein unabhängiger Berater für Verpflegungsmanagement vorgestellt habe. Eine abschließende Gremiumsentscheidung habe ergeben, dass sich die Antragsgegnerin ausschließlich für die beiden Versorgungssysteme „Cook& Hold“ sowie „Cook& Cill“ entschieden habe.
Es liege auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Produktneutralität vor. Das Leistungsverzeichnis gebe weder Produkte vor, nach beschränke es sich hinsichtlich der geforderten Mindestbedingungen gemäß Kapitel 9.3 i.V.m. Kapitel 2.1.1 des Leistungsverzeichnisses auf die Verpflegungssysteme nur eines bestimmten Unternehmens. Es seien sogar zwei Verfahren zugelassen worden.
Weiterhin machte der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin Ausführungen zur Bekanntmachung der Eignungskriterien, zur Freiheit des Auftraggebers bei der Festlegung der Eignungskriterien hinsichtlich der Beschaffung von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen im Sinne von Artikel 74 der Richtlinie 2014/24/EU, der konkrete Festlegung der Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung, zur vorgesehenen Bewertung des Gesamtpreises sei und zur Aufnahme von Bedarfspositionen.
Die Antragsgegnerin trug weiterhin vor, es habe bisher keine neue Vergabe der Schulverpflegung der Grund- und Mittelschule stattgefunden. Insoweit könne es keine unzulässige Direktvergabe gegeben haben. Soweit als unzulässige Direktvergabe die letztmals im November 2016 stattgefundene Preisanpassung gemeint sei, sei zu beachten, dass die Antragstellerinnen von demselben Rechtsanwalt vertreten werden. Dies sei standesrechtlich äußert kritisch anzusehen.
Da das gegenständliche Nachprüfungsverfahren nicht statthaft sei, sei auch die beantragte Akteneinsicht zu versagen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 19.06.2017 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gem. § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 31.07.2017 verlängert.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über Beiladungen, den Umfang der Akteneinsicht sowie ggf. über die Verfahrenseinstellung nach Antragsrücknahme mit Schreiben vom 20.06.2017 auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
Nach Fristverlängerung nahmen die Antragstellerin zu 1 und 2 noch mit Schreiben vom 30.06.2017 zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14.06.2017 Stellung und klärten vorsorglich mit Nichtwissen, wonach die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den unbelegten Inhalte angeblicher Abstimmungs-Workshops, Ergebnisse externer Dienstleister sowie bestmöglich geschätzter Schülerzahlen, unzutreffend seien.
Der Erwerb der schulspezifischen Mahlzeiten bzw. deren „Lieferung“ sei im vergaberechtlichen Sinne Ziel der vorliegenden Beschaffung und damit der Auftragsgegenstand. Zu festgelegten Zeiten in einem 3-Schicht-System solle eine vordefinierte Anzahl an Mahlzeiten, deren Inhalt / Zusammenstellung im Rahmen eines Bestellsystems im Vorfeld festgelegt werde, bereitgestellt werden. Der wesentliche Leistungsinhalt werde unter Ziffer 5.1.1 Abs. 3 des Leistungsverzeichnisses präzise dargestellt. Es wurde diesbezüglich auch auf Ziffer 5.5 ff. des Leistungsverzeichnisses verwiesen. Dies werde auch bestätigt, indem sowohl die technische Einrichtung, wie auch erforderliche Energie / Versorgung unentgeltlich seitens des Auftraggebers beigestellt werde. Vorliegend liege ein Lieferauftrag vor und kein Dienstleistungsauftrag. Aber selbst bei Unterstellung, es liege eine Kombination von Lieferung und Dienstleistung vor, überwiege der Lieferbestandteil des öffentlichen Auftrags bei Weitem.
Deshalb sei der von der Antragsgegnerin angegebene CPV-Code im Hinblick auf den maßgeblichen Hauptgegenstand des vorliegenden Auftrags unzutreffend. Die Schulmahlzeit als auftragsgegenständliche „Ware“, bilde den Hauptbestandteil des öffentlichen Auftrags, woraus sich die Anwendung des CPV-Codes 15894210-6 „Schulmahlzeiten“ rechtfertige und die angebliche, vergaberechtliche Privilegierungen bei ordnungsgemäßer Anwendung des § 110 Abs. 2 Ziffer 2 GWB zugunsten der Antragsgegnerin nicht einschlägig sei.
Die Vergabekammer sei vorliegend zuständig, da der Einwand der Antragsgegnerin, wonach der Nachprüfungsantrag wegen Nichterreichen des Schwellenwertes unzulässig sei, unhaltbar sei.
Die Antragsgegnerin habe den Versuch unternommen, eine tatsächlich und rechtlich unzutreffende „Auftragskonstruktion“ zu bemühen, um das angebliche „Nicht-Erreichen“ des Schwellenwerts zu begründen. Seitens der Antragsgegnerin werde nicht bestritten und damit zugestanden, dass weitere schätzungs- und auftragswertrelevanten Umstände, u. a. die unentgeltliche Überlassung der technischen und sonstigen Einrichtungsgegenstände, die Übernahme sämtlicher Energiekosten etc. durch die Antragsgegnerin sowie die übernommenen Wartungs- und Reparaturkosten durch den Auftraggeber zu berücksichtigen seien. Als Grundregel sehe § 3 Abs. 1 VgV vor, dass bei der Schätzung des Auftragswertes der Gesamtwert der von dem Auftragnehmer empfangenen entgeltlichen Vorteile des Auftragsgebers zugrunde zu legen sei. Hieraus folge, dass bei der Schätzung des Auftragswertes realistische Mengen und jede Art der Vergütung (entgeltliche und unentgeltliche) zugrunde zu legen seien. Es gelte der Grundsatz, im Zweifelsfall von der größtmöglichen Auftragssumme auszugehen. Diesen Anforderungen würden die Ausführungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Inhalte der Kostenschätzung nicht gerecht. Es sei nicht der von der Antragsgegnerin bemühte, erhöhte Schwellenwert im Falle der Vergabe sozialer und anderer besonderer Dienstleistungen gemäß § 106 Abs. 2 Ziffer 1 GWB hier maßgeblich, sondern derjenige für Liefer- und Dienstleistungen gemäß §§ 110 Abs. 2, Ziff. 2; 106 Abs. 2, Ziff. 1 GWB i.V.m. Art. 4 Lit. c) der Richtlinie 2014/24/EG, mithin 209.000,00 €.
Vorsorglich für den Fall, dass die Vergabekammer von einem für soziale und besondere Dienstleistungen erhöhten Schwellenwert von 750.000,00 € ausgehen sollte, wurde vorgetragen, dass dieser ebenfalls überschritten werde.
Das neue Schulgebäude sei auf den gleichzeitigen Unterricht von 32 Schulklassen ausgelegt. Gleichzeitig stünden die „Annahmen“ der Antragsgegnerin gemäß Ziffer 1.5 des Leistungsverzeichnisses diametral entgegen, wonach bei Vollauslastung von einer Gesamtschülerzahl von 335 ausgegangen worden sei.
Fraglich sei bereits, ob es sich bei dem vorliegenden Lieferauftrag um eine Rahmenvereinbarung im eigentlichen Sinne der §§ 103 Abs. 5 GWB, 21 VgV handle. Selbst bei Unterstellung der Richtigkeit der Annahme einer Rahmenvereinbarung in diesem Sinne, ergebe sich aus § 3 Abs. 4 VgV, die Maßgeblichkeit des zu schätzenden Gesamtwerts aller Einzelaufträge während der Laufzeit des Vertrags. Unterstellt, der vorliegende Vertrag sei als „Rahmenvereinbarung“ einzuordnen, handle es sich nicht um einen „regelmäßig wiederkehrenden Auftrag“, sondern um eine einzelne Rahmenvereinbarung mit einer avisierten Laufzeit von 4 Jahren ab dem Zeitpunkt ihrer Unterzeichnung. Für derartige „Rahmenverträge“ sehe § 3 Abs. 11 Nr. 1 VgV in Übereinstimmung mit der Regelung des § 3 Abs. 4 VgV den Gesamtwert aller denkbaren Aufträge als zu schätzender Auftragswert vor und § 3 Abs. 10 VgV gelte nicht.
Es stehe fest, dass die Antragsgegnerin bei der Schätzung des Auftragswertes in unzulässige Weise nicht von der größtmöglichen Auftragssumme ausgegangen sei. Sie habe keine anhand der aktuellen Schülerzahlen der Grund- und Mittelschule und der zukünftigen Kapazität des Schulgebäudes realistische Portionszahl zugrunde gelegt und darüber hinaus zwingend zu berücksichtigende geldwerte Vorteile sowie die gemäß Preisgleitklausel unter Ziff. 8.2 des Leistungsverzeichnisses zu erwartenden Preissteigerungen unzulässig außer Acht gelassen.
Für den Fall, dass die Vergabekammer den Ausführungen der Antragstellerinnen zum geschätzten Auftragswert im Nachprüfungsantrag nicht folgen könne (S. 14), sei eine eigenständige Schätzung des Auftragswertes durch die Vergabekammer erforderlich. Dabei sei die aktuelle Schülerzahl von ca. 650 Schülern zu berücksichtigen, bei einem Belieferungszeitraum von 657 Schultagen (Februar 2018 bis Juli 2021), bei einem geschätzten Portionspreis von ca. 4,00 Euro sowie unter Berücksichtigung der unentgeltlich zur Verfügung gestellten technischen Einrichtungen und Warenwerte zu einem Nutzungswert von 113.850,00 Euro, Energiekosten von ca. 36.890,00 Euro, erlassener Wartungs- und Reparaturkosten von ca. 39.847,50 Euro und der als Option abgefragten Lieferung von Geschirr.
Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin seien die Rügen nicht präkludiert. Sie seien unzweifelhaft vor dem Ende der Angebotsfrist (§ 160 Abs. 3 S. 1 Ziffer 3 GWB) eingegangen und zudem ausgehend von dem Datum der eingereichten Bieterfrage der Antragstellerin zu 1 vom 11.04.2017 sei sogar die 10-tägige Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Ziff. 1 GWB gewahrt worden. Dies wurde noch näher erläutert.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, in Bezug auf den Verstoß gegen den Grundsatz der Produktneutralität wurde auf die Ausführungen des Nachprüfungsantrags verwiesen und dies noch näher begründet. Wie sich anhand der tatsächlichen Umstände des vorliegenden Sachverhalts feststellen lasse, handle die Antragsgegnerin mit der unzulässigen Zielsetzung, bestimmte Herstellungs- bzw. Aufbereitungssowie Lieferverfahren (hier: Cook& Freeze-Verfahren) von einer Möglichkeit zur Teilnahme auszuschließen. Angesichts der tatsächlichen Ausschreibungsinhalte in Zusammenschau mit dem auf reine Begrifflichkeiten gestützten Teilnahme- und Markbeschränkungen liege inhaltlich ein „Etikettenschwindel“ vor. Dem Auftraggeber obliege die Darlegungs- und Beweislast für die sachliche Rechtfertigung des Beschaffungsgegenstands inkl. der Behauptung, dessen Definition diene der Vermeidung angeblicher Nachteile. Die diesbezüglich vorgetragenen pauschalen Gründe der Antragsgegnerin, wörtlich aus „Geschmacks- und Imagegründen“, würden einen faktischen Ausschluss der Antragstellerinnen und anderer Marktteilnehmer nicht rechtfertigen.
Wie die beigefügte Pressemitteilungen der politischen Entscheidungsträger der Antragsgegnerin sowie Medienberichte belegten, verfolge das politische Umfeld der Antragsgegnerin seit Beginn des Jahres 2015 das Ziel im Zuge des Neubaus der Grund- und Mittelschule P…, eine Beschaffungsmaßnahme nach diskriminierenden und vergaberechtswidrigen Bedingungen zu initiieren. Im Ergebnis solle dem Cook& Freeze-Verfahren ein Marktzugang unmöglich gemacht werden, obgleich sowohl hinsichtlich der technischen, wie auch qualitativen Ausschreibungsinhalte und –vorgaben der Antragsgegnerin der Einsatz von Tiefkühlprodukte gefordert und gefördert werde.
Die Antragstellerinnen nahmen noch kurz zu dem Verstoß gegen die außer Acht gelassenen bzw. unzureichend angesehenen Aspekte der Nachhaltigkeit und des Energieverbrauchs etc., sowie des Verstoßes gegen § 20 Abs. 3 VgV Stellung und verwies bezüglich der weiteren Ausführungen der Antragsgegnerin zu den Verstößen auf ihre Ausführungen im Nachprüfungsantrag. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 30.06.2017 verwiesen.
Mit Beschluss vom 05.07.2017 wurde die S… GmbH, die von der Entscheidung der Vergabekammer in erheblicher Weise berührt sein könnte, beigeladen.
Ebenfalls wurde am 05.07.2017 der Umfang der Akteneinsicht festgelegt, und der Antragstellerin zu 1 und 2 Akteneinsicht gewährt.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 05.07.2017 zur mündlichen Verhandlung am 14.07.2017, um 10.00 Uhr, in den Räumen der Regierung von Oberbayern geladen.
Jeweils mit Schreiben vom 07.07.2017 teilte die Vergabekammer allen Parteien mit, dass nach ihrer vorläufigen Rechtsauffassung möglicherweise eine Bestimmung des Hauptgegenstandes der Leistung gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 GWB erforderlich werde und bat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung um Auskunft, welchen geschätzten Wert folgende Leistungsbestandteile haben:
1. Herstellung der Speisen in den Produktionsstätten des Auftragnehmers
2. Lieferung der Speisen in die Schule
3. Teilfertigung von Kaltkomponenten, Fertiggaren von standzeitsensiblen Komponenten und Regenerierung von Cook & Chill-Komponenten in der Schule und die Speiseausgabe
4. Spül- und Reinigungsleistungen sowie Müllentsorgung durch den Auftragnehmer.
Die Antragstellerin nahm mit Schreiben vom 10.07.2017 noch zur gewährten Akteneinsicht Stellung und führte aus, dass die Vergabeunterlagen belegten, dass sachlich ungerechtfertigte und diskriminierende Zielsetzungen verfolgt würden, die Gründe für die Rechtfertigung der Diskriminierung in Widerspruch zu den Leistungs- und Ausschreibungsvorgaben stünden, die Fehlerhaftigkeit der herangezogenen Schätzung des Auftragswertes offenkundig sei und keine bzw. eine unzureichende Dokumentation des Ausschreibungsvorgangs sowie keine sachlich gebotene zwingende Markterkundung erfolgt sei.
Dies wurde im Einzelnen erläutert.
In Bezug auf die rechtswidrige Zielsetzung wurde auch darauf hingewiesen, dass die …-Gruppe, die als Beratungsunternehmen bei dem Workshop der Antragsgegnerin fungiert habe, dafür bekannt sei, die Produktionsprozesse mit Ausrichtung auf das Cook& Chill-Verfahren zu empfehlen. Auch werde auf der Homepage dieses Unternehmens unter Rubrik „Unsere Partner“ auf die Beigeladene verwiesen und die Beigeladene veranstalte gemeinsam mit der … GmbH Workshops im Bereich „Einkauf-Planung-Beratung von Verpflegungssystemen. Es sei nicht bekannt, inwieweit die enge geschäftliche Verbundenheit der Antragsgegnerin bekannt gemacht worden sei.
Die Schätzung des Auftragswerts sei unter Anwendung fehlerhafter Portions- und Schülerzahlen sowie fehlerhafter Preisangaben offensichtlich fehlerhaft. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen.
Die Beigeladene übermittelte mit Schreiben vom 10.07.2017 die von der Vergabekammer mit Schreiben vom 07.07.2017 erbetenen Informationen und bat um Geheimhaltung der Angaben. Danach überwiegt nach der Kalkulation der Beigeladenen der Kostenaufwand für den Auftragsbestandteil „Herstellung der Speisen in den Produktionsstätten des Auftragnehmers“ nach ihrer Kalkulation, die übrigen von der Vergabekammer abgefragten Kostenbestandteile Auch die Antragstellerin nahm mit Schreiben vom 12.07.2017 Stellung zu dem Schreiben der Kammer und teilte im Wesentlichen mit, dass auf den Auftragsbestandteil „Herstellung der Speisen in den Produktionsstätten des Auftragnehmers“ der weit überwiegende kalkulatorische Gesamtanteil der gegenständlichen Leistungen entfalle. Sie verwies nochmals diesbezüglich auf ihren Schriftsatz vom 30.06.2017 und 10.07.2017.
Am 14.07.2017 fand die mündliche Verhandlung in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Antragstellerinnen haben angegeben, dass sie die Verfahren „Cook& Chill“ und „Cook& Hold“ nicht anbieten. Sie seien insbesondere durch die Ziff. 2.1.1 des Leistungsverzeichnisses mit Verweis auf die DIN 10536:2016-03 an der Abgabe eines Angebots gehindert worden. Die Antragsgegnerin erklärte, dass sie keine weiteren Unterlagen hinsichtlich der mit Schreiben vom 07.07.2017 von der Kammer erbetenen Informationen vorlegen werde. Die Antragstellerin zu 1 und 2 hielten ihre Anträge vom 22.05.2017 und die Antragsgegnerin hielt ihre Anträge vom 16.06.2017 aufrecht.
Mit Verfügung vom 24..07.2017 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer gem. 167 Abs. 2 S. 2 GWB vom Vorsitzenden der Vergabekammer bis zum 31.08.2017 verlängert.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurde, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
1. Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Liefer- und Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 und 4 GWB. Die Antragsgegnerin ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB.
1.1 Der maßgebliche Schwellenwert gemäß § 106 GWB i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU und der Verordnung 2015/2170(EU) ist überschritten. Dies gilt auch dann, wenn man mit der Antragsgegnerin davon ausgeht, dass die streitgegenständliche Vergabe im Hauptgegenstand soziale und andere besondere Dienstleistungen gem. § 130 GWB (Art. 74 der Richtlinie 2014/24/EU) umfasst, bei denen gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 4 lit. d) der Richtlinie 2014/24/EU der EU-Schwellenwert 750.000 € (netto) beträgt.
Die dokumentierte Berechnung des Schwellenwerts der Antragsgegnerin erfüllt die Anforderungen an die Ermittlung des maßgeblichen Schwellenwerts nämlich nur teilweise, weshalb die Vergabekammer gehalten war, eine eigenständige Ermittlung des Schwellenwerts unter Berücksichtigung des Sachverhaltes vorzunehmen (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29.01.2013 – Az.: Verg W 8/12; OLG Celle, Beschluss vom 19.08.2009 – Az.: 13 Verg 4/09; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.11.2008 – Az.: 15 Verg 4/08; VK Südbayern, Beschluss vom 12.11.2012 – Az.: Z3-3-3194-1-36-07/12).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VgV ist bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Zudem sind nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VgV etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen. Der Gesamtwert bestimmt sich nach der Summe aller Kosten der nachgefragten Leistungen (BGH Urteil vom 20.11.2012, Az. X ZR 108/10; OLG München Beschluss vom 07.03.2013, Az. Verg 36/12) unter Berücksichtigung jeglicher Geldströme (OLG Brandenburg Beschluss vom 12.01.2016, Az. Verg W4/15; OLG Düsseldorf Beschluss vom 10.12.2014, Az. VII-Verg 24/14.
Grundgedanke ist die Berücksichtigung jeder Ausgabe mit wirtschaftlichem Wert und jeder Zahlung, die der öffentliche Auftraggeber tätigen wird (Greb in Ziekow/Völlink, Vergaberecht § 3 VgV Rn. 6).
Die Antragsgegnerin ist bei ihrer Auftragswertschätzung allerdings von einem realistischen Portionspreis für die Schulmahlzeiten ausgegangen und auch ihre Annahmen hinsichtlich der Schülerzahlen sind nicht zu beanstanden. Da lediglich die Schüler der Ganztagsklassen der Mittelschule und die Schüler der ab dem Schuljahr 2017/18 neu eingeführten Ganztagsklassen der Grundschule zur Teilnahme an der Mittagsverpflegung verpflichtet sind und die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen hat, dass die Schüler die übrigen Grund- und Mittelschulklassen (ohne Ganztagsunterricht) und das Lehrpersonal von der Möglichkeit, an der Mittagsverpflegung teilzunehmen, erfahrungsgemäß keinen Gebrauch machen, ist sie von realistischen Nutzerzahlen ausgegangen. Für das Schuljahr 2017/18 ist daher von einer Gesamtzahl von 215 Schülern auszugehen, davon 40 Grundschüler (nur 1. Klassen) und 175 Mittelschüler. Für das Schuljahr 2018/19 sind 255 Schüler zu erwarten, davon 80 Grundschüler (1. und 2. Klassen) und 175 Mittelschüler, für das Schuljahr 2019/2020 sind 295 Schüler zu erwarten, davon 120 Grundschüler (1., 2. und 3. Klassen) und 175 Mittelschüler und für das Schuljahr 2020/21 schließlich 335 Schüler, davon 160 Grundschüler (1., 2., 3. und 4. Klassen) und 175 Mittelschüler.
Die Antragstellerin hat bei der Schwellenwertberechnung weiterhin sicherheitshalber die Annahme getroffen, dass auch am Freitag, an dem die Teilnahme an der Mittagsverpflegung den Schülern freigestellt ist, sämtliche Schüler die Verpflegung in Anspruch nehmen.
Zudem hat die Antragsgegnerin bei ihrer Schwellenwertberechnung eine Laufzeit von 48 Monaten berücksichtigt, obwohl die Vertragslaufzeit aus völlig nachvollziehbaren Gründen wegen der unterjährigen Betriebsaufnahme des neuen Schulgebäudes auf 42 Monate beschränkt wurde. Die 42-monatige Vertragslaufzeit stellt keinesfalls eine Umgehungskonstruktion i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 VgV dar, vielmehr wäre eine 48-monatige Vertragslaufzeit wegen des dann auch unterjährigen Vertragsendes unzweckmäßig.
Allerdings hat die Antragsgegnerin bei ihrer Schwellenwertermittlung maßgebliche Kostenbestandteile nicht berücksichtigt, so dass im Ergebnis der Schwellenwert von 750.000 € doch überschritten ist.
Zunächst hat die Antragsgegnerin entgegen ihrer eigenen Aussage in ihrer Unterlage „Auftragsschätzung Grund- und Mittelschule P… 2017“ (Anlage AG 1) ganz unten entgegen § 3 Abs. 1 Satz 2 VgV die optionale Bereitstellung des Weißgeschirrs nicht mit 2% des Werts des Auftragsvolumens angesetzt.
Zudem sind vor dem Hintergrund, dass bei der Schwellenwertberechnung jede Ausgabe mit wirtschaftlichem Wert und jede Zahlung, die der öffentliche Auftraggeber als Gegenleistung für den ausgeschriebenen Auftrag zu erbringen hat, zu berücksichtigen. Nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern sind jedenfalls die von der Antragsgegnerin mit übernommenen Betriebskosten (insbesondere Heizung, Elektrizität, Gas und Wasser) sowie die ebenfalls übernommenen Unterhalts- und Wartungskosten mit anzusetzen.
Dies führt dazu, dass bereits auf der Grundlage der realen Vertragslaufzeit von 42 Monaten mit Aufwendungen für die Schülerverpflegung (berechnet nach den insoweit nicht zu beanstandenden Annahmen der Antragsgegnerin) von ca. 655.000 € zu rechnen war, hinzu kommen ca. 91.000 € für Betriebs-, Unterhalts- und Wartungskosten auf 42 Monate (errechnet aus den Angaben der Antragsgegnerin in der Vergabedokumentation) und ca. 13.000 € für die optionale Bereitstellung des Weißgeschirrs. Damit ist der Schwellenwert von 750.000 € überschritten, ohne dass die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin aufgeworfene Frage erörtert werden müsste, ob auch die ebenfalls von der Antragsgegnerin zu tragenden Kosten für die Abschreibung und Verzinsung des Teilbereichs Küche im neuen Schulgebäude zusätzlich zu berücksichtigen sind.
1.2 Weiterhin braucht daher nicht abschließend entschieden zu werden, ob nicht gem. § 110 Abs. 2 Nr. 1 GWB der Hauptgegenstand des Auftrags u.U. Liefer- und Dienstleistung sind, die nicht den sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen im Sinne des § 130 GWB unterfallen, so dass von einem Schwellenwert von 209.000 € auszugehen ist, der ohne jede Frage deutlich überschritten wäre. Die Frage lässt sich – soweit für die Vergabekammer ersichtlich – auch nicht eindeutig beantworten. Es ist nämlich nicht ohne weiteres zu klären, welche Teilleistungen des streitgegenständlichen Auftrags unter den im Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU gelisteten und damit unter die sozialen und besonderen Dienstleistungen fallenden CPV-Code 55524000-9 „Verpflegungsdienste für Schulen“ zu subsumieren sind. Dass dieser CPV-Code und nicht der CPV-Code 55523100-3 „Auslieferung von Schulmahlzeiten“ einschlägig sind dürfte, lässt sich lediglich aus den verschiedenen amtlichen Sprachfassung der VO (EG) Nr. 213/2008 erahnen.
Der CPV-Code 55524000-9 wird in der englischen Sprachfassung mit „School catering services“ und in der französischen Sprachfassung mit „Service traiteur pour écoles“ wiedergegeben, was auf eine Schülerverpflegung durch im Wesentlichen andernorts hergestellte Speisen (wie im vorliegenden Fall) hindeutet.
Demgegenüber umfasst der CPV-Code 55523100-3 wohl nicht den Teilbereich der Anlieferung der vorbereiteten Speisen zur Schule im Rahmen der streitgegenständlichen Leistung, da er in der englischen Sprachfassung mit „School-meal services“ und in der französischen Sprachfassung mit „Services de restauration scolaire“ bezeichnet wird, also wohl keine Lieferleistungen bezeichnet, sondern eher eine Schülerverpflegung durch im Wesentlichen vor Ort hergestellte Speisen meinen könnte.
Geht man von der Einschlägigkeit des CPV-Code 55524000-9 „Verpflegungsdienste für Schulen“ aus, ergibt sich auch unter Heranziehung der CPV 2008 Erläuterungen (explanatory notes) nicht eindeutig, ob dieser sämtliche Teilleistungen des streitgegenständlichen Auftrags mit Ausnahme der untergeordneten Reinigungsleistungen erfasst oder nicht. Unter der Klasse 5552 „Verpflegungsdienste“ sind die „Verpflegungsdienste für Schulen“ in den explanatory notes zwar genannt, aber nicht näher erläutert.
Erläutert sind dort lediglich die ebenfalls im Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU genannten CPV-Codes 55521000-8 „Verpflegungsdienste für Privathaushalte“ und 55522000-5 „Verpflegungsdienste für Transportunternehmen“. Hierzu wird erläutert:
– Verpflegungsdienste für Privathaushalte, bestehend aus der Zubereitung von Lebensmitteln und aus der Zustellung durch Speiselieferanten, für Privathaushalte, im Haus oder an einem anderen Ort erbracht; Bewirtungsdienste und zugehörige Lieferdienste für Getränke können ebenfalls enthalten sein.
– Verpflegungsdienste für Transportunternehmen; dazu zählen die Aufbereitung von Nahrungsmitteln und die Zustellung an Transportunternehmen wie Fluggesellschaften durch Speiselieferanten.
Würde man diesen Umfang der erfassten Tätigkeiten auch auf den CPV-Code 55524000-9 „Verpflegungsdienste für Schulen“ übertragen, würde dieser sämtliche Teilleistungen des streitgegenständlichen Auftrags mit Ausnahme der untergeordneten Reinigungsleistungen erfassen. Nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 GWB bestünde demnach der Hauptgegenstand des Auftrags aus sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen im Sinne des § 130 GWB und der maßgebliche Schwellenwert würde 750.000 € betragen.
Hiergegen spricht aber, dass unter der CPV-Codierung 15894210-6 für Lieferleistungen eine spezifische Codierung für „Schulmahlzeiten“ vorhanden ist. Zudem hat die Antragstellerin mit Recht darauf hingewiesen, dass nach dem Erwägungsgrund 115 der Richtlinie 2014/24/EG die sozialen und besonderen Dienstleistungen allein deshalb „gelockerten“ Vergabevorschriften unterworfen sind, weil diesen Dienstleistungen eine lediglich eingeschränkte, grenzüberschreitende Relevanz beigemessen wird. Hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Schulmalzeiten und anderen vergleichbaren Mahlzeiten, die zentral hergestellt und dann gekühlt oder tiefgefroren verteilt werden, besteht allerdings ein unionsweiter Markt, so dass Aufträge dieser Art von grenzüberschreitendem Interesse sein können. Da die Herstellung der Mahlzeiten nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Antragstellerinnen und der Beigeladenen wertmäßig den überwiegenden Teil der Leistungen ausmacht, bestünde bei dieser Sicht der Hauptgegenstand des Auftrags nicht aus sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen im Sinne des § 130 GWB und der maßgebliche Schwellenwert würde 209.000 €  betragen.
Die Frage braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern auch der höhere Schwellenwert der 750.000 € überschritten ist. Sie zeigt aber deutlich die Abgrenzungsproblematik, die durch die Einführung der sog. sozialen und besonderen Dienstleistungen mit einem eigenen Schwellenwert entstanden ist.
2. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
2.1 Antragsbefugnis Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Der Antragsbefugnis der Antragstellerinnen gemäß § 160 Abs. 2 GWB steht nicht entgegen, dass sie kein Angebot eingereicht haben. Wer – wie die Antragstellerinnen – geltend macht, durch rechtsverletzende Bestimmungen in den Vergabeunterlagen an der Einreichung eines chancenreichen Angebots gehindert oder erheblich beeinträchtigt zu sein, muss zur Begründung des Auftragsinteresses kein Angebot abgeben, sondern dokumentiert dieses Interesse – wie im Streitfall – durch seine vorprozessuale Rüge (§ 160 Abs. 3 GWB) und den anschließenden Nachprüfungsantrag (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2013 – Verg 35/12; OLG München, Beschluss vom 13.03.2017 – Verg 15/16). Leidet die Ausschreibung an einem gewichtigen Vergaberechtsverstoß, kann vom Antragsteller nicht verlangt werden, ein Angebot auszuarbeiten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.05.2008, VII-Verg 19/08; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 29.05.2007, 11 Verg 12/06; OLG Jena, Beschluss vom 06.06.2007, 9 Verg 3/07).
Auch die Tatsache, dass die Antragstellerinnen beide zum a…-Konzern gehören und sie sich bei einer parallelen Angebotsabgabe u.U. wettbewerbswidrig verhalten oder gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs verstoßen könnten, spielt für das vorliegende Nachprüfungsverfahren keine Rolle. Diese Fragen würden sich nur dann stellen, wenn die Antragstellerinnen tatsächlich Angebote abgegeben hätten. Dies haben sie wegen der von ihnen gerügten Leistungsbestimmung aber gerade nicht getan, ihr Rechtsschutzziel ist die Aufhebung der streitgegenständlichen Ausschreibung und eine mögliche Abgabe von Angeboten auf eine veränderte erneute Ausschreibung. Ob bei einer etwaigen erneuten Ausschreibung aber beide Antragstellerinnen überhaupt Angebote abgeben würden, ist völlig ungewiss. Die Antragsbefugnis im vorliegenden Verfahren wird dadurch jedenfalls nicht in Frage gestellt.
2.2 Rügeobliegenheit
Die Antragstellerinnen haben ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 GWB genügt. Ihre Rüge ist vor Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe bei der Antragsgegnerin eingegangen.
Eine Rügepräklusion gem. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB kommt nicht in Betracht. Zum einen vermag die Antragsgegnerin den Beweis nicht zu erbringen, dass die Antragstellerinnen vor dem 11.04.2017 in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht positive Kenntnis von der Vergaberechtswidrigkeit der Leistungsbestimmung der Antragsgegnerin erlangt haben. Der erste greifbare Anhaltspunkt für eine positive Kenntnis in sachlicher rund rechtlicher Hinsicht ist die Bieterfrage vom 11.04.2017, die aufgrund der eindeutigen Formulierung in der Leistungsbeschreibung nur Sinn macht, wenn die Antragstellerinnen an der Rechtskonformität der Leistungsbestimmung gezweifelt haben. Da die Antragstellerinnen die wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung aber nach der Antwort der Antragsgegnerin vom 18.04.2017 bereits am 20.04.2017 gerügt haben, war die 10-Tagesfrist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB zum Zeitpunkt der Rüge noch nicht verstrichen.
Zum anderen ist kein Grund ersichtlich, nicht auch nach der Neufassung des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB der Rechtsprechung des OLG München zu folgen, wonach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB im Zeitraum vor Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe (also im klassischen Anwendungsbereich des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 GWB) nicht zur Anwendung kommen soll (OLG München, Beschluss vom 15.03.2012, Az. Verg 2/12).
3. Begründetheit des Nachprüfungsantrags
Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung durch die Festlegung des Cook& Hold-Verfahren (Warmbelieferung) und des Cook& Chill-Verfahren (Kaltbelieferung) nach DIN 10536:2016-03 als einzig zugelassene Verpflegungssysteme mit dem daraus resultierenden Ausschluss des von den Antragstellerinnen praktizierten Cook& Freeze-Verfahrens ist nicht mehr vom Leistungsbestimmungsrecht der Antragsgegnerin gedeckt und erscheint willkürlich.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitgehend frei. Nach welchen sachbezogenen Kriterien die Beschaffungsentscheidung auszurichten ist, ist ihm auch in einem Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben.
Hintergrund dafür ist, dass das Vergaberecht nicht regelt, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung. Die danach im jeweiligen Fall vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren (OLG München, Beschluss vom 28.7.2008 – Verg 10/08; Beschluss vom 9.9.2010 – Verg 10/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.2.2010 – VII-Verg 42/09; Beschluss vom 3.3.2010 – VII-Verg 46/09; Beschluss vom 27.6.2012 – VII-Verg 7/12).
Allerdings ist die Definitionsmacht des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes nicht schrankenlos (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.05.2013 – VII-Verg 16/12; Beschluss vom 01.08.2012 – VII-Verg 105/11; Beschluss vom 25.04.2012 – VII-Verg 7/12; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2013 – 15 Verg 5/13; OLG Naumburg, Beschluss vom 14.03.2013 – 2 Verg 8/12; Beschluss vom 20.09.2012 – 2 Verg 4/12). Der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beim Beschaffungsgegenstand sind im Interesse der von der Richtlinie Richtlinie 2014/24/EU angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb, aber auch der effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit wegen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.5.2012 – C-368/10) durch das Vergaberecht Grenzen gesetzt.
Das Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers wird begrenzt durch die Verpflichtung, den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2013 – 15 Verg 5/13; Beschluss vom 21.07.2010 – 15 Verg 6/10; OLG Naumburg, Beschluss vom 14.03.2013 – 2 Verg 8/12; Beschluss vom 20.09.2012 – 2 Verg 4/12). Darüber hinaus sind die Vorgaben des § 31 Abs. 6 VgV zu beachten, der vorschreibt, dass, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, der Auftraggeber in technischen Anforderungen (in einem weit zu verstehenden Sinn) nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verweisen darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte ausgeschlossen oder begünstigt werden.
Wie das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12.02.2014, VII-Verg 29-13 ausführte, sind die dem Auftraggeber gesetzten vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des § 8 Abs. 7 EG VOL/A eingehalten, wenn
– die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,
– vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,
– solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind
– und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.
Bewegt sich die Bestimmung in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.02.2014 – VII-Verg 29/13; Beschluss vom 22.05.2013 – VII-Verg 16/12; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.12.2013 – 15 Verg 9/13; Beschluss vom 15.11.2013 – 15 Verg 5/13; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2013 – 1 VK 15/13; 2. VK Bund, Beschluss vom 09.05.2014 – VK 2 – 33/14).
Im vorliegenden Fall bestehen erhebliche Zweifel, ob die von der Antragsgegnerin genannten objektiven und auftragsbezogenen Gründe für ihre wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung tatsächlich vorhanden sind.
Die von der Antragsgegnerin für ihre die Antragstellerin ausschließende Leistungsbestimmung angegebenen Geschmacks- und Imagegründe (so wörtlich in Ziffer 9 des Vergabevermerks und sowie im Auszug aus dem Sitzungsbuch der Antragsgegnerin über die Stadtratssitzung vom 16.02.2017) sowie Akzeptanzgründe sind so nicht nachvollziehbar.
Aus den von der Antragstellerin als Anlage 16 vorgelegten Auszügen einer zusammenfassenden Bewertung unterschiedlicher (Wieder-) Erhitzungssysteme der Vernetzungsstelle Schul-Verpflegung Saarland sowie des Praxisleitfadens „Bio-Lebensmittel des Öko Institut e.V. ist zu entnehmen ist, dass qualitative Nachteile – wenn überhaupt – beim von der Antragsgegnerin als vorzugswürdig ausgewiesenen „Warmhaltesystem“ vorliegen. Tiefkühlsystemen wird sowohl eine gute bis sehr gute sensorische als auch eine sehr gute hygienische Qualität attestiert.
Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung Landwirtschaft und Forsten führt im Hinblick auf die Qualität unterschiedlicher Erwärmungsverfahren aus, dass eine langfristige Zufriedenheit mit der Mittagsverpflegung kann mit allen Bewirtschaftungsformen und Verpflegungssystemen erreicht werden kann. Der bleibende Erfolg hänge von dem Zusammenwirken vieler wichtiger Einzelfaktoren ab, weiche in der Planungs- und Festlegungsphase und im laufenden Betrieb bedacht werden müssen.
Von einer „pauschalen“, minderen Qualität und/oder eines minderen Images eines der gängigen Verfahren kann keine Rede sein. Die Antragsgegnerin unterstellt der Antragstellerin ohne Prüfung und entgegen derer zahlreicher Referenzen bereits vorab und pauschal eine schlechtere Leistung. Dies ist keine tragfähige Basis für eine wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung.
Die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Akzeptanzgründe, also die Gefahr, dass eine Schulverpflegung im Cook& Freeze-Verfahren von vorneherein nicht angenommen würde, sind ebenfalls wenig glaubhaft, da dieses Verfahren von der Antragstellerin zu 1) seit Jahren offenbar erfolgreich bei der Grund- und Mittelschule P… eingesetzt wird.
Soweit für die Vergabekammer ersichtlich, war maßgebende Motivation für die Beschränkung der Verpflegungssysteme auf das Cook& Hold-Verfahren (Warmbelieferung) und des Cook& Chill-Verfahren (Kaltbelieferung) nach DIN 10536:2016-03 letztlich der aus der Bürgerschaft an die Kommunalpolitik herangetragene Wunsch, bei der Schulverpflegung auf frische Zubereitung und soweit möglich Einbindung regionaler, saisonaler und biologischer Lebensmittel sowie Fair-Trade-Produkten zu setzen. Die ergibt sich aus dem von der Antragstellerin als Anlage 11 zum Nachprüfungsantrag vorlegten Schriftstück des SPD Ortsvereins P… a. d. I… mit S… ebenso wie aus dem Presseartikel vom 22.05.2017 „Stadt P… setzt auf gesunde Schulverpflegung“. Im Vergabevermerk findet sich die Passage, dass ein mögliches Cook& Freeze-System (Tiefkühl-Wiedererhitzungssystem) durch die Elternvertretungen aus Geschmacks- und Imagegründen nicht erwünscht ist. Diese subjektive und nicht von objektiven Gründen getragene Einschätzung dürfte die Motivation für die stark wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung gewesen sein.
Allerdings hat die Antragsgegnerin abgesehen von der zur Einbindung regionaler, saisonaler und biologischer Lebensmittel sowie Fair-Trade-Produkten ungenügenden Beschränkung der Verpflegungssysteme hierfür in den Vergabeunterlagen keine Vorkehrungen getroffen. Es bestehen keine Vorgaben (abgesehen vom Einkauf von Fisch) regionale, saisonale und biologischer Lebensmittel sowie Fair-Trade-Produkte bei der Versorgung zu verwenden. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass die Verwendung solcher Produkte vom Auftraggeber vorgegeben werden kann, solange sich die entsprechende Leistungsbestimmung im Rahmen der oben dargestellten Anforderungen des Vergaberechts hält. Die Antragsgegnerin hat dies nur nicht getan, sondern lediglich Cook& Freeze-Anbieter vom Wettbewerb ausgeschlossen.
Die zum Zuschlag vorgesehene Beigeladene ist ebenso wenig ein regional ausgerichtetes Unternehmen, wie die Antragstellerinnen. Zudem wurde auch der Einsatz und die Verwendung von Tiefkühlprodukten nicht ausgeschlossen, sondern allein Unternehmen aus dem Marktsegment „Tiefkühl-Wiedererhitzungsverfahren“ ausgeschlossen.
Hinzu kommt, dass die … GmbH, die die Antragsgegnerin im Vorfeld des Vergabeverfahrens und gerade auch bei den Abstimmungsworkshops unter Beteiligung von Vertretern der Schuleinrichtungen, des Elternbeirats sowie Stadträten und Repräsentanten der Stadtverwaltung beraten haben, ihre Beratung offenbar regelmäßig auf das Cook& Chill-Verfahren ausrichtet. Zudem ist die …GmbH ein eng mit der Beigeladenen kooperierendes Unternehmen, so dass auch eine objektive Beratung der Antragsgegnerin bei der Beschaffungsentscheidung sehr zweifelhaft ist. Die Antragsgegnerin ist den diesbezüglichen Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 10.07.2017 in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht substantiiert entgegengetreten.
Die Leistungsbestimmung ist daher offenbar auf der Grundlage subjektiver, nicht objektivierbarer Annahmen, basierenden auf den – in den Vergabeunterlagen aber nicht umgesetzten – Wünschen von Akteuren im Umfeld der Antragsgegnerin und möglicherweise beeinflusst durch ein nicht unabhängiges Beratungsunternehmen erfolgt. Eine solche sie vom Wettbewerb ausschließende, diskriminierende Leistungsbestimmung brauchen die Antragstellerinnen nicht hinzunehmen.
Da die Antragsgegnerin die Leistungsbestimmung neu unter Beachtung der o.g. Vorgaben der Rechtsprechung zu treffen hat, besteht keine andere Möglichkeit, der Rechtsverletzung der Antragstellerinnen abzuhelfen, als das Vergabeverfahren in Gänze aufzuheben.
4. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragsgegnerin, deren wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung nicht haltbar war.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Die Antragsgegnerin ist von der Zahlung der Gebühr befreit. Dies ergibt sich aus § 182 Abs. 1 S.2 GWB i.V. m. § 8 Abs. 1 Nr.3 VwKostG.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Vorliegend wird eine Gebühr von … € festgesetzt.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerinnen beruht auf § 182 Abs. 4 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.1 und 4 GWB i.V. m. Art. 80 Abs. 2 S.3, Abs. 3 S.2 BayVwVfG angesehen.
Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte waren die Antragstellerinnen hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Hierüber hinaus war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters seitens der Antragstellerinnen notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber der anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin herzustellen.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen folgt aus § 182 Abs. 4 S.2 GWB. Danach sind Aufwendungen des Beigeladenen zu Lasten des unterliegenden Verfahrensbeteiligten nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Es bleibt dem Beigeladenen nämlich überlassen, sich aktiv auf Seiten des Antragsstellers oder der Vergabestelle am Nachprüfungsverfahren zu beteiligen oder eine rein passive Rolle einzunehmen. Vor diesem Hintergrund hat die bisherige Rechtsprechung der Vergabesenate den Beigeladenen kostenrechtlich nur dann wie einen Antragsteller oder Antragsgegner behandelt, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem er sich an dem Verfahren beteiligt (BGH, Beschluss vom 26.09.2006, Az.: X ZB 14/06). Dafür muss eine den Beitritt eines Streithelfers vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel ein Beigeladener in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.2008, Az.: 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen des Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2010, Az.: 1 VK 76/10).
Die Beigeladene hat sich – abgesehen von der Beantwortung der Anfrage der Vergabekammer mit Schreiben vom 10.07.2017 – nicht durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag aktiv am Verfahren beteiligt und ist auch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Sie war daher an den Kosten nicht beteiligen.


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