Baurecht

Nachbareilantrag, Teilweise Anfechtung einer Baugenehmigung, Rücksichtnahmegebot, Reihenhaus, Wintergartenanbau, Standsicherheit nicht vom Prüfumfang umfasst

Aktenzeichen  M 8 SN 21.5737

Datum:
21.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41942
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, 80 Abs. 5 S. 1
BauGB § 212a
BauNVO § 22
BayBO Art. 59
BayBO Art. 10 S. 3
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren mit ihrem Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, soweit ihr hiermit die Errichtung eines Wintergartens gestattet wurde.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks … straße 111, FlNr. …, Gemarkung … … (im Folgenden: Baugrundstück). Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks … straße 113, FlNr. …, Gemarkung … … (im Folgenden: Nachbargrundstück), welches im Südwesten an das Baugrundstück angrenzt. Das klägerische Anwesen und das Anwesen der Beigeladenen bilden zusammen mit dem Anwesen auf dem Grundstück … straße 109 eine dreiteilige Reihenhauszeile.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2021 genehmigte die Antragsgegnerin den Bauantrag vom 12. August 2021 nach PlNr. … mit Handeinträgen vom 2. September 2021 im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Geplant ist neben der Errichtung von Dachgauben an der Vorder- und Rückseite des Reihenmittelhauses auch die Errichtung eines eingeschossigen Wintergartens an der Südseite des Gebäudes. Dieser Wintergarten ist 2,62 m tief und 2,47 m hoch [2,35 bei einer Geländeoberkante von -0,12 m (vermaßt) ] und soll sich – nach der Planung – über die gesamte Breite des Gebäudes der Beigeladenen erstrecken.
Mit Schriftsatz vom 3. November 2021, bei Gericht am 4. November 2021 eingegangen, erhoben die Antragsteller Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, mit dem Antrag, die Baugenehmigung vom 4. Oktober 2021 aufzuheben und die Baugenehmigung auf die Errichtung von zwei Dachgauben „zu beschränken“. Über diese Klage ist noch nicht entschieden (M 8 K 21.5738).
Außerdem beantragen die Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen.
Sie führen aus, die Klage richte sich gegen die Genehmigung des „Wintergartens“. Die Errichtung der beiden Dachgeben werde nicht angefochten. Der Wintergarten sei kein Wintergarten im bautechnischen Sinn, sondern vielmehr eine Hausneubauerweiterung. Da die gesamte Hauswand des Erdgeschosses abgebrochen werde, handele es sich um einen Hausanbau mit Einfluss auf die Standsicherheit des Altbaus, der ohne Statiknachweise nicht hätte genehmigt werden dürfen. An der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Antragsteller werde eine bis zu 3 m hohe Mauer angebaut, die in ihrem oberen Teil in das Grundstück der Antragsteller hineinreiche. Die Abstandsflächenvorschriften seien nicht eingehalten. Die Baugenehmigung verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das anfallende Regenwasser des geplanten Neubaudaches habe keine geregelte Abflussmöglichkeit und werde daher an der Grundstücksgrenze abgeleitet. Der Mauerabriss über die gesamte Breite der … straße 111 gefährde die Unversehrtheit des in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts als Einheit erbauten Hauses … straße 109 – 113.
Der Bevollmächtigte der Antragsteller bestellte sich am 15. Dezember 2021. Eine weitere Antragsbegründung erfolgte trotz Ankündigung bis zum 20. Dezember 2021 nicht.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Eilantrag abzulehnen.
Der Vertreter der Antragsgegnerin führte aus, die in der Hauptsache angefochtene Baugenehmigung verletze keine nachbarschützenden Vorschriften. Insbesondere entspreche das genehmigte Vorhaben den Anforderungen an gegenseitiger Rücksichtnahme nach den Grundsätzen der sog. Doppelhausrechtsprechung. Hierbei sei zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der gemeinsamen Höhe der aneinander gebauten Gebäude für das Maß der Übereinstimmung der Gebäude eine besondere Bedeutung zukomme. Eine Abstandsflächenverletzung durch den Wintergarten scheide wegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO aus. Der weitere Vortrag der Antragsteller betreffe keine Vorschriften, die im Prüfungsumfang des vereinfachten Genehmigungsverfahrens seien. Da die Klage in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg habe, überwiege das Vollzugsinteresse der Beigeladenen.
Die Beigeladene äußerte sich nicht.
Wegen der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird im Übrigen auf die vorgelegten Behördenakten, sowie die Gerichtsakten in diesem und im Hauptsacheverfahren (M 8 K 21.5738) Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung voraussichtlich keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 59 Bayerische Bauordnung (BayBO)).
1. Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Klage, bezüglich welcher sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehren, ausdrücklich nur gegen die Baugenehmigung, soweit die Errichtung eines Wintergartens auf der Südseite des Gebäudes des Baugrundstücks genehmigt wurde. Gem. § 122 i.V.m. §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO ist das tatsächliche Rechtsschutzziel der Antragsteller zu ermitteln. Ihr auslegungsbedürftiger Klageantrag („Beschränkung der Baugenehmigung auf die Errichtung der Dachgauben“) ist vorliegend dahingehend zu verstehen, dass sich die Klage nur gegen die Erteilung der Baugenehmigung für den Wintergarten richtet. Dies wird durch die Klage-/Antragsbegründung deutlich („Die Errichtung der beiden Dachgauben wird nicht angefochten“).
Die Baugenehmigung ist zwar grundsätzlich nicht teilbar, da sie die einheitliche und deshalb grundsätzlich unteilbare Feststellung enthält, dass das im Bauantrag beschriebene und zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben (s. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. BayBO) in seiner Gesamtheit nicht gegen zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Die Baugenehmigung stellt, sofern sie sich nicht ausnahmsweise auf mehrere selbstständige Bauvorhaben bezieht, nicht eine Zusammenfassung von Einzelbaugenehmigungen für die verschiedenen Bauteile eines Bauvorhabens dar (vgl. BayVGH, B. v. 7.8.2012 – 15 CS 12.1147 – juris Rn. 14; BayVGH, U. v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – BayVBl. 2019, 562 – Rn. 30). Eine Teilanfechtung im Rahmen der Nachbarklage ist jedoch ausnahmsweise möglich, sofern die Teilung der Anlage bautechnisch möglich und mit ihrer vom Bauherr bestimmten Funktion zu vereinbaren ist (vgl. VG München, B.v. 14.4.2020 – M 8 SN 20.1256 – juris Rn. 37). Dies ist hier der Fall, da die Errichtung der Dachgauben und des Wintergartens weder baulich noch in ihrer Nutzung in Verbindung stehen.
2. Der so ausgelegte Antrag bleibt ohne Erfolg, da er unbegründet ist.
2.1. Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung hat gem. § 212a Baugesetzbuch (BauGB) keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Nr. 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob das Suspensivinteresse des Nachbarn oder das Vollzugsinteresse des Bauherrn höher zu bewerten ist. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sind als wesentliches, jedoch nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80a Rn. 25f.).
Verletzt die angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten, so besteht kein öffentliches Interesse an deren Vollziehung. Dagegen stellt es ein gewichtiges Indiz für das Überwiegen des Vollzugsinteresses dar, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg verspricht. Sind die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage des Nachbarn offen, so erfolgt eine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Gesichtspunkte (BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18).
2.2. Dies zugrunde gelegt überwiegt das Vollzugsinteresse der Beigeladenen das Suspensivinteresse der Antragsteller, da die Baugenehmigung vom 23. August 2021 nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglich, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich nicht gegen drittschützende Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, verstößt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Vorschriften beruht, die dem Schutz des Nachbars zu dienen bestimmt sind und die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren jedoch nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 NVwZ 1998, 58 – juris Rn. 3; BayVGH B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08/2132 – juris Rn. 3).
2.2.1. Das streitgegenständliche Vorhaben verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, über das die zu § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO entwickelten Grundsätze zu Doppel- und Reihenhäusern Anwendung finden, weil es sich aus der bestehenden dreiteiligen Reihenhauszeile nicht in einer Weise abhebt, die gegen die Anforderung der wechselseitigen Verträglichkeit verstößt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98, BVerwGE 110, 355 – juris Rn. 16 ff.) werden gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO in der „offenen Bauweise“ die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. „Gebäude“ im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist das Doppelhaus bzw. die Hausgruppe als bauliche Einheit, da die Errichtung als Gesamtgebäude (mit seitlichem Grenzabstand) mit einem Grenzabstand vor den äußeren Seitenwänden des Doppel- oder Reihenhauses erfolgt. Ein Doppelhaus entsteht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann, wenn zwei Gebäude derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. Zwar können die ein Doppelhaus bildenden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zueinander versetzt oder gestaffelt aneinander gebaut werden; soweit diese Gebäude jedoch als zwei selbständige Baukörper erscheinen, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, bilden sie kein Doppelhaus. Erforderlich ist weiterhin, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden, da insoweit das Erfordernis der baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Element enthält (BVerwG, U.v. 24.2.2000, a.a.O., Rn. 20). Für die Hausgruppe im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO, die aus mindestens drei auf benachbarten Grundstücken stehenden Gebäuden besteht, die durch Aneinanderbauen an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu einer Einheit zusammengefügt werden und deren Kopfhäuser einen seitlichen Grenzabstand einhalten (BayVGH, U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 25), gelten die gleichen Grundsätze. Eine Hausgruppe im klassischen Sinn ist eine Gruppe von Reihenhäusern, wie sie vorliegend durch die drei Gebäude … straße 109 – 113 gebildet wird. Erforderlich ist daher, dass das Bauvorhaben mit der vorhandenen grenzständigen Bebauung auch nach Anbau des Wintergartens eine Hausgruppe bildet. Ob die Gebäude eine bauliche Einheit bilden, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22). In quantitativer Hinsicht sind dabei insbesondere die Geschosszahl, die Gebäudehöhe, die Bebauungstiefe und -breite sowie das durch diese Maße im Wesentlichen bestimmte oberirdische Brutto-Raumvolumen heranzuziehen. In qualitativer Hinsicht ist unter anderem auch die Dachgestaltung und die sonstige Kubatur des Gebäudes zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12/14 – juris Rn. 14 u. 18; U.v. 14.9.2015 – 4 B 16/15 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 27; B.v. 15.9.2015 – 2 CS 15.1792 – juris Rn. 13).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fügt sich das streitgegenständliche Bauvorhaben in einer die wechselseitige Verträglichkeit beachtenden Weise in die dazugehörige Hausgruppe ein. Der auf dem einseitigen bzw. bei einer Hausgruppe zum Teil beidseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände basierende Interessenausgleich ist gewahrt, da durch das Vorhaben kein Gebäude entstehen wird, das sich als anderer Haustyp darstellt. Der streitgegenständliche Teil der Baugenehmigung erlaubt die Errichtung eines Wintergartens. Der geplante Wintergarten verändert das Gesamterscheinungsbild eines harmonischen Gesamtbaukörpers nicht. Auch das Gebäude …str. 109 hat einen Wintergarten. Der geplante Wintergarten nimmt die Tiefe und Höhe des Wintergartens auf dem Nachbargrundstück …str. 109 auf. Die Maße des Wintergartens fallen im Vergleich zu denen des Hauptbaukörpers nicht ins Gewicht. Mit einer Grundfläche von 19,6 m², einer Traufhöhe von 2,47 m und einer Tiefe von 2,62 m ist der Wintergarten nicht geeignet, die bauliche Einheit des zweigeschossigen ca. 21 m breiten und ca. 9 m tiefen Reihenhauszeile maßgeblich zu beeinflussen. Die Gebäudetiefe vergrößert sich durch den Wintergarten nur im Erdgeschoss. Das Gesamterscheinungsbild eines harmonischen Gesamtkörpers verlangt nicht, dass die einzelnen Häuser deckungsgleich errichtet werden müssen. Ein einheitlicher Gesamtkörper kann auch noch vorliegen, wenn dieser durch kleinere Vor- und Rücksprünge aufgelockert wird (BayVGH, U. v. 9.2.1999 – 14 B 96.2272; U. v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789; BVerwG, B.v. 14.09.2014 – 4 B 16/15).
2.2.2. Soweit die Antragsteller vortragen, das Vorhaben habe Einfluss auf die Standsicherheit des Altbaus und hätte ohne Statiknachweise nicht genehmigt werden dürfen, ist dies im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens und bei der Überprüfung der Baugenehmigung rechtlich irrelevant (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 15 ZB 17.58 – juris Rn. 14), da die Frage der Standsicherheit nicht Prüfungsgegenstand im Baugenehmigungsverfahren war, die Baugenehmigung deswegen insoweit keine Regelung trifft und die Antragsteller damit durch die Baugenehmigung nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt sein können.
Im vereinfachten Genehmigungsverfahren gehören bauordnungsrechtliche Vorschriften, wie Anforderungen an die Standsicherheit gem. Art. 10 Satz 3 BayBO nur dann gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO zum Prüfprogramm der Baugenehmigungsbehörde, wenn insoweit Abweichungen beantragt wurden oder sich gemäß Art. 59 Satz 1 Alt. 2 BayBO für das Vorhaben aus einschlägigen örtlichen Bauvorschriften entsprechende Anforderungen ergeben. Vorliegend waren im hier durchzuführenden vereinfachten Genehmigungsverfahren keine Abweichungen beantragt, sodass die Anforderungen des Art. 10 Satz 3 BayBO nicht Prüfungsgegenstand waren. Die streitgegenständliche Baugenehmigung trifft zu den Fragen der Standsicherheit keine Aussage, sodass schon deswegen keine Verletzung von Nachbarrechten in Betracht kommt und offenbleiben kann, ob Art. 10 Satz 3 BayBO Nachbarschutz im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens vermittelt.
Eine mögliche Beeinträchtigung der Standsicherheit des Gebäudes der Antragsteller ist kein im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu prüfender Belang (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2582 – juris Rn. 2; B.v. 24.11.2016 – 1 CS 16.2009 – juris Rn. 5). Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den Vorschriften des öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des öffentlichen Baurechts und durch den Regelungsumfang der Baugenehmigung beschränkt. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot wegen Beeinträchtigung der Standsicherheit scheidet damit aus, weil die Baugenehmigung zur Frage der Standsicherheit keine Aussage trifft.
2.2.3. Auch der Vortrag der Antragsteller, das anfallende Regenwasser habe auf dem Dach des Wintergartens keine geregelte Abflussmöglichkeit, sodass es an der gemeinsamen Grundstücksgrenze abgeleitet werde, verhilft der Klage in der Hauptsache nicht zum Erfolg. Zwar kann ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in Betracht kommen, wenn das Niederschlagswasser auf das Grundstück des Nachbarn abgeleitet wird und es dadurch zu unzumutbaren Überschwemmungen auf dem Nachbargrundstück kommt (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2006 – 1 CS 06.2717 – BRS 70 Nr. 126 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 22.2. 2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 19). Abgesehen davon, dass es vorliegend schon an substantiiertem Vorbringen dazu fehlt, dass die fehlende Abflussmöglichkeit zu unzumutbaren Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks führen würde, enthält die Baugenehmigung vorliegend keine Aussage dazu, dass die Abführung von Oberflächenwasser den Vorschriften des öffentlichen Rechts entspricht, sodass die Antragsteller in diesem Punkt auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche (vgl. § 1004 Abs. 1 BGB) beschränkt sind (vgl. oben). Die Anwendung der zum bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot entwickelten Grundsätze wird durch den Regelungsumfang der jeweils erteilten Baugenehmigung begrenzt (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2014 – 15 CS 14.949 – juris Rn. 15).
2.2.4. Das streitgegenständliche Vorhaben verstößt auch nicht gegen bauordnungsrechtliches Abstandsflächenrecht. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Auf dem Baugrundstück darf, wie oben bereits ausgeführt, an die Grenze gebaut werden, da das Gebäude auf dem Baugrundstück mit dem Gebäude auf der … straße 109 und 113 ein Reihenhaus bildet, das den Verzicht auf seitliche Abstandsflächen an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen beinhaltet.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt, und sich somit auch keinem Kostenrisiko entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt, so dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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