Baurecht

Nachbareilantrag, Baugenehmigung für einen Mobilfunkmast im Außenbereich, Gebot der Rücksichtnahme, erdrückende Wirkung (verneint)

Aktenzeichen  M 11 SN 22.1059

Datum:
10.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6482
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a Abs. 3 S. 1
BauGB § 35 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
III. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Stahlgittermastes für eine Mobilfunkanlage auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … (Vorhabengrundstück).
Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke Fl.Nr. … und … Das Grundstück Fl.Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, das Teil einer kleineren, im Wesentlichen aus 3 Wohngebäuden bestehenden Ansiedlung in unmittelbarer Nähe der nördlich verlaufenden Bahnlinie … ist. Westlich der Grundstücke der Antragsteller und von diesen durch die Fl.Nr. … getrennt, befindet sich das Vorhabengrundstück.
Die Beigeladene beantragte unter dem 3. November 2020 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Stahlgittermastes mit einer Höhe von 42,15 m inklusive Systemtechnik auf Fundamentplatte und Außenanlagen auf dem Vorhabengrundstück. Der Gemeinderat erteilte hierzu in seiner Sitzung vom 10. Dezember 2020 das gemeindliche Einvernehmen, wobei im Hinblick auf die verkehrstechnische Anbindung und das Landschaftsbild um explizite Prüfung des Standorts gebeten wurde.
Nach Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erteilte das Landratsamt … … (Landratsamt) der Beigeladenen mit Bescheid vom 19. Februar 2021 die beantragte Baugenehmigung unter verschiedenen Auflagen. Der Bescheid wurde der Beigeladenen und den Antragstellern jeweils am 25. Februar 2021 zugestellt.
Gegen den Bescheid ließen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten am 19. März 2021 Anfechtungsklage erheben, welche unter dem Aktenzeichen M 11 K 21.1552 bei Gericht anhängig ist.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24. Februar 2022, bei Gericht eingegangen am 25. Februar 2022, beantragen die Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass mit dem Bau begonnen worden und eine einvernehmliche außergerichtliche Lösung nicht möglich gewesen sei. Eingedenk des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2013 (Az. 4 C 2.12) hätten Alternativen gewissenhaft untersucht und dokumentiert werden müssen, woran es vorliegend offenbar fehle. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB sei also nicht anzunehmen. Wenn ein Bau nur ein sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB sei, reiche zu dessen Unzulässigkeit, dass öffentliche bzw. private Belange spürbar nachteilig berührt würden. Diese Weichenstellung habe deshalb durchaus drittschützende Relevanz. Die für die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme vorzunehmende Abwägungsentscheidung lasse sich nur vornehmen, wenn die Vorfrage einer Privilegierung beantwortet sei. Ferner müssten die Ziele der Bauherrnschaft in die Abwägung eingestellt werden. Es gebe keinen staatlichen Grundversorgungsauftrag; der Mobilfunk sei nämlich kein Universaldienst. Auch § 156 TKG n.F. gebe den Kunden keinen Anspruch auf eine bestimmte Art und Weise der Versorgung, wie auch der Staat keinen Betreiber bei der Lizenzvergabe konkret darauf verpflichtet habe, an welchem Platz und mit welcher Technik welche Telefonie- und Datendienste installiert oder verbessert werden müssten. Die derzeitige Versorgung sei bereits ohne den genehmigten Mast angemessen und ausreichend. Auch wenn im Außenbereich kein Gebietserhaltungsanspruch zuerkannt werde, greife es zu kurz, wenn ein Nachbar nicht mit dem Argument gehört werde, ob sich eine im Außenbereich betriebene Anlage auf eine Privilegierung berufen könne. Dem Gebot der Rücksichtnahme komme insoweit eine Korrekturfunktion im Zulässigkeitsrecht zu. Der geplante Mast sei mit seiner Höhe von über 40 m ein Fremdkörper, der sein gesamtes Umfeld präge und das unmittelbar anliegende Grundstück der Antragsteller erschlagen und entwerten werde. Indem er im Sichtfeld sei und die Immobilie auch von außen betrachtet nur mitsamt Mast in Erscheinung treten werde, und zwar wegen exponierter Lage auf freiem Feld ganzjährig, sei von einer erdrückenden Wirkung und damit einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot auszugehen. In die Abwägung einzustellen seien auch schädliche Umwelteinwirkungen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB), die nach der Rechtsprechung nichts anderes als die gesetzliche Ausformung des allgemeinen baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme für eine besondere Konfliktsituation seien. Während die schädlichen Umwelteinwirkungen auf das abheben würden, was an Immissionen insbesondere vom BImschG erfasst werde, betreffe das Gebot der Rücksichtnahme auch solche Fälle, in denen nicht Immissionsbelastungen, sondern sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stünden, wie z.B. optisch bedrängende Wirkungen eines Vorhabens. Ein Mobilfunkmast schaffe bewältigungsbedürftige Spannungen, weil er „optisch laut“ sei. Hinzu trete die begründete Besorgnis wegen vorsorgerelevanter Risiken für Umwelt und Gesundheit. Soweit das Landratsamt im Klageverfahren ausgeführt habe, dass die Abstandsflächen eingehalten seien, übersehe es, dass ein Bau auch bei deren Wahrung rücksichtslos sein könne.
Ergänzend hierzu wurde mit Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragsteller vom 28. Februar 2022 eine gutachterliche Stellungnahme vom 21. Februar 2022 zu Standortalternativen nachgereicht. Es gehe um ein Abrücken um wenige 100 m, welche zur Wahrung der Außenbereichsschonung führe und dem Bau die erdrückende Wirkung auf das Wohnhaus der Antragsteller nehme.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Hierzu wurde mit Schriftsatz vom 8. März 2022 vorgetragen, der Antrag sei bereits mangels Antragsbefugnis unzulässig. Jedenfalls überwiege das Interesse der Beigeladenen an der Ausnutzung der Baugenehmigung das Suspensivinteresse der Antragsteller. Die Antragsteller seien keine Nachbarn im baurechtlichen Sinne. Ihr Grundstück grenze nicht an das Vorhabengrundstück an und die geltend gemachten Rechte könnten den Antragstellern offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen. Die erteilte Baugenehmigung verletze die Antragsteller nicht in ihren nachbarschützenden Rechten. Der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB sei von vornherein nicht drittschützend, auch komme es für das Gebot der Rücksichtnahme nicht mittelbar auf die Frage der Privilegierung an. Nur der Vollständigkeit halber wurde näher ausgeführt, dass das Vorhaben von der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB gedeckt sei und auch die von den Antragstellern geltend gemachten Alternativstandorte allesamt im Außenbereich lägen. Bei den 3 Gebäuden auf den Fl.Nrn. …, … und … handle es sich um eine Splittersiedlung im Außenbereich. Die von der Antragstellerseite zitierte Rechtsprechung zu „optisch lauten“ Mobilfunkmasten sei zum Innenbereich ergangen und daher unpassend. Auch die geforderte Standortalternativenprüfung umfasse nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur Alternativstandorte im Innenbereich. Wegen der Versorgung der ICE-Trasse … sei unabhängig davon kein Standort im Innenbereich denkbar und die Notwendigkeit zur Versorgung mit Mobilfunk gegeben. Stehe fest, dass ein Vorhaben an dem vom Bauherrn gewählten Standort Rechte des Nachbarn nicht verletze, könne dieser die Baugenehmigung nicht durch den Hinweis auf seines Erachtens besser geeignete Alternativstandorte zu Fall bringen. Das Gebot der Rücksichtnahme sei vorliegend nicht verletzt. Masten könnten für Wohngebäude nur in Extremfällen eine erdrückende Wirkung entfalten. Für einen Abschattungseffekt sei nichts ersichtlich. Das Vorhaben – ein nicht massiver Stahlgittermast – liege ca. 100 m vom Wohnhaus der Antragsteller entfernt. Das Gebot der Rücksichtnahme gebe nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung verschont zu bleiben. Für eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belichtungsverhältnisse der Wohnräume der Antragsteller sei von deren Seite nichts vorgetragen; angesichts der Bauweise sei dies auch nur schwer vorstellbar. Zudem liege das Wohnhaus der Antragsteller im planungsrechtlichen Außenbereich, wo mit privilegierten Vorhaben gerechnet werden müsse und deshalb von vornherein ein vermindertes Schutzniveau gelte. Für eine optisch bedrängende Wirkung bestünden keinerlei greifbare Anhaltspunkte, zumal die Abstandsflächen gegenüber den Antragstellern eingehalten würden. Die bisher unverbaute Situation sei ein bloßer Lagevorteil, der nicht über das Gebot der Rücksichtnahme geschützt werde. Eine mit dem Verlust dieser Lage einhergehende Wertminderung sei von den Antragstellern hinzunehmen. Ferner ergebe sich auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme in seiner speziellen Ausprägung bei Immissionskonflikten. Etwaige Strahlenbelastungen, die von einer Mobilfunkanlage ausgehen würden, könnten von vornherein keine Verletzung von nachbarschützenden baurechtlichen Vorschriften begründen. Die Standortbescheinigung, welche den Betrieb der Antennen gestatte, sei nicht Bestandteil des Baugenehmigungsverfahrens. In der Hauptsache bestünden damit keine Erfolgsaussichten.
Die Beigeladene hat sich im vorliegenden Verfahren bislang nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens wurde mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2021 vorgetragen, dass etwaige Alternativen im Zuge der Ermittlung des gegenständlichen Standorts hinreichend geprüft worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 11 K 21.1552 sowie auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB ist zulässig, insbesondere kann den Antragstellern in Hinblick auf die konkret vorgebrachten Einwände nicht von vornherein die erforderliche Antragsbefugnis abgesprochen werden.
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22). Ausreichend aber auch erforderlich für die Annahme der Antragsbefugnis (§ 42 VwGO analog) ist damit, dass die Verletzung einer Vorschrift behauptet wird, die den betreffenden Nachbarn zu schützen bestimmt ist und die Verletzung dieser Vorschrift zumindest möglich erscheint. Dies ist lediglich dann nicht der Fall, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die behaupteten Rechte bestehen oder der Klage-/ Antragspartei zustehen können (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2021 – 1 CS 21.2410 – juris; BVerwG, B.v. 22.12.2016 – 4 B 13.16 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Werden im Rahmen baurechtlicher Nachbarklagen gegen Mobilfunksendeanlagen von deren Funkstrahlung ausgehende schädliche Einwirkungen auf die menschliche Gesundheit geltend gemacht, fehlt es aufgrund des Nebeneinanders von Baugenehmigung und spezieller Standortbescheinigung (§ 4 BEMFV) – soweit die Tatbestandswirkung der Standortbescheinigung reicht – an einer Klagebefugnis (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2021, a.a.O. – juris Rn. 16 ff.). Gegenstand der Standortbescheinigung sind indes nur konkrete (durch Einhaltung eines Sicherheitsabstands zu vermeidende) gesundheitliche Auswirkungen aufgrund von elektromagnetischen Feldern auf Menschen (BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 22 CS 21.2284 – juris). Im Übrigen ist im Falle von gegen Mobilfunksendeanlagen gerichteten Nachbarklagen kein strengerer Maßstab anzulegen, als bei sonstigen baurechtlichen Nachbarklagen.
Dies zugrunde gelegt, können sich die Antragsteller vorliegend zwar nicht auf gesundheitsschädigende Auswirkungen der Funkstrahlung des genehmigten Mobilfunkmasts berufen; derartige Einwendungen wurden jedoch konkret weder im Antrags- noch im Klageverfahren erhoben. Der von Antragstellerseite vorrangig behauptete Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme wegen einer „erschlagenden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung der genehmigten Anlage erscheint jedenfalls nicht bereits offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, sodass eine Antragsbefugnis vorliegend anzunehmen ist.
2. Der Antrag bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Hierbei kommt es auf eine Abwägung der Interessen des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung mit den Interessen des Dritten an, keine vollendeten, nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen entstehen zu lassen. Im Regelfall ist es dabei unbillig, einem Bauwilligen die Nutzung seines Eigentums durch Gebrauch der ihm erteilten Baugenehmigung zu verwehren, wenn eine dem summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entsprechende vorläufige Prüfung des Rechtsbehelfs ergibt, dass dieser letztlich erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf offensichtlich begründet, so überwiegt das Interesse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei. Bei der Abwägung ist den Belangen der Betroffenen umso mehr Gewicht beizumessen, je stärker und je irreparabler der Eingriff in ihre Rechte wäre (BVerfG, B.v. 18.7.1973 – 1 BvR 155/73, 1 BvR 23/73 – BVerfGE 35, 382; zur Bewertung der Interessenlage vgl. auch BayVGH, B.v. 14.1.1991 – 14 CS 90.3166 – BayVBl 1991, 275).
Dies zugrunde gelegt, ergibt die im Eilverfahren auch ohne Durchführung eines Augenscheins mögliche Überprüfung der Angelegenheit anhand der Akten, dass die Klage der Antragsteller aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt die Antragsteller voraussichtlich nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Interesse der Beigeladenen, von der Baugenehmigung vorläufig Gebrauch machen zu können, ist daher höher zu bewerten, als das Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
2.1 Klarzustellen ist zunächst, dass § 35 BauGB nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Norm zukommt (BVerwG, B.v. 3.4.1995 – 4 B 47/95 – juris Rn. 2 m.w.N.). Ein allgemeiner Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung des Außenbereichs besteht nicht – unabhängig davon, ob das Grundstück des Nachbarn im Außen- oder Innenbereich liegt (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2018 – 15 CS 17.2575 – juris Rn. 20 m.w.N.). Auch die Antragstellerseite räumt insoweit zutreffend ein, dass ein Gebietserhaltungsanspruch im Außenbereich nicht zuerkannt wird (vgl. dazu auch Reidt in B/K/L, BauGB, 15. Aufl. 2022, Vor §§ 29 ff, Rn. 72). Bei Vorhaben im Außenbereich beschränkt sich der Nachbarrechtsschutz auf die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme, dessen Qualität als ungeschriebener öffentlicher Belang i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schon früh anerkannt worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 6.12.1967 – 4 C 94.66 – BVerwGE 28, 268 ff.; U.v. 25.2.1977 – BVerwG 4 C 22.75 – BVerwGE 52, 122 ff.) und das in Bezug auf schädliche Umwelteinwirkungen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine besondere gesetzliche Ausformung gefunden hat. Das Gebot der Rücksichtnahme betrifft jedoch auch Fälle, in denen nicht schädliche Umwelteinwirkungen, sondern sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen. Rücksicht zu nehmen ist dabei nur auf solche Individualinteressen, die wehrfähig sind, weil sie nach der gesetzgeberischen Wertung, die im materiellen Recht ihren Niederschlag gefunden hat, schützenswert sind. Fehlt es hieran, ist für Rücksichtnahmeerwägungen von vornherein kein Raum (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris m.w.N. zur Rspr.).
2.2 Das genehmigte Vorhaben erweist sich aller Voraussicht nach nicht als gegenüber den Antragstellern rücksichtslos.
Wie die Antragstellerseite im Ansatz durchaus zutreffend ausgeführt hat, hängt das Maß der gebotenen Rücksichtnahme von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. etwa BVerwG, U.v. 18.11.2004, a.a.O.)
a) Diese allgemeinen Grundsätze, welche je nach den Umständen des konkreten Falles mehr oder weniger ins Gewicht fallen können, vermögen den Antragstellern vorliegend nicht darüber hinwegzuhelfen, dass sich Nachbarn gegenüber einem Bauherrn nur auf drittschützende Vorschriften und Rechtspositionen berufen können (s.o.). Rechtlich nicht geschützte Nachbarinteressen sind von vornherein nicht abwägungserheblich (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.1999 – 4 CN 6/98 – juris). Das Vorliegen einer Außenbereichsprivilegierung kann von Dritten grundsätzlich nicht gerügt werden, sodass selbst die objektive Rechtswidrigkeit eines im Außenbereich genehmigten Vorhabens einem Nachbarrechtsbehelf generell nicht zum Erfolg verhilft. Das von Antragstellerseite zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2013 betrifft demgegenüber eine Bauherrenklage. Dahinstehen kann, inwieweit die Frage der Außenbereichsprivilegierung im Rahmen der Abwägung im Einzelfall Bedeutung erlangen kann; denkbar sind insbesondere Klagen eines privilegierten Außenbereichsvorhabens etwa gegen ein Heranrücken von Wohnbebauung. Von Seiten der Antragsteller wurde insoweit allerdings bereits nicht dargetan, ob und auf welcher Grundlage ihr Wohnhaus im Außenbereich genehmigt wurde oder sonst Bestandschutz genießt. Letztlich kommt es hierauf nicht an, da eine relevante Beeinträchtigung der Antragsteller durch das Vorhaben nicht erkennbar ist (s. nachfolgend). Selbst wenn die Voraussetzungen einer Privilegierung des Vorhabens objektiv-rechtlich – unterstellt – nicht vorliegen sollten, ließe sich daraus allein vorliegend keine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens im Verhältnis zu den Antragstellern ableiten.
b) Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme scheidet nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung hinsichtlich der Belichtung, Belüftung und Besonnung in aller Regel aus, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden (BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 15.2.2017 – 1 CS 16.2396 – juris Rn. 10). Hiervon ist nach den vorgelegten Planunterlagen auszugehen. Auch von Antragstellerseite wird kein Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften gerügt. Dahinstehen kann damit auch, ob durch das Vorhaben vorliegend überhaupt Abstandsflächen einzuhalten gewesen wären (ablehnend etwa für Betonschleudermasten mit einem Durchmesser vom weniger als 1,10 m mangels gebäudegleicher Wirkung: BayVGH, B.v. 27.7.2010 – 15 CS 10.37 – juris Rn. 31 m.w.N. zur Rspr.).
c) Trotz Einhaltung der baurechtlichen Abstandsflächen kann eine Nachbarklage erfolgreich sein, wenn der Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme darin liegt, dass andere schützenswerte Belange, die nicht durch die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften abgedeckt werden, in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris Rn. 18). Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Nachbaranwesen durch die Ausmaße eines Bauvorhabens geradezu „erdrückt“, „eingemauert“ oder „abgeriegelt“ wird. Eine erdrückende oder unzumutbar einengende Wirkung ist nur anzunehmen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht, oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derart übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden Gebäude“ dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Vorhabens und seine Länge sowie die Distanz in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 2 ZB 16.2168 – juris Rn. 4 m.w.N.). Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. etwa BVerwG U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus).
Eine solche erdrückende Wirkung des genehmigten Stahlgittermasts auf das Anwesen der Antragsteller ist vorliegend nicht ersichtlich. Zwar erreicht der Mast mit über 42 m eine durchaus beachtliche Höhe. Diese fällt jedoch angesichts der schmalen Kubatur (Mastbreite ca. 2,58 m), der nicht massiven Stahlgitter-Bauweise und vor allem auch der konkreten Entfernung des Vorhabenstandorts nicht derart ins Gewicht, dass das Vorhaben gegenüber dem Anwesen der Antragsteller bereits als „erdrückend“ zu qualifizieren wäre. Bei einer Messung mit dem Lineal anhand des genehmigten Lageplans liegt der Vorhabenstandort ca. 75 m – mithin bereits deutlich mehr als das 1,5-fache der vollen Abstandsfläche H – von der Grundstücksgrenze der Antragsteller und sogar etwa 90 m von deren Wohngebäude entfernt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat demgegenüber einen 30,15 m hohen Betonschleudermast mit Sektorenaufsatzmast (Gesamthöhe 35,15 m) in nur 10 m Entfernung zu einem benachbarten Grundstück in Außenbereichslage für zulässig erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2010 – 15 CS 10.37 – juris).
d) Den Antragstellern ist zwar zuzugeben, dass der Mobilfunkmast künftig ganzjährig von ihrem Grundstück in westlicher Blickrichtung aus zu sehen sein wird. Ein Anspruch auf Aufrechterhaltung einer „schönen“ oder ungeschmälerten Aussicht besteht jedoch nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 13.6.1969 – IV C 80.67 – juris Rn. 20). Auch unter Heranziehung des von Antragstellerseite vorgelegten Lichtbildes mit einer – wohl nicht maßstabsgetreuen – Einzeichnung des Mastes (Anlage K2), kann nicht angenommen werden, dass das Grundstück der Antragsteller als nur noch von dieser Anlage dominierte Fläche oder sonst in rechtlich unzumutbarer Weise von dem Mast „optisch bedrängt“ wahrgenommen würde.
Der pauschale Vortrag der Antragstellerseite, wonach Mobilfunkmasten „optisch laut“ seien, führt zu keiner anderen Entscheidung. Vorliegend braucht nicht entschieden zu werden, ob und unter welchen Umständen überhaupt eine optische Störwirkung von Mobilfunkmasten anzunehmen ist (kritisch, i.E. offenlassend das von Antragstellerseite zitierte Urteil des BayVGH v. 9.8.2007 – 25 B 05.1339 – juris Rn. 35 m.w.N. zum Streitstand; ablehnend: OVG NRW (7. Senat), B.v. 9.1.2004 – 7 B 2482/03 – juris; ebenso: BayVGH, U.v. 19.5.2011 – 2 B 11.397 – juris). Hinter der Formulierung „optisch laut“ verbergen sich weniger ästhetische, sondern letztlich aus dem gewerblichen Charakter der Mobilfunkmasten resultierende Fragen in Hinblick auf deren Zulässigkeit in „ruhigen“ Wohngebieten (vgl. etwa BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 1 ZB 16.1634 – juris zur „optischen Wohnruhe“ eines festgesetzten WA, wobei mit der konkreten Plankonzeption ein homogenes, ortstypisch ländliches Erscheinungsbild einer ruhigen Wohnsiedlung abgesichert werden sollte; BayVGH, U.v. 19.5.2011 – 2 B 11.397 – juris Rn 35, wonach Mobilfunkmasten in Wohngebieten mittlerweile zu einem „alltäglichen Anblick“ gehören). Zu Recht hat der Antragsgegner insoweit darauf hingewiesen, dass die Antragsteller schon aufgrund der Lage ihrer Grundstücke im bauplanungsrechtlichen Außenbereich aus dieser Rechtsprechung nichts herleiten können. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen der Antragserwiderung verwiesen. Inwiefern sich die von Antragstellerweite zitierte, im Wesentlichen zu reinen und allgemeinen Wohngebieten ergangene Rechtsprechung auf Außenbereichslagen, wie die vorliegende, übertragen ließe, wird nicht ansatzweise ausgeführt.
e) Die genehmigte Anlage stellt sich auch nicht deswegen als rücksichtslos gegenüber den Antragstellern dar, weil möglicherweise Standortalternativen in Betracht kämen. Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn weder das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung durch die Bebauung umliegender Grundstücke verschont zu bleiben (vgl. BayVGH B.v. 10.1.2020 – 15 ZB 19.425 – juris), noch lässt sich daraus ableiten, dass ein Bauherr sein Vorhaben für den Nachbarn optimal platzieren müsste (OVG Thüringen, B.v. 13.4.2011 – 1 EO560/10 – juris Rn. 43). Das Gebot der Rücksichtnahme schließt nur eine Nutzung mit unzumutbaren Auswirkungen aus. Es zwingt den Bauherrn aber nicht, auf eine Nutzung, die diese Grenze nicht überschreitet, deswegen zu verzichten, weil auch eine andere, schonendere Nutzung in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2005 – 1 ZB 04.1597 – juris Rn. 23). Wie ausgeführt, ist vorliegend nicht erkennbar, dass sich infolge der Zulassung des Vorhabens für das Anwesen der Antragsteller derartige, im Rechtssinne unzumutbare Einschränkungen oder Belastungen ergeben würden.
f) Soweit die Antragsteller – wiederum ohne nähere Substantiierung – eine Wertminderung ihres Grundstücks befürchten, sind Auswirkungen eines Vorhabens auf den Verkehrswert eines Nachbargrundstücks grundsätzlich unbeachtlich (vgl. BayVGH, U.v. 29.7.2011 – 15 N 08.2086 – juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 9.2.1995 – 4 NB 17/94 – NVwZ 1995, 352 – juris Rn. 14). Speziell zu den aus der Nähe zu einer Mobilfunkanlage resultierenden wirtschaftlichen Nachteilen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 16.5.2013 – 2 N 12.260 – juris Rn. 44) bereits klargestellt, dass sich Mobilfunkanlagen in unmittelbarer Nachbarschaft zwar grundsätzlich verkaufshemmend auswirken mögen, Wertminderungen als Folge der Nutzung eines anderen Grundstücks für sich genommen jedoch keinen Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens bilden. Der Belang, von wirtschaftlichen Nachteilen verschont zu bleiben, die Folge objektiv nicht begründbarer, allein an die Lage des Grundstücks in der Nähe einer Mobilfunkanlage anknüpfender Immissionsbefürchtungen besonders sensibler Bürger seien, sei nicht schutzwürdig.
g) Das Vorhaben erweist sich schließlich auch nicht als rücksichtslos in Hinblick auf schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB – soweit diese Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein können (s.o.). Anhaltspunkte hierfür sind weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Soweit von Antragstellerseite -kommentarlos – Rechtsprechung zu Windkraftanlagen zitiert wurde, wurde nicht ansatzweise dargelegt, inwiefern sich diese auf Mobilfunkmasten übertragen ließe.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. Es entspricht der Billigkeit, ihm nicht auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keine Anträge gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs. Der Streitwert beträgt die Hälfte des im Hauptsacheverfahren voraussichtlich anzusetzenden Streitwerts.


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